Experimentelle Exegese des priesterschriftlichen Schöpfungsberichts

von Judith Pschibille / Aaron Schart

 

Ein Praxisbericht

Die exegetische Ausbildung im Rahmen der universitären Lehrerausbildung stellt bekannter Maßen besondere Anforderungen. Neben aller fachwissenschaftlich notwendigen Vermittlung von Wissens- und Methodenkompetenz bei der Textinterpretation muss auch im Blick behalten werden, dass die Studierenden historisch-kritische Interpretationsergebnisse in ihrem künftigen Berufsfeld anschaulich, eindrücklich und motivierend darzubieten haben. Da man nur schwer vermitteln kann, was man sich nicht selbst zuvor angeeignet hat, liegt es nahe, den Studierenden auch exegetische Lehrveranstaltungen anzubieten, in denen nicht die Erarbeitung historisch-kritischer Forschungsergebnisse, sondern deren persönliche Aneignung und anschauliche Präsentation im Zentrum des Geschehens stehen. Die traditionell distanziert-kognitive Textinterpretation soll durch engagiert-emotionale Verfahren bereichert werden. Die religionspädagogische Methodenlehre kennt dafür ein breites Inventar von Spielformen bis hin zum Bibliodrama.1 Seit einigen Jahren kommt die Arbeit mit den sogenannten neuen Medien hinzu, die phantastische Darstellungs- und Distributionsmöglichkeiten bieten.2

Im Unterschied zur religionspädagogischen Zielsetzung, die die Aneignung des Bibeltextes im Hier und Jetzt konkreter Lebenszusammenhänge zum Inhalt hat, geht es im Rahmen der exegetischen Ausbildung primär um ein besseres Verstehen des historischen Sinnes.3 Als griffige Bezeichnung legt sich in Analogie zu dem etablierten Forschungszweig »experimentelle Archäologie« der Ausdruck »experimentelle Exegese« nahe.4 Es geht darum, dass die historische Situation, in der ein Bibeltext entstanden ist, in einer Spielsituation simuliert wird. Dabei besteht das Ziel darin, dass die Studierenden sich einerseits möglichst konkret in eine historische Situation hineinversetzen und andererseits erspüren, welche Kraft und Intention die Worte des Textes in ihrer Ursprungssituation entfaltet haben müssen.5 Dieses Anliegen verfolgt auch die historische Forschung in erzählender Form, wie sie am bekanntesten wohl G. Theißen durchgeführt hat.6 Durch die spielerische Darbietung des Erzählstoffes kommt die Identifikation mit einer Rolle und die Interaktion mit anderen Spielern hinzu. Im Rahmen des im folgenden dargestellten Projekts wurde die erarbeitete Spielszene zusätzlich noch gefilmt. Einerseits hat die Verfilmung einen dokumentarischen Zweck. Für die Nach- und Weiterarbeit, insbesondere die theoretische Reflexion über das Geleistete, steht so das Spiel auch noch nach Wochen in einer Form zur Verfügung, die auch die non-verbale Dimension des Spiels enthält, wie z.B. Mimik, Gestik und die Positionierung im Raum. Andererseits hat das Video die Aufgabe, das Ergebnis der Bemühungen auch solchen Personen zu vermitteln, die am Spiel selbst nicht beteiligt waren, so dass es auch für den Einsatz in ganz anderen Lehrzusammenhängen geeignet ist.

 

Die konkrete Durchführung im WS 2000/2001

Im Wintersemester 2000/2001 fand an der Universität Essen ein Seminar statt, das die Erprobung des Konzepts der experimentellen Exegese zum Ziel hatte. Als Textbasis wurde der priesterschriftliche Schöpfungsbericht (Gen 1,1-2,4a) gewählt, ein Text von zentraler Bedeutung für die biblische Theologie, mit dem Religionslehrerinnen und -lehrer deshalb auch regelmäßig konfrontiert werden. An dem Seminar nahmen sechs Studentinnen und drei Studenten teil. Das Projekt wurde von dem Dramaturgen und Leiter der Aufnahmeproduktion des Medienzentrums der Universität Essen, Dr. Thomas Strauch, unterstützt, was sehr hilfreich war. Einerseits beschleunigte er durch seine Kompetenzen die dramaturgische Umsetzung von kognitiven Inhalten in Emotionen und Handlungen. Andererseits nahm er die produktionstechnische Seite in seine Hände, so dass hierauf weder von Studierenden- noch von Dozentenseite besondere Konzentration aufgewendet werden musste. Bei der Videoproduktion standen darüber hinaus noch ein Kameramann, ein Kameraassistent, zwei studentische Hilfskräfte und ein Cutter zur Verfügung. Das Seminar wurde in drei Phasen unterteilt: 1) Texterschließungsphase, 2) Szenenaufbau und Dreharbeiten und 3) Nacharbeit und Transfer.

