Voraussetzung: Das Hamburger Modell
Hamburg geht im schulischen Religionsunterricht einen Sonderweg, das so genannte Hamburger Modell. Während in Deutschland die Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht nach Konfessionen bzw. Religionen getrennt unterrichtet werden, geschieht dies in Hamburg nicht. Damit reagiert man in der Elbmetropole auf eine zunehmende religiöse, ethnische und kulturelle Heterogenität der Schülerschaft. Ausdruck der großen Pluralität der Lebenswelten und Lebensstile ist sicherlich die hohe Zahl der Religionsgemeinschaften in der Stadt, die mit 106 beziffert wird.
Der dialogische „Religionsunterricht für alle“ soll einen gemeinsamen Lernort für alle Kinder und Jugendlichen ungeachtet ihrer jeweiligen religiösen und weltanschaulichen Überzeugung bieten. Dier grundlegende Annahme dabei ist, dass die Schülerinnen und Schüler durch die Begegnung und Auseinandersetzung mit den verschiedenen religiösen bzw. weltanschaulichen Traditionen sowie Lebensvollzügen ein religiös-kulturelles Orientierungswissen erwerben und wesentlich in der religiös-weltanschaulichen Identitätsbildung unterstützt werden. Gerade das spezifisch Eigene wird in der Begegnung mit dem Anderen und Fremden entdeckt und in besonderer Weise reflektiert.
Der dialogische „Religionsunterricht nach dem Hamburger Modell wird in evangelischer Verantwortung erteilt. Seine interreligiöse Offenheit wird als Ausdruck des evangelischen Profils eines Religionsunterrichts unter den Bedingungen der Pluralität verstanden. Die Akzeptanz des Modells ist in der Stadt sehr hoch.
Die Unterrichtspraxis: Eine Stadtteilschule in einem Hamburger Brennpunkt
Basis der Unterrichtsbeobachtungen ist eine jahrelange Unterrichtspraxis in der Oberstufe einer Stadtteilschule in Hamburg-Dulsberg. Die Schülerschaft der Religionskurse ist in besondere Weise heterogen zusammengesetzt. Zum einen rekrutiert die Schule ihre Schülerinnen und Schüler aus dem Stadtteil, der zu den einkommensschwächsten Quartieren Hamburgs gehört und einen hohen Anteil an Migrantinnen und Migranten beherbergt. Zum anderen ist die Schule Eliteschule des Deutschen Sportbundes sowie Olympiastützpunkt mit angegliedertem Internat. Durch diesen besonderen Schwerpunkt finden sich leistungsstarke Schülerinnen und Schüler in den Kursen, die mehrheitlich deutsche Wurzeln haben, z. T. süddeutscher Provenienz sind.
Der Religionskurs der Vorstufe wird von 25 Schülerinnen und Schülern besucht. Ungefähr die Hälfte von ihnen besitzt einen Migrationshintergrund. Es finden sich unter ihnen Mädchen und Jungen aus der Türkei, Afghanistan, Iran, Syrien, Ghana, Serbien, Ungarn und Indien. Sie sind meist muslimischen Glaubens. Der Junge mit Wurzeln aus Ghana ist christlich geprägt, stark orthodox ist der Junge mit serbischem Hintergrund. Die Schülerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund sind überwiegend evangelisch, allerdings in einem eher volkskirchlichen Sinne. Zwei Schülerinnen sind katholisch, aber ebenfalls ohne stark erkennbaren Bezug.
Die Schülerinnen und Schüler werden erst seit der Vorstufe gemeinsam beschult. Manche kommen von anderen Schulen. Nicht alle von ihnen hatten durchgehend Religionsunterricht. Nach eigenen Angaben hatten einige von ihnen diesen zuletzt in der Grundschule. Um zu schauen, was an Wissen und Interesse vorhanden ist, orientiert sich das Thema des ersten Semesters der Vorstufe sehr stark an dem im Rahmenplan Religion vorgeschlagenen Schwerpunkt „Heilige Schriften“. Angesichts der Kurszusammensetzung ist es natürlich, dass dabei Bibel und Koran das Hauptgewicht erhalten. Auf diese Weise können die Schülerinnen und Schüler sich bereits durch Herkunft und Kenntnis mit dem spezifisch Eigenen, aber auch mit dem Anderen und Fremden auseinandersetzen. (Dabei muss man ehrlicherweise sagen, dass für manche Schülerin und manchen Schüler das vermeintlich Eigene sehr anders und fremd ist.)
