Produktive Konkurrenz“ tut der Weiterentwicklung von Schulen gut. Die Nachbarschaft guter Schulen fördert entschieden die Qualitätssteigerung des Bildungsangebots, und insofern dürfen sich die erfolgreichen Schulen in der Trägerschaft der Landeskirche Hannovers „als exemplarische Bereicherung für das öffentliche Schulwesen"1 verstehen.
„Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.“2 Das Grundgesetz und das Niedersächsisches Schulgesetz geben den Rahmen des schulischen Bildungsauftrags vor und garantieren die „Freiheit des Bekenntnisses und der Weltanschauung […]. In den öffentlichen Schulen werden die Schülerinnen und Schüler ohne Unterschied des Bekenntnisses und der Weltanschauung gemeinsam erzogen und unterrichtet.“3
Unser niedersächsisches Schulsystem sichert ein weiteres hohes Gut: Die Schulbildung ist kostenlos!
Allerdings räumen beide Gesetze auch die Möglichkeit der „Sonderung“ ein 4 und damit die Etablierung von „Ersatzschulen“. Aktuell haben Privatschulen unterschiedlichster Provenienz Konjunktur.5
Doch warum müsste die Kirche eigene Schulen gründen? Schließlich gilt: „Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Aus- nahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt.“6 Die besonderen speziellen Bildungsangebote evangelischer Schulen – Inklusion, Ganztagsangebot, Profilklassen 7 – stellen kein Alleinstellungsmerkmal von Konfessionsschulen (mehr) dar, sondern gehören vielerorts selbstverständlich zum Schulprofil oder sind – wie die Inklusion – staatlicher Bildungsauftrag.
Sicher gilt: Die Integration aller Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher sozialer oder nationaler Herkunft in eine zukunftsfähige Gesellschaft muss noch deutlich verbessert werden. Die Herausforderung Inklusion ist längst nicht bewältigt. Künftig wird Schule zusätzlich gefordert sein, sowohl dem Auftrag der religiösen Bildung wie den Anforderungen einer religionspluralen bzw. religions- oder konfessionslosen Gesellschaft gerecht zu werden.
Die Reaktion darauf aber kann nicht heißen: Separierung, Gründung kirchlicher, evangelischer Schulen. Es gilt, alle Kompetenzen und Kräfte zusammenzuführen.
Auch die Ergebnisse der letzten internationalen Bildungsstand-Vergleiche sind für Deutschland nicht zufriedenstellend: Nach wie vor nur Mittelmaß, genügen sie in keiner Weise den Ansprüchen, die wir an das Bildungssystem unseres reichen, wirtschaftlich und technisch hochentwickelten Staates stellen. Daraus ergibt sich die unbedingte Verpflichtung, das demokratische, allen frei zugängliche Schulsystem zu stärken und zu verbessern, nicht aber ein speziell konfessioneller Bildungsauftrag. Wir dürfen Schulen nicht auseinander dividieren in öffentliche Schulen einerseits, exkludierende Privatschulen andererseits. Eltern wünschen sich eine gute, besondere Schulbildung für ihr Kind. Dieser Erwartungshaltung müssen wir uns stellen – und sie erfüllen, indem wir gemeinsam erfolgreich an der Verbesserung des öffentlichen Schulsystems arbeiten.
Verstehen wir bestehende private Schulen als „produktive Konkurrenz“? Was macht sie – vermeintlich oder tatsächlich – attraktiv? Wenn sie etwas besser können und deshalb nachgefragt sind, dann sollten wir es übernehmen! Wenn sie (Ausstattungs- o.a.) Vorteile genießen, dann müssen wir diese Ressourcen auch bekommen. Dann bräuchten wir zukünftig nicht mehr private Schulen, sondern könnten im Gegenteil auf sie verzichten.
Das mittlerweile jahrelang tradierte, nach wie vor ungelöste Problem der öffentlichen Schulen ist, was das Land uns zur Verbesserung der Schulqualität „verordnet“: Wir sollen ständig verfeinerte Diagnoseverfahren durchführen (die neue „Fokus-Evaluation“ zum Beispiel). Die Anamnese ist aber längst erfolgt. Wir brauchen endlich Maßnahmen, die die Therapie einleiten. Diese aber bleiben aus bzw. werden nicht finanziert.
Alle Schulen werden immer stärker durch Erziehungsaufgaben beansprucht. Um sie zu bewältigen, benötigen wir Unterstützungspersonal (pädagogisch / Sozialpädagogen z.B., technisch / IT-Betreuung, Verwaltungskräfte etc.), das uns nach wie vor in der Regel nicht zugestanden wird. Dennoch entsprechen wir als Regelschulen unserem Bildungsauftrag und beschulen – erfolgreich! – alle schulpflichtigen Schülerinnen und Schüler, die sich – gemäß dem freien Elternwillen – an unseren Schulen anmelden.
Die Angebotsschule kann auf Schulgeld, zusätzliche finanzielle Mitteln und verbesserte personelle Ausstattung durch ihren Schulträger – z.B. die evangelische Kirche – setzen. Ihre Schülerinnen und Schüler kann sie sich aussuchen und – sofern sie die Erwartungen der Schule nicht erfüllen – entlassen. Je mehr Schulen die „Sonderung“ zugestanden wird und von nichtstaatlichen, privaten Schulträgern getragen werden, desto schwächer wird die Position unserer öffentlichen Schulen bei der Einforderung der dringend erforderlichen Ressourcen, um die zunehmenden Aufgaben von Schule erfolgreich zu bewältigen. „Produktive Konkurrenz“ kann es nur unter annähernd gleichen Wettbewerbskonditionen geben. Wollen wir ein Zweiklassenschulsystem?
Die Kirche kann ganz viel Unterstützung bieten, die allen Schülerinnen und Schülern im öffentlichen Schulsystem zugutekäme, wenn sie Projekte dort förderte, wo die Finanzierung durch das Land oder die Schulträger ausbleibt. Ein Beispiel: Wir haben an unserer Schule eine sehr hilfreiche Unterstützung von der Landeskirche erfahren, die uns geholfen hat, Sozialarbeiterstunden zu finanzieren, die uns weder Land noch Schulträger bezahlen wollten.
Mein Fazit: Als Schul-Mit-Träger könnte die Landeskirche Hannovers entschiedener und wirkungsvoller die Schulentwicklung unseres Landes unterstützen denn als Initiator separater Schulneugründungen und damit als Unterstützer institutioneller schulischer Exklusion.
Anmerkungen:
- www.kirche-schule.de/themen/evangelische_schulen/evangelisches_schulwerk (Abrufdatum: 07.07.2018).
- GG Art. 7 (1).
- NSchG § 3 (1), (2).
- GG Art. 7 bzw. § 144(1) NSchG.
- Schönherr, Katja: Glänzende Aussichten, in: DIE ZEIT. 26.10.2017, www.zeit.de/2017/44/privatschulen-oeffentliche-schulen-qualitaet-kosten (Abrufdatum: 23.07.2018).
- GG Art. 7 (3).
- Vgl. Fn 1.