„Ob wir leben oder sterben – wir sind des Herrn“
Römer 14,8; Wahlspruch von Herzog Franz
Mit seiner Schlosskapelle beherbergt das Schloss Gifhorn eine Kostbarkeit protestantischen Kirchenbaus – diese gilt es kirchenpädagogisch zu erschließen und fruchtbar zu machen für das Verstehen von (Orts-) Geschichte, Theologie und Architektur zur Zeit der Reformation. [1]
Wie die Inschrift am Kämpfer der oberen Empore der Kapelle dokumentiert, wurde sie 1547 errichtet. Damit gilt die Schlosskapelle Gifhorn als drittältester protestantischer Kirchenneubau nach Neuburg an der Donau (1543) und Torgau (1544) [2] Sie liegt heute etwas versteckt hineingebaut in die Nordostecke des Schlosses und verbirgt den Eingang der ebenerdigen Kasematten durch eine hervorstehende Treppe – aber vom Schlosshof aus betrachtet fällt sie sofort durch ihren dekorativen Eingangsbereich mit Empore und Arkadengang sowie ihre beiden hohen, zweibahnigen, an die Gotik angelehnten Maßwerkfenster als ein „anderer“ Ort auf. Auch der repräsentative, im Stil der Renaissance im Weserraum gebaute Giebel [3] mit zentral aufgesetztem Glockenhäuschen zeigt: Mit dem Bau dieser Kapelle bekennt sich ihr Bauherr sichtbar als – protestantischer – Herzog.
Herzog Franz – ein protestantischer Fürst
Dem Bauherren dieser Kapelle, Herzog Franz, 1508 als dritter Sohn Herzog Heinrichs (der Mittlere) von Braunschweig-Lüneburg geboren, war es zunächst bestimmt, Nachfolger des Hildesheimer Bischofs Johann IV. (im Amt seit 1504) zu werden. Doch im Gefolge der Hildesheimer Stiftsfehde zerbrach dieser Plan. Wie seine beiden älteren Brüder Otto und Ernst kam Franz daher zu Erziehung, Ausbildung und Studium an den Kursächsischen Hof. [4] Lebte er zunächst mit seiner Mutter in Torgau und Lochau, stand er von 1524 an gänzlich im Dienst der Kurfürsten. Er wird als Student in Wittenberg erwähnt, ob er jedoch selbst mit Luther schon während seiner Zeit in Wittenberg in Kontakt stand oder wann er sich den reformatorischen Überzeugungen zugewandt hat, ist unklar. Während seiner Zeit am kursächsischen Hof führte Franz ein unstetes Leben „als Sendbote des neuen Glaubens“. [5] Er beteiligte sich am Torgauer Bund 1526 und unterzeichnete 1529 die Protestation von Speyer [6] und im Jahr darauf die lateinische Fassung der Confessio Augustana. 1536 endete der Dienst am kursächsischen Hof und Franz kehrte zurück nach Celle. Er teilte sich zunächst mit seinem Bruder Herzog Ernst die Herrschaft. Nach längeren Verhandlungen wurde Franz 1539 von Ernst mit dem Schloss Gifhorn, den schuldenfreien Ämtern Gifhorn und Fallersleben sowie dem Kloster Isenhagen abgefunden. [7]
Die Stadt Gifhorn zur Reformationszeit
Gifhorn war eine vergleichsweise kleine „Stadt“, [8] aber günstig am Zusammenfluss von Aller und Ise und am Schnittpunkt von Salzstraße und Kornstraße gelegen. Während der Hildesheimer Stiftsfehde wurde Gifhorn am 20. Juni 1519 fast völlig zerstört. 1525 begann Herzog Ernst von Celle aus mit dem Bau eines Schlosses an neuer Stelle, etwas außerhalb nördlich der Stadt gelegen. Von 1527 an führte er im Herzogtum Lüneburg die Reformation ein: [9] Gifhorn wurde Patronatskirche und Sitz der Superintendentur. Mit der Teilung des Herzogtums wurde Gifhorn 1539 Residenzstadt. Herzog Franz führte den Bau des Schlosses weiter; als Baumeister holte er Michael Clare aus Celle. 