Worum geht es?
Seit dem Schuljahr 2006/07 führen die pfarramtlich verbundenen Kirchengemeinden Bruchhausen und Vilsen einen Gruppenleitergrundkurs für Jugendliche ab der 9. Klasse durch. Das Angebot besteht aus 14-täglichen Treffen über ein Schuljahr, hinzu kommen ein Wochenendseminar und fakultativ ein Erste Hilfe-Wochenende. Kooperationspartner sind die Haupt- und Realschule sowie das Gymnasium Bruchhausen-Vilsen, die beide Ganztagsschulen sind. Die Jugendlichen werden von mir im Gemeindehaus in Bruchhausen unterrichtet und bekommen die Teilnahme als Arbeitsgemeinschaft auf dem Schulzeugnis vermerkt. Am Ende wird für alle die bundesweit anerkannte Jugendgruppenleitercard (JuLeiCa) beantragt.
Wie kam es dazu?
Die Idee zu einem derartigen Angebot an der Schnittstelle zwischen kirchlicher Jugendarbeit und Schule entstand bereits im Sommer 2005. Gespeist wurde sie im Wesentlichen aus zwei Quellen:
1. In einem der halbjährlich stattfindenden Gespräche zwischen Religionslehrkräften und Pastoren in der Region wurden die Kirchenvertreter von den örtlichen Schulen eingeladen sich in das schulische Ganztagsangebot mit kirchlichen Angeboten einzubringen. Der Vorteil für beide Seiten lag auf der Hand: Die Schulen würden das Soll an Arbeitsgemeinschaften nicht mit Lehrerstunden allein decken können und seitens der Kirche würde in absehbarer Zeit das Problem zu lösen sein, wie Angebote kirchlicher Jugendarbeit in Zukunft Jugendliche erreichen kann, deren Freizeit in zunehmendem Maße durch die Schule beschränkt wird.
2. Seit einigen Jahren beobachte ich als Unterrichtender im Konfirmandenunterricht eine hohe Motivation der Konfirmandinnen und Konfirmanden sich nach der Konfirmation ehrenamtlich in der Gemeinde zu engagieren. Um Gruppen – etwa im Bereich von Kindergottesdienst oder Konfirmandenunterricht – zu leiten, fehlt ihnen jedoch das nötige Handwerkszeug. Ein herkömmlicher Gruppenleitergrundkurs, wie er vielerorts angeboten wird, setzt meist ein Mindestalter von 15 Jahren voraus. Diese Zeitspanne wird jedoch von den motivierten Jugendlichen als zu lang empfunden; sie lassen sich nicht so lange „vertrösten“ und bleiben fern. Dieses Dilemma vermag der in Bruchhausen-Vilsen über einen Zeitraum von einem Schuljahr angelegte Kurs zu lösen, indem er Jugendlichen im Anschluss an die Konfirmation eine Möglichkeit zur Partizipation anbietet. Am Ende haben alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer das zum Erwerb der Jugendgruppenleitercard erforderliche Alter erreicht.
Mir war in den Gesprächen über eine Kooperation von Kirche und Schulen in der Jugendarbeit von Anfang an zweierlei unabdingbar wichtig:
Zum einen: Wie der Konfirmandenunterricht auch richtet sich das Angebot an Schülerinnen und Schüler aller Schulformen.
Zum anderen: Ich gehe als Unterrichtender nicht in die Schule, sondern die Jugendlichen kommen zu mir ins Gemeindehaus um die kirchliche Trägerschaft des Angebots deutlich zu machen. Zudem sind die schulisch „neutralen“ Räumlichkeiten dazu geeignet, die am Schulzentrum sonst deutlich wahrnehmbare Trennung der Schulformen zu überwinden, wie es die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereits von dem in denselben Räumlichkeiten stattfindenden Konfirmandenunterricht her gewohnt sind.
