Rituale im Film

Von Marion Wiemann

 

Rituale im Film

Rituale geben Halt und Orientierung, Ruhe und Sicherheit. Deshalb vollziehen Menschen jeden Tag ihre persönlichen Rituale: Das kann das morgendliche Duschen sein, das Zeitunglesen während des Frühstückes oder das Anschauen der Abendnachrichten zur immer gleichen Zeit. Fällt eines weg, fühlt man sich irgendwie unvollständig. Darüber hinaus erleichtern Rituale das Zusammenleben. Sie schaffen Verbundenheit und Struktur, haben etwas Gemeinschaftsstiftendes und prägen die kulturelle und religiöse Identität.

Rituale spielen auch im Film eine Rolle. Sie kommen in Spiel- und Kurzspielfilmen in vielfältiger Weise vor, stehen jedoch häufig nicht im Fokus, sondern schwingen einfach mit. Anders verhält es sich bei Dokumentationen, die sich einer bestimmten Thematik widmen, so auch der Thematik ritueller Handlungen im Privatleben, in Religionsgemeinschaften, in der Gesellschaft oder im Sport.

Für die Arbeit in Schule und Kirchengemeinde habe ich ein paar mir geeignet erscheinende Filme aus unterschiedlichen Genres herausgesucht.


1. Kurz- und Dokumentarfilme

Die besten Beerdigungen der Welt
Ute Wegmann, Deutschland 2008
Kurzspielfilm, 19 Min.
FSK: ohne Altersbeschränkung
Empfohlen ab 5 Jahren

Nach dem gleichnamigen Bilderbuch von Ulf Nilsson (Text) und Eva Eriksson (Illustration). – Die Geschwister Ulf, Ester und Putte langweilen sich. Als Ester eine tote Hummel findet, kommt sie auf die Idee, tote Tiere zu beerdigen. Das wird Abwechslung bringen und vielleicht sogar etwas Geld. Also gründen die drei ein Beerdigungsunternehmen. Sie besorgen die für eine Bestattung nötigen Utensilien, wie Holzkreuze, Schachteln für Särge, Grabsteine und fertige Blumen. Auch die Arbeit wird aufgeteilt. Ester ist die Chefin und für die Organisation der Bestattungszeremonie sowie für das Graben zuständig, Ulf schnitzt Kreuze und schreibt Gedichte für die Trauerfeier, Putte malt Bilder für die Grabsteine und übernimmt das Weinen. Einfallsreich, ernsthaft und voller Elan widmen sich die Kinder nun ihrer neuen Aufgabe.

Ute Wegmann inszeniert den Kurzspielfilm mit durchweg unbekannten Kinderschauspielern. Die filmische Umsetzung des preisgekrönten Bilderbuches bleibt konsequent bei den Kindern, ohne Erwachsene in die Handlung einzuführen. In der Filmadaption wird ein spielerischer Umgang der Kinder mit dem Tod gezeigt, sodass eine Auseinandersetzung mit diesem Thema auch mit kleineren Kindern möglich ist. Die am Beispiel von Tierbestattungen gezeigten Beerdigungsrituale bieten kindgerechte Transfermöglichkeiten in die Realität christlicher Trauerfeiern und Begräbnisse. Mithilfe des Internetportals www.religionen-entdecken.de/lexikon/b/bestattung-in-den-religionen können auch Beerdigungsrituale in weiteren Religionen (Judentum, Islam, Buddhismus, Hinduismus) recherchiert werden.

Der Film eignet sich sowohl für den Kindergottesdienst als auch für den Religionsunterricht in der Grundschule.

Die DVD bietet neben dem Kurzspielfilm auch ein Bilderbuchkino (Standbilder aus dem gleichnamigen Bilderbuch) sowie Ideen für die Umsetzung in Schule und Gemeinde.
 


11 Götter sollt ihr sein – Fußball als Ersatzreligion
János Kereszti, Deutschland 2016
Dokumentation, 29 Min.
Lehrprogramm gem. § 14 JuschG
Empfohlen ab 10 Jahren

Die Bedeutung des Fußballs im Leben von Fans weist Analogien zu christlichen Ritualen auf. Auch im Fußballstadion gibt es eine „Liturgie“, die durchaus Ähnlichkeiten mit einer Gottesdienstliturgie hat. Von der angemessenen Vorbereitung, über Kleidung, Vereinshymnen, Gebete und das Bekenntnis zum Verein bis zur Gemeinschaftserfahrung. Manche Fußballspieler bzw. Trainer werden sogar durch verschiedene Formen der Ehrerbietung als Götter und Heilsbringer verherrlicht. Auch manche sprachliche Wendungen lehnen sich an Begriffe aus der religiösen Welt an: Man „pilgert“ zu den Spielen oder wenn endlich das dringend benötigte Tor geschossen wird, spricht man von „Erlösung“. Auch die Verwendung von Symbolen – so das Tragen von Erkennungsmerkmalen wie Embleme oder Vereinslogos auf Fanshirts, Vereinsfahnen und weiteren Devotionalien – findet seine Entsprechung in der / den Religion / en.