 

Erste Phase:
Die Texterschließung

Grundlage für alle wissenschaftliche Arbeit am Bibeltext bilden selbstverständlich die textbezogenen Arbeitsschritte der historisch-kritischen Methode. Für diese Texterschließungsphase standen vier Unterrichtsstunden zur Verfügung. Nachdem das Thema erläutert und in die Webunterstützung für dieses Seminar eingeführt war7, wurde der Text Gen 1,1-2,4a in der Buber/Rosenzweig-Übersetzung8 gelesen, gegliedert und inhaltlich erläutert. Um den Studierenden einen Einblick in die Welterschaffungsvorstellungen Babylons zu ermöglichen, wo der biblische Bericht ja sehr wahrscheinlich entstand, wurden Auszüge aus dem Text von enuma elisch9 gelesen und seine Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf den priesterschriftlichen Schöpfungsbericht herausgearbeitet. Im Wesentlichen wurde der Exegese von W.H. Schmidt10 gefolgt, der das Verhältnis von Wort- und Tatbericht so versteht, dass die Priesterschrift vorgegebenes Material durch den vorangestellten Wortbericht interpretiert.11 Aus den vielen Akzenten des ersten Schöpfungsberichtes wurden folgende Schwerpunkte ausgewählt und während der gemeinsamen Textarbeit besonders thematisiert:

a) Schöpfung durch das Wort statt Götterkampf
Grundlegend für das Verständnis des priesterschriftlichen Schöpfungsberichts ist seine Auseinandersetzung mit den mythischen Vorstellungen der Babylonier, die auch zu einer Neubewertung innerisraelitischer Traditionen führt. Die Herausstellung der Jenseitigkeit Gottes zur Schöpfung, etwa durch die Vorstellung einer Erschaffung durch das Wort, versteht sich als bewusste Abkehr von den mythischen Göttervorstellungen, wonach die Götter von weltimmanenten Erscheinungsformen, wie etwa Sonne, Sternen und Naturphänomenen, nicht ablösbar sind. Dabei bleiben gewisse Vorstellungen babylonischer Mythen in verwandelter Form mitunter auch erhalten, etwa die Vorstellung von einem Urwasser, bei dem das Schöpfungsgeschehen ansetzt (tehom Gen 1,2). Völlig abgestreift werden jedoch Hinweise auf ein im Rahmen der Weltschöpfung nötiges Kampfesgeschehen.12 In der polytheistischen Religion Babyloniens müssen die Menschen mit dem leben, was sich als Ergebnis der Interaktion der Gottheiten untereinander ergibt. Jede der Gottheiten verfolgt eigene, ja sogar eigensüchtige Pläne von unterschiedlichen Antriebslagen und Persönlichkeitsstrukturen aus. Dabei scheut sich enuma elisch nicht, den Göttern auch niedere Beweggründe zu unterstellen, wie Eitelkeit, Jähzorn, Machtgier und Rücksichtslosigkeit. Dass die Welt trotzdem nicht im Chaos versinkt, verdankt sie dem stärksten Gott, Marduk, der die Königswürde innehat. Aber selbst Marduk ist im Gebrauch seiner Macht nicht von Egoismen und niederen Beweggründen frei. Die Babylonier müssen deshalb in einem latenten Gefühl der Unsicherheit gelebt haben. Die Bestimmung des Schicksals für König und Volk war an jedem Neujahr wieder offen. Dagegen geht der biblische Bericht davon aus, dass es einzig und einsam der Gott Israels, Jahwe, war, der die Welt aus souveräner Freiheit heraus gesetzt hat, ohne dass irgendwelche Gegenkräfte Gottes Handlungsabsichten abschwächen, verändern oder gar verhindern hätten können. An diesen Gott ist der Mensch deshalb vertrauensvoll gewiesen. Gott benennt in einem Herrschaftsakt die erschaffenen Elemente und nimmt ihnen so ihre in der Umwelt Israels vertretene Göttlichkeit.

b) Der Mensch als Ebenbild Gottes statt als Arbeitssklave
Auch in enuma elisch bekommt der Mensch eine ausgezeichnete Stellung in der Welt, insofern er aus Götterblut geschaffen wird (Taf. 6,33). Aber er wird dafür geschaffen, den Göttern ungeliebte, mühselige Arbeiten abzunehmen, die diese nicht selbst ausüben wollen. Im AT dagegen begründet sich die Sonderstellung des Menschen aus dem Auftrag Gottes, über die Mitwelt zu herrschen. Der Mensch nimmt den Göttern nichts ab, wozu sich diese zu schade sind, vielmehr repräsentiert er Gottes Herrschaft über die Welt (Gottebenbildlichkeit). Dadurch kommt ihm eine unantastbare Würde zu. Diese ist innerhalb des biblischen Berichts durch die Selbstaufforderung Gottes, den Menschen zu schaffen, und den anschließenden Segen noch unterstrichen (Gen 1,26-30). Weil der Mensch Gott in der Welt repräsentiert, bedarf es auch keiner Kultbilder, die im babylonischen Zusammenhang diese Rolle übernehmen.

c) Anteil an der göttlichen Ruhe statt ihre eifersüchtige Verteidigung
In enuma elisch wird die Lage so geschildert, dass die Götter selbst die Ruhe dringend benötigen (Taf. 1,37-40). Vermutlich deshalb, weil auch ihre Schaffenskräfte erlahmen und der ständigen Erneuerung bedürfen. Deshalb verteidigen sie ihre Ruhe auch mit einer gnadenlosen Aggressivität. Um ungestört ruhen und schlafen zu können, lassen sie sogar ihre eigenen göttlichen Nachkommen ermorden, die ihnen ansonsten ja Entlastung bei ihren Aufgaben bringen. Die Menschen werden ebenfalls geschaffen, um den Göttern Ruhe zu verschaffen (Taf. 6,8). Ganz anders ist die Szenerie im alttestamentlichen Bericht. Die Ruhe Gottes verdankt sich nicht der Erschöpfung der Kräfte, sondern des Abstandnehmens von dem geschaffenen Werk. Gott tritt gleichsam wie ein Künstler nach Beendigung der Arbeit einen Schritt zurück, um sich sein Werk zu besehen. Nachdem Gott sieht, dass das Werk sehr gut gelungen ist, ruht Gott, um diesen Anblick zu genießen (Gen 1,31-2,3). Jenseits des Schaffens, jenseits des Raumes schafft Gott so eine Zeitstelle des zwecklosen Genießens. An dieser Ruhe erhält die ganze Schöpfung Anteil. Indem der Mensch am Sabbat von seiner alltäglichen Arbeit ruht und somit diese Ruhe Gottes mitfeiert, vergegenwärtigt sich der Mensch der heilsamen Begrenztheit seiner Arbeit.13

