Einleitung
“Wir wollen euch mal zeigen, wie die Mönche sich hier früher unterhalten haben!” Aufmerksam stehen 50 Erwachsene im Kreuzgang und schauen den sechs Kindern zu, die schweigend verschiedene Handbewegungen machen. “Na, habt ihr rausbekommen, was das heißt?” fragt Lea schließlich, aber alle schütteln ratlos den Kopf. Noch einmal wiederholen die Kinderklosterführer ihre Gesten und sprechen dazu im Chor: “Der Teufel – hat das Schwein – gestohlen!”
Mit spielerischen und praktischen Sequenzen wie dieser führen “geprüfte” Kinderklosterführer seit einem halben Jahr Gruppen durchs Kloster Loccum. Bisher sind es hauptsächlich Erwachsenengruppen, die dieses Angebot nutzen und sich am Ende der Führung zufrieden verabschieden. Auch die erwachsenen Klosterführer, welche die Kinder begleiten und bei Bedarf Zusatzinformationen geben, äußern sich überrascht über das Selbstbewusstsein, mit dem die Kinder ihr Wissen vermitteln, über ihren Erfindungsreichtum, wenn sie einmal nicht weiter wissen, und über den fröhlichen, aufgeschlossenen Geist, der im Verlauf der Führung schlicht dadurch entsteht, dass Sachverhalte aus Kindermund und mit kindlichen Gesten, also unroutiniert erzählt werden. Nach einem halbjährigen Klosterführerkurs, den die Kinder vorher im Rahmen der Ganztagsschule absolviert haben, ist es auch für die Kursleiterin und für die Kinder selbst spannend zu erleben, wie gut es klappt und welchen geringen Aufwand es nur noch braucht, eine Kinderklosterführung vorzubereiten und durchzuführen.
Ziele für den Kinderklosterführerkurs
Die Schülerinnen und Schüler
- eignen sich Kirchenräume als Räume des christlichen Glaubens an;
- erforschen nach eigener Schwerpunktsetzung Aspekte der Kirche bzw. des kirchlichen Lebens;
- kennen Hintergründe und Fakten zum mittelalterlichen Klosterleben und zum heutigen Leben im Kloster Loccum;
- übernehmen fiktive historische Rollen;
- beherrschen Techniken und Fähigkeiten der Präsentation von Gelerntem und Erfahrenem.
Theologische und pädagogische Überlegungen
Theologische Überlegungen
Unterscheidung zwischen christlicher Vereinnahmung im schulischen Kontext und christlichem Lernangebot für Schülerinnen und Schüler aller Glaubensformen:
Im Vorfeld des Kurses wird mit der Schulleitung verabredet, dass kein aktiver Glaubensvollzug statt findet, der nichtchristliche Kinder ausschließen oder vereinnahmen könnte. Wenn die Gruppe bekannt ist und keiner der Eltern widerspricht, kann ein Segensgebet mit Bewegungen oder eine Stilleübung als Abschlussritual eingeführt werden. Die Referentinnen und Referenten inklusive der Kursleiterin können sich als praktizierende Christen zu erkennen geben und von den Kindern über ihren Glauben befragt werden.
Christlicher Glaube wird einladend und gastfreundlich dargestellt:
In der Kirchenpädagogik bietet es sich an, mit Hilfe der Räume und ihrer Atmosphäre auf den christlichen Glauben neugierig zu machen und für ihn zu werben. Der offene, einladende Kirchenraum, die erhabenen und bestaunenswerten Gebäude sowie der beeindruckende, aber auch geheimnisvoll wirkende Klosterwald können den Kindern als Abbild der Glaubenswelt selbst begegnen: Offen und einladend, erhaben und bestaunenswert, beeindruckend aber auch geheimnisvoll ist der Glaube an den christlichen Gott. Gastfreundliche und einladende Gesten stehen daher auch jeder Doppelstunde im Kloster voran.