Der Autor János Kereszti begleitet in seinem Dokumentarfilm eine Familie aus Gelsenkirchen, deren Mitglieder begeisterte Fans des FC Schalke 04 sind und die ihren Club – wie sie es ausdrücken – „leben“, sowie einen eingefleischten Fan des SV Werder Bremen, der über den Fußball trotz seiner Behinderung Anschluss an die Werderfamilie gefunden hat und für den Fußball sein „Lebenselixier“ ist, das ihn seine Beeinträchtigungen (halbseitige Spastik, Stottern) vergessen lässt und ihm Anerkennung bringt. Weiterhin kommen Christoph Daum, einer der bekanntesten deutschen Fußballtrainer, und der evangelische Stadionpfarrer in der Commerzbank-Arena in Frankfurt zu Wort.

Der Film geht den Fragen nach, wie viel Fußball mit Religion zu tun hat. Ist Sport ein Religionsersatz? Sind die Rituale nur Anleihen aus der christlichen Tradition oder steckt mehr dahinter?

Der durchaus unterhaltsame und zum Teil auch lustige Film eignet sich sowohl für den Religionsunterricht in der Sekundarstufe I und II als auch für die gemeindliche Bildungsarbeit (Jugendliche, Erwachsene). Eine Arbeitshilfe in gedruckter Form sowie als PDF-Datei auf der DVD-ROM-Ebene gibt Anregungen zur Arbeit mit dem Film und verweist auf zahlreiche Links und Sachbücher zum Thema.
 


Das Gebet in den Weltreligionen
Inka Lezius, Deutschland 2012
Dokumentation, 25 Min.
Lehrprogramm gem. § 14 JuschG
Mit didaktischem Begleitmaterial im ROM-Teil der DVD

Die Autorin Inka Lezius stellt in ihrer Dokumentation das Gebet als religiösen Grundakt dar, der in allen fünf Weltreligionen – Christentum, Judentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus – eine Rolle spielt und die Zuwendung zu dem jeweiligen Gott, Religionsstifter oder einer höheren Kraft bedeutet. Gezeigt werden die wichtigsten Vorbereitungen, Hilfsmittel und Körperhaltungen beim Gebet, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Gebetsformen sowie die Merkmale und Kernaussagen bedeutender Gebete in den jeweiligen Religionen.

Diese Produktion wurde eigens für unterrichtliche Zwecke in Schule (Religionsunterricht) und Gemeinde (Konfirmandenunterricht) in Auftrag gegeben und ist daher ein eher typischer Lehrfilm. Durch persönliche Aussagen von Kindern aus den verschiedenen Religionen wird den Schülerinnen und Schülern der Grundschule und Sekundarstufe I der Zugang zu den filmischen Inhalten erleichtert, sodass auch die Erläuterungen aus dem Off besser nachzuvollziehen sind.

Eine gute Ergänzung zu dieser Produktion ist die Dokumentarfilmreihe Göttlich (Cécile Déroudille, Frankreich 2016) über die fünf Weltreligionen, die in jeweils 25 Minuten die Grundzüge der Glaubensgemeinschaften aufzeigt. Im Hinblick auf Rituale vermitteln die einzeln anwählbaren Kapitel Zugang (Geburt, Eintritt, Aufnahmerituale), Feste sowie Tod und was kommt danach? interessante Einblicke.
 


2. Spielfilme

Seit einigen Jahrzehnten ist das Pilgern von einer breiten Öffentlichkeit wiederentdeckt worden. Vor allem der Pilgerweg nach Santiago de Compostela (Jakobsweg, Camino) erfreut sich großer Beliebtheit, was auch auf Hape Kerkelings Bestseller „Ich bin dann mal weg“ zurückzuführen ist. Pilgern heißt, unterwegs zu sein und vom Alltag abzuschalten, zu entschleunigen und die Langsamkeit zu entdecken, wieder zu sich selbst und zu Gott zu finden. Vom Pilgern erhoffen sich Menschen eine heilende Wirkung auf Körper und Seele. So hat Pilgern auch immer eine spirituelle Dimension. Während des Pilgerns werden verschiedene Rituale ausgeübt: Stempel im Pilgerpass, Innehalten/Beten an bestimmten Stationen, Segnung zum Abschluss, Schweigen, Leben aus dem Rucksack, Übernachtung in Pilgerherbergen etc.

