Am 01.08.2013 tritt das neue Kerncurrciulum für das Fach Evangelische Religion an niedersächsischen Oberschulen (KC) in Kraft. Damit entsteht für die Fachkonferenzen die Aufgabe, neue schuleigene Lehrpläne zu entwickeln bzw. die bisherigen Lehrpläne zu überarbeiten. Vorab ist anzumerken, dass das neue KC für den jahrgangsbezogenen und schulzweigübergreifenden Unterricht an der Oberschule anzuwenden ist. Es gilt nicht im fachleistungsdifferenzierten und schulzweigbezogenen Unterricht. Hier gelten die Kerncurricula der Schulformen, die den jeweiligen Schulzweigen entsprechen.1
Wie in den bisher vorliegenden Kerncurricula werden im neuen KC die erwarteten Kompetenzen der Lernenden klar, eindeutig und verbindlich benannt. Sie teilen sich in prozess- und inhaltsbezogene Kompetenzen. Die prozessbezogenen Kompetenzen sind fünf Kompetenzbereichen (Wahrnehmungs- und Darstellungskompetenz, Deutungskompetenz, Urteilskompetenz, Dialogkompetenz, Gestaltungskompetenz) zugeordnet. Sie bedürfen vom Jahrgang 5 bis 10 eines kumulativen Aufbaus, so dass die Schülerinnen und Schüler am Ende der Sekundarstufe I über die genannten Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen. Die inhaltsbezogenen Kompetenzen gliedern sich in sechs Kompetenzbereiche (nach dem Menschen fragen, nach Gott fragen, nach Jesus Christus fragen, nach der Verantwortung des Menschen in der Welt fragen, nach Glaube und Kirche fragen, nach Religionen fragen). Sie sind nach Doppeljahrgängen (5/6, 7/8 und 9/10) geordnet und beschreiben eher Wissensbereiche, mit denen die prozessbezogenen Kompetenzen anzustreben sind.
Grundlage zur Erarbeitung des neuen KC waren der Erlass „Die Arbeit in der Oberschule“2 und die Kerncurricula für die Hauptschule, für die Realschule und für das Gymnasium. Daneben wurden vom Niedersächsischen Kultusministeriums bestimmte Textabschnitte für alle Kerncurricula der Oberschule vorab verbindlich festgelegt und damit die im Grundsatzerlass beschriebenen Aufgaben und Ziele der Schulform Oberschule bekräftigt. So heißt es im Abschnitt „Innere Differenzierung“: „Aufgrund der unterschiedlichen Lernvoraussetzungen, der individuellen Begabungen, Fähigkeiten und Neigungen sowie des unterschiedlichen Lernverhaltens sind differenzierende Lernangebote und Lernanforderungen für den Erwerb der vorgegebenen Kompetenzen unverzichtbar. Innere Differenzierung als Grundprinzip in jedem Unterricht zielt auf die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler ab. Dabei werden Aspekte wie z.B. Geschlecht, Alter, sozialer, ökonomischer und kultureller Hintergrund, Begabungen und motivationale Orientierungen, Leistungsfähigkeit und Sprachkompetenz berücksichtigt.“3
Weiterhin ist dort zu lesen: „Für besonders leistungsstarke Schülerinnen und Schüler werden Lernangebote bereitgestellt, die deutlich über die als Kern an alle Schülerinnen und Schüler bereits gestellten Anforderungen hinausgehen und einen höheren Anspruch haben. Diese Angebote dienen der Vertiefung und Erweiterung und lassen komplexe Fragestellungen zu.“4 Beide Formulierungen beziehen sich auf die Notwendigkeit der inneren Differenzierung als Grundprinzip des Unterrichts an Oberschulen. In der zweiten Formulierung wird die Aufgabe der Oberschule aufgegriffen, einen Teil der Schülerinnen und Schüler für den Übergang in ein allgemeinbildendes Gymnasium vorzubereiten.
