Vorbemerkungen
Schülerinnen und Schüler, vor allem die der höheren Jahrgänge, sind es nach langer Erfahrung gewohnt, mit Lehrbüchern aller Art und den betreffenden Layouts umzugehen. Ein geschulter Blick lässt sie Aufgaben auf Materialien beziehen und die Bemühungen der Verlage, wenn es z. B. um die Abgrenzung von Merktexten geht, wahrnehmen. Auch wenn die Schülerinnen und Schüler möglicherweise nicht die didaktische Konzeptionierung und Konstruktion der Lehrbuchseiten vollständig durchschauen, so kann trotzdem probiert werden, eine Idee auszuführen, in der Schülerinnen und Schüler versuchen, ein eigenes Lehrbuchkapitel zu einer Unterrichtseinheit zu konstruieren.
Dieses Vorhaben wurde im Rahmen einer Unterrichtseinheit zum Thema Christliche Ethik angesichts globaler Herausforderungen, und hier genauer Schöpfung und Verantwortung, im Jahrgang 11 eines Gymnasiums durchgeführt.
Unterrichtlicher Zusammenhang: „Fukushima“ als aktuelle Herausforderung
Innerhalb des vorgegebenen Semesterthemas für den Jahrgang 11 haben sich die Schülerinnen und Schüler zunächst aus gegebenem Anlass mit der Atomkatastrophe von Fukushima unter Bezugnahme auf bestimmte Bilder und Fragestellungen auseinandergesetzt. Anschließend wurde textgestützt der Begriff der Hybris als Selbstüberhebung des Menschen erschlossen. Weiterhin haben die Schülerinnen und Schüler unter dem Eindruck der Atomkatastrophe von Fukushima eigene Erzählungen konstruiert mit der Aufgabe, eine Botschaft für die Nachwelt zu formulieren.
Auf dieser Grundlage gelang es sodann biblische Erzählungen in den Unterricht einzubeziehen und diese als Geschichten zu verstehen, die ihre Aktualität eben auch aus ihrer Botschaft für die Nachwelt erlangen. Im näheren Zusammenhang konnten die beiden biblischen Schöpfungserzählungen kontrastiv betrachtet werden. Sie wurden auf ihre Botschaften und den enthaltenen Verantwortungsbegriff untersucht. Vor allem die Analyse der Vorstellungen von Verantwortung in beiden Schöpfungserzählungen ließ die Schülerinnen und Schüler in eine angeregte Diskussion über den Umgang mit unserer Schöpfung treten.
Auch Texte, die zeitlich aktueller und ohne biblisch-theologischen Hintergrund formuliert sind, wie beispielsweise Günter Kunerts Gedicht Lascaux, sind Thema des Unterrichts geworden. Das Gedicht bilanziert die Geschichte des Menschen und stellt die Eigenverantwortung desselben heraus.
Eine breite Wahl der Zugänge, welche die Welt der Schülerinnen und Schüler nicht zuletzt durch die damaligen medialen Eindrücke unmittelbar betraf, ermöglichte ihnen die abschließende Aufgabe zu dieser Unterrichtseinheit. Sie konstruierten ein eigenes Lehrbuchkapitel zum Thema Schöpfung und Verantwortung.
Didaktische Überlegungen: Vertiefung und persönliche Aktualisierung
Die Aufgabe der Erstellung eines eigenen Lehrbuchkapitels kann grundsätzlich als vertiefende Aufgabe für Unterrichtseinheiten in Betracht gezogen werden. Sie bietet kreative Möglichkeiten und die Chance, die Ergebnisse der vorangegangenen unterrichtlichen Einheit zusammenzufassen, über diese aber auch hinaus zu gehen und durch die Schülerinnen und Schüler erweitern zu lassen.
So werden sowohl Ergebnisse im Sinne einer Progression der Unterrichtseinheit vertieft, als auch Möglichkeiten geschaffen, eigene Transferleistungen vorzunehmen, wenn die Schülerinnen und Schüler den Aktualitätsbezug der Unterrichtseinheit erweitern. Es ist hierbei ratsam, in Gruppen arbeiten zu lassen und einen längeren Arbeitszeitraum in den Unterrichtsplan zu integrieren.
Es scheint dabei sinnvoll, die Umsetzung und möglicherweise anschließende Präsentation für einzelne Jahrgänge medial zu reduzieren. So können kleinere Klassen beispielsweise eine Mappe mit aufgeklebten Bildern und Texten präsentieren, während höhere Jahrgangsstufen sicher computergestützte Ergebnisse und Präsentationen vorbereiten können. Im Sinne eines Lern- und Erkenntnisprozesses ist es ratsam, sowohl auf im Unterricht behandelte Materialien als auch auf Texte und Bilder aus eigenen Rechercheergebnissen zurückgreifen zu lassen.
Kritisch zu hinterfragen ist sicherlich der Umgang mit der Formulierung von Arbeitsaufträgen. Selbstverständlich kann bei Schülerinnen und Schülern nicht darauf geachtet werden, inwieweit sie Aufgaben richtig oder gar vollständig formulieren. Es ist von ihnen nicht zu verlangen, ein Material durch Aufgabenstellungen so zu befragen, dass es vollständig ausgeschöpft ist. Dennoch können auch Jüngere anmerken, wie mit aufgeführten Materialien umgegangen werden soll. Ältere sollten, auch prüfungsvorbereitend, Operatoren gezielt einsetzen, wenngleich auch hier der auswertende Umgang mit den Aufgabenstellungen reduziert werden sollte.
