Osnabrück/Göttingen (epd). Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen haben zum Weltflüchtlingstag (20. Juni) einen grundlegenden Wandel in der europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik gefordert. Das Kinderhilfswerk terre des hommes verlangte mehr internationale Unterstützung für Flüchtlingsretter. "Wer nicht zusehen will, wie Flüchtlinge im Meer ertrinken, in der Wüste verdursten oder in Stacheldrähten hängenbleiben, ist kein Straftäter, sondern handelt menschlich und folgt seinem Gewissen", sagte Vorstandssprecher Albert Recknagel am Mittwoch in Osnabrück. Der niedersächsische Flüchtlingsrat rief die Staaten der Europäischen Union auf, ihrer humanitären und völkerrechtlichen Verantwortung gerecht zu werden. Die Gesellschaft für bedrohte Völker mahnte internationale Solidarität für die Opfer von Krieg und Vertreibung an.
In Italien ermittelt die Justiz zurzeit gegen Seenotretter einer deutschen Hilfsorganisation. Ihnen drohen bis zu 20 Jahre Haft. "Leben zu retten, wenn Staaten versagen, kann niemals eine Straftat sein", betonte Recknagel. "Anstatt Helferinnen und Helfer zu verfolgen und zu kriminalisieren, sollten sie unterstützt und für ihren Einsatz ausgezeichnet werden."
Terre des hommes kritisierte eine Politik der "Abschottung und Zurückweisung" gegenüber Flüchtlingen durch die EU-Staaten. Nach Angaben der Vereinten Nationen seien zwischen 2014 und 2018 im Mittelmeer über 17.800 Menschen ums Leben gekommen. Die EU-Staaten sähen dem weitgehend tatenlos zu. Das Hilfswerk forderte einen geregelten Zugang für Flüchtlinge in die Aufnahmeländer. Auch in Deutschland habe sich das Meinungsklima gegenüber Flüchtlingen verschlechtert, kritisierte terre des hommes.
Für den Flüchtlingsrat sagte Geschäftsführer Kai Weber, die Staaten des Nordens setzten immer mehr auf Abwehr, statt Verantwortung für den internationalen Schutz der Flüchtlinge zu übernehmen und deren Rechte zu garantieren. Weltweit seien inzwischen rund 70 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Hunger und Ausbeutung. Viele Geflüchtete lebten auch in Deutschland unter prekären Bedingungen. "Menschenwürde und Menschenrechte gelten für alle Menschen gleichermaßen", betonte der Flüchtlingsrat. "Es darf keine Entrechtung und Isolierung von Geflüchteten geben."
Jasna Causevic von der Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen sagte, Millionen Menschen würden gewaltsam vertrieben: "Für sie müssen wir uns einsetzen. Sie brauchen unser Mitgefühl und tatkräftige Unterstützung." Schon seit Jahren warteten Millionen im Libanon, der Türkei, Bangladesch, Griechenland, Bosnien und Herzegowina auf eine politische Lösung in ihren Herkunftsländern. Sie müssten mit ansehen, wie die Zukunft ihrer Kinder durch mangelnden politischen Willen zerstört werde. "Das ist der deutschen Geschichte und der europäischen Idee unwürdig."
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