Neben Hunderttausenden von Pilgern entdecken auch Filmemacher die Wanderung über den Wallfahrtsweg als Mittel zur entschleunigten Selbstbesinnung. Hape Kerkelings Überraschungserfolg Ich bin dann mal weg wurde verfilmt mit Devid Striesow in der Hauptrolle (Julia von Heinz, Deutschland 2015, 89 Min.). Sehr beliebt ist auch St. Jacques – Pilgern auf Französisch (Coline Serreau, Frankreich 2005, 103 Min.), der sich hervorragend für Filmveranstaltungen in Kirchengemeinden eignet. Nicht ganz so bekannt ist Dein Weg, auf den ich etwas ausführlicher eingehen will.


Dein Weg – Vom Suchen und Finden auf dem Jakobsweg
Emilio Estevez, Spanien/USA 2010
Spielfilm, 117 Min.
FSK: ab 6 Jahren

Thomas Avery ist ein erfolgreicher amerikanischer Augenarzt. Sein erwachsener Sohn Daniel hat sehr zum Missfallen des Vaters seine Doktorarbeit abgebrochen und ist nach Frankreich gereist, um den Jakobsweg zu gehen. Beim Golfspiel mit Freunden ereilt Tom die Nachricht, dass Daniel bereits am ersten Tag seines Weges in einem Gewitter ums Leben gekommen ist. Zur Überführung des Leichnams reist Tom in die kleine französische Stadt St. Jean-Pied-de-Port, dem Startpunkt des Camino Francés, dem Jakobsweg durch die Pyrenäen. Nach einigen Gesprächen beschließt er jedoch, sich aus Trauer und zu Ehren seines toten Sohns auf den Pilgerweg nach Santiago de Compostela zu begeben. Auf dem Weg dorthin will er die Asche Daniels am Wegesrand verstreuen. Bald gesellen sich Mitreisende zu ihm, die das Nervenkostüm des Trauernden strapazieren: ein dicker Niederländer, der durch das Wandern abnehmen will, eine Kanadierin, die sich das Rauchen abgewöhnen möchte, ein redseliger irischer Schriftsteller, der hofft, mit einem Buch über den Pilgerweg seine Schreibblockade zu überwinden. Trotz aller Heterogenität wächst die Gruppe auf dem an Begegnungen reichen Weg zur Gemeinschaft zusammen, wobei sich hinter den teils profanen Motiven für den Pilgerweg tiefer gehende (Heils-)Sehnsüchte offenbaren. Schließlich finden alle ihren Weg.

Dein Weg ist ein sehenswerter, zurückhaltend inszenierter Film für alle, die unterwegs und auf der Suche sind. In humorvoller, aber auch nachdenklicher Weise liefert der Film eine zeitgenössische Neuinterpretation der ursprünglichen Motive des Pilgerns als Bußhandlung, die zur Selbst- und Gotteserkenntnis führen kann. Auch das Lexikon des internationalen Films findet lobende Worte: Der Film ist „eine höchst reizvolle Auseinandersetzung mit dem Jakobsweg, die die Vielgestaltigkeit und Ambivalenzen modernen Pilgerns reflektiert. Jenseits üblicher „Wellness“-Frömmigkeit nimmt der Film mit auf eine äußerlich ruhige, aber von inneren Spannungen geprägte Reise, die von dezidiert areligiösen Figuren unternommen wird, trotzdem aber spirituelle Dimensionen berührt“.1

Dieser Spielfilm eignet sich besonders für Filmgespräche in Kirchengemeinden, für Filmgottesdienste sowie zur Vor- bzw. Nachbereitung des Pilgerns auf Abschnitten des Jakobsweges, sei es in Norddeutschland oder in Frankreich / Spanien.


Anmerkung

  1. Dein Weg in: Lexikon des internationalen Films. Auf der Internetseite von Zweitausendeins.de


Alle besprochenen Filme können mit den Aufführungsrechten für nichtkommerzielle Zwecke im Haus kirchlicher Dienste ausgeliehen werden. Tel.: 0511/1241-501; E-Mail: medienverleih@kirchliche-dienste.de; online unter www.kirchliche-dienste.de/medienverleih.

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Die besten Beerdigungen der Welt
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11 Götter sollt ihr sein – Fußball als Ersatzreligion
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Das Gebet in den Weltreligionen  
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Dein Weg – Vom Suchen und Finden auf dem Jakobsweg