Vertrauen finden, haben und stärken – das Leben bietet nicht nur Schülerinnen und Schülern häufig Anforderungssituationen, in denen sie dankbar sind, wenn sie von Menschen mit Erlebnissen erfahren, die Parallelen zu ihrer eigenen Lage zeigen. Abraham kann als ein solcher Mensch verstanden werden, denn auch er stand immer wieder in seinem Leben vor Herausforderungen, die er anhand seines Vertrauens zu Gott meistern konnte.
Abraham als Beispiel für grenzenloses Vertrauen in Gott
Die Geschichten um Abraham sind vermutlich im zweiten Jahrtausend v. Chr. anzusiedeln und erstrecken sich im Alten Testament von der Geburt bis zu Abrahams Tod über vierzehn Kapitel.
In der hier dargestellten Unterrichtseinheit stehen allerdings nur die vier ausgewählten Textstellen im Mittelpunkt, die auf besondere Weise das Vertrauen Abrahams zu Gott thematisieren und insofern mit dem Hauptanliegen der Unterrichtssequenz korrespondieren.
Abraham, vermutlich aus Mesopotamien stammend, erhält im Erwachsenenalter als Saras Mann von Gott die Weisung, seine Heimat zu verlassen:
Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. (Gen 12,1-2)
Dieser Schöpfungssegen Gottes, der bisher allein durch Zeugung und Geburt von Generation zu Generation weitergegeben wurde, wird nun Abraham persönlich zugesprochen, wobei er zum „Mittler dieses Segens für die Menschheit wird“ (Hieke, Abraham).
Als Beleg für Abrahams grenzenloses Vertrauen folgt er trotz aller Widrigkeiten dieser Verheißung und begibt sich auf den Weg nach Kanaan, an seiner Seite seine Frau Sara und sein Neffe Lot. Diese Berufung gilt als das „früheste geschichtliche Zeugnis für den Gottesglauben in Israel“ (Kruhöffer 2002, 25).
Eine weitere, im Kontext der vorliegenden Unterrichtseinheit relevante Stelle ist die nach der Trennung von seinem Neffen Lot ausgesprochene Verheißung reicher Nachkommenschaft1 und großen Landbesitzes in Kanaan. Obwohl Abraham noch lange auf einen gemeinsamen Sohn mit Sara wird warten müssen, spricht seine Reaktion in dieser Situation für sich: „Abram glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit“ (Gen 15,6)2 Dieser Vers ist einer der bedeutendsten des Alten Testaments und „in der gegebenen Lage eine Antwort auf einen bemerkenswerten Glauben“ (Alexander, 71988, 137f.)3 Denn im Gegensatz zum heutigen Verständnis steht der Begriff Gerechtigkeit hier als
„ein gemeinschaftsbezogener Begriff. Er bedeutet: einer Gemeinschaft, einer bestehenden Ordnung gerecht werden. So wird Abraham durch seinen Glauben, durch sein Vertrauen auf die Verheißung der Gemeinschaft mit Gott gerecht, und dies wird ihm von Gott ausdrücklich zugesprochen.“ (Kruhöffer 2002, 27)
Dieser Vers zeigt wiederum, wie stark die Bindung Abrahams zu Gott ist und welche Rolle Gott in dessen Leben spielt. Betont wird die inzwischen fünfte Bestätigung dieses Bundes durch eine Namensgebung (vgl. Gen 17). Fortan wird aus Abram Abraham4, sodass beide Varianten in symbolträchtiger Beziehung zueinander stehen: „Der neue Name bestätigt Gottes Geschichtsmacht und Intervention sowie Abrahams neue Rolle in Gottes Plan“ (ebd.). Dabei zeigt diese Umbenennung einerseits die „volle Souveränität Gottes und die Kontrolle Gottes über die Geschichte an, andererseits auch die besondere Verantwortung Gottes für den so erwählten und namentlich gekennzeichneten Menschen“ (ebd.). Neben dieser Namensänderung erfolgt als Bundeszeichen sowohl die Beschneidung als auch die konkrete „Ansage der Geburt des verheißenen Sohnes“ (Handbuch Bibel 1988, 138). Damit erfährt diese Situation von Mal zu Mal eine Steigerung, die in einem Bund mit Gott gipfelt.
