Friedhöfe – Hintergründe und Erkundungsideen

von Hartmut Rupp

 

Friedhöfe können ähnlich wie Kirchen erschlossen werden. Ausgangs- und Grundform ist eine Erkundung, die die Gesamtanlage, Grabformen, Grabmäler, Grabzeichen, Grabpflanzen sowie die Möblierung und die Norm erschließt.

Daneben treten geistliche Führungen, die Deutungen des Todes an Grabmäler aufsuchen und dafür spirituelle Formen wie zum Beispiel die Predigt oder die Meditation in Anspruch nehmen. Vorzustellen ist, dass Grabmäler sprechen und so ihre Botschaft hörbar machen. So entsteht ein spiritueller Weg durch den Friedhof.



1. Wahrnehmen

Friedhöfe liegen meist am Rande eines Ortes oder Stadtteils. Die Nähe zu stark befahrenen Straßen wird eher gemieden. Sie sind von einer Mauer oder einem Zaun umgeben und stellen sich so als abgegrenzter Raum dar. Auf den Friedhof führen Tore, die abends abgeschlossen werden. Vor dem Friedhof sind meist Parkplätze angelegt. Das Wort „Friedhof“ kommt von Umfriedung. Friedhöfe sind also umfriedete Höfe. Sie haben ein eigenes „Mobiliar“ (Gräber, Wege, Brunnen, Sammelstellen, Kapellen, Wirtschaftsgebäude etc.), von dem es viel zu entdecken und zu deuten gibt.



2. Erklären

Friedhöfe sind „Räume der Toten“. Hier „wohnen“ die Toten in ihrem mit Nummern und Zahlen bezeichneten Grab. Sie sind in der Regel unter ihrem Namen zu finden. Auf den Friedhof werden Menschen von den Lebenden gebracht, wenn ihr Lebensweg zu Ende gegangen ist. Das Grab ist somit das Ende des letzten Weges, der am Sterbeort beginnt und meist (aber nicht immer) in der Friedhofskapelle noch Halt macht. Hier ist Gelegenheit, sich des Verstorbenen zu erinnern, Abschied zu nehmen und Trost zu erfahren. In der Bestattung übergeben die Lebenden den Toten der Erde (Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub). Dieser Weg kann als Übergang vom Raum der Lebenden in den Raum der Toten gedeutet werden. Auf diesem Weg wird von der lebenden Person Abschied genommen und als Toter in Erinnerung gebracht. Der Tote begegnet jetzt nur noch im Modus der Erinnerung. Die Bestattung bereitet die Hinterbliebenen auf ein verändertes Leben vor. Es zeigt sich, dass die Bestattung sowohl etwas mit dem Verstorbenen als auch mit den Hinterbliebenen macht.

 

Ort des Abschieds und der Erinnerung, Ort der Toten und der Lebenden

Der Friedhof ist ein Ort des Abschieds, des Rituals, der letzten Ruhe und auch eine Stätte der Erinnerung und der Trauer. Hier kann man sich Früherer erinnern und den Tod eines lieben Menschen betrauern. Um dies zu gewährleisten, verlangt die Friedhofsordnung ein Verhalten, das der Würde des Ortes entspricht. Fahrzeuge dürfen nur im Schritttempo fahren, Hunde müssen draußen bleiben, Grabstätten dürfen nicht betreten werden.

Für Christen ist die Bestattung nicht nur ein Ritual des Übergangs, sondern vor allem auch ein Ritual der Übergabe. Die von der Auferstehung Christi her konzipierte Bestattungsliturgie endet damit, dass der Verstorbene der Gnade Gottes anbefohlen wird. „Wir befehlen N. N. in Gottes Hand. Sie/er ruhe in Frieden und das ewige Licht leuchte ihr/ihm.“ (Badische Bestattungs-Agende, S. 39). Dies macht den Friedhof zugleich zu einem Ort der Verkündigung und des Trostes.

Als öffentlicher Raum unterliegt der Friedhof bestimmten Regeln und Vorgaben. So ist die Größe der Gräber, der Grabsteine, der Ruhezeiten, aber auch die Bepflanzung und die Besuchszeit normiert. Damit sollen aber nicht nur hygienische Vorschriften beachtet, sondern auch die Würde der Toten soll geschützt werden. Mit dem Übergang in den Raum der Toten übernimmt hierzulande der Staat den Schutz der Totenwürde, die aus der Menschenwürde abgeleitet wird. Der Name auf dem Grabstein will diese personale Würde noch einmal herausstellen. Durch den Tod wird der Leichnam nicht einfach zur Sache oder gar zum Entsorgungsfall.

Friedhöfe als Räume der Toten sind immer auch Räume der Lebenden. Die Lebenden besuchen die Toten. Darauf weisen auch die Bänke, die zum Ausruhen einladen. Vielfach sind Friedhöfe auch als Stätten der Ruhe und Erholung konzipiert. Immer mehr Friedhöfe bieten den Lebenden Gelegenheiten, sich mit Tod und Trauer auseinanderzusetzen.


Geschichte der Friedhöfe

Der hierzulande weitgehend noch christlich gestaltete Friedhof hat eine 2000-jährige Geschichte. In der Antike schlossen sich die Christen der Gepflogenheit an, Tote außerhalb der Städte in Totenstätten (Nekropolen) zu bestatten. Dies zeigt sich heute noch in südeuropäischen Friedhofsanlagen wie zum Beispiel in Portugal. Anders als in der nicht-christlichen Umwelt sah man jedoch in dem Begräbnis keine Sache der Familie, sondern der christlichen Gemeinde. Bevorzugte Begräbnisstätten waren unterirdische Anlagen (Katakomben), in denen die Toten in Nischen bzw. Grabkammern bestattet wurden. Üblich war also die Körperbestattung, die im 3. Jahrhundert für alle Toten im Römischen Reich durchgeführt wurde. Nach der Anerkennung des Christentums im Jahre 391 kam das Friedhofswesen ganz in kirchliche Hand. Bevorzugt wurden Gräber in der Nähe von Märtyrergräbern, über denen zum Teil Altäre errichtet wurden.

Unter Karl dem Großen wurde festgelegt, dass die Gräber bei den Kirchen angelegt werden sollen. Die Verbrennung wurde verboten, was hierzulande mehr als 1000 Jahre, bis zum Jahr 1878 (erstes Krematorium in Gotha), galt.

Der mittelalterliche Friedhof bestand aus einem „Kirchhof“, der als „Coemeterium“ (Schlaf-bzw. Ruhestätte) bezeichnet wurde. Diesen Kirchhof umschloss eine Mauer, die den Raum der Toten aus dem Raum der Lebenden ausgegrenzte und markierte. Dieser Raum wurde geweiht. Wichtig war es, die Toten in der Nähe der Reliquien von Heiligen zu bestatten, was die Aussicht auf Auferstehung vergewissern sollte. Die Gräber waren unregelmäßig angelegt. Grabzeichen gab es keine. Die Toten wurden bei der Bestattung dem Sarg entnommen und in einem Tuch bestattet. Die nicht sonderlich tief angelegten Gräber wurden nach wenigen Jahren geräumt. Die Gebeine wurden dann in ein Gebeinhaus gebracht (Zweitbestattung). Auf dem Friedhof stand eine Totenleuchte, die Tote vor bösen Geistern bewahren sollte. Zu dem Grabfeld gehörte ein Vorhof, auf dem häufig buntes Treiben herrschte.

Im späten Mittelalter finden sich Holzkreuze auf den Grabhügeln und innen an den Mauern Abbildungen des Totentanzes (vgl. Basler Totentanz).

Die Reformatoren, allen voran Martin Luther, lehnten die Verehrung von Heiligen ab. Die Gnade Gottes bedarf keiner Vermittlung. Damit entfiel die Notwendigkeit, in der Nähe von Reliquien bestattet zu werden. Luther selbst empfahl aus theologischen, aber auch medizinischen Gründen, außerhalb der Stadt einen „Gottesacker“ anzulegen. Er argumentierte unter anderem mit dem Hinweis, dass ja auch Jesus außerhalb der Stadt Jerusalem bestattet worden sei. Da Gott gnädig ist, entfiel das Fegefeuer und die Notwendigkeit, für den Toten zu beten. Schwerpunkt der Bestattung wurde die Verkündigung der Auferstehung der Toten für die Hinterbliebenen.

Im Gefolge der Reformation entstanden im 16. und 17. Jahrhundert neben dem Kirchhof Grabanlagen, die von Arkaden umsäumt waren. Sie werden als „Camposanto“ (heiliges Feld) bezeichnet. In den Arkaden befanden sich die Grüfte reicher Bürgerfamilien. Im Innenraum lagen die Gräber der einfachen Leute meist in Form eines Grabhügels (Tumulus) mit Kreuz.