1544 erließ Herzog Franz eine „Reformatio und Ordnung“ für Gifhorn. In ihr ordnet er das kommunale Leben; darin wird seine Rolle als verantwortlicher Landesherr in zweifacher Hinsicht deutlich: zum einen nimmt er die Bedürftigen in den Blick und regelt ihr Auskommen, [10] zum andern verpflichtet er sich, „auch in Christlichen, rechtmeßigen Sachen, nach unsern Vermögen, schirmen, Vertreten und Verteidigen wollen“ [11]. 1547 wurde die Schlosskapelle vollendet; im Oktober desselben Jahres heiratete er Klara von Sachsen-Lauenburg in Ratzeburg. Auch wenn Herzog Franz nicht durchgängig in Gifhorn war,´ [12] kam Gifhorn zu seiner Zeit doch von völliger Zerstörung zu herzoglichem Glanz in reformatorischer Prägung. Nach dem Tod Herzog Franz 1549 fiel Gifhorn zurück an das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg; Herzogin Klara lebte auf ihren Witwensitz Schloss Fallersleben.
Die Schlosskapelle – Zeichen protestantischen Bekenntnisses
Während normalerweise protestantische Gemeinden die vorhandenen Kirchen einfach den neuen liturgischen Bedürfnissen anpassten, nutzte Herzog Franz den Weiterbau seines Schlosses zum Neubau einer ausdrücklich protestantischen Kapelle. [13]Sie wurde zum Jahr 2008 weitgehend dem Urzustand entsprechend restauriert. [14]
Die kleine einschiffige Kapelle ist nicht streng geostet. [15] Der Chorraum ist aus dem Baukörper herausgelöst; er ist gebildet aus den fünf Seiten eines Achtecks, die jeweils zweibahnige Maßwerkfenster prägen. Ein Netzrippengewölbe überspannt den gesamten Baukörper; dabei werden die zehn Rippen nicht von Säulen getragen, sondern wachsen aus den Wänden heraus. Dem Chorraum gegenüber erstreckt sich an der südwestlichen Kapellenwand die zweigeschossige Emporenanlage; [16] beide Emporen werden jeweils durch zwei Gurtbögen getragen, die in der Mitte auf einem Rundpfeiler ruhen; auf dem Kämpfer der unteren Empore findet sich die Inschrift: „Anno dni 1547“. Zum Kirchenraum hin ist die Brüstung beider Emporen mit unterschiedlichem Maßwerk aus Steinguss [17]verziert; nach oben hin schmückt sie jeweils ein freies Rippengewölbe. Vor dem rechten Fenster der unteren Empore findet sich ein Schlussstein, der mit den Initialen F(ranz) und K(lara) versehen ist. Beide Emporen hatten Zugänge zu den jeweiligen Wohnbereichen. Die untere Empore ist zusätzlich durch eine 14-stufige Treppe mit dem Abendmahlsraum verbunden.
Gibt es baulich keine Trennung von Kirchenschiff und Chor, wie es idealiter dem Priestertum aller Gläubigen entspricht, fallen gleichwohl mehrere Trennungslinien auf: Im Chorgewölbe sind die Rippen in verschiedenen Grautönen marmoriert, im Schiff hingegen unregelmäßig grau-grün-rot-weiß-schwarz (Inkrustation). Vielleicht greift die Architektur hier einen Wandel in der Himmelsmetaphorik auf: Lässt das Gewölbe im Chorbereich deutlich die vier (sechs) Zacken eines achtzackigen Stern erkennen und betont damit die Sinnhaftigkeit des Kirchengebäudes (Kirche als Weg zum Himmel o.ä.), so deutet sich im Grünton des das Kirchenschiff prägenden Netzgewölbes das Verständnis von Kirche als Himmelslaube an. [18]
Zum anderen markiert die Kanzel an der Südseite den Übergang von Chorraum und Kirchenschiff. Sie ragt in den Raum hinein, steht hervorgehoben auf einem achteckigen Fuß, von einer gewundenen Säule getragen. Über der Kanzel befindet sich ein steinerner Schalldeckel, auch er von unten als Sternengewölbe gearbeitet. Die Kanzel selbst ist zur Kapelle hin mit Maßwerk versehen. Bedenkt man, dass sich ursprünglich gegenüber der Kanzel auf einer ebenfalls mit Maßwerk verzierten Empore die Orgel befand, [19] tritt diese Strukturierung und Prägung des Raums durch verkündigtes Wort und antwortende Musik noch eindrücklicher hervor.