Pädagogische Überlegungen
Staunen und Sich-Ausprobieren im Kirchenraum statt Prüfungsstress:
Während des Kurses steht nicht das Erbringen von Prüfungsleistungen im Vordergrund. Eher nebenbei werden immer wieder Methodentrainings durchgeführt, und die Prüfungen an den einzelnen Stationen werden zu einem vom Kind selbst gewählten Zeitpunkt abgehalten, um den Stresspegel niedrig zu halten. Die Doppelstunden im Kloster sollen vor allem Raum geben für eigene Erfolgserlebnisse, für Staunen und Sich-Ausprobieren im fremden Ort Kirchenraum bzw. Kloster.
Methodenvielfalt
Die Altersspanne im Ganztagsbetrieb reicht von sechs bis zehn Jahren. Allein aus diesem Grund muss es Alternativen zum Lesen und Schreiben geben. Das praktische Nachmachen steht im Vordergrund. Für das Erarbeiten der Lernkarten und das Wiederholen des Lernstoffs werden altersgemischte Teams von “Denkern, Sprechern und Schreibern” gebildet. Die Prüfung selbst besteht aus “Erzähl”-Teilen sowie aus praktischen Präsentationen, aus denen die Kinder für die eigene Prüfung auswählen können.
Nachhaltigkeit
Mit der Figur des “Bruder Bernhard”, der die Gruppe in jeder Doppelstunde im Kloster begrüßt, entsteht die Möglichkeit, sich Zeit für Wiederholungen, für Fragen und gemeinsames Überlegen zu nehmen. Dieser Bruder Bernhard begrüßt die Kinder vom ersten Besuch des Klosters an mit dem zisterziensischen Gruß des Bruders Pförtner: “Gesegnet seiest du!” Dazu bietet er jedem seiner “Gäste” einen Haferkeks an, wie auch in früheren Zeiten im Tor Armen- und Krankenspeisung stattfanden. Bruder Bernhard wird als Zeitreisender von den Kindern nicht in Frage gestellt. Er berichtet aus einer anderen Zeit, und angeregt durch dieses Rollenspiel werden die Kinder aktiviert, kluge und wichtige Fragen zu stellen (story-telling-concept). Bruder Bernhard wird als Person des Vertrauens genutzt: Da er nicht die Leitung innehat, können die Kinder ihn jederzeit zur Seite nehmen und ihm etwas erzählen, wenn sie das Bedürfnis haben.
Insgesamt möchte ich die pädagogische Funktion des Bruders Bernhard mit dem Stichwort “nachhaltiges Lernen” beschreiben. Mit seiner Hilfe wird kein neuer Stoff vermittelt, sondern es wird Zeit und Raum geschaffen für eine Zuhör- und Gesprächsatmosphäre, die dann zum Wiederholen von Fragen, Geschichten und Ritualen genutzt wird.
Curriculum
Das Curriculum (M 1) umfasst folgende inhaltliche Schwerpunkte: Einander kennen lernen, Das Torhaus erkunden, Der Klosterwald, wie das Kloster entstand, Musik im Kloster, Schreiben im Kloster, im Kreuzgang, Zeichensprache im Kloster, Menschen im Kloster: Arbeitsmönche und Betmönche, der Abt leitet das Kloster, das Kloster heute – eine Schule für Pastorinnen und Pastoren. In den Unterrichtseinheiten 12, 15, 17, 19 können die SuS schrittweise ihre Prüfung ablegen.
Herstellung eines Foto-Suchspiels für Klosterführungen
In diesen zwei Doppelstunden stellen die Schülerinnen und Schüler ein Spiel her, das sie bei Klosterführungen sowohl mit Erwachsenen als auch mit Kindern einsetzen können.
Das Spiel verläuft folgendermaßen: Jeder Besucher der Klosterführung oder eine Kleingruppe bekommt ein Foto von einem Detail aus dem Kloster und versucht, es zu finden. Am gefundenen Ort wird das Foto niedergelegt. Anschließend geht die Führungsgruppe alle Fundorte ab, wobei die Kinderklosterführerinnen und -führer den Besuchern Erklärungen zu den Gegenständen geben, die sie gefunden haben.