Die Auseinandersetzung und der Dialog nicht nur mit dem Semesterthema, sondern auch mit den Mitschülerinnen und Mitschülern, die einer anderen, fremden Religion und einem unbekannten Kulturkreis angehören, werden bewusst in den Kurs einbezogen und als Chance verstanden. Es ist ein wichtiges Anliegen des Unterrichts, eine möglichst aktive Mitgestaltung und eigenverantwortliche Beteiligung der Schülerschaft und einen intensiven Dialog zu erreichen. Mit diesem Kursvorgehen werden implizit wichtige Weichenstellungen auch für das Thema des zweiten Semesters der Vorstufe und das Kursklima insgesamt gestellt.
Der Kursinhalt: Sterben und Tod
Das erste Semester der Vorstufe hat den Schülerinnen und Schülern Raum gegeben, nicht nur (hoffentlich) gute Erfahrungen mit dem Kursverlauf, sondern auch mit- und untereinander zu machen. Diese vertrauensvolle Atmosphäre bildet eine gute Voraussetzung für die Behandlung der sensiblen Semesterthemen Sterben und Tod, die der Rahmenplan als zweiten Schwerpunkt für die Vorstufe vorschlägt.
Die Arbeit an den Kursthemen Sterben und Tod bietet eine besonders geeignete Möglichkeit für den Dialog und die Begegnung der Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Herkunft. Die Erfahrung zeigt, dass sie sich in besonderer Weise für einander öffnen und an dem eigenen Denken und Fühlen Anteil nehmen lassen. Dies mag daher rühren, dass die Schülerinnen und Schüler im Regelfall kaum Gelegenheit haben, in unserer Gesellschaft über diese Themen zu reden und sich mit der eigenen Sterblichkeit und dem eigenen Tod, aber auch mit ihren Erfahrungen und Begegnungen in diesem Bereich produktiv und konstruktiv auseinanderzusetzen. Geeignete Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner fehlen, Gelegenheiten und Möglichkeiten zum offenen Austausch sind eher eine Seltenheit . Insofern reagieren die Jugendlichen positiv auf die Kursthematik und erkennen für sich die Chance, die in ihr steckt. Auch wenn sich sicherlich nicht alle beteiligen, so sind die Schülerinnen und Schüler doch in der Regel offen für den Austausch. Selbst die, die verschlossen und reserviert bleiben und sich nicht aktiv am Gespräch beteiligen, sind zumeist mit großer innerer Anteilnahme dabei und verfolgen konzentriert den Kursverlauf. Die große Offenheit und Bereitschaft, sich in den Kurs einzubringen, hat sicherlich auch mit der Verunsicherung der Schülerinnen und Schüler zu tun, denen durch die Tabuisierung und den Mangel an Gespräch größtenteils Vorbilder und Orientierung in diesem Bereich an der Grenze des Lebens fehlen. Insofern ist bei ihnen eine besondere Neugier vorhanden, sich nicht nur auf das Bekannte und Traditionelle einzulassen, sondern sich auch für alles Fremde und Andere zu öffnen, um beispielsweise aus den Beiträgen und geäußerten Vorstellungen der anderen Jugendlichen für das eigene Weltbild und die religiöse Einstellung wichtige Bausteine und Informationen zu filtern.
Streiflichter: Unterrichtsmomente
Im Folgenden sollen nun einige Unterrichtssituationen wiedergegeben werden. Sie bieten einen besonderen Einblick in den Dialog zwischen den Schülerinnen und Schülern und machen deutlich, welche Chance zum Austausch und zur Begegnung sowie welche Möglichkeit zu Lernerfahrungen die besondere Heterogenität der Lerngruppe eröffnet. Eine unterrichtliche Beschreibung der Praxisbeispiele findet sich, um der besseren Lesbarkeit willen, gesondert auf den Materialseiten.
