Margret Rasfeld und Peter Spiegel: EduAction. Wir machen Schule. Murmann-Verlag, Hamburg 2012, ISBN 978-3-86774-181-1, 263 Seiten, 21,90 Euro
Das Buch der beiden Autoren kann in mehrfacher Weise gelesen werden. Es ist einerseits eine Streitschrift für eine bessere Schule in einer zuweilen recht plakativen Gegenüberstellung von „alter“ und „neuer“ Schule. Postuliert wird: Angesichts neuer gesellschaftlicher Herausforderungen ist die Zeit „reif“ für einen „grundlegender Wandel in der schulischen Bildung“ (20). Kinder und Jugendliche werden in eine krisenhafte Zukunft hineinwachsen, daher sind „Visionsbewusstsein, Vorstellungskraft, vernetztes Denken und Handlungsmut … gefragt, um neue Modelle des Zukünftigen zu entwerfen“ (21f). Schulische Reformpädagogik und Gesellschaftspolitik sind in dieser Optik nicht zu trennen, sie bedingen sich gegenseitig.
Andererseits: Das Buch proklamiert nicht nur eine „neue“ Schule, sondern beschreibt das Konzept und die Abläufe einer real existierenden Schule. Es ist die Evangelische Gemeinschaftsschule Berlin Zentrum (esbz), an der Margret Rasfeld mit Charisma, Mut und pädagogischem Sachverstand als Schulleiterin tätig ist. Und in der Tat: Hier wird ganz praktisch und überzeugend gezeigt, dass es „auch anders geht“. Grundlage für die Entwicklung der Lern- und Schulkultur der esbz ist das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung der Agenda 21. Sie fungiert als „Maßstab für das Lernen und Handeln“ (32) und dient als Grundlage für ein Bildungskonzept, das in Form von drei „tragenden Säulen“ – lernen zu handeln, lernen, Wissen zu erwerben und lernen zusammenzuleben – konzeptualisiert wird.
Die Leitsätze der drei Säulen bilden zugleich die Überschriften für die drei zentralen Kapitel des Buches. In diesen Kapiteln wird detailliert und anschaulich beschrieben, warum die esbz zu recht als eine der bekanntesten „Modellschulen“ Deutschlands bezeichnet wird. Die Projekte „Verantwortung“ und „Herausforderung“, Projekte wie „Lehrerfortbildungen durch Schüler“, Umweltprojekte, das Programm Sprachbotschafter zeigen auf eindrucksvolle Weise, dass „Lernen durch Engagement“ keine rhetorische Floskel ist, sondern eine konkrete Gestalt hat (Säule 1). Das Kapitel zur 2. Säule bietet einen Einblick in Konzepte individuellen Lernens in Form von Lernbüros und Logbüchern. Im Kapitel zur „Säule 3“ wird der inklusive Ansatz des Schulkonzepts entfaltet. Zugleich werden die Strukturen des Schullebens – Klassenrat und Schulversammlung – beschrieben, die in besonderer Weise das Bewusstsein einer Schulgemeinschaft fördern sollen. Dazu gehören im Sinne einer „Mut- und Mitmachkultur“ auch religiöse Rituale. Das Folgekapitel weitet den Blick von der esbz zu Reformansätzen, die sich im Rahmen der Lehrerbildung und an anderen Orten aufzeigen lassen. Die Verfasser beabsichtigen durch konkrete Praxisberichte Kollegien zu ermutigen, Reformprozesse in ihren Schulen auf den Weg zu bringen. Zugleich wird die Plattform „Education Innovation Lab“ zur Vernetzung von Bildungsinnovationen vorgestellt. Das Schlusskapitel fasst in Form einer „Landkarte“ noch einmal die Rahmenbedingungen der esbz zusammen. Fazit: Das Buch bietet einen umfassenden Einblick in die Konzeption und praktische Ausgestaltung einer Modellschule in evangelischer Trägerschaft. Allein mit den Projekten „Verantwortung“ und „Herausforderung“ wird beispielhaft gezeigt, was in Schule auf der Grundlage einer „geistigen Mitte“ möglich ist. Ich hätte mir gewünscht, dass die Grundlagen dieser „geistigen Mitte“, das spezifisch evangelische Profil, noch stärker zum Ausdruck gekommen wäre. Religion bietet einen eigenen Sinnhorizont, der sich in gesellschaftspolitische Reformprozesse eintragen lässt, aber in ihnen nicht aufgeht.
Friedhelm Kraft