Die dem Betrachter vertraute biblische Szene der Heiligen Familie in der Heiligen Nacht ist sichtbar reduziert. Reduziert auf die am direkten Geschehen beteiligten Figuren und auf die Geschenke der Könige – allesamt und vollständig in farbige Plastiktüten und Verpackungsmaterialien eingeschlagen. Lediglich die Anordnung der lebensgroß gemalten Figuren enttarnt die Szenerie als Krippensituation.
Das in „unschuldiges” weißes Plastik eingewickelte Jesuskind liegt auf einem tischähnlichen Gegenstand, der durch eine überdimensionale adidas-Tüte verdeckt ist. Maria ist mit rotem Geschenkpapier ummantelt und trägt eine weiße Plastiktüte über dem Kopf, sie hält schützend die Arme um ihr Kind. Dass der Künstler Maria hier in Rot statt in das aus der Ikonografie vertraute Blau kleidet, mag als Hinweis ihrer Liebe zum Sohn gelten bzw. auf den antizipierten Opfertod Jesu deuten.
Hinter Maria und dem Kind, als einzige Figur nur angeschnitten und nicht gänzlich abgebildet, steht Josef, in nichtssagend braunem Plastik, auch sein Gesicht ist unter einer weißen Tüte verschwunden. Beinahe mag man seine Körperhaltung als der Szene abgewendet oder zumindest mit entsetzt vor dem Mund zusammengeschlagenen Händen verstehen. Angesichts seiner Rolle in der ganzen Geschichte verwundert dieses Beinahe-Verschwinden der Figur den Betrachter nicht.
Zwei der drei Könige, die alle in unterschied-lich farbigem Geschenkpapier bzw. Verpackungsmaterialien wie beispielsweise eine dm-Tüte gekleidet sind, knien vor dem Kind, in den Händen ihre Geschenke – lieblos eingewickelt in eine Edeka-, coop- und (vermutlich) adidas-Tüte.
Der Ort des heiligen Geschehens ist reduziert auf einen steril und kalt wirkenden senfgrünen Untergrund sowie einen nachtschwarzen Hintergrund ohne jede Lichtquelle. Wie die drei Könige ohne den legendären Stern von Bethlehem diesen Ort gefunden haben, bleibt für den Betrachter unbeantwortet.
Die Szene wirkt dem biblischen Geschehen und seinem theologischen Kern entfremdet. Vergeblich sucht man in all dem Plastik nach der Heilsbotschaft des Jesuskindes – erscheint doch eine Menschwerdung Gottes ironisch angesichts eines weißen Plastikbündels.
Die Personen bleiben gesichtslos. Der Betrachter hat keine Chance, hinter dem Plastik zu erkennen, was das Ereignis der Heiligen Nacht mit den Menschen macht. Ist Weihnachten nun auch schon für die direkt Beteiligten zur Privatsache geworden? Entscheidet jede und jeder hinter dem Berg an Geschenkpapier und Plastiktüten selbst, wie viel Frohe Botschaft sich auf seinem Gesicht spiegelt?
Auch die Geschenke der Könige vermitteln keine Freude des Schenkens und Beschenktwerdens mehr. Sie bleibt verborgen unter der Verpackung und als Konsumartikel bestimmter Marken austauschbar. „Die Anbetung der Könige” gilt offenbar nicht mehr dem Kind, sondern der Wirtschaft und der Werbung.
Im Vergleich zu traditionellen Krippendarstellungen wird deutlich, dass der Stall als Ort fehlt und mit ihm die Krippe – als Zeichen absoluter Armut, die hier im Kontrast zu den Markennamen steht. Ebenfalls wird auf die Abbildung aller himmlischer Zeichen (Stern und Engel) sowie die wesentlichen Vertreter des Irdischen (Hirten und Tiere) verzichtet. Die Attribute des Lebendigen in der Stallsituation weichen einer sterilen, lieblosen Künstlichkeit. Und die weckt im Betrachter den Wunsch, das ganze Plastik zusammenzuraffen und zu entsorgen.