Friedhöfe
Einen relativ niedrigschwelligen und doch zugleich nachhaltigen Zugang zu einem Austausch über Brauchtümer und kulturelle Besonderheiten ergibt sich aus Gesprächen über die Bestattungsstätten bzw. -orte. Viele von den Schülerinnen und Schülern waren bereits auf einem Friedhof und haben so eigene Wahrnehmungen gewonnen. Dabei ist es im Gespräch erstaunlich, was die Jugendlichen auf den Friedhöfen beobachten, aber auch wie sie dies bewerten.
Gerade muslimische Schülerinnen und Schüler sind über die gepflegte Anlage der heimischen Friedhöfe und die oft bis ins Detail liebevoll gestalteten Gräber sehr verwundert. Spontan erzählen sie von den Friedhöfen der Herkunftsländer bzw. der Länder ihrer Vorfahren, die sie besucht haben:
„Muslimische Friedhöfe sind in der Regel schlicht. Das Aufstellen von Grabmälern ist zwar nicht verboten, wird durchweg nur geduldet und muss nicht sein. Dabei gibt es zwischen den verschiedenen islamischen Ländern Unterschiede und Abstufungen. Eine Grabpflege gibt es zumeist nicht. Ein Gräber- oder Totenkult soll verhindert werden.“
Dies lässt das Erstaunen über das deutsche Friedhofswesen verständlich sein. Ein Mädchen mit türkischen Wurzeln äußert ihre Überraschung:
„Ich bin über das üppige Grün und die Ordnung, die herrscht, überrascht. Auf dem türkischen Friedhof gibt es, im Gegensatz zu vielen anderen islamischen Friedhöfen, Grabsteine und eingefasste Gräber, aber diese seien scheinbar nicht vergleichbar.“
Andere Jugendliche äußern:
„Deutsche Friedhöfe finden wir wesentlich schöner; wir haben den Eindruck, dass die Toten mehr geehrt werden und nicht vergessen werden. Die Menschen nehmen sich mehr Zeit für das Gedenken.“
Diese Äußerung führt zu einer sehr intensiven Diskussion nicht nur über den Sinn und Zweck von Friedhöfen und Gräbern, sondern vor allem auch darüber, wie und warum man Toten gedenken soll und auf welche unterschiedliche Weise dies geschehen kann. Dass das Mädchen nicht nur von muslimischer Seite Widerspruch erfahren hat, sei ausdrücklich erwähnt. Die religiösen und kulturellen Grenzen wurden in der engagierten Debatte durchlässig und überwunden und führten zu neuen Einsichten.
Trauerkleidung
Ebenfalls leicht ins Gespräch kommt man über die Trauerkleidung, da es sich bei ihr ebenfalls um eine mehr äußere Beschreibung handelt.
Es war ein besonderer Moment im Unterricht, als der Schüler mit indischen Wurzeln sich ein wenig verwundert, aber auch leicht genervt ins Gespräch über Bestattungsrituale einbrachte:
„Warum wird immer von dunklen Trauerfarben gesprochen und nur schwarz erwähnt? Auf einer Beerdigung in Indien, zu der ich mit meinem Vater geflogen bin, waren die Menschen bei der Trauerfeier weiß angezogen.“
Diese Äußerung war sicherlich in zweierlei Hinsicht beachtenswert: Zum einen durch die Information, dass er eine Beerdigung in Indien mitgemacht hatte und davon erzählen konnte. Zum anderen durch das durchgängige Erstaunen im Kurs über diese Auskunft:
Von den anderen Schülerinnen und Schülern kannte keiner den Brauch. Für alle anderen war schwarz die Farbe der Trauer und nicht das asiatische Weiß. Außerdem bemerkten die Jugendlichen:
„Zwischen muslimischen und christlich geprägten Traditionen gibt es eine kulturelle Verbindung. Dabei wird zwischen Islam und Christentum doch so oft das Trennende betont. Es gibt also mehr Berührungspunkte, als man denkt.“
Bestattungsrituale
Vor allem auf das Erzählen der eigenen Erfahrungen und Erlebnisse zielt das Gespräch über die Beerdigungsabläufe und ihre Besonderheiten ab. Da hier auch die eigene Betroffenheit oft eine große Rolle spielt, fällt es nicht allen Schülerinnen und Schülern leicht, sich einzubringen. Dabei ist jeder Beitrag für den Kurs wichtig.