Im Hinblick auf die Erstellung und Verfilmung eines Spiels wurde nun verstärkt daran gearbeitet, die Lebensbedingungen der Israeliten im antiken Babylon in der Exilszeit zu imaginieren. Dazu wurden zunächst weitere Texte des Alten Testaments hinzugezogen, die ebenfalls in die Exilszeit zu datieren sind (z.B. Ps 137; Jer 29; Ez 1-3; 37). Um darüber hinaus atmosphärische Eindrücke zu erarbeiten, wurde eine Phantasiereise in das antike Babylon unternommen.14 Die bunte Zusammensetzung der babylonischen Gesellschaft aus Fremden und Einheimischen wurde thematisiert. Innerhalb der israelitischen Exilsgemeinde wurden Zweifler an der Tradition, Glaubenstreue und Priester differenziert, die sich jeweils auf ihre eigene Weise mit dem gewaltsam erzwungenen Aufenthalt in Babylon, dem prachtvollen Wohlstand der Stadt und der für die einen faszinierenden, für die anderen abstoßenden religiösen Welt auseinander setzten. Am Ende der vier texterschließenden Stunden standen auf diese Weise die im Spiel darzustellenden Personengruppen, ihre Lebensbedingungen und –haltungen, sowie die verschiedenen theologischen und religiösen Standpunkte fest.

Jetzt fehlten nur noch Ort, Zeit und konkreter Anlass, um die Entstehungssituation des priesterschriftlichen Schöpfungsberichtes in einer für die historische Gesamtlage signifikanten Situation simulieren zu können.15 Auf Grund der Aussagen von Ps 137 wurde als Ort für die Spielszene das Ufer des Euphrats gewählt. Der Anlass, über das Thema Schöpfung zu sprechen, wurde in dem alljährlich in Babylon begangenen elftägigen Neujahrsfest gesehen. Da weder der genaue Ablauf noch die Einbeziehung des babylonischen Volkes in dieses Fest bis heute geklärt sind, führte zweierlei diese Entscheidung herbei: Zum einen wurde der Text von enuma elisch am vierten Tag des Festes verlesen, so dass er auch dem Volk Gesprächsstoff gegeben haben musste. Zum zweiten ging es beim Neujahrsfest wesentlich um den Menschen und seine von seiner Erschaffung her vorbestimmte Aufgabe, den Göttern zu dienen, so dass die Babylonier von dem Inhalt unmittelbar betroffen waren und ihn im Alltag umzusetzen suchten. Dies könnte für die Israeliten Anlass gewesen sein, ihre Position zu dem Thema Schöpfung zu verdeutlichen. Da zudem die elftägige Dauer des Festes auf jeden Fall mit dem am siebenten Tag gefeierten Sabbat der Israeliten kollidieren musste, ist leicht vorstellbar, dass auch das Thema der Ruhe Diskussionsstoff bot. Um dieses Zusammentreffen der Konfliktpunkte für das Spiel ausnutzen zu können, wurde der Vorabend des Sabbats als zeitlicher Rahmen der Szene festgelegt.

 

Zweite Phase:
Szenenaufbau und Dreharbeiten

In den nächsten vier Stunden wurde eine Szene entwickelt und eingeübt. Es war den Studierenden freigestellt, welche Figurencharakteristik sie aus den vier herausgearbeiteten Personengruppen, Babylonier, Zweifler, Glaubenstreue, Priester, für sich wählten. Dabei musste von vorne herein der Tatsache Rechnung getragen werden, dass an dem Kurs überwiegend Frauen teilnahmen und diese auch weibliche Rollen spielen wollten. Hinter dem Bibeltext und den anderen Quellen stehen aber vermutlich überwiegend männliche Aussagen, so dass nicht allein die unmittelbare Entstehungssituation, sondern ein etwas weiter gefasster Entstehungsrahmen der Schöpfungsgeschichte entwickelt werden musste.

Die Entwicklung der Szene erfolgte, indem sich die Beteiligten in den gemeinsam festgelegten Ort und die Zeit, also Flussufer des Euphrat am Vortag des Sabbats, während die Babylonier ihr Neujahrsfest feiern, hineinversetzten und überlegten, was zu dieser Zeit und an diesem Ort damals geschehen sein mag. So war recht schnell klar, dass die Israelitinnen an diesem Ort entweder Wäsche wuschen oder Wasser holten.16 Dabei begründete die erstere Möglichkeit eine längere Verweildauer am Fluss, in der ein Gedankenaustausch der Wäscherinnen über die Problematik ihrer Situation in Babylon möglich wurde. Dieser musste nun in der konkreten Situation zur Sprache gebracht werden. Dies wurde sukzessive durch mehrfaches Spielen geleistet. Es wurden keine Texte auswendig gelernt, sondern lediglich Stichworte notiert. Das förderte die emotionale Auseinandersetzung. Das immer erneute Einfühlen in die eigene Rolle und die Situation waren unerlässlich. Auch war es nötig, dass die Spielenden gut aufeinander eingingen, damit die Szene immer wieder ein Stück weiter kam. Zwar stand es jedem offen, seine Rolle so auszufüllen, wie er sie persönlich nachempfand, jedoch wurden diese Empfindungen durch Hinweise der Dozierenden und der Mitstudierenden, die sich aus den Quellentexten ergaben, und ihre Diskussion im Plenum gesteuert und gegebenenfalls korrigiert.