Doch erneut gilt es für Abraham, Geduld zu zeigen und weiterhin auf Gottes Worte zu vertrauen, denn wieder vergehen einige Jahre, bis eine weitere Begegnung mit Gott den Bund mit ihm bestätigt und seine Verheißung ein Jahr später zur Realität werden lässt (siehe Gen 18,1-15 und Gen 21,1-5). Hier variiert die Begegnung Abrahams mit Gott im Vergleich zu den Malen zuvor. Nachdem Gott Abraham im Traum erschienen ist, begegnet er ihm zunächst in Menschengestalt mit Begleitung und kurz darauf direkt. Damit sind in Abraham „auch verschiedene Weisen der Begegnung Gottes mit einem Menschen vorweggenommen“ (Hilke, Abraham), was dem Ganzen noch mehr Aussagekraft verleiht.
Zum Aufbau der Unterrichtssequenz
In dieser Unterrichtssequenz soll den Schülerinnen und Schülern Gelegenheit gegeben werden, sich mit existenziellen Aspekten der Abrahamgeschichte zu beschäftigen und diese in ihrem eigenen Leben wieder zu entdecken. Einerseits können sie durch die Lektüre ausgewählter Bibeltexte in den jeweiligen Handlungskontext einsteigen. Andererseits werden ihnen durch entsprechende Aufgaben Anregungen gegeben, Aspekte der Geschichte auf ihr Leben zu übertragen und vertiefend oder gestaltend dazu zu arbeiten.
Wie unten genauer beschrieben, soll zunächst von Schülererfahrungen und -gedanken zur Frage nach dem jeweils empfundenen Halt im Leben ausgegangen werden. Im Anschluss an diese erste Erarbeitungsphase kommt eine von mir entwickelte Freiarbeitskartei zum Einsatz, die zu den verschiedenen Aspekten jeweils einen Bibeltext und verschiedene mögliche Aufgaben zur existenziellen Auseinandersetzung anbietet.
Für den Aufbau der Freiarbeitskartei wählte ich folgende Themenbereiche:
- Gespannt sein auf Neues: Das Leben als Reise wird unter der Fragestellung, was gut gelaufen ist und wofür man dankbar sein kann, in den Blick genommen.
- Hoffen und auf Gott vertrauen: Gefühle wie Sehnsucht, Alleinsein, Enttäuschung können, auch durch Einbeziehung von Psalmen, bedacht und gestaltet werden.
- Gott ist mit dabei: Überlegungen zum eigenen Namen und zur Taufe werden angeregt. Außerdem wird die Möglichkeit angeboten, sich der eigenen Selbstwahrnehmung und Selbsteinschätzung bewusster zu werden.
- Leben mit Gott – Ein Grund zur Freude: Auf der Ebene der Geschichte kann über das Lachen Saras nachgedacht werden. Eigenes „Lachen vor Freude“ kann bedacht, gestaltet und beschrieben werden.
Einstieg in die Unterrichtssequenz – didaktische und methodische Entscheidungen
Den Auftakt zu der Unterrichtseinheit „Leben mit Gott – Abrahams Fels in der Brandung“ bildet eine Doppelstunde, die über die vier ausgewählten Stationen des Abraham-Zyklus in besonderer Weise den Schülerinnen und Schülern einen Eindruck davon vermitteln soll, welch grenzenloses Vertrauen man Gott entgegenbringen und welchen Halt das dem eigenen Leben geben kann. Bei diesem Einstieg werden die Schülerinnen und Schüler ausgehend von ihrer Lebenssituation für die Lage Abrahams sensibilisiert, indem sie sich auf gestalterischem Wege damit auseinandersetzen, was ihnen in ihrem Leben Halt und Vertrauen bietet.