Die, die sich einbringen, sind ernsthaft und konzentriert. Die Erzählungen sind lang; kaum einer unterbricht. Ein Junge mit afghanischem Migrationshintergrund erzählt von der Beerdigung seines Onkels, an der er teilgenommen hat:
Es gibt eine Frist zur Beisetzung; der Leichnam wird in einem Leichentuch bestattet. Nur die Männer haben an der Beisetzung teilgenommen. „Wo sind die Frauen, zumal die Witwe?“, fragten die anderen Schülerinnen und Schüler. „Nur Männer nehmen an der islamischen Beisetzung teil. Nur sie dürfen die Leiche tragen und nur sie begleiten den letzten Gang.“
Daraufhin ergibt sich eine lebhafte und intensive Diskussion darüber, welche Gründe es dafür geben kann und was das bedeutet. Kritisch wird die Fähigkeit zur Trauer von Männern und Frauen besprochen und die vom Erzähler gegebene Erklärung für das Fernbleiben der Frauen, dass sie nämlich zu emotional seien, vehement infrage gestellt. Der Austausch über die Sinnhaftigkeit des Rituals führt so weiter zu einer Verständigung über anthropologische Zusammenhänge, die manche Gedankenanstöße beinhalten.
Glaubensvorstellungen
Sicherlich ist im Unterricht auch wichtig zu thematisieren, was die Religion bzw. der Glauben zum Tod sagt, welche Hoffnung er vermittelt, mit welchen „Bildern“ und „Vorstellungen“ er arbeitet. Leicht wird dies theoretisch und abstrakt. Auch hier bietet das interreligiöse Gespräch eine besondere Chance.
Bei der Frage, was die Religion zum Tod und einer möglichen Jenseitsvorstellung sagt, besteht ein starker Unterschied zwischen den Schülerinnen und Schülern. Während die christlich sozialisierten Jugendlichen sich still verhalten, beschreiben die muslimisch geprägten Jugendlichen ausführlich und genau, was der Islam dazu zu sagen hat. Alle Details wie Zwischenzustand, Befragung und Prüfung inklusive der haardünnen Brücke, werden ohne zu zögern genannt.
Dieser Kontrast kann zunächst eine gewisse Starre hervorrufen, wirkt aber nach einer gewissen Zeit durchaus anregend. Dann nämlich, wenn es passiert, dass eine Schülerin mit aufrechtem Interesse nachfragt: Wie kannst du dir so sicher sein? Und sich daraus ein Gespräch entwickelt, das über den Moment der Hoffnung angesichts des Todes alle Beteiligten auf die Ursprünge des eigenen Glaubens zurückwirft. Dieses Gespräch kann sehr intensiv sein und ist sicherlich Resultat des gemeinsamen Weges in dieser Unterrichtseinheit.
Fazit
Mag der Unterrichtseinblick gezeigt haben: Der interreligiöse Dialog beinhaltet Potential, auch und gerade in der Schule. Austausch und Begegnung lässt Vorurteile verschwinden und kann als eine Bereicherung des eigenen Lebens verstanden werden. Gerade auch angesichts schwieriger Themen, als Verständigung an der Grenze des Lebens!
Material: Informationen und Hinweise zur Unterrichtsgestaltung
Friedhofspädagogik
Der Friedhof ist für viele Schülerinnen und Schüler eine „fremde Welt“. Eine ganze Reihe von ihnen war eventuell noch nie oder nur selten auf ihm. Insofern sind sie befangen oder haben Phantasien, die von Medien gespeist sind und nicht der Realität entsprechen. Andererseits ist der Friedhof auch qua seiner Funktion genau das: eine „fremde Welt“. Die Friedhofsmauern, der umfriedete und klar abgegrenzte Bereich, will Raum und Anleitung geben, sich auf das Wesentliche zu besinnen und sich des Lebens zu vergewissern und auch darüber nachzudenken. Es ist Aufgabe des Unterrichts, dies vorher zu thematisieren.