Dazu teilen zwei Stufen die Kapelle in zwei weitere Teile: [20]Im nordöstlichen, helleren und höher gelegenen Teil, der fast zwei Drittel des Raums umfasst, befinden sich Altar, Kanzel und Orgel. Der Altar, nur durch zwei Stufen erhöht, ist ganz zurückgesetzt und verbaut die Wandnische unterhalb des Fensters. War früher häufig der Chorraum Altar mit dem Allerheiligsten auch baulich in höhere Sphären gehoben, so erweitert sich hier der in das Kirchenschiff erweiterte Raum zum Abendmahlsraum: Hier wird der Obrigkeit gedacht, hier agiert der Hofprediger am und vor (!) dem Altar – und hier versammelt sich die Gemeinde und nimmt am Abendmahl teil. [21] Das kleinere Drittel des Raums ist gut zur Hälfte unterhalb der Emporen gelegen, deutlich dunkler und gedrungener. Von hier aus dürfte der Hofstaat dem Gottesdienst beigewohnt haben. Versammelte sich also der Herzog mit seinem Gefolge zum Abendmahl, hatte die Gesellschaft selbst ausreichend Platz und der Hofstaat konnte ihm mit gebührenden Abstand aufwarten. [22] So war nicht mehr die Kommunion das „Wunder“, das sich gleichsam auf der Bühne des Chores abspielte, sondern die gemeinsame Austeilung von Brot und Wein die Repräsentation sachgemäßen Bekenntnisses.
Und nicht zuletzt fällt auf, dass die Raumgestaltung erst im oberen Bereich der Kapelle beginnt: Maßwerk und Flechtbänder finden sich erst auf Fürstenhöhe. Hier ist zudem zu beobachten, dass sich die Brüstung der Herzogempore auf 3,52 Meter Höhe befindet, die der Kanzel hingegen nur auf 3,15 Meter, also geringfügig niedriger ist als die des Herzogs. Auf diese Weise bezieht die Architektur das Ständewesen und das daraus erwachsene landesherrliche Kirchenregiment mit ein und verwirklicht so, was Luther zur Einweihung der Torgauer Schlosskapelle 1544 predigte: „Sondern sey und bleibe, was du bist, und thue, was dir befohlen ist und dein Stand mitbringet … Allein, bleib in deinem Stande, und sey zufrieden, du sitzest oben oder untenan, und hüte dich vor dem Uebersteigen.“ [23]
Besonders augenfällig sind die beiden Sarkophage vor dem linken und rechten Chorfenster in der Höhe der Emporen. Während die Nischen unter den Fenstern bis zum Boden durchreichen, finden sich auf Emporenhöhe auf einem Rundbogen ruhend zwei schmale Emporen, in denen links und rechts die Sarkophage von Herzogin Klara und Herzog Franz mit fast lebensgroßen Holzfiguren derselben stehen. [24 ]Beide Figuren sind Richtung Altar bezogen in der Haltung der „ewigen Anbetung“. [25] Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass der flämische Marienaltar von 1511/1520, den Herzog Franz für die Schlosskapelle erwarb, seit 1862 im Landesmuseum Hannover steht. [26] Der seitdem leere Raum oberhalb des Altars wurde nach einem Wettbewerb 1983 durch das Gemälde „Der ungläubige Thomas“ von Johannes Grützke ersetzt. Dadurch entsteht gegenwärtig eine eindrückliche Spannung von in Reformationszeit sehr repräsentativen, aber für uns heute vergleichbar schlichtem Kirchen-bau und „neuer Prächtigkeit“ [27]. Auf dem Sarkophag von Herzog Franz sind die Worte eingemeißelt: „Feteor per Christum solum peccata remitti“ – Allein durch Christus werden die Sünden vergeben. Nicht zuletzt darin zeigt sich das protestantische Bekenntnis Herzog Franz: auch über den Tod hinaus ist er präsent, dem Altar und dem Abendmahl verbunden, Garant dessen protestantischer Praxis in beiderlei Gestalt.