Nach Sondierungsgesprächen in den Schulen (Klärung der Versicherungsfrage für externe schulische Angebote, Transport der Schülerinnen und Schüler) und in den beteiligten Kirchenvorständen (Wollen wir ein personelles Engagement in dieser Form von Jugendarbeit?) startete ein erster Kursdurchlauf mit 16 Jugendlichen im Schuljahr 2006/07. Im zweiten Jahr meldeten sich 30 Jugendliche an, sodass zwei Unterrichtsgruppen gebildet werden mussten.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Zielgruppe des Angebots waren zunächst Schülerinnen und Schüler ab der 9. Klasse, die ein Interesse an der Mitarbeit in kirchlichen Gruppen (vornehmlich Kindergottesdienst, Konfirmandenunterricht) haben und die mir persönlich durch den Konfirmandenunterricht oder durch die Teilnahme an den regelmäßig angebotenen Sommerfreizeiten für Jugendliche bekannt sind und insofern eine Beziehung zur Kirchengemeinde und zu christlichen Inhalten aufweisen.
„Erfahren habe ich von JuLeiCa durch andere aus meiner Fußballmannschaft, die den Kurs schon im letzten Jahr gemacht haben. Als wir zu Beginn des Schuljahres den AG-Wahlzettel in der Schule bekamen, haben meine Freunde und ich uns darüber unterhalten, woran wir teilnehmen. Ich brauchte noch einen AG-Punkt1. Freunde von mir wollten JuLeiCa machen und ich wusste, dass der Kurs mit Christoph Spaß macht. Etwas anderes als nur Theorie lernen wie in der Schule. Nach ein paar Wochen habe ich gemerkt, dass JuLeiCa mir für den Konfirmandenunterricht was bringt, wo ich seit einiger Zeit als Teamer mitgearbeitet hatte.“ So beschreibt Nico Schröder, 15 Jahre, Schüler in der 10. Klasse des Gymnasiums Bruchhausen-Vilsen und seit der Konfirmation aktiver Teamer im wöchentlichen Konfirmandenunterricht und auf diversen Freizeiten, was ihn zur Teilnahme bewogen hatte.
Durch den schulischen Charakter des Angebots und das darum bislang von der Schule gesteuerte Einwahlverfahren tauchten von Anfang an zu meiner Überraschung auch mir unbekannte Jugendliche in dem Kurs auf, die – anders als Nico – über keinerlei christliche Sozialisation verfügten. In allen Fällen bestanden allerdings freundschaftliche Bezüge zu anderen, mir bekannten Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern.
Die Motivation zur Teilnahme erwies sich als vielschichtiger als zunächst vermutet. Während einige Jugendliche wie Nico in der Tat begleitend zu einer nach der Konfirmation einsetzenden Mitarbeit in der Kirchengemeinde das dafür nötige Handwerkszeug zu erlernen wünschten, verfügten andere über Erfahrungen in der Leitung von Gruppen in sportlichen Zusammenhängen (Fußball, Handball) und benötigten die JuLeiCa zur Absicherung ihrer Tätigkeit beim Sportverein. Wiederum andere sahen in dem Angebot eine Chance, das selbstbewusste Auftreten und freie Sprechen vor Gruppen zu erlernen und insofern sowohl schulisch als auch im Hinblick auf eine spätere Berufswahl von den gemachten Erfahrungen zu profitieren. Ein konkretes Engagement in kirchlichen oder anderen Gruppen ist hier nicht im Blick.
Nach einer ersten „Schnupperstunde“ war die Teilnahme – bedingt sowohl durch den schulischen Charakter der Veranstaltung als auch durch die für den JuLeiCa-Antrag vorgegebene Mindeststundenzahl – verbindlich. Um dies zu unterstreichen, unterschrieben die Jugendlichen mir gegenüber eine schriftliche Teilnahmevereinbarung und verpflichteten sich, ein etwaiges Fehlen aufgrund von Krankheit oder einer anderen schulischen Veranstaltung zu entschuldigen. In keinem der beiden bislang durchgeführten Kurse gab es Abbrecher.
Ablauf
Die 14-täglichen Treffen am Mittwoch begannen um 18 Uhr und endeten um 21 Uhr (entspricht vier Schulstunden pro Treffen, d.h. zwei AG-Wochenstunden in zwei Schulhalbjahren). Für die Jugendlichen bedeutete die späte Tageszeit den Reiz, sich länger als sonst gewohnt unter der Woche abends an einem Ort außerhalb von zu Hause aufhalten zu dürfen und Freunde treffen zu können. Der Fahrdienst für Teilnehmende aus den umliegenden Gemeinden im Einzugsbereich des Schulzentrums wurde von Eltern bereitwillig übernommen.