    So war zu Beginn der Spielphase z.B. noch nicht klar, wie Babylonierinnen auf am Fluss waschende Israelitinnen treffen konnten, ohne dass dabei das Szenenbild verlassen werden musste. Szenenwechsel sollten aber vermieden werden, weil sie als unnötig zeitaufwendig eingeschätzt wurden. Da zunächst davon ausgegangen wurde, die Babylonier befänden sich zur Feier des Neujahrsfestes in der Altstadt Babylons in der Nähe der Haupttempel, war eine Begegnung am Flussufer nicht recht vorstellbar. Das erneute Nachlesen über den Ablauf des Neujahrsfestes brachte auch hier Abhilfe. Die Ankunft der Götter aus der Umgebung Babylons über den Wasserweg am 6. Tag des Neujahrsfestes konnte als Anlass dafür genommen werden, dass Babylonierinnen an den Euphrat kamen, um nach der Schiffsprozession Ausschau zu halten. So war ein Anschluss an die erste Szene gefunden.

Überraschend war, wie sehr diese Spannung und das Ausgeliefertsein an die Situation bei den Studierenden ein ganz neues Bedürfnis nach dem Bibeltext erzeugten. Hatten sie bisher den Bibeltext wahrgenommen als einen Text, von dem der Leser nichts Neues, Unbekanntes, Überraschendes erwartete,17 so wollten sie ihn nun befragen, weil er Informationen birgt, die sie brauchten, um ihre Rolle besser ausfüllen zu können.

    So ergab sich z.B. aus der Szene, dass die israelitischen Priester auf die Ankunft der Götterschiffe in irgendeiner Weise reagieren mussten. Die Studierenden wussten aber nicht, in welcher Weise. Hier konnte die Lektüre der Götzenpolemik Jeremias (10,1-5) sowie des Dekalogs (Dtn 5,6-21 bes. 6-10) weiterhelfen. Beides griffen die Priester in ihrem Dialog auf und kamen so über die Situation ins Gespräch.18

Sogar der von ihnen als zu schwer verständlich beurteilte Text enuma elisch wurde unter diesen neuen Bedingungen und Fragestellungen noch einmal zur Hand genommen.

    Die Studentinnen, die die Babylonierinnen darstellten, die das Neujahrsfest feierten, dachten, dass dies ein Freudenfest sei, nach dem Motto: »let’s have a party«. Sie wollten mit ihrer Rolle also ein unbeschwertes fröhlich ausgelassenes Beisammensein darstellen. Dass aber die Götter, die am 6. Tage in Babylon ankommen, keine reinen Statisten dieses Festes sein werden, sondern dass von ihrer Stimmung in diesen Tagen die Zukunft abhing und die Stimmungslage der Götter als sehr unzuverlässig einzuschätzen ist, wurde der erneuten Lektüre von enuma elisch entnommen. Eine Studentin entwickelte deshalb in ihrer Rolle eine Mahnung an die Israelitinnen, doch die Götter nicht zu irritieren.19

Immer wieder wurden in vergleichbarer Weise Korrekturen eingearbeitet, die sich aus zwischenzeitlichen Textstudien ergaben. So erfuhren die Studierenden am eigenen Leib, wie eine historisch-kritisch kontrollierte Imagination der Entstehungsbedingungen des Bibeltextes aufgebaut wurde. In dieser Phase zeigte sich die eigentliche Stärke experimenteller Exegese: Sie kann sowohl zur Überprüfung der Plausibilität historisch-kritischer Textinterpretation als auch zur Entwicklung weiterer Verstehensmöglichkeiten des Textes genutzt werden.

    So wird z.B. der Bericht über die Einnahme Jerusalems (2. Kön 24,14-16; Jer 24,1b) in der alttestamentlichen Forschung zumeist aus der Perspektive des Staates Juda betrachtet und die Deportation der Oberschicht Jerusalems als eine Zerstörung der staatstragenden Struktur interpretiert.20 Beim Simulieren der Exilssituation in Babylon nahmen die Studierenden jedoch eine neue Perspektive in der Betrachtung dieser Ereignisse ein. Was haben denn die Israeliten in Babylon gemacht? Für welche Tätigkeiten wurden sie herangezogen? Plötzlich wurde die Maßnahme Nebukadnezars II. auch als eigensüchtig berechnende Handlung erkennbar; denn er brauchte für den Ausbau Babylons Fachkräfte wie Handwerker; Architekten; Kaufleute etc. So könnte seine Deportation der Oberschicht Judas auch von hierher motiviert gewesen sein.