Kirchenpädagogische Erschließung
Als solch sichtbares Bekenntnis protestantischen Glaubens bietet die Schlosskapelle Gifhorn (vor allem auch im Zusammenhang mit dem Historischen Museum Schloss Gifhorn) einen idealen außerschulischen Lernort zum Erschließen von „Reformation“ und den ihr eigenen geschichtlichen Grundzügen, theologischen Impulsen und architektonischen Umsetzungen, wie sie hier konkret vor Ort Gestalt gewannen. Denn je nach Schulform bildet „Reformation“ einen wesentlichen Bestandteil innerhalb der curricularen Vorgaben für die Jahrgangsstufe 7/8; für einige weiterführende Themenbereiche finden sich entsprechende Vorgaben sogar für die Jahrgangsstufe 9/10. [28] Bei je unterschiedlichen Schwerpunkten einer einzelnen kirchen-pädagogischen Begehung lassen sich durch die Schülerinnen und Schüler religiöse Spuren und Traditionen zur Zeit der Reformation wahrnehmen und beschreiben, sie lernen ästhetisch-künstlerische Ausdrucksformen kennen und erläutern und sie erschließen die Schlosskapelle als biographisches und theologisches Zeugnis von Herzog Franz Mitte des 16. Jahrhunderts in Gifhorn. Zudem lassen sich die Ursachen und Wirkungen der Kirchentrennung beschreiben, die Grundaussagen reformatorischer Lehre darstellen oder es lässt sich auch schon das wechselvolle Verhältnis von Staat, Kirche und Gesellschaft in den Blick nehmen. Legt man den Schwerpunkt mehr auf die Nutzung der Kapelle als Grablege Herzog Franz, lassen sich darüber hinaus Formen des Umgangs mit Sterben und Tod beschreiben und deuten; nimmt man hingegen das Altarbild von Grützke stärker in den Blick, lassen sich von hier aus Bilder des Auferstandenen interpretieren und bearbeiten.
Zum Ankommen im Raum, zum Wahrnehmen und Beschreiben einzelner Bauteile und zum Erschließen einzelner Besonderheiten teile ich den Schülerinnen und Schülern je ein bis zwei Fotos mit Motiven aus der Schlosskapelle aus. Dafür habe ich in der Kapelle viele verschiedene Aufnahmen gemacht mit Ausschnitten von Gebäudeteilen, mit Vergrößerungen kleiner Details einzelner Ausstattungsstücke oder von Gegenständen bzw. Gebäudeteilen in ungewohnter Perspektive. [29]Zu ihrem Foto erhalten sie den Arbeitsauftrag, die abgebildeten Dinge in der Schlosskapelle selbst aufzusuchen. So machen sich die Schülerinnen und Schüler auf und erkunden in ihrem eigenen Tempo die Kapelle. Dabei schulen sie ihr Wahrnehmungsvermögen, machen erste Entdeckungen und werden zum Fragen angeregt: sei es, dass sie nicht die zum Foto gehörende Entsprechung in der Kapelle finden, sei es, dass sie Erläuterungen zum Bild bzw. Gegenstand oder Gebäudeteil benötigen, weil sie den Gebrauch nicht kennen oder zugehörige (Be-)Deutungen suchen. Zudem trägt dieser Arbeitsauftrag zur Verlangsamung bei: [30] nicht alle auf den Fotos abgebildeten Gebäudeteile bzw. Details von Gegenständen erschließen sich auf Anhieb oder sind auf den ersten Blick zu finden. Daher fördert diese Erkundungsphase durch die Selbsttätigkeit der Schülerinnen und Schüler und in ihrer Entschleunigung auch ein Einlassen und vielleicht sogar Eintauchen in die zunächst fremde Zeit der Reformation. Nach dieser Erkundungsphase stellen