Jedes Treffen stand unter einem Thema. Um als Gruppe nach zwei Wochen wieder miteinander „warm“ zu werden bestand der Einstieg zumeist aus einem Spiel, das im besten Fall bereits das Thema des Abends eröffnete. Von Kursbeginn an waren die Teilnehmenden gefordert, sich die Themen methodisch angeleitet in Kleingruppen selbst anzueignen und anschließend im Plenum zu präsentieren. Als Arbeitsgrundlage diente neben eigens erstellten Materialien das Buch „Juleica – Handbuch für Jugendleiterinnen und Jugendleiter“ des Landesjugendrings Niedersachsen, das mit der Jugendgruppenleitercard versandt wird (im ersten Jahrgang wurden die Bücher in ausreichender Stückzahl zu Beginn des Kurses angeschafft und anschließend die mit der Jugendgruppenleitercard erhaltenen Exemplare für den nachfolgenden Kurs einbehalten). Die (notwendigen) theoretischen Referate durch die Leitung wurden – auch mit Rücksicht auf die späte Tageszeit – so knapp wie möglich gehalten, ohne dass wichtige Informationen und Zusammenhänge gefehlt hätten. Folgende Aussage von Nico spricht meiner Beobachtung nach für viele der heutigen Schülerinnen und Schüler, die sich eher in praxisorientierten, an die Eigenverantwortung appellierenden Lernprozessen als im klassischen, Lernstoff vermittelnden Frontalunterricht wieder finden:
„Manchmal war es etwas langweilig, wenn wir lange zuhören mussten. Ich mochte es lieber, wenn wir Sachen selber erarbeiten konnten – meistens in kleinen Gruppen oder auch mal alleine. Genauso wenn wir praktische Übungen gemacht haben wie zum Beispiel mit ein wenig Vorbereitung eine Geschichte aus der Bibel erzählen oder ein Spiel erklären. Am meisten geholfen hat mir, wenn ich Tipps bekommen habe, wie ich mich in bestimmten Situationen in Gruppen verhalten kann und wenn ich das im Konfirmandenunterricht dann ausprobieren konnte.“
Zu jedem Treffen gehörten eine halbstündige Pause und ein von zwei Teilnehmern selbst zubereitetes Essen frei nach dem Motto: Als angehende Gruppenleitung muss ich auch die Verpflegung meiner Gruppe sicherstellen können. Diese Mahlzeiten wurden von den Teilnehmenden in mehrfacher Hinsicht sehr geschätzt: als Ersatz für das häusliche Abendessen, als ein die Gemeinschaft stärkendes Element, als Möglichkeit der Kommunikation und des Austauschs (auch mit der Leitung); wie viele „Tür-und-Angel-Gespräche“ ergaben sich gerade rund um diese „erfüllte Pause“! Ich konnte zudem eine gespannte Erwartung bei den Jugendlichen beobachten, was zwei aus ihrer Mitte heute wohl für die Gruppe vorbereitet haben mögen, zuweilen verbunden mit einem großen Aufwand, der als Wertschätzung empfunden und als Einsatz Einzelner für die Gesamtgruppe von dieser gewürdigt wurde.
Manche Kurstreffen endeten mit einer Andacht im Altarraum der baulich mit dem Gemeindehaus verbundenen Kirche. In der Form ein Rückgriff auf die bei einigen Teilnehmenden bekannten Abendandachten auf Konfirmandenfreizeiten, im Jugendkreis und auf Sommerfreizeiten erwies sich dieses Element im Rahmen eines in dieser Form angelegten Gruppenleitergrundkurses als nicht ganz unproblematisch. Zugespitzt schlug sich die Fragwürdigkeit eines solchen Unternehmens in folgender Bemerkung einer Teilnehmerin nieder, die selbst Teamerin im Konfirmandenunterricht ist: „Warum feiern wir hier Andachten, wenn nicht alle von uns Christen sind?“ Ein Dilemma, das aus der offenen Form des Angebots in Kooperation mit den Schulen resultiert und das nach einer überzeugenderen Lösung verlangt als dem Kompromiss, den ich im vergangenen Jahrgang gewählt habe.