Erst in der Aufklärung kommt es zur Bezeichnung „Friedhof“. Als Ideal werden geometrisch angelegte Grabanlagen mit Reihen-Einzelgräbern angesehen wie sie in Herrenhut und Dessau realisiert wurden. Leitbild war der französische Garten. Aus Angst vor dem Scheintod wurden Leichenschauhäuser und eine dreitägige Aufbahrung eingeführt. Aus hygienischen Gründen wird auf Abstand zu den Wohnhäusern geachtet. Pappeln, Weiden und wohlriechende Kräuter sollten Ausdünstungen nieder halten bzw. vertreiben.

Im 19. Jahrhundert werden die Friedhöfe weitgehend der staatlichen Oberaufsicht unterstellt. Nur in Norddeutschland verbleiben Friedhöfe in kirchlicher Trägerschaft. Die Größe und die Tiefe der Gräber sowie die Ruhezeiten werden geregelt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstehen nach dem Vorbild englischer Gärten und nach dem Modell amerikanischer Friedhöfe Parkfriedhöfe (Wiener Zentralfriedhof 1870; Hauptfriedhof Karlsruhe 1874; Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg 1877) mit sanft geschwungenen Wegen, Hügeln und Tälern. Der Friedhof nahm paradiesische Züge an. Der friedliche Garten, der an die Traumlandschaft Arkadien erinnern konnte, sollte mit dem Tod versöhnen. Die Gräber konnten monumentale Größe annehmen. Es entstehen u. a. Mausoleen.

Im 20. Jahrhundert lehnte man zunächst einmal allen Pomp ab und wollte die Gleichheit der Menschen im Tod betonen. Die Grabzeichen werden weitgehend vereinheitlicht, die Grabmäler und Grabbepflanzungen werden weitgehend standardisiert.

Am Ende des 20. Jahrhunderts verändert sich der kollektive Friedhof mit seiner überwiegend christlichen Ausrichtung grundlegend. Neben die Bestattung im öffentlichen Raum treten andere Bestattungsorte (Seebestattung, Streuwiesen-Bestattung, Friedwald, Weltraumbestattung, Diamantbestattung etc.). Das christliche Monopol auf die Deutung des Todes ist offenkundig beendet. Neben die christlichen Grabzeichen treten säkulare Motive. Neben das konventionelle Erdgrab mit Sargbestattung treten andere Grabformen.

 

Grabmäler

Analog zu der Geschichte des Friedhofes lässt sich auch eine Geschichte der Grabmäler entwerfen. Mittelalterliche Grabhügel hatten meist kein Grabzeichen. Erst im Spätmittelalter werden sie mit Kreuzen versehen.
Grabmäler der Reformationszeit enthalten neben dem Namen ein genaues Todesdatum und vor allem Hinweise auf den Glauben des Verstorbenen. Man wollte sich so der Gnade Gottes anempfehlen.

Im Barock sollten die Grabmäler mit Worten und symbolischen Zeichen an die Vergänglichkeit alles Lebens erinnern. Nach unten gedrehte verlöschende Fackeln, abgeknickte Bäume, fallende Vorhänge oder Totenschädel machen das Ende symbolisch sichtbar und emotional spürbar. Es gibt jedoch auch Grabmäler, die die soziale Rolle des Verstorbenen im Raum der Lebenden noch einmal zur Darstellung bringen und so die soziale Bedeutung des Verstorbenen herausstellen.

Im Klassizismus griff man einmal auf antike Motive zurück wie zum Beispiel auf Vasen, abgebrochene Säulen, den Todesgenius (eine Art Todesengel), der die Lebensfragen nach unten hält und zum Verlöschen bringt, sowie die griechisch gewandete trauernde Frau, der der Blütenkranz des Lebens aus der Hand rutscht.

Im Historismus gestaltete man Grabmäler, die an gotische Kirchenportale erinnerten. Gerade in evangelisch-bürgerlichen Kreisen schätzte man Skulpturen im Nazarener Stil wie zum Beispiel die Christus-Figur von Bertel Thorvaldsen.

Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg dominierten die maschinell hergestellten, einheitlichen schwarzen Grabmäler mit christlichen Symbolzeichen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kommt es zu ganz individuell und künstlerisch gestalteten Grabmälern. Auf den Urnengräbern (60 x 70 cm) findet man das geöffnete Buch mit dem Namen des Verstorbenen. Man findet aber auch Grabmäler in Herzform.