die Schülerinnen und Schüler ihre Fotos und deren gegenständlichen Äquivalente in der Kapelle vor, zeigen den Ort auf, erläutern ihre Besonderheiten und ihren Gebrauch; gemeinsam werden sich daran anknüpfende Fragen angegangen und ggf. weiterführende Hinweise gegeben. Im Rahmen dieser Aufgabe wird sowohl den Schülerinnen und Schülern als auch der Kirchenpädagogin / dem Kirchenpädagogen deutlich, welche (inhaltlichen) Kompetenzen bereits vorhanden sind – so lassen sich nicht zuletzt abschließend Schwerpunkte für eine weitere Erschließung verabreden.
In einem weiteren Schritt teile ich den Schülerinnen und Schülern in kleinen Gruppen Puzzles aus mit Abbildungen von einzelnen Gebäudeteilen sowie ein laminiertes Arbeitsblatt mit Arbeitsaufträgen. Durch sie erarbeiten sich die Schülerinnen und Schüler gemeinsam die repräsentative Außenansicht der Kapelle, die Raumordnung im Inneren mit den Höhenunterschieden von Kanzel und Herzogsempore, die Figur von Herzog Franz auf dem Sarkophag inklusive dem der Aufstellung zugrundeliegenden Raumkonzept oder Form und Bedeutung des Gewölbes. Die Arbeitsaufträge der Arbeitsblätter sind so zusammengestellt, dass zunächst immer ein oder zwei Aufgaben aus dem Anforderungsbereich 1 stammen und die Wahrnehmungs- und Deutungskompetenz der Schülerinnen und Schüler fördern. Hier geht es darum, das Besondere des Dargestellten zu entdecken, zu erkennen und anschließend in Worte zu fassen. Im zweiten Schritt folgen Arbeitsaufträge, die weitgehend dem Anforderungsbereich 2 entstammen: hier sollen die Schülerinnen und Schüler das vorher erfasste mittels zumeist biblischer Quellen deuten, entfalten, in Verbindung bringen oder vergleichen. Zuletzt folgt stets eine kleine Gestaltungsaufgabe, mit der die gewonnen Erkenntnisse kreativ umgesetzt werden sollen. [31]
Immer wieder erweckt das Altargemälde von Johannes Grützke „Christus mit dem ungläubigen Thomas“ (1979/ 83) [32] in der Schlosskapelle widersprüchliche Emotionen – für einen geschlossenen Teilnehmerkreis im Kontext von Schule lässt sich dieses Gemälde in eine kirchenpädagogische Erschließung mit aufnehmen. So sollte die diesem Bild zugrunde liegende biblische Erzählung (Joh 20,24-29) zuvor erzählt werden, [33] sodann erhalten die Schüler Schülerinnen in kleinen Gruppen das Altarbild als laminiertes Foto, ergänzt um Gedanken- bzw. Sprechblasen. So können sie ihren eigenen Gedanken und Gefühlen Ausdruck verleihen und erhalten doch zugleich die Möglichkeit, sie anderen in den Mund zu legen und sich zu distanzieren. Auch ein Vergleich mit anderen Gemälden desselben Themas bietet sich im Nachgang an (z.B. Albrecht Dürer, Cima da Conegliano, del Verrogio, Michelangelo Merisi da Caravaggio); gerade in der Renaissance wandelte sich die Art der Darstellung dieses Motivs eindrücklich. [34] Durch solch einen zunächst produktiven und dann vergleichenden Umgang mit Altargemälde und biblischem Text kann dann weiter natürlich auch kritisch zurück geschlossen werden auf den eigenen Umgang mit biblischen Texten und sogar mit Kirchenräumen: auf welchem Fundament stehen sie, auf welche Tradition bauen sie, welche Gedanken prägen und durchziehen sie.
