Verknüpfung und Festigung - Hermann Buß‘ „Dalbenlabyrinth II“ im Religionsunterricht der Sek II

von Christiane Brümmer und Wiebke Belger-Oberbeck

 

Ideenentwicklung

Ausgehend von einer Fortbildung zum Smartboardeinsatz im Religionsunterricht und angeregt durch eine in Loccum parallel dazu laufende Ausstellung „SeeRäume“ des Künstlers Hermann Buß ist die im Folgenden beschriebene Unterrichtssequenz entstanden. Unser Ziel war es, eine Idee zur Nachhaltigkeit des Religionsunterrichts zu entwickeln, die einerseits verschiedene Themen des ersten Semesters der Oberstufe (11.1) verknüpft und festigt und andererseits den Schülerinnen und Schülern als Vorbereitung auf die Abiturprüfungen im Fach Religion dienen kann, indem Unterrichtsthemen semesterübergreifend wiederholt und vertieft werden.

Der Schwerpunkt der entwickelten Sequenz liegt dabei auf der Erstellung einer eigenen Bildkomposition. Die Schülerinnen und Schüler sollen aus vorgegebenen Bildausschnitten ein eigenes Bild erschaffen, in dem für sie die Wirklichkeit Gottes transparent wird. Im Anschluss daran sollen sie ihrem Bild eine Überschrift geben. Die Bildausschnitte haben wir aus dem Gemälde „Dalbenlabyrinth II“ von Hermann Buß gewählt (Abb. 1). Hierbei handelt es sich um ein Boot, eine Leiter, einen Lichtfleck und verschiedene Dalben im Meer (Abb. 2). Gemeinsam ist diesen Elementen, dass sie sich mit den christlichen Begriffen und Symboliken zum Beispiel von Kirche, Reich Gottes, Kreuz, Auferstehung und Nachfolge verbinden lassen. Schon das Originalbild von Hermann Buß bietet viele Möglichkeiten, Beziehungen zwischen den Elementen zu erkennen oder gerade auch das Fehlen dieser zu bemerken. Für uns allerdings besteht der Reiz darin, mit dem Medium Smartboard die Schülerinnen und Schüler aus den vorgegebenen Elementen neue Bilder erschaffen zu lassen, die ihre Sichtweise des verborgenen und erfahrbaren Gottes verdeutlichen. Anschließend geht es darum, die neu entstandenen Bilder mit dem Original zu kontrastieren – beides vor dem Hintergrund der erarbeiteten Unterrichtsinhalte. Voraussetzung für die Durchführung dieser Sequenz sind mehrere Smartboards.1


Durchführung

Durchgeführt haben wir dieses Projekt am Ende des ersten Schulhalbjahres (11.1) mit Schülerinnen und Schülern, die Religion als mündliches Prüfungsfach (P5) gewählt haben. Das Thema des Halbjahres lautete: „Der verborgene und der erfahrbare Gott“. Die Schülerinnen und Schüler hatten sich bislang mit klassischen Themen auseinandergesetzt: Reden von Gott in der Bibel, Gottesbeweise, Theodizee, Religionskritik und Gott in anderen Religionen.

Das Projekt umfasste insgesamt vier Unterrichtsstunden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wir dieses Projekt mit einer kleinen Schülergruppe durchgeführt haben, sich also die Stundenzahl bei einer größeren Gruppe aufgrund der längeren Präsentationszeiten erhöhen kann. Folgende Stundenverteilung hat sich bewährt:

1. Vorbereitung2 (einstündig)

Diese Stunde dient der Einübung bestimmter technischer Funktionen des Smartboards. Die Schülerinnen und Schüler erhielten folgende Arbeitsaufträge:

  1. Male ein Bild und gib deinem Bild eine Überschrift.
  2. Füge zu deinem Bild eine weitere Form hinzu (z.B. Dreieck, Quadrat, Rechteck) und fülle diese Form mit einer Farbe, die du selbst wählen kannst.
  3. Verankere dein Bild.
  4. Wähle mit der Funktion „Freihandkamera“ einen Bildausschnitt aus und fotografiere diesen auf die nächste Seite.
     

Ein großer Vorteil bei der Arbeit mit dem Smartboard liegt unseres Erachtens darin, dass die Schülerinnen und Schüler die einzelnen Elemente beliebig oft reproduzieren, mit eigenen Zeichnungen verbinden, vergrößern, verkleinern und neue Elemente hinzufügen können.