Einstimmung
Zur Einstimmung ist es möglich, entweder mit einem Plan oder einer Karte des Friedhofes zu arbeiten, um sich den abgegrenzten Charakter des Areals deutlich zu machen und mit dem Kurs darüber ins Gespräch zu kommen, was das wohl bedeutet. Alternativ kann man auch Postkarten oder Fotos von besonders markanten Grabstätten zeigen und thematisieren, welche Funktion diese haben.
Wünschenswert ist in jedem Falle eine vorbereitende Unterrichtssequenz, die den Jugendlichen den Raum gibt, sich einzustimmen, Fragen zu stellen, Befremden zu äußern, sich mit dem Gedanken der „fremden Welt“ zu befassen und einander von eigenen Erfahrungen und Eindrücken zu erzählen.
Erste Begehung
Möglichkeiten, eine erste Begehung des Friedhofes zu machen, ist der Rundgang allein oder im Tandem. Dazu erhält jede Schülerin und jeder Schüler eine Blume oder ein Grablicht. Die Aufgabe ist, dass jede und jeder es auf das Grab stellen möge, dass ihn am intensivsten anspricht bzw. berührt. Darüber findet nach dem Rundgang ein (zumeist sehr intensiver) Austausch statt.
Sicher kann man auch als Gruppe eine Erstbegehung machen. Ähnlich wie bei der Kirchenpädagogik kommt es darauf an, die Besonderheit des Ortes zu erfassen, indem man die Gruppe entschleunigt und verlangsamt und die Schülerinnen und Schüler zum Sehen und Wahrnehmen anleitet. Das kann beispielsweise durch Beobachtungsaufgaben und Gedankenübungen passieren.
Gespräch
Das Gespräch über die Eindrücke und Beobachtungen ist elementar wichtig. Das kann auf dem Friedhof selbst stattfinden, zum Beispiel in der Kapelle. Dazu kann man die örtliche Pastorin oder den Pastor bitten, für Fragen und Informationen zur Verfügung zu stehen. Natürlich kann das auch in dem vertrauten Klassenraum passieren. Dies hängt sicherlich auch von den örtlichen Gegebenheiten und Entfernungen ab. Allerdings gilt auch hier, weniger ist mehr. Es scheint wichtiger, Anregungen und Impulse zu geben, damit die Schülerinnen und Schüler eigene Fragen und Gedanken äußern und von den persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen erzählen. Dies gibt erst die besondere Intensität und – wie in dem geschilderten Beispiel – die Möglichkeit, Gedanken weiter zu entwickeln und zu vertiefen.
Beerdigungsrituale/ Trauerkleidung
Viele Schülerinnen und Schüler haben bereits an einer Beerdigung teilgenommen. Sie haben eigene Erfahrungen gemacht, die zu formulieren ihnen aber schwer fallen. Auch erinnern sie oftmals nicht mehr den genauen Ablauf und können das Geschehen nicht mehr rekonstruieren. Gerade aber der Austausch über das Erfahrene und das Einordnen der Rituale und einzelnen Schritte ist eine wichtige Hilfe in der Bewältigung des Erlebten.
Einstieg und Erarbeitung
Der Einstieg in das Gespräch erfolgt über die Bestimmung der Abfolge der Beerdigungsrituale auf eine spielerische und niedrigschwellige Art. Dies hilft, Hemmungen zu überwinden. In Kleingruppen werden Kopien der Kinderbilder des Büchleins, „Warum steht auf Opas Grab ein Stein?“ verteilt. Die Gruppe soll versuchen, die einzelnen Bilder in eine sinnvolle Reihenfolge zu sortieren. Die Frage lautet: Wie ist die Abfolge von Erdwurf, Trauerbrief und Kapelle? In der Diskussion über die richtige Reihenfolge kommt es innerhalb der Gruppe bereits zu einem intensiven Gespräch und häufig auch zu einem Erzählen und Erinnern.