    Ein weiteres Beispiel ist, wie sich die Einschätzung des nüchternen, undramatischen, theologisch konstruierten Erzählstils der Priesterschrift und ihr Hang, in den Geschichtsverlauf große Massen an Ritualabläufen und Gesetzesbestimmungen zu integrieren, im Zuge des Spiels änderte. Wirkte dies zunächst eher abstoßend, so wurde es dann als Verfahren verstanden, sich der dramatischen Kraft babylonischer Mythen und der Faszination kultischer Inszenierungen beim Neujahrsfest zu entziehen. Auch war es einfach notwendig, den Israeliten, die Heimat, Heiligtum, Verwandte und alles das verloren hatten, was zu ihrer Identität gehört hatte, etwas zu geben, was unbezweifelbar feststand. Diese Funktion konnten Gesetzestexte übernehmen. Sie konnten einen Orientierungsrahmen in dieser entwurzelten Lage bilden.

Nachdem die Spielszene im Wesentlichen feststand, schlossen sich zwei mehrstündige Drehtermine im Studio des Medienzentrums an. Dank der professionellen Hilfe konnte das Spiel auf eine kamerataugliche Präsentation hingeführt werden. Der gemeinsame Blick auf den Kontrollmonitor führte dabei über die eingeschränkte Perspektive der eigenen Rolle hinaus, hin zur Wahrnehmung dessen, was für die Gesamtszene am wichtigsten ist.

Für den Zusammenschnitt wurden aus der Fülle des von drei Kameras produzierten Materials die besten Szenen unter inhaltlichen Gesichtspunkten herausgesucht. In welcher Szene war die Wortwahl am gelungensten, wo wurden die Rollen am authentischsten gespielt? Passten die Ausschnitte nicht aneinander, so versuchte der Cutter die Bruchstellen durch technische Tricks zu überbrücken. Und erst wenn dies nicht gelang, wurden inhaltliche Abstriche gemacht und auf Aussagen verzichtet. Diese Arbeit des Schneidens war ausgesprochen zeitintensiv und langwierig und wurde deshalb von den Profis des Autorenzentrums und der Dozentin in Arbeitsteilung übernommen. Während die Dozentin auf inhaltliche Kriterien achtete, war es die Aufgabe des Dramaturgen, darauf zu achten, dass das Endprodukt seinen Qualitätsansprüchen genügte. So musste z.B. ein ausgewogener Wechsel von Totale und close-up gefunden werden. Die Aufgabe des Cutters war es, die Wünsche beider technisch umzusetzen.

 

Das Video

Das Endprodukt, ein zehnminütiges Video, teilt sich in folgende Sequenzen21:

– Einführung
(00:00:14:00 – 00:01:15:00)
Israelitinnen waschen Wäsche am Euphrat (00:1:15:00 – 00:02:55:00). Sie haben unterschiedliche Auffassungen von der Notwendigkeit der Einhaltung des Sabbats und unterhalten sich darüber.

– Überleitung
(00:02:55:00 – 00:03:02:00)
Ein israelitischer Hirt kommt an den Fluss (00:03:02:00 – 00:04:34:00). Er erinnert an die Überlieferung und die Botschaft Jeremias.

– Überleitung
(00:04:38:00 – 00:04:55:00)
Babylonierinnen schauen aus nach den Götterschiffen (00:04:34:00 – 00:05:46:00). Sie erwarten die Götterschiffe, weil ihre obligatorische Ankunft zum Neujahrsfest bevorsteht. Eine der Israelitinnen lässt sich von der Feierfreude der Babylonierinnen anstecken und zieht mit ihnen ab.

– Überleitung
(00:06:23:00 – 00:06:29:00)
Priester treten auf (00:05:48:00 – 00:09:17:00). Ein ans Euphratufer tretender Priester informiert sich über die Vorfälle und ist empört. In einem Streitgespräch mit einem weiteren Priester entsteht das Einsehen in die Notwendigkeit, den Israeliten ihre Geschichte mit ihrem Gott ins Gedächtnis zu rufen, und zwar vom Anfang der Menschheitsgeschichte an.

– Schlussdialog:
00:09:17:03 – 00:10:04:00
Da die Entwicklung der Spielszene kein Stadium erreicht hatte, in dem sie ohne Erläuterung verständlich war, wurde in der ersten Seminarstunde nach Abschluss der Dreharbeiten ein die Spielszene rahmender Begleittext geschrieben, der von zwei Studierenden vertont und in den die Spielszenen eingebettet wurden.22 Dieser Text leitet den Zuschauer in die Thematik der Entstehung des priesterschriftlichen Schöpfungsberichtes ein und stellt die jeweils neu auftretenden Personen vor. Er dokumentiert auch den experimentellen Charakter des Films und verhindert, dass der Zuschauer in die Rolle dessen verfällt, der einen Historienfilm konsumiert.23

 

Dritte Phase:
Die Nacharbeit und der Transfer

Nach Abschluss der Dreharbeiten wurde auf den Transfer des Gelernten hingearbeitet. Es sollte die in der experimentellen Exegese erfahrene Verstehenshilfe auf andere Texte übertragen werden. So wurde zunächst das Verfahren der experimentellen Exegese sowohl unter dem Blickwinkel der dadurch erreichten Lernziele als auch unter methodologischer Fragestellung kritisch begutachtet. Danach wurden die Studierenden an die Exegese des zweiten Schöpfungsberichtes herangeführt.