Gräber und Grabmäler markieren den Wohnort des Verstorbenen im Raum der Toten. Sie geben der Erinnerung und der Trauer einen Ort, betonen häufig noch den sozialen Status und das Selbstverständnis des Verstorbenen, mitunter auch der Familie, und geben Auskunft, wie der Verstorbene bzw. die Hinterbliebenen den Tod deuten. Insgesamt fordern die Grabmäler dazu heraus, der eigenen Sterblichkeit im Leben zu gedenken. Religionsgeschichtlich gesehen könnten die Grabplatten auch als Verschluss des Grabes gedeutet werden.



3. Deuten

Für viele ist der Friedhof der Raum der letzten Ruhe, ohne über ein Danach nachzudenken oder mit einem Weiterleben zu rechnen. Entsprechend ist dann das Grab das Ende des Lebensweges und die letzte Wohnung der verstorbenen Person. Mit dem Tod ist alles aus.

Muslime, vor allem aber auch Juden deuten den Friedhof als eine Art Warteraum bis zur Auferstehung der Toten bzw. dem Kommen des Messias. Katholische Theologie deutet ihn als Ort des vergänglichen Leibes, der einst mit der bei Gott befindlichen Seele wiedervereinigt wird.

Evangelische Theologie teilt mit der katholischen Theologie die Sicht des Friedhofs und des Grabs als Ort der Übergabe an Gott. Bestattung ist deshalb nicht bloß ein Abschiednehmen, sondern vor allem auch ein Übergaberitual. Man wird zum einen aus dem Raum der Lebenden in den Raum der Toten verbracht, aber von dort den Händen Gottes anbefohlen. Christliche Theologie vertraut darauf, dass Gott wie bei Jesus in Beziehung zu dem Verstorbenen bleibt. Die Aussage: „Unsere Oma ist im Himmel“ kann als Ausdruck der Gewissheit und Zuversicht verstanden werden, dass Gott der verstorbenen Person nahe ist und die Beziehung zu ihr aufrecht erhält, ja sogar in neuer Weise aufnimmt. Im Rückbezug auf Texte der Bibel geht evangelische Theologie jedoch davon aus, dass mit dem Tod die Auflösung der leib-seelischen Einheit des Menschen erfolgt. Der Tod betrifft Leib und Seele. Der Mensch ist ganz tot. Der Friedhof ist deshalb der Ort, an dem der Mensch verwest. Er ist aber zugleich der Ort der Hoffnung, dass Gott in Beziehung zu dem Verstorbenen bleibt und an seinem ewigen Leben Anteil gibt. Wie und wann das geschieht, lässt sich nicht beschreiben. Das christliche Grab ist deshalb als letzte Ruhestätte und als Zeichen der Zuversicht zu verstehen. Die christlichen Grabzeichen wollen dies auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck bringen.

Die vielfältigen Grabzeichen deuten den Tod. Neben den Hoffnungszeichen finden sich Zeichen der Endlichkeit, aber auch Berufszeichen und Zeichen der Liebe und Verbundenheit.

Die schlafende Frau mit dem Blütenkranz deutet den Tod als entspannten Schlaf nach einem anstrengenden Lebensweg. Die gesenkte Fackel verweist auf das verlöschende Lebenslicht. Die abgebrochene Säule deutet den Tod als Abbruch einer Geschichte. Blumen weisen auf die Schönheit, aber auch auf die Vergänglichkeit des Lebens. Vasen erzählen, dass der Mensch wieder zu Staub wird.

Häufig zu findende Hoffnungszeichen sind Engel, die den Frauen am Grab Jesu die Auferstehung Christi verkündigen. Ihre Botschaft gilt auch dem Verstorbenen. Die aufgehende Sonne weist auf Ostern und die Auferstehung. Alpha und Omega bekennen, dass Christus das erste und letzte Wort ist. Der Tod hat nicht das letzte Wort. Bäume weisen auf den Baum des Lebens im Paradiesgarten. Wer von seinen Früchten isst, wird nimmermehr sterben. Betende Hände weisen auf die Gethsemane-Szene und bringen die Zuversicht zum Ausdruck, dass alles Leben in Gottes Hand liegt. Palmzweige sind Zeichen des Sieges über den Tod und Sinnbild ewigen Lebens. Das Kreuz weist darauf hin, dass Christen zwar mit Christus gestorben sind, aber in der Gewissheit leben, mit ihm auch aufzuerstehen. Der Schmetterling kann einmal als Zeichen der unterblichen Seele gelesen werden, denn das griechische Wort für Schmetterling ist auch das Worte für Seele (psyché). Der Schmetterling ist allerdings auch ein Symbol der Neuschöpfung, was ja die Auferstehung meint. Aus der eingepuppten Raupe wird ein neues wunderschönes Lebewesen – der Schmetterling.