Nach den Halbjahreszeugnissen wurde im Februar ein Wochenende in einem externen Freizeitheim angeboten, das unter Einbeziehung eines externen Referenten der konzentrierten Arbeit an dem Thema „Freies Sprechen vor Gruppen, Präsentation von Inhalten“ diente und zugleich die Funktion hatte, die Gruppengemeinschaft zu stärken.
Auswahl der Themen
Für die Vermittlung des Lernstoffs standen über zwei Schulhalbjahre verteilt insgesamt 16 Kurstreffen zur Verfügung zuzüglich des oben genannten Wochenendes. Die geforderte Mindestzahl von 50 Unterrichtsstunden zum Erwerb der Jugendgruppenleitercard wurde somit allein durch die regelmäßigen Treffen um 14 überschritten, sodass Fehlzeiten etwa aufgrund von Krankheit, Schulveranstaltung oder Ähnliches einkalkuliert waren. Die Themenauswahl orientierte sich an mehreren Faktoren wie den Vorgaben, die für die Beantragung der Jugendgruppenleitercard nachgewiesen werden müssen, den Anforderungen der Kirchengemeinde hinsichtlich des Einsatzes von jugendlichen ehrenamtlichen Mitarbeitenden sowie den vermuteten Bedürfnissen der Zielgruppe im Hinblick auf die Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit. So zogen sich durch nahezu jedes Kurstreffen, gleichsam wie ein roter Faden, Aufgaben der Präsentation sowie Methoden der Reflexion des eigenen Handelns.
Die gebotenen Themen lassen sich grob in drei Blöcke zusammenfassen 2:
- Gruppe und Leitung: Gruppendynamik, Rollen in Gruppen, Leitungsstile, Anforderungen an eine gute Gruppenleitung, rechtliche Grundlagen.
- Auftreten vor Gruppen: freies Sprechen, Präsentation von Inhalten (Flipchart, Overhead, Powerpoint), Erklären von Spielen, Erzählung einer biblischen Geschichte, freiwillig: Vorbereitung einer Andacht.
- Persönlichkeitsbildung und Kommunikation: Anleitung zum Verstehen der eigenen Persönlichkeit mithilfe des DISG-Persönlichkeitsmodells, Sozialisation von Mädchen und Jungen, Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters, Kommunikationsmodelle, Konfliktlösung, Feedback geben und empfangen.
Zusätzlich wurde den Jugendlichen ein extern organisierter Erste Hilfe-Kurs an einem Wochenende angeboten (16 Unterrichtsstunden), dessen Besuch Voraussetzung für die Beantragung der Jugendgruppenleitercard ist. Die Teilnahme hieran war freiwillig.
„Am meisten gebracht hat mir das Wochenende im Februar. Danach wusste ich, wie man vor Gruppen frei spricht. Für Referate in der Schule hat das geholfen. Auch im Konfirmandenunterricht, wo ich am Anfang eher unsicher war. Jetzt macht es mir nichts mehr aus, vor den Konfis zu stehen und ihnen was zu erzählen. Ich muss mich auch nicht mehr so lange darauf vorbereiten. Außerdem habe ich besser gelernt Spiele zu erklären. Im Konfirmandenunterricht hatte ich das ja auch schon gemacht, aber bei JuLeiCa konnte ich testen, ob ich’s auch richtig gemacht habe. Auf der Konfirmandenfreizeit habe ich zum ersten Mal eine Andacht gehalten. Seitdem habe ich das schon öfter wieder gemacht und bin jetzt sicherer im Erzählen. Die Einheit, wo wir was über Rechte und Pflichten als Gruppenleiter erfahren haben, war auch ganz interessant. Manches konnte ich mir vorher schon denken, aber zum Beispiel das mit der Aufsichtspflicht wusste ich auch nicht so genau. Ach ja, und der Erste Hilfe-Kurs hat weitergeholfen. Und Berlin war eine tolle Erfahrung, die ich nicht vergessen werde! 3“
Gefragt nach ihren Interessen und Wünschen votierten die Teilnehmenden zu Beginn des Kurses ähnlich wie Nico das im Rückblick tut. Ganz oben auf der Wunschliste der Jugendlichen rangierten Themen wie Sicherheit im Auftreten vor Gruppen gewinnen, Erlernen des freien Sprechens und Stärkung des Selbstbewusstseins. Hier und da wurde am Ende des Kurses der Wunsch nach einer Einheit zur Stimmbildung laut.
