Bonn/Hannover (epd). Die Spitzen der katholischen, evangelischen und orthodoxen Kirche in Deutschland warnen mit Blick auf die Zuwanderung vor einer "Kultur der Angst". Man dürfe sich nicht anstecken lassen von "der Angst vor den 'Anderen' und der Angst vor der Zukunft", heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten gemeinsamen Wort zur Interkulturellen Woche Ende September. In Deutschland sei es zu einer breit akzeptierten Gewissheit geworden: "Wir leben in einem Einwanderungsland", erklärten der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, Metropolit Augoustinos.
"Wer verfolgt ist, braucht Schutz", betonten Kardinal Marx, Bedford-Strohm und Metropolit Augoustinos: "Es darf nicht bei jeder Gruppe von ankommenden oder sich in Seenot befindenden Menschen gefeilscht werden, wer sie rettet oder aufnimmt." Christen stünden für eine bedingungslose Wertschätzung gegenüber jedem Menschen. Dies beweise sich in besonderer Weise "im Umgang mit denen, die keine Lobby haben: mit Kindern und Armen, Geflüchteten, Geduldeten und Obdachlosen, Kranken und Menschen mit Behinderungen. Das gilt genauso im Umgang mit Menschen, die andere Positionen und Überzeugungen vertreten. Wertschätzung muss zudem erkennbar sein in der Art, wie wir miteinander streiten."
Viele Zuwanderer hätten inzwischen Wohnung, Arbeit und eine Perspektive gefunden und sich in Schule und Ausbildung integriert, erklärten die drei Theologen weiter. Kindern und Jugendlichen müsse der Weg zu Bildung und freier Entwicklung ihrer Persönlichkeit offenstehen. Menschen, die bereits in Ausbildung "beziehungsweise in Lohn und Brot stehen, brauchen das Gefühl der Sicherheit und dürfen nicht in Angst vor einer drohenden Abschiebung leben".
Menschen aus anderen Ländern müssten zudem "unabhängig davon, wie lange sie sich bei uns aufhalten, sehr schnell die Möglichkeit erhalten, Anschluss und Orientierung zu finden, die Sprache zu erlernen und Kontakte zu knüpfen", unterstrichen Marx, Bedford-Strohm und Augoustinos. "Unsere Gesellschaft hat sich an ein interkulturell vielfältiges Zusammenleben gewöhnt", hieß es. "Ohne Zuwanderung hätte Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten nicht den heutigen Wohlstand erreicht, Generationen von Migrantinnen und Migranten haben entscheidend dazu beigetragen." In beachtlicher Weise sei die Aufnahme von mehr als einer Million Menschen in den Jahren 2015 und 2016 bewältigt worden.
Die 44. Interkulturelle Woche vom 22. bis 29. September 2019 steht in diesem Jahr unter dem Motto "Zusammen leben, zusammen wachsen". Geplant sind mehr als 5.000 Veranstaltungen an über 500 Orten im gesamten Bundesgebiet.
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