Zu den neueren Symbolen gehört die Lotusblüte. Sie zieht sich am Abend ins Wasser zurück und taucht bei Sonnenaufgang wieder auf.

Rosen, blühend oder abgeknickt, sowie Herzen sind Zeichen der Liebe und Zuneigung. Auch wenn alles vergeht – die Liebe bleibt.

Die Frage ist, wie Grabmäler zu deuten sind, die auf alle Zeichen verzichten. Bringen sie zum Ausdruck, mit dem Tod sei alles aus? Sind sie Zeichen der Privatisierung: „Wie ich den Tod sehe, geht niemand etwas an“?

Anonyme Gräber können ganz unterschiedlich gedeutet werden. Sie können als Zeichen der Verlassenheit und damit auch als Protest gegen Einsamkeit gelesen werden. Sie können aber auch als tiefes Vertrauen zu Gott verstanden werden, denn der Verstorbene ist nach dem Tod bei Gott, so dass das Grab vollkommen unwichtig wird. Anonyme Gräber können auch als Zeichen von Rücksicht gelesen werden – man will den Nachkommen nicht zur Last fallen. Nicht auszuschließen sind jedoch immer auch finanzielle Gesichtspunkte. Rasengräber sind die kostengünstigste Bestattungsvariante.
 


4. Erschließen

Eine elementare Friedhofsführung operiert mit elementaren Lebensfragen, die sich an bestimmten Stationen des Friedhofes stellen. Am Urnengrab stellt sich z. B. die Frage: „Warum lassen sich heute so viele Menschen verbrennen – und wie stehe ich selbst dazu?“.

Davon noch einmal zu unterscheiden sind thematische Erschießungen, die ungewöhnliche Grabmäler aufsuchen, auf verschiedene Kreuze achten oder verschiedene Deutungen des Todes aufsuchen und bedenken. Denkbar ist auch ein Weg durch die Geschichte des Friedhofes oder ein interreligiöser Gang mit Texten zu dem Todesverständnis verschiedener Religionen. In großen Friedhöfen sind Rauminszenierungen denkbar, in denen „vor Ort“ Texte gesprochen, Musik gespielt und mit Licht gearbeitet wird.

Für Kinder

  • Realien klären: Was ist eine Friedhofskapelle? Was macht man da? Welche Berufe gibt es auf dem Friedhof und was machen die einzelnen Tätigen?
  • Von eigenen Friedhofserfahrungen erzählen;
  • nach Überschreiten der Schwelle bekommen Kinder Kärtchen mit einem Ausrufe- und Fragezeichen. Das Ausrufezeichen wird dort hinterlegt, wo man etwas genau weiß, das Fragezeichen dorthin, wo man eine Frage hat.
  • Glauben finden: Antworten suchen, wie es weitergeht nach dem Tod;
  •  mit Fotos Details finden.


Für Jugendliche

  • Grabsteine enträtseln: Was erfahren wir über die verstorbene Person?
  • Vergleich der Grabanlagen von verschiedenen Religionen;
  • Gräber suchen, die einen ansprechen;
  • die Christlichkeit Einzelgräber beurteilen;
  • vorgegebene Texte zuordnen.


Für Erwachsene

  • Elementare Erschließungen;
  • Fragekarten (M 1) können benutzt werden, um persönliche Bezüge herzustellen und ggf. ins gemeinsame Gespräch darüber zu kommen;
  • in der Kapelle Trostworte auswählen, diese sprechen und erläutern.



Methodische Ideen für die Erschließung eines Friedhofes

Vor dem Portal

  • Vorstellen, Zeitbedarf, Ziele, kleine Geschichte des Friedhofes;
  • Erstorientierung mithilfe eines Lageplanes; Bezeichnung des Weges oder Aufenthaltes;
  • Gespräch: Gefühle beschreiben; Mutmaßungen über den Friedhof, Erfahrungen mit diesem Friedhof; Wie geht es Menschen bei einer Bestattung? Arbeit mit Bildern des Seelenvogels oder Smilies;
  • die äußere Gestalt des Friedhofs beschreiben (Zaun, Mauer, Pflanzen, Portal, Öffnungs- und Schließzeiten; Lage zum Ort der Lebenden (Verhältnis Friedhof zu Wohnhäusern und Straßen);
  • Verhaltensregeln klären: Welche Regeln gelten auf dem Friedhof? Was muss ich tun, damit ich garantiert anderen auf den Wecker gehe? Evtl. Vergleich mit der Friedhofsordnung.