„Ob wir leben oder sterben – wir sind des Herrn“ – so lässt sich selbst in der relativ kleinen und schlichten Schlosskapelle Gifhorn kirchenpädagogisch einiges machen; der Wahlspruch von Herzog Franz dient der Erschließung als roter Faden, durch den Schülerinnen und Schüler Einsichten gewinnen aus (Orts-) Geschichte, Theologie und Architektur zur Reformationszeit.
Anmerkungen
- Herzlich danke ich Anette Thiele, Museumspädagogin im Historischen Museum Schloss Gifhorn, für wertvolle Anregungen und weiterführende Hinweise.
- Vgl. Wex, Schlosskapelle, 35.
- Wex, Schlosskapelle, 49, macht darauf aufmerksam, dass ursprünglich das Ablagerhaus niedriger und damit der Giebel unverbaut war.
- Zur Familiengeschichte insg. vgl. Streich, Herzog Franz, 12 ff.
- Siebart, Herzog Franz, 73 ff.
- Genaugenommen hat der Kanzler Fürster unterschrieben. Herzog Ernst und Franz befanden sich nicht in Speyer sondern in einem Nachbarort, vgl. Siebart, Herzog Franz, 75.
- Der ältere Bruder Otto wurde bereits 1527 nach nicht standesgemäßer Hochzeit mit der Herrschaft Harburg abgefunden. Das Haus Gifhorn gab Herzog Ernst 1528 als Leibzucht seiner Frau, der Herzogin Sophie (1508-1541); er musste es somit erst auslösen, um Herzog Franz damit abfinden zu können, vgl. Siebart, Herzog Franz, 70.
- Formal ein „Weichbild“, vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Gifhorn; abgerufen am 29. 6. 2016; seit 1428 im Besitz des Fürstentums Lüneburg; Stadtrecht erhielt Gifhorn erst 1852.
- Krumwiede, Kirchengeschichte, 130ff.
- In einem Brief geht er sogar soweit zu schreiben: „… ich will lieber wenigk haben, dan viel mit der armth beßerung.“
- Reformatio und Ordnung des Herzogs Franz von Braunschweig-Lüneburg, 1544. Kopie aus dem 17. Jahrhundert. Archiv der Stadt Gifhorn (freundliche Leihgabe der Stadt Gifhorn an das Historische Museum Schloss Gifhorn).
- Vgl. die Angaben bei Siebart, Herzog Franz, 38. So nahm Herzog Franz z.B. auf Seiten des Kaisers an den Türkenfeldzügen (1536 / 1542) teil und 1546 am Schmalkaldischen Krieg auf der Seite der Protestanten gegen den Kaiser.
- Vgl. Wex, Schlosskapelle, 35f, und Slenzca, Wirkung, Abschn. 5.
- Zur Renovierung insgesamt vgl. Klein, Restaurierung, 57ff.
- Sie misst in der Länge ca. 14 m, in der Breite ca. 8 m und in der Höhe ca. 9,50 m.
- Sie überbaut die beiden Maßwerkfenster zum Schlossinnenhof.
- Zum Material vgl. Klein, Schlosskapelle, S.57.
- Roemer, Kirchenarchitektur, 50ff und 63ff.
- Wex, Schlosskapelle, 51. Nach Streich, Herzog Franz, 29, tat seit 1545 ein Organist seinen Dienst am Schloss mit eigens angeschafftem Clavicord.
- Eine ähnliche Raumaufteilung weist auch die Schlosskapelle in Celle auf. In der Schlosskapelle Gifhorn ist heute der Laienraum durch Podeste auf Höhe des Abendmahlsraums gehoben.
- Slenzca, Wirkung, Abschn. 31ff.
- Zur höfischen Ordnung des Abendmahls vgl. Slenzca, Wirkung, Abschn. 37.
- Luther, Predigt, 257f.
- Herzog Franz hatte mit dem Erhalt Gifhorns als Residenz alle Ansprüche an Celle verloren und schuf sich mit der Schlosskapelle seine eigene Grablege. Er selbst ist in der Kapelle bestattet; Herzogin Klara wurde in Barth (Mecklenburg-Vorpommern) beigesetzt, wo sie zu Besuch bei ihrer Tochter Klara weilte.
- Dass der Bezug weder der jetzige Altar von Johannes Grützke noch der von Herzog Franz eingebaute Marienaltar sein kann, dazu vgl. Wex, Schlosskapelle, 53f.
- Wex, Schlosskapelle, 53.
- So die Bezeichnung des Kunststils von Johannes Grützke.
- Vgl. die jeweiligen Kerncurricula, wie sie zu finden sind unter: http://db2.nibis.de/1db/cuvo/datei/re-e_gym_si_kc_2016.pdf (abgerufen am 03.11.1016).
- Zum Medium Foto vgl. Grethlein, Fachdidaktik, 315.
- Grethlein, Fachdidaktik, 285f.
- Vgl. auch hier wieder die einschlägigen Vorgaben der jeweiligen Kerncurricula.
- Öl auf Leinwand, 275,0 x 205,0 cm.
- Grethlein, Fachdidaktik, 300ff.
- Vgl. Plackinger, Visus, 4.
Literatur
- Grethlein, Christian: Fachdidaktik Religion, Göttingen 2005
- Klein, Kerstin: Die Restaurierung der Schlosskapelle im Jahr 2008, in: Franz von Gifhorn. Auf den Spuren eines Reformationsfürsten, hrsg. v. Museums- und Heimatverein Gifhorn e.V. Gifhorn 2008, 57-65
- Krumwiede, Hans-Walter: Kirchengeschichte Niedersachsen, Bd.1: Von der Sachsenmission bis zum Ende des Reiches 1806, Göttingen 1995
- Luther, Martin: in: Joh. Georg Plochmann (Hg.): Martin Luther‘s vermischte Predigten, 2. Band, Erlangen 1828, 239-262
- Plackinger, Andreas: Visus und tactus. Affekt und Wahrheit in Caravaggios Ungläubigem Thomas. Überlegungen zum religiösen Sammlerbild im Rom des frühen 17.Jahrhunderts, in: kunsttexte.de 4/2010, 1-13
- Roemer, Werner: Kirchenarchitektur als Abbild des Himmels. Zur Theologie des Kirchengebäudes, Kevelaer 1997
- Siebarth, Werner: Herzog Franz von Braunschweig-Lüneburg und seine Zeit. Neun Essays, Hannover 1953
- Slenczka, Ruth: Die gestaltende Wirkung von Abendmahlslehre und Abendmahlspraxis im 16. Jahrhundert: http://ieg-ego.eu/de/threads/crossroads/religionsraeume-und-konfessionsraeu me/ruth-slenczka-die-gestaltende-wirkung-von-abendmahlslehre-und-abendmahlspraxis-im-16-jahrhundert (abgerufen am 29.6.2016)
- Streich, Brigitte: Herzog Franz von Gifhorn und seine Familie. in: Franz von Gifhorn. Auf den Spuren eines Reformationsfürsten, hrsg. v. Museums- und Heimatverein Gifhorn e.V. Gifhorn 2008, 7-34
- Wex, Reinhold: Die Schlosskapelle in Gifhorn. Anmerkungen zum Kirchenbau eines Protestanten der ersten Stunde, in: Franz von Gifhorn. Auf den Spuren eines Reformationsfürsten, hrsg. v. Museums- und Heimatverein Gifhorn e.V. Gifhorn 2008, 35-56