Ergebnispräsentation
Das Präsentieren der einzelnen Gruppenergebnisse führt oft schon zu einem Begründen durch die Erwähnung eigener Erfahrungen. Das bildet dann die Basis für weitere Gespräche.
Vertiefung am Beispiel Trauerkleidung
Für Schülerinnen und Schüler spielt Kleidung eine außerordentlich wichtige Rolle. Vielfach definieren sie sich über die Auswahl ihrer Kleidung, grenzen sich mit ihrem Kleidungsstil ab und beurteilen andere nach der Aussehen und Wahl der Kleidung. Insofern bildet Trauerkleidung einen guten und unkomplizierten Zugang zu weiterführenden Gesprächen, wie die Unterrichtsstunde zeigte. Das gilt aber auch für viele andere Rituale: Das beklommene Gefühl am Grab und das laute Geräusch der Erde auf dem Sarg, die unangenehmen Gefühle beim Beerdigungsessen u.a.m. sind Ausgangspunkt für intensive Gespräche im Kurs.
Gerade beim Besprechen der Rituale wird die Unterschiedlichkeit der Abfolge von Region zu Region, von Land zu Land, von Religion zu Religion und von Kultur zu Kultur deutlich. Rituale bieten sich an, die Verschiedenheit, aber auch Gemeinsamkeit zu bestimmen und zu besprechen. Dabei sind die Schülerinnen und Schüler die Expertinnen und Experten, was ihren Beiträgen besonderes Gewicht verleiht und dem Gespräch große Intensität.
Glaubensvorstellungen
Nach den intensiven Gesprächen und dem Austausch über Friedhof, Bestattung und die damit verbundenen eigenen Erfahrungen kann es bei der Behandlung der Glaubensvorstellungen leicht theoretisch und lebensfern zugehen. Die interreligiöse Zusammensetzung eines Kurses ist hilfreich, da Rückfragen, Verständnisprobleme und Neugier einen lebendigen Dialog erleichtern.
Einstieg: Erarbeitung eines Schaubildes zum eigenen Glauben
Nicht sehr originell, aber bewährt ist die Vorgehensweise, dass die Schülerinnen und Schüler die Vorstellung ihres Glaubens über den Tod und ein eventuelles Leben danach, in einem Schaubild visualisieren sollen. Dies kann auch so geschehen, dass die Jugendlichen dies zunächst ohne Text oder andere Hilfsmittel verfassen sollen und danach dann mit Zusatzinformationen. Wo gab es Lücken und was wird anders gesehen?
Erarbeitung: Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Ein Schaubild hilft, die Diskussion zu erden, Vergleichbarkeit zu ermöglichen und eine Grundlage für den Austausch zu schaffen. Gerade bei einem Kurs mit unterschiedlichen Religionen sind dann Unterschiede augenfällig.
Anmerkungen
- 1 Folkert Doedens/Wolfram Weiße, Religion unterrichten in Hamburg, in: Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 6 (2007) H. 1, S. 50-67, hier: S. 54.
- 2 Als Beispiel sei erwähnt, dass eine Schülerin oder ein Schüler die Al-Fatiha /Sure 1 rezitiert, so dass der Kurs Laut und Klang des hocharabischen Originals hört und sich mit der Tatsache auseinandersetzen muss, warum die/der Rezitierende zwar den Text wiedergeben, aber faktisch nicht übersetzen kann.
- 3 Vgl. auch Christian Butt: Kinder und Jugendliche in der „trauerfreien Gesellschaft“, in: Abschied, Tod und Trauer – Kinder und Jugendliche begleiten, Stuttgart 2013, S. 11ff.
- 4 Vgl. zum Folgenden auch: Christian Butt: Abschied, Tod und Trauer – Kinder und Jugendliche begleiten, Stuttgart 2013.
- 5 Christian Butt: Warum steht auf Opas Grab ein Stein? Beerdigungsbräuche, Stuttgart 3. Auflage 2013.