Grundsätzlich ist zu fragen, ob der Praxisbezug hinsichtlich der Leitung von Gruppen nicht deutlicher herausgestellt werden sollte, etwa durch ein zeitlich begrenztes Praktikum in diversen Gemeindegruppen inklusive Vor- und Nachbereitung. Dies ließe sich sicherlich nur auf Kosten einiger Einheiten zur Persönlichkeitsentwicklung realisieren und stünde in der Gefahr, den schulischen Kontext des Kurses zu verlassen. Klare Vorteile einer solchen Praxisphase wären die Möglichkeit der Reflexion tatsächlich erlebter Gruppensituationen sowie der Bau einer Brücke hin zu späterer ehrenamtlicher Mitarbeit in der Kirchengemeinde. Unter den bisherigen Bedingungen verfügten einige Jugendliche wie Nico über mehrfache Leitungserfahrungen in Gruppen (Konfirmandenunterricht, Konfirmandenfreizeiten, einwöchige Freizeit für Zehn- bis Zwölfjährige in den Osterferien), andere über gar keine. Mit diesem sehr unterschiedlichen Erfahrungshorizont im Zusammenspiel von Theorie und Praxis umzugehen, erwies sich nicht immer als ganz einfach, etwa bei Fallbesprechungen.
Finanzierung
Der Kurs in der beschriebenen Form wurde mit einem vergleichsweise hohen finanziellen Aufwand durchgeführt, jedoch ohne dass Kosten von der Kirchengemeinde getragen werden mussten. Die Kooperation mit der Schule gebot es zudem, zur Wahrung des schulischen Charakters des Angebotes auf Teilnehmerbeiträge – auch für die Wochenendfahrt – zu verzichten. Die hauptsächlichen Kostenfaktoren waren das Wochenende im Februar (Transportkosten, Unterkunft, Verpflegung) unter Einbeziehung eines externen Referenten, die Mahlzeiten während der regulären Kurstreffen (die Teilnehmenden bekamen in einem vorher festgelegten Rahmen die Kosten für Essenszutaten und Getränke erstattet), der Erste Hilfe-Kurs (die Kursgebühr von 15 Euro pro Schülerin und Schüler wurde übernommen) sowie das Lernmaterial (Lehrbuch und Kopien). Zudem wurde über den Etat des Gruppenleitergrundkurses der Praxiseinsatz von einzelnen Teilnehmenden auf einer Konfirmandenfreizeit und einer einwöchigen Freizeit der Kirchengemeinde für Zehn- bis Zwölfjährige in den Osterferien bezuschusst.
Zur Finanzierung standen im Schuljahr 2007/08 ein Zuschuss der Landeskirche aus dem Förderprogramm „Kirche und Schule“ in Höhe von 1.500 Euro sowie Zuschüsse des Landkreises Diepholz zur Verfügung, die dieser für die Ausbildung von Jugendgruppenleiterinnen und –leitern zahlt.
Für externe Angebote im Ganztagesbereich stellen die kooperierenden Schulen den Unterrichtenden Honorargelder zur Verfügung, sofern diese nicht anderweitig vollzeitbeschäftigt sind.
Aus den vorangegangenen Ausführungen wird deutlich, dass gerade im Bereich der Finanzen eine hohe Eigensteuerung möglich ist. Je nach örtlicher Gegebenheit lässt sich das Angebot so variieren, dass eine nicht unerhebliche Reduzierung der Ausgaben erzielt werden kann.