Neben diesen grundsätzlichen Vorgaben wurde in der Kommission bewusst die aktuelle Situation an Oberschulen berücksichtigt. Der Systemwechsel von einer Hauptschule, einer Realschule oder einer Haupt- und Realschule zu einer Oberschule ist damit verbunden, dass für eine Übergangszeit mehrere Schulformen an einer Schule geführt werden. So unterrichten Kolleginnen und Kollegen an Oberschulen und parallel an auslaufenden Haupt- und/oder Realschulen. Der Unterricht orientiert sich an den jeweiligen Kerncurricula für die jeweilige Schulform. Für das neu zu erstellende KC war es daher wichtig, dass die Schnittmengen zu den Kerncurricula der Haupt- bzw. der Realschule möglichst groß sind. Im Vergleich mit den Kerncurricula für die Haupt- und Realschule unterscheidet sich das KC daher nicht grundsätzlich sondern nur in einigen Punkten:
Die prozessbezogenen Kompetenzen wurden aus den Kerncurricula für die Hauptschule und die Realschule übernommen. Im Blick auf einen weiterführenden Kompetenzerwerb und einen möglichen Übergang von der Oberschule auf das Gymnasium wurden sie durch vier (weiterführende) prozessbezogene Kompetenzen ergänzt. Die zusätzlichen Kompetenzen sind dem Kerncurriculum des Gymnasiums entnommen5 und den nachstehenden Kompetenzbereichen zugeordnet:
- Wahrnehmungs- und Darstellungskompetenz: „Bestimmte Entscheidungssituationen in der eigenen Lebensführung und in ausgewählten gesellschaftlichen Handlungsfeldern als religiös relevant erkennen und erläutern.“
- Deutungskompetenz: „Christliche Begründungen von Werten und Normen verstehen und in Beziehung zum eigenen Leben und zur gesellschaftlichen Wirklichkeit setzen.“
- Urteilskompetenz: „Zweifel und Kritik an Religion artikulieren und ihre Berechtigung prüfen.“
- Dialogkompetenz: „Sich aus der Perspektive des christlichen Glaubens mit Kritik an Religion auseinandersetzen.“
Die Anzahl der inhaltsbezogenen Kompetenzen (in der Regel zwei pro Kompetenzbereich) wurde im neuen KC weitgehend beibehalten. Die Formulierungen wurden aufgrund der Erfahrungen mit den bereits vorhandenen Kerncurricula an einigen Stellen präzisiert. Im Unterschied zu den Kerncurricula an Haupt- und Realschulen wurden „Grundbegriffe für den weiterführenden Kompetenzerwerb“ in die Übersicht der inhaltsbezogenen Kompetenzen eingefügt. Sie sind identisch mit den „Verbindlichen Grundbegriffen“ des Kerncurriculums für das Fach Evangelische Religion für das Gymnasium Jahrgang 5-10 6 und richten sich an besonders leistungsstarke Schülerinnen und Schüler. Sie sollen ein fachsprachliches Repertoire sichern und gehen über den Kern der an alle Schülerinnen und Schüler gestellten Anforderungen hinaus. Ihre Zuordnung zu den inhaltsbezogenen Kompetenzen des KC wurde angepasst.
Beispiel:
Nach dem Menschen fragen |
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am Ende von Schuljahrgang 6 |
Die Schülerinnen und Schüler…
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Grundbegriffe für den weiterführenden Kompetenzerwerb:
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Sowohl die „Grundbegriffe für den weiterführenden Kompetenzerwerb“ als auch die vier zusätzlichen prozessbezogenen Kompetenzen dienen einer „vertiefende(n) Auseinandersetzung mit den Inhalten des Religionsunterrichts für leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler“7 und sind nicht als Additum zu verstehen. Im Blick auf die Übersichtlichkeit wurden sie im KC kursiv gedruckt.
Neben diesen grundsätzlichen Veränderungen wurde im inhaltsbezogenen Kompetenzbereich „Nach Religionen fragen“ die bisherigen Zuordnungen der Themen „Judentum“ (Schuljahrgänge 5/6) und „Islam“ (Schuljahrgänge 7/8) zu einzelnen Doppeljahrgängen aufgehoben. Die Kompetenzformulierungen des neuen KC wurden so gewählt, dass die Zuordnung zu den Doppeljahrgängen im schuleigenen Lehrplan von der Fachkonferenz vorgenommen werden kann. Damit könnte das Thema „Islam“ jetzt bereits in den Schuljahrgängen 5/6 zum Gegenstand des Unterrichts werden. In diesem Fall wäre das Thema „Judentum“ den Schuljahrgängen 7/8 zuzuordnen. Alternativ können Ausdrucksformen und Glaubensinhalte der monotheistischen Religionen vergleichend im Schuljahrgang 5/6 eingeführt und im Schuljahrgang 7/8 vertieft werden.
Nach Religionen fragen | Nach Religionen fragen |
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am Ende von Schuljahrgang 6 | am Ende von Schuljahrgang 8 |
Die Schülerinnen und Schüler ...
| Die Schülerinnen und Schüler ...
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Grundbegriffe für den weiterführenden Kompetenzerwerb
| Grundbegriffe für den weiterführenden Kompetenzerwerb:
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Eine weitere Veränderung betrifft den Bereich „Aufbau und Entstehung der Bibel“. Die in den Kerncurricula für die Haupt- und Realschule aufgeführte inhaltsbezogene Kompetenz „Die Schülerinnen und Schüler beschreiben Entstehungsgeschichte und Aufbau der Bibel und finden vorgegebene Bibelstellen“8 ist im neuen KC entfallen. