Ein Raum der Stille für alle? - Zur Arbeit mit Texten von Dreizehnjährigen

Von Bärbel Husmann

 

Die nachfolgenden Texte sind im Rahmen einer Klassenarbeit entstanden, die im Anschluss an eine Unterrichtssequenz „Religion im Alltag“ gestellt wurde.[1] Es sind insofern authentische Texte, als sie nicht eigens im Unterricht inhaltlich vorbereitet worden waren, sondern zeigen, wie Schülerinnen und Schüler einer siebten Klasse im Anforderungsbereich III (Transfer) mit Fragen von Religion in der Öffentlichkeit umgegangen sind. Die Positionierungen der Kinder sind wie ihre Begründungen unterschiedlich und mehr oder weniger komplex – und in ihrer Vielfalt und ehrlichen Selbsteinschätzung überraschend.


Methodische Anregungen


Die Texte lassen sich unterrichtlich nutzen, um mit Schülerinnen und Schülern ein Nutzungskonzept für einen „Raum der Stille“ zu erarbeiten.[2] Sie bieten den Vorteil, dass „schwierige“ Argumente – wie zum Beispiel jenes, dass Schüler den Raum verwüsten könnten, oder jenes, dass man (als Muslima!) nicht gerne umgeben von christlichen Schülern beten würde – nicht als eigenes Argument vorgebracht werden müssen, sondern als Argument einer dritten Person diskutiert werden können.

In einem ersten Schritt sollten sich die Schülerinnen und Schüler in Gruppenarbeit jeweils nur mit einer Auswahl der Texte befassen. Sie können die Texte nach Pro und Contra sortieren und die jeweiligen Argumente zusammenstellen. Diese Argumente lassen sich sodann in Gruppen sortieren. Die Kategorien für diese Gruppen sollten von den Schülerinnen und Schülern selbst erarbeitet werden. In einem dritten Schritt sollte festgelegt werden, welches Gewicht den jeweiligen Argumentationsgruppen zukommt: Wie wichtig ist es, dass sich jede Religionsgemeinschaft in so einem Raum der Stille auf das Gebet konzentrieren kann? Wie wichtig ist es, dass die Schule Räume bietet für die Expression des eigenen Glaubens und nicht nur, um etwas zu lernen? Und welches Gewicht haben die unüberhörbaren Stimmen nach Stille und Abschalten?

„Ein Raum der Stille für alle?“ – Die Textsammlung


Ja, ich wäre dafür, in Schulen auch so einen „Stillen Raum“ einzurichten, da man Gläubigen so eine Chance gibt, auch in der Schule ihre Religion auszuüben. Manchmal ist es für Gläubige nicht leicht, z. B. wenn sie wegen ihrer Religion ausgelacht werden. In so einer Situation könnten sich diese Schüler in so einen „Stillen Raum“ zurückziehen und zu Gott beten. Sie könnten dies auch mit gläubigen Mitschülern zusammen tun. So hätten sie vielleicht eine bessere Chance in der Schule.

Es wäre auch gut, wenn in diesem „Stillen Raum“ ein Lehrer als Aufpasser wäre, damit es dort nicht zu laut wird. So könnten sich auch Schüler, die sich vom Schulalltag erholen wollen, dort ausruhen.

Aus diesen Gründen finde ich einen „Stillen Raum“ in Schulen eine gute Idee.
Julia


Nein: Da man es keiner Religion recht machen kann. Es müsste für die Christen ein Kruzifix und eine Bibel geben. Das gleiche gilt auch für alle anderen Religionen. Zwar gibt es auch Menschen, die auch einfach nur Stille brauchen, aber das ist bei jedem anders. Es wäre nicht schlimm, so einen Raum zu haben, aber es ist nicht nötig.

Ja: So ein Raum ist gut für Menschen, denen es gerade nicht gut geht oder die gemobbt werden, da sie sich dort zurück ziehen können und zu Gott beten können.

Fazit: Es gibt Vor- und Nachteile bei so einem Raum. Deshalb tendiere ich nicht zu Ja oder Nein, sondern sage Jein.
Noah  


Nein, es sollte keinen Raum der Stille geben, da er sehr wahrscheinlich nicht wertgeschätzt und verunstaltet würde. Außerdem sind die Räume der Schule zum Lernen da, denn man kann auch zu Hause oder in einer Kirche/Synagoge/Moschee beten.
Jessica 


Es sollte in der Schule einen „Raum der Stille“ geben, weil man dort in der Pause beten kann, wenn man z. B. nach der Pause oder in der Woche einen Test oder eine Arbeit schreibt. Aber ich selber finde, dass man, wenn man so einen Raum hat, ihn in zwei Hälften teilen sollte. Die Muslime in der einen Hälfte und die Christen in der anderen Hälfte. Sonst nimmt man die Aufgabe zu beten nicht ernst. Man kann auch beten, wenn man einer anderen Person Glück wünscht oder deren Familie Gesundheit wünscht.
Moschda  


In Schulen sollte es einen Raum der Stille geben, weil die Religion für einige Menschen sehr wichtig ist und sie gerne beten. Ein Raum der Stille wäre dafür sehr gut geeignet. Und auch in anderen staatlichen Gebäuden sollte es einen Raum der Stille geben, weil man sich einfach zurückziehen und in Ruhe beten kann.
David  


Ich finde, es ist die Entscheidung der Schüler. Wir leben in einer Demokratie und da sollte es jedem frei stehen zu beten oder nicht. Es gibt natürlich strenge Religionen, wo es bestimmte Gebetszeiten gibt. Aber so ein „Raum der Stille“ wäre nicht schlecht, denn nach einem anstrengenden Schultag kann man mal abschalten, denn er sollte nicht nur zum Beten da sein.
Luca 

 

Anmerkungen

  1. Die Aufgabe lautete: „Sollte es in Schulen einen ‚Raum der Stille’ geben, in dem Schülerinnen und Schüler aller Religionsgemeinschaften sich zum Gebet zurückziehen können? Begründe deine Antwort.“ (7ac, Gymnasium Meckelfeld, 16.11.2015). Die Alternative, einen Raum für Christen und einen Gebetsraum für Muslime bereit zu stellen, wurde bewusst nicht gewählt, sondern es sollte das Nebeneinander verschiedener religiöser und nicht-religiöser Auffassungen und ihr Miteinanderleben in der Schule reflektiert werden.
  2. Vgl. Bärbel Husmann, Räume der Stille, in: Ralf Koerrenz/Michael Wermke (Hg.), Schulseelsorge. Ein Handbuch, Göttingen 2008, 168-172, sowie Christofer Zöckler/Ulrike Flügge, Ein „Raum der Stille“ in der Schule. Ein Bericht, in: Loccumer Pelikan 1/2006, 17-21.