Feedback und Ausblick
Die gute Resonanz auf einen Gruppenleitergrundkurs, der in kirchlichen Räumen durchgeführt wird und gleichzeitig schulische Relevanz hat, lässt darauf schließen, dass das Angebot offensichtlich den Nerv der Schülerinnen und Schüler trifft. Die Gründe hierfür sind sicher vielschichtig. Nicht zu vernachlässigen ist in diesem Zusammenhang die vielerorts zu beobachtende Forderung nach Zusatzqualifikationen, die eine Bewerbung um einen Ausbildungsplatz positiv von Mitbewerberinnen und –bewerbern abheben. Für die Kursteilnehmenden spielen die Überreichung eines Zertifikats, das die Lerninhalte dokumentiert, zusammen mit einem Vermerk der Teilnahme auf dem Zeugnis eine nicht unerhebliche Rolle. Ein teilnehmender Hauptschüler mit einem mittelmäßigen Notenschnitt, der seiner Bewerbung eine Bestätigung über die laufende Kursteilnahme sowie seine Mitarbeit im Konfirmandenunterricht beilegen konnte, hatte damit bereits im ersten Anlauf Erfolg. Darüber hinaus berichten Teilnehmende und Lehrkräfte von schulischen Erfolgen vor allem im Bereich von Referaten und Aufgaben, die mit der Präsentation von Lerninhalten verbunden sind. Über eine Realschulklasse, aus der eine ganze Gruppe Jugendlicher an dem Kurs teilnahm, erzählte die Schulsozialarbeiterin, dass sich über das Schuljahr eine deutliche Verbesserung des Klassenklimas eingestellt hätte und führte dies auf den Erwerb sozialer Kompetenzen zurück, der durch das Kursangebot betont gefördert wird.
Abgesehen vom schulischen Kontext ist der Gruppenleitergrundkurs in dieser Form geeignet, Jugendlichen nach der Konfirmation zumindest über den Zeitraum eines Jahres eine weitere Beheimatung in der Kirchengemeinde anzubieten und dem hier und da geäußerten Wunsch nach Partizipation zu entsprechen. Es fällt auf, dass die im Vergleich zu anderen, über einen erheblich kürzeren Zeitraum angelegten Kursangebote zum Erwerb der Jugendgruppenleitercard intensive Schulung zu einer deutlich erhöhten Kompetenz in der Leitung von Gruppen durch Jugendliche in unseren Kirchengemeinden führt. Insofern ist der Gruppenleitergrundkurs zu einem wesentlichen Baustein in der kirchlichen Jugendarbeit vor Ort geworden.
Aufgrund der einhellig positiven Resonanz seitens der teilnehmenden Jugendlichen, der Kirchenvorstände und der beteiligten Schulen wird von einer Fortführung auch im kommenden Schuljahr ungefragt ausgegangen. Die schon einige Wochen vor Schuljahresbeginn einsetzende rege Nachfrage von Jugendlichen lässt auf eine weiterhin hohe Anzahl von Interessierten schließen.
Demgegenüber stehen knapper werdende personelle Ressourcen auf Seiten der Kirchengemeinde, die eine Ausweitung des Angebots nicht zulassen, sowie die über zwei Schuljahre gemachte Erfahrung, dass eine Kursgröße von mehr als 16-18 Schülerinnen und Schülern für dieses Vorhaben nicht sinnvoll ist. Insofern ist zu überlegen, wie das Einwahlverfahren der Schülerinnen und Schüler seitens der Schule so gesteuert werden kann, dass nicht diejenigen Jugendlichen ausgeschlossen bleiben, die über eine hohe kirchliche Bindung verfügen und deren Motivation zur Kursteilnahme eine künftige Mitarbeit in der Kirchengemeinde ist. Ob damit letztlich der schulische Rahmen des Angebots wieder verlassen wird, bleibt abzuwarten.
Von den 30 Teilnehmenden im Schuljahr 2007/08 werden künftig zehn in der Gemeinde mitarbeiten. Diejenigen, die das wie Nico begleitend zum Kurs bereits getan haben, beabsichtigen ihre Mitarbeit fortzusetzen.
Für die Zukunft wünschenswert wäre eine Einbeziehung älterer Jugendlicher, die den Kurs bereits absolviert haben, als Multiplikatoren, die ihrerseits eine aktive Rolle in der Schulung Jüngerer übernehmen.
Zur Nachahmung empfohlen?