Da unserer Erfahrung nach das Zeichnen mit der Maus bzw. mit dem Finger auf dem Laptop deutlich schwieriger ist als auf dem Smartboard, haben wir für die Doppelstunde zwei Räume, die jeweils mit einem Smartboard ausgestattet waren, zur Verfügung gestellt.


2. Produktionsorientierte Doppelstunde

A. Erstellung eigener Bilder anhand von Bildelementen des Bildes „Dalbenlabyrinth II“ von Hermann Buß (Erarbeitungsphase). Die Arbeitsaufträge lauteten:

  1. Erstelle aus den verschiedenen Elementen eine Bildkomposition, in der für dich die Wirklichkeit Gottes transparent wird. Du kannst Verbindungen bzw. eigene Zeichnungen hinzufügen.
  2. Gib deiner Komposition eine Überschrift.
  3. Haltet stichwortartig den Verlauf eurer Diskussion fest.

B. Vorstellung der eigenen Produkte (Präsentationsphase): Die Bildkompositionen wurden u.a. mit Hilfe der Notizen aus der Diskussion präsentiert.

C. Kontrastierung der eigenen Bilder mit dem Originalbild von Hermann Buß, „Dalbenlabyrinth II“ (Vertiefung).

  1. Das Originalbild von Hermann Buß wird als „stummer Impuls“ den Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern gezeigt.
  2. Die Schülerinnen und Schüler beschreiben das Bild von Hermann Buß und erarbeiten mögliche Deutungen.
  3. Abschließend sollen verschiedene thematische Schwerpunkte der Bilder benannt werden.

Hausaufgabe:

  1. Schreibe die Themen auf, die anhand der selbst produzierten Bilder und des Bildes von Hermann Buß zur Sprache gekommen sind.
  2. Schau in deinen Unterlagen zum ersten Semester nach, welche dieser Themen in welchem Zusammenhang im Unterricht behandelt worden sind (Vorbereitung für die Ergebnissicherung).
     

3. Ergebnissicherung und Reflexionsphase

A. Ergebnissicherung

B. Reflexionsphase (einstündig):

  1. Die Schülerinnen und Schüler benennen die Themen, die in der vorherigen Doppelstunde zur Sprache gekommen sind und die sie als Hausaufgaben noch einmal aufgeschrieben haben. Diese Themen werden an der Tafel unter dem Semesterthema „Der verborgene und der erfahrbare Gott“ gesammelt. Außerdem werden schon Verweise auf die weiteren Semester hinzugefügt, z.B. „Kreuz“ als ein Thema von Christologie oder „Der erlösungsbedürftige Mensch“ als ein Thema von Anthropologie.
  2. Nenne sowohl thematisch als auch im Hinblick auf die Methode (Smartboard) Vorteile bzw. Nachteile der Festigung und Vertiefung von Themen anhand von eigenen Bildkompositionen.

Zu Beginn der produktionsorientierten Doppelstunde in der Mitte der Sequenz wurden die Schülerinnen und Schüler per Losverfahren in Gruppen (vier pro Gruppe) eingeteilt; die Aufgabenstellung wurde erläutert. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass die Schülerinnen und Schüler nicht alle von uns vorgegebenen Bildelemente in ihrem Bild verarbeiten müssten, sondern nach Belieben Bildelemente löschen oder andere hinzufügen könnten. In diesem Zusammenhang erhielten sie eine Kurzinformation zu dem Maler Hermann Buß, verbunden mit dem Hinweis, dass er sich nicht als ein „Kirchenmaler“ versteht und sich nur seinen eigenen Bildwelten gegenüber verpflichtet fühlt (vgl. Diederichs-Gottschalk 2013; Buß 2012).

Die Bearbeitungszeit wurde zunächst auf 35 Minuten begrenzt, da die Gruppenphase am Ende der ersten Unterrichtsstunde abgeschlossen sein sollte, um genügend Zeit zur Präsentation und zum Vergleich mit dem Originalbild zu haben. Nachdem sichergestellt wurde, dass die Technik funktionierte und sich keine Fragen zur Aufgabenstellung ergaben, konnten die Schülerinnen und Schüler eigenständig ihre Bildkompositionen erstellen.
 


Ergebnisse

Im Folgenden sind zwei Bildkompositionen dargestellt und mit den gegebenen Erklärungen der Schülerinnen und Schüler erläutert.