 

Bewertung

Die Erarbeitung des Spiels und des Videos hat erstaunliche Lernerfolge bei den Studierenden erzielt. Allem voran ist zu nennen, dass sie sowohl in historischen als auch methodologischen als auch theologischen Dingen sprachfähig geworden sind. Die Studierenden haben durch das Hineinfühlen in die historische Situation geübt, die Bibeltexte aus ihrer jeweiligen soziokulturellen Lage heraus zu verstehen. Die Bedeutung des Exils für die geschichtliche Entwicklung Israels wurde erkannt. Es wurde augenfällig, wie wichtig das Wissen um die historische Situation für das Verständnis des Textes ist. In diesem Zusammenhang wurde auch bewusst, welche Aussagen man den historischen Quellen entnehmen kann und wo im Rahmen der Simulation darüber hinaus gegangen werden musste.24 Die Abhängigkeit geschichtswissenschaftlicher Hypothesen von informierter und kontrollierter Imagination, insbesondere im Falle einer lückenhaften Quellenlage, wurde deutlich. Es wurden Kriterien entwickelt, wie man sachfremde Analogien, freie Phantasie und vertretbare Imagination unterscheiden kann, wobei zugleich auffiel, dass Ermessensspielräume bleiben, die auch erklären, warum die Entscheidung zwischen konkurrierenden wissenschaftlichen Erklärungsmodellen manchmal so schwer ist. Die theologischen Hauptgedanken des Schöpfungsberichts wurden in den Tiefenschichten emotionalen Erlebens bewegt. Indem die Intention des Textes in ihrer historischen Situation herausgearbeitet und auf die heutige Situation übertragen wurde, haben die Studierenden gelernt, wie der Weg der Auslegung biblischer Texte funktioniert und unter welchen Gesichtspunkten Unterrichtsmaterialien zu bewerten sind.

Hervorzuheben sind auch die vielen sekundären Effekte, die nicht im Zentrum dieses exegetischen Projekts standen. Zu nennen sind:

  • die hohe Motivation, die insbesondere die Dreharbeit auslöste,
  • die bereits erwähnte Förderung der emotionalen Auseinandersetzung mit historisch-kritisch rekonstruierten Größen, wie etwa der Priesterschrift,
  • die Schulung der Vorstellungskraft, die durch zunehmenden Konsum vorgefertigter Bildwelten in den Medien eher ab- als zunimmt,
  • die Fähigkeit, für abstrakte und eingespielte Begriffe der Exegese eigene Worte und Vorstellungen zu entwickeln,
  • die Konfrontation damit, wie man auf andere Mitspieler wirkt,
  • die Schulung der eigenen Fähigkeit, sich zu präsentieren, auch, aber nicht nur vor der Kamera.

Ein wesentlicher Effekt war auch, dass man am eigenen Leib erlebte, in welchen Stadien und mit Hilfe welcher Techniken ein Film entsteht.25 In medien-pädagogischer Hinsicht ist das eine ganz wesentliche Kompetenz, die dann auch die Sensibilität und Urteilskraft bei der Analyse von AV-Medien und ihrem unterrichtlichen Einsatz stärkt. 26

Das Verfahren der experimentellen Exegese beinhaltet aber auch Gefahren. So wird der Beschäftigung mit dem biblischen Text im Sinne der klassischen Methodenlehre weniger Zeit eingeräumt. Die eigenständige Beherrschung der an der Textoberfläche orientierten Arbeitsschritte leidet dadurch. Wer dies um anderer Vorteile willen nicht in Kauf nehmen will, wird der experimentellen Exegese wenig abgewinnen. Es ist auch nicht immer einfach, mit den Emotionen der Studierendengruppe zu arbeiten. Das Arbeiten an der Sachthematik wird immer wieder überlagert von den jeweiligen Personen, ihren schauspielerischen Fähigkeiten und ihrer Ich-Kompetenz. Die Eigendynamik des Spiels und der Gruppe kann die Korrektur von aus historisch-kritischer Sicht nicht zu rechtfertigenden Bedeutungseintragungen erschweren.27

Die Begeisterung bei diesem Projekt, das dann auch die erfüllte, die lediglich das Endprodukt sahen, dürfte aber ein Indiz dafür sein, dass diese Art der Erarbeitung des Bibeltextes dem heutigen durch den Konsum von Film, Fernsehen und Internet stark geprägten Studierenden entgegenkommt.

 

