Vom 29. bis 30. April fand die jährliche Loccumer Fachtagung Schulaufsicht / Schulinspektion statt. Mehr als 60 Führungskräfte der Niedersächsischen Landesschulbehörde (NLSchB) und des Niedersächsischen Landesinstituts für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) folgten der Einladung des Religionspädagogischen Instituts (RPI) und kamen unter dem Oberthema „Demokratiefähige Schule“ zu Vorträgen und Gesprächen in Loccum zusammen.
Ulrich Dempwolf, Präsident der NLSchB, unterstrich in seiner Begrüßung die Wichtigkeit dieses Themas. Er habe sich als Schulleiter immer geärgert, dass viele seiner Schülerinnen und Schüler so unpolitisch gewesen seien. Umso wichtiger sei es deshalb, sich Gedanken darüber zu machen, wie man in und an Schule eine politische Haltung entwickeln könne. Dr. Peter Knorn, Vertreter der Präsidentin des NLQ, betonte, dass demokratische Aktivität im Kontext Schule eine Aufgabe für alle Beteiligten sei. Oberlandeskirchenrätin Dr. Kerstin Gäfgen-Track, Bevollmächtigte der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, hob hervor, dass diese Tagung nicht nur eine gute Plattform für den Austausch zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der verschiedenen Behörden sei, sondern zugleich auch eine wichtige Gelegenheit für die Konföderation, um wahrzunehmen und das Gespräch darüber zu suchen, wie sich Schule in Niedersachsen entwickele.
Den Auftakt dieser Tagung bildete der Austausch mit Merle Prick, einer Vertreterin des Landesschülerrates. Die angehende Metallbauerin im Treppen- und Geländerbau, Schülerin an der BBS Nienburg, schilderte die Arbeit des Landesschülerrates und die Motivation für ihr eigenes politisches Engagement – und stellte sich mit bewundernswertem Mut den zahlreichen und detaillierten Fragen der Vertreter der Landesschulbehörde und des NLQ. Merle Prick betonte die Bedeutung der Chancengleichheit für die Bildungsgerechtigkeit und forderte mit Nachdruck kostenlose Fahrkarten für alle Schülerinnen und Schüler sowie die Bereitschaft des Landes, Schulbücher und Tablets für den Unterricht zu finanzieren. Sie berichtete von unterschiedlichen Projekten und Möglichkeiten, sich als Schülerin selbst politisch zu engagieren, beklagte aber auch das mangelnde Interesse seitens einiger Schulen oder der Elterngeneration: „Schüler sind politisch, aber es interessiert keinen!“, musste sie erfahren, und ergänzte deshalb: „Demokratie muss in der Schule viel mehr Thema sein. Denn wie will man Demokratie lernen, wenn man es nicht gezeigt bekommt?“
Das theologische Grundsatzreferat zum Thema „Demokratie 2019“ hielt Dr. Karl-Hinrich Manzke, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippes. Das Vorbereitungsteam habe ausdrücklich gewünscht, dass ein Theologe demokratische Tiefenbohrungen vornehme, betonte PD Dr. Silke Leonhard, Rektorin des RPI und Leiterin dieser Fachtagung. Manzke folgte der Einladung gerne und referierte über die philosophiegeschichtlichen Grundlagen der Demokratie und ihre vermeintliche Krise in der Gegenwart. Er hob hervor, dass die Gesellschaft der westlichen Demokratie vielfältige Errungenschaften wie die Entdeckung der Würde jedes einzelnen sowie die universale Geltung ethischer Prinzipien verdanke, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass diese Demokratie immer wieder gefährdet sei. Denn, so Manzke: „Es gibt keine komplexere Gesellschaftsform als Demokratie. Diktatur kann jeder.“
Am Ende seines Vortrags formulierte Manzke mehrere Aufgaben, denen sich Schulen unter dem Stichwort Demokratiefähigkeit zu stellen hätten. So gelte es unter anderem, den Lebensraum Schule als einen entscheidenden Lernort für demokratische Tugenden weiterzuentwickeln. Wie dies gelingen kann, diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im weiteren Fortgang der Tagung aus unterschiedlichen Perspektiven: Ein Bericht aus dem Kultusministerium zum Bildungspolitischen Schwerpunkt Demokratiebildung, ein Fachvortrag zur Schule als Ort demokratischer Bildung mit einem Konzept für „Lernen durch Engagement“ und die Präsentation verschiedener „Best-Practice“-Beispiele aus unterschiedlichen Schulformen boten die Grundlage für vielfältigen Austausch innerhalb der Teilnehmerschaft. Immer wieder wurde dabei deutlich, wie grundlegend Fragen der eigenen, auch demokratischen Haltung sind. Kerstin Gäfgen-Track sagte dazu: „Die Schülerinnen und Schüler fordern uns heraus, Haltung zu zeigen – und das gerade dann, wenn es unbequem ist.“
Silke Leonhard zog am Ende der Tagung eine positive Bilanz: „Die Tagung hat einen Raum für Gesprächskultur und Austausch geboten, und es war wichtig, dass die Kirche hier als Gesprächspartnerin auch ihre eigene Stimme eintragen konnte. Denn Demokratiebildung, das ist ganz deutlich geworden, ist nicht nur eine Sache des Faches Politik, sondern von Schule insgesamt. Sie ist unabdingbare Grundlage dafür, dass Schule antwortfähig bleibt auf die Herausforderungen der Zukunft.“
Text: Dr. Michaela Veit-Engelmann