Homo et Deus (Abb. 3)

Die Schülerinnen und Schüler haben ihr Bild „Homo et Deus“ genannt. Bei dem Bild fällt eine Zweiteilung auf: Eine Horizontale, die allein durch die „Dalben“ unterbrochen wird, die für die Gruppe Sinnbild der Dreieinigkeit Gottes ist, stößt auf eine Vertikale, dargestellt durch ein grünes Fischernetz, die die Menschheit aufteilt. In der rechten Bildhälfte soll die moderne Welt dargestellt sein, in der die Menschheit durch Schnelligkeit, Rationalität und ein Leben ohne Gott geprägt ist. Die sich in diesem Teil befindenden Menschen sind gefangen in ihrer Welt; dies wird durch die gezackte, geschlossene und dunkle Linie verdeutlicht, die keine Möglichkeit eröffnet, Transzendentes zuzulassen. Durch das grüne Fischernetz kann dennoch jeder Mensch in das Meer der Menschheit gelangen (dargestellt in der linken Bildhälfte). Die Menschheit dieser Bildhälfte rechnet mit Gott in ihrem Leben. Der Mensch muss aber trotzdem selbst auf Gott zugehen, symbolisiert durch das Boot mit der Inschrift „Weg zu Gott“. Für die Menschen, die auf dem Weg zu Gott sind, stehen die „Dalben“ – Dreieinigkeit Gottes – fest in ihrem Leben, wie ein Fels in der Brandung.

„Rettungsboote vom rettenden Retter, der uns rettet“ (Abb 4)

Zwei Bildelemente sind in dem Bild „Rettungsboote vom rettenden Retter, der uns rettet“ sehr zentral: einerseits die Vielzahl der Boote, die den unteren Bildrand lückenlos ausfüllen, und andererseits eine Leiter, die vom oberen Bildrand bis zu den Rettungsbooten führt – vom Himmel zur Erde und umgekehrt. Über die Leiter steigt Gott sinnbildlich herab zu den Menschen, um diese zu retten. Allerdings erfolgt die mögliche Bewegung nicht nur von oben nach unten; sondern durch die Rettungsboote, die einen Wesenszug Gottes darstellen, ist dies auch von unten nach oben möglich. Nach Aussage der Schülerinnen und Schüler befinden sich alle Menschen in den Rettungsbooten: Es soll verdeutlicht werden, dass Gott für alle da ist. Der Fisch steht für die Gemeinde Christi. Nicht jeder Mensch wird bzw. muss den Weg von unten nach oben gehen – allerdings steht dies jedem von Gottes Seite her offen. Der Mensch kann sich im Gebet der Transzendenz Gottes öffnen. Die Boote bieten Sicherheit, sind aber doch den Schwankungen des Meeres ausgesetzt. Die christliche Gemeinschaft lebt in der Gewissheit, dass sie getragen wird.
 


Vergleich mit dem Bild von Hermann Buß

Im Anschluss an die Vorstellung der eigenen Bilder wurden die Schülerinnen und Schüler am Ende der Doppelstunde mit dem Bild „Dalbenlabyrinth II“ von Hermann Buß konfrontiert (siehe oben Abb. 1). Auf zwei Aspekte der anhand des Vergleichs geführten Diskussion möchten wir im Folgenden eingehen.

Zunächst äußerten die Schülerinnen und Schüler ihre Irritation bezüglich der Leiter. Für die einen war sie ein Störfaktor, weil sie keinen Zusammenhang zu den anderen Bildelementen entdeckten und die Entfernung zum Lichtfleck, der für sie das Erscheinen Gottes spiegelt, unüberbrückbar erschien. Für die anderen bot die Leiter die Chance, in das Bild vom unteren Rand her einzusteigen und eigene Gedankengänge (Ist die Verbindung zu Gott unumstößlich?) kritisch zu hinterfragen.

Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Vergänglichkeit unserer sichtbaren Welt. Die Dalben im Meer sind dem Verfall ausgesetzt; die Welt verändert sich ständig, trotzdem wirken die Dalben stabil. Für die Schülerinnen und Schüler bildete der eine Querbalken in der Dalbenkombination das Sinnbild für eine andere Wirklichkeit, die sie mit Gottes Handeln am Kreuz gleichsetzten. Es war für die Gruppe der Versuch, Gott in einzelnen Bildelementen zu entdecken. Ähnlich wie in der Bibel – besonders in den Psalmen – von Gott in Bildern gesprochen wird, wollten die Schülerinnen und Schüler umgekehrt Bilder mit Wesenszügen Gottes gleichsetzen.
 