Anmerkungen

  1. Vgl. etwa die Übersichten von H. K. Berg, U. Bubenheimer und Th. Vogt.
  2. Dazu insbesondere E. Gottwald und M. Meyer-Blanck.
  3. Den Anspruch, zur wissenschaftlichen Textauslegung beizutragen, erhebt das Bibliodrama, je nach Art und Weise der Durchführung, zu Recht. Freilich steht das nicht im Vordergrund. Vgl. etwa G. M. Martin, Bibliodrama und sein Text.
  4. Gut geeignet ist auch der Begriff »szenische Interpretation« von I. Scheller, wenn man ihn im Sinne historisch-kritischen Arbeitens versteht. Der Begriff »Bibelarbeit«, wie ihn etwa Th. Vogt in seinem gleichnamigen Buch beschreibt, betont zu sehr den laienhaften und gemeindlichen Charakter, als dass er sich zur Benutzung dessen nahelegt, was im Zuge der universitären Ausbildung zu leisten ist. Der Begriff »praktische Exegese«, wie ihn etwa H. Schröer stark zu machen versuchte, fasst zu viele verschiedene Aspekte zusammen und betont ebenfalls den gemeindlichen Anwendungsbezug. Zur experimentellen Archäologie vgl. etwa die von Mamoun Fansa herausgegebenen Bücher.
  5. Mit diesem Doppelziel ähnelt die Methode der »experimentellen Exegese« stark der des »Bibliodramas« (vgl. U. Bubenheimer, Spielformen 348; G.-M. Martin, Sachbuch). Jedoch unterscheidet sie sich wiederum von jener, indem sie historisch-kritische Ergebnisse spielerisch umzusetzen sucht, um so die Aussagekraft des untersuchten Textes zu erspüren. Es geht dabei nicht in erster Linie um die Erfahrung, was die Aussage des Textes mit dem Spieler macht, sondern was sie in ihrer historischen Situation bewirken konnte und wollte.
  6. G. Theißen, Der Schatten des Galiläers.
  7. Sowohl die PowerPoint-Folien, die den theoretischen Unterricht begleiteten, als auch die Hausaufgabenmaterialien wurden über eine WWW-Adresse zugänglich gemacht. Auf diese Weise konnte Zeit und Konzentration für eventuelles Mitschreiben im Unterricht zu Gunsten der Konzentration auf die Mitarbeit gespart werden.
  8. Es wurde diese Übersetzung gewählt, um einen Verfremdungseffekt zu erzielen und eingefahrene Vorstellungen, die der Luthertext hervorruft, zu überwinden. Zudem lassen sich an diesem Text die hebräischen Vorstellungen und Wortbedeutungen auch im Deutschen gut aufzeigen.
  9. Siehe W.G. Lambert.
  10. Die Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift.
  11. Das Modell von W.H. Schmidt wurde mit Hilfe von PowerPointfolien animiert dargestellt, indem die redaktionellen Textpassagen sich auf Mausklick in den vorgegebenen Quellentext einfügten. So wurden komplizierte Textentstehungsmodelle visualisiert und dadurch leichter begreiflich gemacht.
  12. Vgl. etwa die völlige Entmachtung der Ungetüme in Gen 1,21, denen in der Umwelt äußerst furchterregende und mächtige Chaosgottheiten entsprechen.
  13. Sowohl V 1 in Zusammenhang mit 2,1-4a als auch V 29-31 zeigen, dass der Schöpfungsbericht nicht für sich steht, sondern in die Geschichtsdarstellung der Priesterschrift übergeht; denn V 1 und 2,1-4a bilden einen Rahmen um den Bericht und insbesondere 2,4a weist durch den Toledotbegriff über sich hinaus. V 29-31 korrespondieren mit verschiedenen Stellen im Genesisbuch (vgl. 9,3; 6,11f), so dass deutlich wird, auch für die Priesterschrift ist erschaffene Welt und die vorfindliche Welt unterschiedliches.
  14. Die Phantasiereise wurde in der Form der »Umwelterzählung« präsentiert, die für das Verständnis des Textes notwendigen Informationen über die Bedingungen des Lebens im antiken Babylon erzählerisch dramatisiert vermittelt (vgl. H. K. Berg, Methoden 171; U. Bubenheimer, Spielformen, 330).
  15. Verwiesen sei z.B. auf R. MacMullen, Christianizing, 40-41, der eine typische Szene imaginiert, die seine historische Theoriebildung flankieren kann.
  16. Im Unterschied zur experimentellen Archäologie kam es nicht darauf an, die konkreten Lebensumstände, wie Kleidung, Waschtechnik, Haartracht u.a. nachzustellen.
  17. Vgl. Th. Meurer, Einführung, 2.
  18. Vgl. 00:07:28:00-00:07:40:00: 1. Priester: »Aber viele Abbilder von Göttern hier.« Aaron, der 2. Priester: »Die Abbilder? Die sind alle von Menschenhand geschaffen; aus Holz und Stein. Da ist nichts Göttliches dran. Wir dürfen uns kein Abbild machen.« 1. Priester: »Richtig, keine Abbilder!«
  19. Vgl. 00:05:17:00 – 00:05:33:00: »Wie sieht das denn aus, wenn ihr hier wascht? Ward ihr denn nicht dabei, als vorgestern aus enuma elisch vorgelesen wurde, dass wir geschaffen sind, um den Göttern zu dienen, und heute feiern wir nun mal die Ankunft der Schiffe, der Götter, der Schicksalstafeln und ihr sitzt hier und wascht! Was sollen die Götter denken?«
  20. Vgl. H. Donner, Geschichte II, 372ff; M. Metzger, Grundriß 136ff.
  21. Das Video findet sich unter der Webadresse http://miless.uni-essen.de/servlets/DocumentServlet?id =10120. Es kann – nach Installation des IBM Video Charger Player- in Streaming-Technik oder nach Herunterladen der MPEG 1-Datei (102,53 MB, dazu den Link »Details« anklicken) mit einem entsprechenden Player auf dem PC angeschaut werden. Dort findet sich auch ein vollständiges Transkript.
  22. Siehe H. K. Berg, Umgang mit Bibeltexten.
  23. Im Falle von G. Theißens historischer Erzählung »Der Schatten des Galiläers« erfüllen fiktive Briefe an Herrn Kratzinger eine ähnliche Funktion.
  24. Vgl.: Ch. Hoffmann, Theater 26: »Indem die szenische Aktion den Prozess der Konstitution von Wirklichkeit durch theatrale Zeichen erlebbar macht, verweist sie auf die Unmöglichkeit der Abbildung von Realität.« Vgl.: H. K. Berg, Methoden 166, der betont, dass es wichtig ist, die Erfahrungen, die die historische Sprechsituation ausmachten und die zu einer Auseinandersetzung drängten, aufzuzeigen, um deutlich zu machen, dass die Bibeltexte als Antworten auf diese Erfahrungen zu begreifen sind.
  25. So auch E. Gottwald, AVM, 294: »Medienkundliche Einsichten und Erfahrungen gewinnen Lehrende und Lernende auch durch aktive Medienproduktion. Kreatives Gestalten mit Folien und Dias, mit Kassettenrecorder und Videokamera und neuerdings auch mit Computer-Animation befähigen dazu, audiovisuelle »Texte« in Form von Bildergeschichten und Toncollagen, von kleinen Recherchen, Dokumentationen oder Videoclips zu »schreiben«, zu interpretieren und als eigene Kommunikationsmittel Mitschülern, Lehrern, Eltern oder Gemeinde gegenüber zu nutzen. Wie andere kreative Methoden im RU fördert »aktive Medienarbeit« nicht nur Kenntnisse und Fertigkeiten speziell im Umgang mit AVM, sondern erzieht auch dazu, sich mit ihrer Hilfe zu artikulieren und fremde Medien kritisch zu verwenden.«
  26. Vgl. etwa M. Meyer-Blanck, (1998) Exegese, 71, der den Einsatz von Videoclips im RU empfiehlt: »Die Videoclips sind voll von religiösen Anspielungen, und es lohnt sich für die Religionspädagogik, diese genau zu exegesieren und Jugendliche daran zu beteiligen. Dieses Verfahren hat ein Lust-Moment auf seiner Seite, und wahrscheinlich auch das naheliegende Interesse von Jugendlichen, das vertraute Medium besser zu verstehen – schon aus diesem Grunde dürfte der Wunsch nach Information über religiöse Inhalte bestehen. Dabei wird nicht die »Entlarvung« von Oberflächlichkeit und Kommerzialismus das Interesse der Unterrichtenden sein können, sondern das spielerische neugierige Entdecken.«
  27. Auch der Kostenfaktor soll nicht unerwähnt bleiben. Die Nutzung eines professionellen Studios, auch wenn es im Besitz der Universität ist, wäre ohne zusätzliche Finanzmittel nicht zu realisieren gewesen.