Bei einer Auswertung der Ergebnisse werden Kriterien wie Aufbau und Layout mitbetrachtet. Auch sollte natürlich die Umsetzbarkeit von Arbeitsaufträgen in Bezug zu ihren Materialien geprüft werden. Im Sinne einer Reduzierung kann es auch hierbei nicht darum gehen, vollständige Erwartungshorizonte zu verlangen, dennoch können die Schülerinnen und Schüler durchaus auf ihre Erwartungen hinsichtlich der Ergebnisse hinweisen. Im Sinne einer möglicherweise kritisch zu hinterfragenden Bewertbarkeit eines solchen unterrichtlichen Vorhabens, lässt sich sagen, dass selbstverständlich klare Kriterien mit den angegebenen Einschränkungen eine tendenzielle Bewertung möglich machen.
Ziel eines solchen Vorhabens ist zusammenfassend die kreative Wiederholung und Auseinandersetzung von Unterrichtsinhalten. Die Schülerinnen und Schüler sollen dabei Inhalte vertiefen, indem sie ihre Rolle als Konsumenten von Lehrbüchern zu Produzenten solcher Kapitel hin verändern, woraus sicherlich auch ein Grad der Motivation abzuleiten ist.
Sicht auf Schülerergebnisse
Der Gruppe, welche die nebenstehenden Abbildungen in ihr Lehrbuchkapitel zum Thema Schöpfung und Verantwortung integrierte, gelang es ihr Kapitel im Sinne einer Progression aufzubauen. So verwiesen sie zunächst auf die weltpolitische Aktualität des Themas und stellten hierfür Materialien zur Verfügung. Dann schufen sie mit den Schöpfungsberichten einen Bezug zum Verantwortungsbegriff. Besonders hervorzuheben ist, dass dieser Gruppe auch der Übertrag zu anderen biblischen Geschichten unter dem Oberbegriff der Verantwortung gelungen ist. Sie verwiesen hierbei auf das salomonische Urteil und schauten somit auf eine andere Dimension von Verantwortung.
In ihrer Präsentation stellte die Gruppe die eben erwähnten Überlegungen als Zielvorstellungen heraus. Ihr Lehrbuchkapitel schlossen sie mit einer Übersicht zu Zitaten ab, bei denen sie kreative Zugriffsmöglichkeiten in ihre Aufgabenstellungen einbauten. Besonders positiv sind das Layout und die einzelnen thematischen Überschriften hervorzuheben, die das Lehrbuchkapitel inhaltlich stringent und im Sinne einer Progression zusammenhalten.
Auch andere Gruppen präsentierten gelungene Ergebnisse und inkludierten in ihre Lehrbuchkapitel vor allem die mitunter vergleichende Analyse von Liedtexten, die Auswertung von Karikaturen und den Umgang mit anderen, vergleichbaren weltpolitischen Ereignissen. Grundsätzlich zeigten sie viele weiterführende Materialien aus den eigenen Recherchen der Schülerinnen und Schüler.
Mensch, was tust du nur?
- Schauen Sie sich die Collage zunächst an.
- Ordnen Sie die einzelnen Bilder in ihren jeweiligen Kontext ein.
- Nehmen Sie zu der Aussage „Der Mensch zerstört zunehmend seinen Lebensraum“ Stellung.
Mensch, wo kommst DU nur her?
Es scheint als würde der Mensch seinen Lebensraum, die Erde, immer stärker gefährden… Dabei ist es doch unser einziger Lebensraum … Unser Zuhause … Aber wie wurde sie eigentlich dazu? Warum sind wir in diese Welt gekommen? Durch unsere Eltern? Aber wo kommen die her? Oder alles ein Evolutionsphänomen, ein Entropiezwischenwert zwischen Urknall und gallaktischem Wärmetod? Woher kommt der Urknall? Ist er aus sich selbst entstanden?
Aufgaben
- Betrachten Sie das unten abgedruckte Werk „Die Erschaffung Adams“ von Michelangelo Buonarrotis.
- Analysieren Sie das Bild unter besonderer Berücksichtigung der möglichen Bedeutung der Fingerspitzen.
- Lesen Sie die zwei Schöpfungsberichte.
- Vergleichen Sie die Varianten miteinander und stellen Sie heraus, welche Aufgaben Gott an den Menschen verteilt. Dabei bietet es sich an, auf folgende Aspekte einzugehen: Inhalt, Dauer, Aussage, Entstehungszeit und die Aufgabe des Menschen.
Fazit
Die Gestaltung eines eigenen Lehrbuchkapitels als Abschluss einer Unterrichtseinheit bietet den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, Gelerntes und Erarbeitetes selbstständig zu wiederholen, zu vertiefen und auszubauen. Dabei wird das kreative Potential der Schülerinnen und Schüler angesprochen und eine Abwechslung zur üblichen Hinnahme von Lehrbuchseiten geschaffen. Der völlig freie Zugang bietet natürlich auch an, aus Schülersicht kritisch mit bisher kennengelernten Materialien umzugehen und begründbare Veränderungen vorzunehmen. Die universelle Einsetzbarkeit eines solchen Vorhabens zeigt einen breiten Raum der Realisierung. Dabei kann ein solches Projekt allenfalls dosiert, möglicherweise sogar nur einmalig in einer Lerngruppe aufgenommen werden, um die Kreativität der Schülerinnen und Schüler auszuschöpfen und diese nicht abstumpfen zu lassen.
Literatur
- Kunert, Günter: Stilleben. Gedichte, München 1983