Rückblick auf die Unterrichtssequenz

Zunächst ist für uns festzuhalten, dass das Vorgehen in der Gruppe und die Ergebnisse unsere Erwartungen übertroffen haben. Faszinierend waren die Versuche der Schülerinnen und Schüler, im Erstellen ihres Bildes so viele eigene Vorstellungen mit den Unterrichtsinhalten zu kombinieren. Im Bild „Homo et Deus“ lag der Schwerpunkt auf der Auseinandersetzung mit der Religionskritik und ihrem Versuch, christliche Antworten darauf zu geben, im zweiten Bild auf dem erfahrbaren Gott, wie er sich als Retter in der Geschichte der Menschheit zeigt. Auch im weiteren Vergleich mit dem Original „Dalbenlabyrinth II“ war offensichtlich, dass die Schülerinnen und Schüler Unterrichtsinhalte verarbeiteten, z.B. den verborgenen Gott wie in der Auseinandersetzung mit der Theodizeefrage.

Auch die Durchführung der Sequenz unter Einbeziehung des Smartboards hat sich bewährt. Die Schülerinnen und Schüler konnten viele Ideen ausprobieren, verändern und auch wieder löschen. Positiv erwies sich die gemeinsame Diskussion über die Verknüpfung der Bildelemente in den Gruppen, allerdings äußerten die Schülerinnen und Schüler den Wunsch, gegebenenfalls auch ein eigenes Bild zu entwerfen. Hierbei würde es sich anbieten, die Bildkomposition auf Papier zu erstellen, wobei dann nicht alle Funktionen, die das Smartboard bietet, einbezogen werden können.
Um der Präsentation der Bilder und dem Vergleich mit dem Original noch mehr Raum geben zu können, wäre eine zusätzliche Stunde im Nachhinein wünschenswert gewesen.
 


Ausblick in den weiteren Unterricht

Wie schon in der Ideenentwicklung beschrieben, sollen die Bildkompositionen bzw. das Erstellen neuer Bildkompositionen im Bereich der Wiederholung der Semesterthemen nochmals zur Sprache kommen. Allerdings wollen wir dann den Schwerpunkt auf die Verknüpfung der Semesterthemen legen und die Schülerinnen und Schüler auffordern, die Aussagen der eigenen Bilder mit Bibelstellen, elementaren Grundbegriffen und theologischen Texten zu untermauern und somit zu festigen. Vielleicht kann gerade so ein eigenes Bild dazu verhelfen, Brücken zwischen den einzelnen theologischen Bereichen zu schlagen und mit mehr Sicherheit in Erinnerung an die Verknüpfung im Bild in die mündliche Prüfung zu gehen. In diesem Zusammenhang kann es sich anbieten, auch ein Konturenbild des Originals zu erstellen und in die Erarbeitung mit einzubeziehen (Abb. 5).

Wir sind gespannt auf die Stunden und die Ergebnisse im Frühjahr 2015.
 

Anmerkungen

  • Die Erarbeitung kann sicherlich in methodischer Variation auch ohne Smartboardeinsatz durchgeführt werden. Einige Vor- und Nachteile werden in der Reflexion benannt.
  • Die vorbereitende Übungsstunde kann natürlich entfallen, wenn den Schülerinnen und Schülern der Umgang mit einem Smartboard vertraut ist.

Literatur

  • Diederichs-Gottschalk, Dietrich: Begleitwort zur Ausstellung „SeeRäume“, in: Buß, Hermann: SeeRäume. Ausstellung Loccum, Loccum 2013, S. 7-9
  • Buß, Hermann: Warum ich male?, in: Marklein, Steffen (Hg.), Starke Bilder. Bilder für den Religionsunterricht, Loccum 2012, S. 15-19
  • Zahrnt, Heinz: Stammt Gott vom Menschen ab? Zürich 1979 / Freising 2013
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Abb.1: Hermann Buss, Dalbenlabyrinth II, © Foto: Hermann Buss
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Abb.2: Bildelemente und Arbeitsauftrag
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Abb.3: Schülerarbeit Homo et Deus
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Abb.4: Schülerarbeit Rettungsboote vom rettenden Retter, der uns rettet
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Abb.5: Konturenbild des Orginals von Hermann Buß