 

Literatur:

  • Berg, Horst Klaus: Methoden biblischer Textauslegung. In: Adam, Gottfried; Lachmann, Rainer (Hg.): Methodisches Kompendium für den Religionsunterricht. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 21996, 163-186.
  • Bubenheimer, Ulrich: Spielformen. In: Adam, Gottfried; Lachmann, Rainer (Hg.): Methodisches Kompendium für den Religionsunterricht. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 21996, 327-349.
  • Donner, Herbert: Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen 2. ATD Ergänzungsreihe 4/2. Göttingen, 1986.
  • Fansa, Mamoun: Experimentelle Archäologie in Deutschland. Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 4. Oldenburg: Isensee, 1990.
  • Fansa, Mamoun / Drevermann, Hermann: Bibliographie zur experimentellen Archäologie. Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland: Beiheft 7. Oldenburg: Isensee, 1991.
  • Gottwald, Eckart: Audiovisuelle Medien in Religionsunterricht und Gemeindearbeit. In: Adam, Gottfried; Lachmann, Rainer (Hg.): Methodisches Kompendium für den Religionsunterricht. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 21996, 284-296.
  • Gudjons, Herbert: Handlungsorientiert lehren und lernen: Schüleraktivierung – Selbsttätigkeit – Projektarbeit. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 62001.
  • Hoffmann, Christel: Theater spielen mit Kindern und Jugendlichen. Konzepte, Methoden und Übungen. Weinheim u.a.: Juventa, 1999.
  • Lambert, Wilfred George: Enuma Elisch. In: Kaiser, Otto, (Hg.) Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, III,4. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 1994, 565-602.
  • MacMullen, Ramsay: Christianizing the Roman Empire A.D. 100-400. New Haven-London: Yale University Press, 1984.
  • Martin, Gerhard Marcel: Das Bibliodrama und sein Text. EvTh 45 (1985) 515-526.
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  • Metzger, Martin: Grundriß der Geschichte Israels. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 101998.
  • Meurer, Thomas: Einführung in die Methoden alttestamentlicher Exegese; Münsteraner Einführungen 3. Münster u.a.: LIT, 1999.
  • Meyer-Blanck, Michael: Zwischen Exegese und Videoclip – Jesus in der Bibeldidaktik. Zeitschrift für Neues Testament 1 (1998) 65-77.
  • Scheller, Ingo: Szenische Interpretation. Praxis Deutsch. Zeitschrift für den Deutschunterricht 23, Nr. 136 (1996) 22-32.
  • Scheller, Ingo: Szenisches Spiel. Handbuch für die pädagogische Praxis. Berlin: Cornelsen Verlag Scriptor, 1998.
  • Schmidt, Werner H.: Die Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift. Zur Überlieferungsgeschichte von Genesis 1,1 – 2,4a u. 2,4b – 3,24. WMANT 17.Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 21967.
  • Schröer, Henning: Bibelauslegung durch Bibelgebrauch. Neue Wege »Praktischer Exegese«. EvTh 45 (1985) 500-515.
  • Theißen, Gerd: Der Schatten des Galiläers. Historische Jesusforschung in erzählender Form. München: Kaiser, 31987.
  • Vogt, Theophil: Bibelarbeit. Grundlegung und Praxismodelle einer biblisch orientierten Erwachsenenbildung. Praktische Wissenschaft: Kirchengemeinde. Stuttgart u.a.: Kohlhammer, 1985.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 4/2002

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