Kooperation zwischen Gemeinde und Schule
Schule bittet Vereine und Institutionen um Nachmittagsangebote für die Ganztagsschule. Kirche reagiert mancherorts verhalten. Dabei tut sich den Gemeinden eine wertvolle Chance auf: Für ein halbes Jahr steht “verlässlich” eine mittelgroße Schar von Schülerinnen und Schülern bereit. Und mit einer solchen Truppe ist vieles möglich: vom Anlegen eines Bibelkräutergartens am Gemeindehaus über ein Schülercafé, Vorlese- und Gesprächsnachmittage im Seniorenheim, bis hin zur freiwillig besuchten Kinder-Kirchen-Stunde. Der Leserin, dem Leser fallen bestimmt weitere sinnvolle Lernfelder ein, die Kindern gerade bei Kirche geboten werden.
Das vorgestellte Kinderklosterführerprojekt bietet eine win-win-Struktur für Schülerinnen und Schüler, Schule und Gemeinde, die ich so beschreiben möchte:
Erstens: Die Teilnehmenden können ihr Selbstbewusstsein und eigenständiges Arbeiten stärken, sie schulen intensiv wichtige Kompetenzen und gehen mit Neugier und Freude auf Entdeckungs- reise in die christliche Glaubenswelt, über die sie sich – fast nebenbei – materiales Wissen aneignen können.
Zweitens: Die Schule kann ein Halbjahr lang für 15 Schülerinnen und Schüler wöchentlich ein Nachmittagsangebot nutzen, das Eltern für ihre Kinder als sehr attraktiv einstufen und das zudem außerschulisch und mit pädagogischen Zielen versehen ist. Schließlich intensiviert drittens die Gemeinde über die ehren- und hauptamtlichen Referentinnen und Referenten und Unterstützerinnen und Unterstützer Kinderklosterführerkurses den innergemeindlichen Kontakt zwischen den Generationen, die Gottesdienstgemeinde wird durch einen gemeinsam gestalteten Gottesdienst bereichert, und nicht zuletzt gewinnt sie eine Gruppe von ausgebildeten und motivierten jungen Klosterführerinnen und Klosterführern dazu, die auch auf Gemeindeveranstaltungen zum Einsatz kommen können.
Turnus: wöchentlich 2 Schulstunden Stunde 1: Einander kennen lernen
Stunde 2: Das Torhaus erkunden
Stunde 3: Wie das Kloster entstand
Stunde 4: Lernkarten “Torhaus” und “Wie das Kloster entstand” erarbeiten
Stunde 5: Lageplan des Klosters
Stunde 6: Musik im Kloster
Stunde 7: Lernkarten “Musik in der Kirche” und “Die Orgel” erarbeiten
Stunde 8: Schreiben im Kloster
Stunde 9: Schreiben im Kloster praktisch
Stunde 10: Besuch beim Abt
Stunde 11: Im Kreuzgang
Stunde 12: Lernkarten “Der Abt leitet das Kloster” und “Im Kreuzgang” erarbeiten
Stunde 13: Zeichensprache im Kloster
Stunde 14: Der Klosterwald
Stunde 15: Lernkarten “Zeichensprache” und “Arbeitsmönche und Betmönche” erarbeiten
Stunde 16: Fotografieren für ein Suchspiel
Stunde 17: Fotografieren für ein Suchspiel 2
Stunde 18: Das Kloster heute – eine Schule für Pastorinnen und Pastoren
Stunde 19: Prüfungsstunde
Außer der Reihe: Mitgestaltung eines Gottesdienstes
Stunde 20: Urkundenverleihung
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Der Klosterführerschein kann hier in der Originalgröße Din-A-5 als pdf-Datei heruntergeladen werden. Kinder führen Kinder 2009 Kloster-Führerschein für ______________________________________________________Und so funktioniert es:
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Gott, lass mich wachsen |