Von Außen nach Innen: Schwellenritus

  • Psalm 90 gegenüberstehend im Wechsel sprechen
  • Engelsgruß mit Hand auf die Schulter „Fürchte dich nicht“;

Innen gemeinsam

  • Den Friedhof als Ganzes wahrnehmen: Ist das ein Wald, Park, Garten, Feld, Acker, Wiese, Stadt, Landschaft? Welches Bild des Todes wird hier entworfen?
  • Stationenweg mit monologischen und dialogischen Elementen (Kapelle, Krematorium, Kolumbarium, historische Gräber; berühmte Tote, anonyme Gräber, Friedwald, Kunst auf dem Friedhof, Pflanzen-Bäume-Tiere; christliches-jüdisches-muslimisches Grab);
  • Bestattungsweg gehen (zur Kapelle, von der Kapelle zum Grab mit Texten) und den Weg deuten;
  • interreligiösen Weg gehen (christliche Gräber, jüdische Gräber, muslimische Gräber, säkulare Gräber mit entsprechenden Deutungen des Todes);
  • thematische Führungen (berühmte Gräber; Veränderung der Sepulkralkunst durch Betrachten von Gräbern aus verschiedenen Zeiten; besondere Gräber wie für tot geborene Kinder, anonyme Gräber);
  • kurze Texte zuordnen: z. B. „Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit“ (Mal 3,20); „Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus“ (1 Kor 15,57); „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt“ (Joh 11,25); „Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben“ (Off 2,20); „Und nichts Unreines wird hineinkommen, sondern allein die Geschrieben sind in dem Lebensbuch des Lammes“ (Off 21,27); „Der Herr ist mein Hirte mir wird nichts mangeln“ (Ps 23,1); „Herr lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss … meine Tage sind eine Handbreit vor dir“ (Ps 39,5); „Herr deine Pfeile stecken in mir und deine Hand drückt mich“ (Ps 38,2); „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ (Ps 90,12); „Mein Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir, doch nicht wie ich will, sondern was du willst“ (Mk 14,36);
  • sich das Krematorium zeigen lassen;
  • mit Friedhofsarbeitern sprechen;
  • in der Kapelle klären, was eigentlich eine Friedhofskapelle ist; Trostworte aussuchen, zum „Klingen“ bringen und einen Satz sagen, warum der gewählte Text tröstlich ist.


Innen individuell

  • Individuelle Erschließung mit Arbeitsaufgaben für Tandems (zehn Grabformen; zehn Grabmäler, zehn Grabzeichen (oder ABC), 10 Friedhofspflanzen und fünf Tiere; Möblierung des Friedhofes, die Normierungen des Friedhofes; Veränderungstendenzen in den letzten 20 Jahren; Bemerkenswertes; Zeichen der Hoffnung auf ein Leben über den Tod hinaus anschl. Austausch;
  • mit Bildkarten (evtl. Ausschnitte) Gräber finden und in Plan einzeichnen;
  • Erschließung: Zu zweit ein interessantes Grabmal finden und dieses sprechen lassen.


Von innen nach Außen

  • Segenszuspruch: Gehe hin in Frieden.


Rückblick

  • Was ist eigentlich ein Friedhof?
  • Wie könnte der Friedhof heißen?
  • Elfchen;
  • Gefühlskurve zeichnen. Wie ist es mir ergangen?
  •  „Heiße“ Diskussion: Ist das nichts anderes als eine schön gestaltete Entsorgungsstätte?


Nacharbeit

  • ABC der Symbole entwerfen;
  • Friedhof der Zukunft gestalten;
  • wichtige Elemente einer Beerdigung benennen und begründen;
  • Besuch bei einem Bestattungsunternehmen.
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1Wiener Zentralfriedhof. Foto: HeinzLW/Wikipedia Wiener Zentralfriedhof. Foto: HeinzLW/Wikipedia  
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Klassizistische Skulptur auf dem Alten Südfriedhof München. Foto: D. Fuchsberger/Wikipedia
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Engel auf dem Ohlsdorfer Friedhof, Hamburg. Foto: Oxfordian Kissuth/Wikipedia
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Friedhof der Namenlosen, Wien-Simmering. Foto: HeinzLW/Wikipedia