Drei wichtige Faktoren waren gegeben, damit der Gruppenleitergrundkurs in der beschriebenen Form starten konnte:
- 1. Die Suche der Schulen nach Partnern für den Ganztagsbereich und eine grundsätzliche Offenheit der betroffenen Schulleitungen gegenüber Kirche,
- 2. die Bereitschaft der beteiligten Kirchenvorstände und des Teams der Hauptamtlichen neue Wege in der Jugendarbeit zu beschreiten,
- 3. in der Anfangsphase über einen Zeitraum von 1,5 Jahren hinweg größere hauptamtliche Kapazitäten für den Bereich der Jugendarbeit.
Uns erscheint es zudem als nicht unwesentlich, dass die Gruppenleiterschulung in Bruchhausen-Vilsen eingebettet ist in eine große Kinderkirchenarbeit, in der Jugendliche als Mitarbeitende eine Betätigung finden und gerne gesehen sind, in eine Konfirmandenarbeit, die stark auf jugendliche Teamer setzt und in das Angebot von Sommerfreizeiten für die 14-17jährigen, das in den vergangenen beiden Jahren jeweils von über 60 Teilnehmenden wahrgenommen wurde. Dieser Rahmen macht deutlich, dass die kirchliche Jugendarbeit auch auf kommunaler Ebene eine ernstzunehmende Größe darstellt und unter Jugendlichen und Eltern ein gleichermaßen positives Image hat.
Bevor unser Konzept auf andere übertragen werden kann, ist sicherlich je vor Ort gut zu prüfen, inwiefern dies auch aufgrund der vorhandenen personellen Kapazitäten leistbar ist. Insbesondere im einstelligen Pfarramt dürfte es Mühe bereiten, Stundenentwürfe von Grund auf neu entwickeln zu müssen. Eine regionale Zusammenarbeit beispielsweise von Kirchengemeinden, deren Jugendliche ein und dasselbe Schulzentrum besuchen, könnte in diesem Zusammenhang allerdings durchaus interessant sein. Und in Kirchenkreisjugenddiensten (insbesondere in städtischen Räumen) wäre zu prüfen, ob die Intensität und Nachhaltigkeit des beschriebenen Konzepts, das Jugendlichen dort begegnet, wo sie immer mehr Zeit verbringen: in der Schule, für derartige neue Wege in der Ausbildung von jungen Gruppenleitenden spricht.
Anmerkungen
- Bis zum Beginn des Schuljahres 2008/09 konnten Schülerinnen und Schüler im G 8 (Erwerb des Abiturs nach acht Gymnasialjahren, d.h. nach Klasse 12) in Niedersachsen nur dann zum Abitur zugelassen werden, wenn sie den Besuch von Arbeitsgemeinschaften im Rahmen von mindestens fünf Wochenstunden nachweisen konnten. Eine neue Verordnung bezeichnet dies lediglich für wünschenswert. Wie sich dies auf die Motivation von Jugendlichen an Arbeitsgemeinschaften teilzunehmen insgesamt auswirken wird, bleibt abzuwarten.
- Eine Übersicht über die Verteilung der Themen auf einzelne Stunden findet sich im Netz auf der Homepage der Kirchengemeinden Bruchhausen und Vilsen: www.kirche-bruchhausen-vilsen.de unter dem Link „Für Jugendliche“.
- Der Gruppenleitergrundkurs in der beschriebenen Form war eines von vier Projekten in Niedersachsen, das von der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend ausgewählt wurde, um an der Jugendmesse Berlin’08 der Bundeszentrale für politische Bildung vom 13. bis 15. Juni 2008 teilzunehmen. Die teilnehmenden Jugendlichen erarbeiteten hierfür eine Ausstellung, eine Präsentation und ein Anspiel um das Angebot aus Bruchhausen-Vilsen unter Teilnehmenden aus ganz Deutschland vorzustellen.
Literaturtipps
- Landesjugendring Niedersachsen e.V. (Hg.): Juleica – Handbuch für Jugendleiterinnen und Jugendleiter, 4. Aufl. 2007 (im Internet unter http://www.jugendserver-niedersachsen.de/fileadmin/chefredakteure/Juleica/download/Juleicaah.pdf)
- Kanzleiter, Götz / Krebs, Reinhold (Hg.): Das TRAINEE-Programm, 2. Aufl. Stuttgart 2007