Als Schülerin oder Schüler einer fünften Klasse befinden sie sich vor allem zu Beginn ihrer Zeit an einer neuen Schule in einer Umbruchsituation. Kurz zuvor haben sie einen neuen Weg beschreiten müssen, indem sie – teilweise ohne befreundete oder bekannte Mitschüler – die Grundschule verließen, um an der weiterführenden Schule einen Neubeginn zu wagen. Vieles Gewohnte vermissen sie und sollen sich nun auf neue Dinge einstellen. Sie müssen Vertrauen gegenüber sich, ihren Fähigkeiten und unbekannten Menschen entwickeln. Diese besondere Anforderungssituation bietet eine deutliche Parallele zu Abrahams Leben – auch er steht vor einer ungewissen Zukunft. Doch fühlt er sich nicht alleingelassen, sondern vertraut sich Gott an, der für ihn den ‚Fels in der Brandung‘ darstellt, der ihm Halt gibt.
Mein Fels in der Brandung
Diese Metapher hat mir den Anlass gegeben, den Schülerinnen und Schülern in der vorliegenden Doppelstunde Raum zu geben, sich mit ihrer Situation zu befassen und zu verdeutlichen, woraus sie Halt schöpfen. Dafür erhält jede Schülerin und jeder Schüler einen bloßen, etwa faustgroßen Stein, den sie und er als ihren und seinen persönlichen ‚Felsen in der Brandung‘ gestalten soll.
Gerade wenn ein Thema derart persönliche und teilweise emotionale Aspekte in den Mittelpunkt rückt und es wünschenswert ist, möglichst jeden Schüler anzusprechen, werden auf diesem Wege verschiedenste Ausdrucksmöglichkeiten geschaffen, sei es über Farben, bestimmte Formen, Materialien, Symbole oder über einen eventuell auch selbst verfassten Text.5
Ziel ist es, die fertig gestellten ‚Felsen‘ nach der Gestaltung gegenseitig zu betrachten, eventuell Fragen dazu klären zu können, um dann eine Überleitung zur Arbeit mit der Aufgabenkartei zu erkennen und zu erhalten.
Um die Schülerinnen und Schüler auf diese emotionale und kreative Arbeitsphase einzustimmen, sollen sie sich zu Beginn der Doppelstunde mit ihrer momentanen Situation in Bezug auf den erfolgten Schulwechsel und den damit verbundenen Schwierigkeiten, Neuerungen und Herausforderungen in Form eines Blitzlichtes6 auseinandersetzen. Dabei werden sie gebeten, sich in einen Stuhlkreis zu setzen, um eine vertraute und ungezwungene Atmosphäre zu schaffen, in der man etwas persönlichere Dinge eher äußern mag als in der herkömmlichen Anordnung der Tische im Klassenraum, bei der sich nicht alle ansehen können. Das Blitzlicht wird mithilfe von Kärtchen gestaltet, die die jeweilige Frage von mir visuell unterstützen und in die Mitte des Stuhlkreises gelegt werden (M 1). Hierüber kann dann das Stundenthema (Gestaltung des eigenen ‚Felsen‘) entfaltet und vorgestellt werden.
Nach Vorstellung der Materialien, die den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stehen, dürfen sie mit der Arbeit beginnen. Am Ende der Erarbeitungsphase werden die ‚Felsen‘ während eines Rundgangs besichtigt, um eventuelle Fragen stellen zu können.
Nach dieser Präsentation richtet sich der Focus auf den noch ‚nackten‘ Gesprächsstein der Einstiegsphase. Er soll diese erste Stunde der Sequenz abrunden und gleichzeitig zum Schwerpunkt der kommenden Stunden überleiten, in denen es um eine weitere Person – Abraham – gehen wird, der ebenfalls einen ‚Fels in der Brandung‘ benötigte und für die die Schülerinnen und Schüler am Ende der Unterrichtseinheit den Stein gestalten werden.
Nach dieser Doppelstunde schließt sich die Freiarbeitsphase anhand einer Aufgabenkartei an.
