Brüssel/Hambühren (epd). Am sechsten Jahrestag des schweren Bootsunglücks von Lampedusa hat "Sea-Watch 3"-Kapitänin Carola Rackete die europäische Politik gegenüber Bootsflüchtlingen kritisiert. Es brauche einen Systemwandel, sagte die die Kapitänin aus Hambühren bei Celle am Donnerstag im Europaparlament in Brüssel. Am wichtigsten sei die Schaffung sicherer und legaler Wege nach Europa, erklärte sie in der Anhörung zum Thema Seenotrettung im Mittelmeer. Bei einem schweren Bootsunglück nahe der italienischen Insel Lampedusa waren am 3. Oktober 2013 mehr als 360 Flüchtlinge ums Leben gekommen.
Auch die Dublin-Regeln zur Verteilung von Asylsuchenden müssten reformiert werden, forderte Rackete. Eine temporäres Umverteilungssystem, das eher auf Rückführungen als Willkommen setze, sei keine realistische Lösung. Rackete hatte zuvor ihre Odyssee mit der "Sea-Watch 3" geschildert, als Italien im Sommer dem Rettungsschiff mit Flüchtlingen an Bord 17 Tage lang die Anlandung verweigerte. Gegen Ende sei die Situation an Bord unhaltbar geworden, es seien "Selbstmord-Wachen" aufgestellt worden, um Suizide zu verhindern, sagte Rackete. Weil sie schließlich gegen italienische Anweisung Lampedusa anlief, laufen in Italien weiter Ermittlungen gegen sie.
In der Parlamentsanhörung kamen auch Vertreter der EU und Italiens zu Wort. Michael Shotter aus der EU-Kommission erklärte, dass allein die Staaten für die Seenotrettung zuständig seien. Die EU-Kommission könne aber, wie in den vergangenen Monaten, die Umverteilung geretteter Menschen koordinieren. Ein Vertreter der EU-Grundrechteagentur, Tamás Molnár, wies darauf hin, dass das Menschenrecht auf Leben Staaten nicht nur das Töten verbiete. Es umfasse auch die Pflicht zum Handeln einschließlich Seenotrettung, wenn Leben unmittelbar in Gefahr seien. Andrea Tassara von der italienischen Küstenwache verteidigte die Zusammenarbeit seines Landes mit der libyschen Küstenwache. Sie habe geholfen, die Rettungskapazitäten der Libyer zu verbessern.
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