Ablauf der Freiarbeitsphase (wahldifferenzierter Unterricht)
Nach der Einteilung der Schülerinnen und Schüler in verschiedene Arbeitsgruppen wird jeder Gruppe eine Aufgabenkartei mit den vier Themenbereichen ausgehändigt (M 2). Nun erstellt jede Gruppe einen Arbeitsplan, indem sie festhält, welche Aufgabe sie aus jedem Themenbereich bearbeiten wird. Für jeden Themenbereich steht eine Doppelstunde zur Verfügung. Wichtig hierbei ist der Hinweis, die Bereiche nacheinander zu bearbeiten, da zu Beginn jeweils eine Geschichte um Abraham steht und diese Erzählungen aufeinander aufbauen.7
Den Abschluss der Unterrichtseinheit bildet dann eine Präsentation ausgewählter Ergebnisse der Freiarbeitsphase sowie die gemeinsame Gestaltung eines ‚Felsen in der Brandung‘ für Abraham, um den Bogen zur Einstiegsstunde zu schließen.
M2: Beispiele aus der Aufgabendatei:
Anmerkungen:
- Ein Teil dieses Versprechens wird bereits erfüllt, indem Abraham mit seiner Sklavin Hagar den Sohn Ismael zeugt, auch wenn dadurch Probleme entstehen.
- Laut Hieke spielt dieser Vers auch im Neuen Testament als Rechtfertigung Abrahams aus Glauben eine sehr wichtige Rolle, insbesondere bei Paulus.
- Hier wird auch darauf hingewiesen, dass nach Gal 3,1-14 die Gerechtigkeit vor Gott wie bei Abraham allein auf dem Glauben beruhe. So wenig wie er könnten alle anderen Menschen einen Platz im Himmel durch gute Taten gewinnen.
- Dabei lässt sich der Name laut Hieke als Satz deuten und steht für „Der (mein) Vater ist erhaben“ bzw. „Er ist erhaben in Bezug auf seinen Vater“.
- Man sollte damit rechnen, dass viele Schülerinnen und Schüler ihren ‚Felsen‘ ohne Rückgriff auf ihren Glauben an Gott gestalten, sondern vor allem ihre Familie und Freunde in den Mittelpunkt stellen. Gerade diese Situation bietet am Ende der Unterrichtssequenz eine interessante Ausgangslage für die Reflexion der Arbeitsergebnisse und den Vergleich mit dem ‚Felsen‘ Abrahams. Wer weiß: Vielleicht möchte der eine oder die andere den eigenen Felsen dann noch ergänzen oder verändern.
- Zur Erläuterung dieser Unterrichtsmethode siehe Wilhelm H. Peterßen: Kleines Methoden-Lexikon. Oldenbourg Schulbuchverlag. München 2003. S. 47ff.
- In die Aufgabenkartei wurden Materialien z. T. direkt übernommen, z. T. verändert und neu gestaltet aus der „Bibelwerkstatt: Abraham und Sara – Auf dem Weg zur Mitte“, die von Julia Born, Gerlinde Krehn und Petra Schnitzler aus dem RPZ Heilsbronn erarbeitet wurden und mit freundlicher Genehmigung übernommen werden durften. Quelle: http://www.rpz-heilsbronn.de/arbeitsbereiche/schularten/real-und-wirtschaftsschule/stunden entwuerfe-und-materialien-zum-lehrplan/53/bibelwerkstatt.html
Literatur
- David und Pat Alexander (Hg.): Handbuch zur Bibel, 7. Auflage, Breklum 1988.
- Julia Born, Gerlinde Krehn und Petra Schnitzler: Bibelwerkstatt: Abraham und Sara – Auf dem Weg zur Mitte, in: www.rpz-heils bronn.de, letzter Abruf: 6. August 2013
- Maria Brand u. a. (Hg.): Stille-Zeit-Bibel. Luther-Übersetzung mit Texten zur persönlichen Andacht, Stuttgart 2000.
- Thomas Hieke: Abraham, in: www.bibilex.de, letzter Abruf: 6. August 2013
- Gerald Kruhöffer: Grundlinien des Glaubens. Ein biblisch-theologischer Leitfaden, 3. Auflage, Göttingen 2002.
- Niedersächsisches Kultusministerium (Hg.): Kerncurriculum für das Gymnasium. Schuljahrgänge 5-10. Evangelische Religion, Hannover 2009.
- Wilhelm H. Peterßen: Kleines Methoden-Lexikon, München 2003.
- Klaus Schittko: Differenzierung in Schule und Unterricht. Ziele – Konzepte – Beispiele, München 1984.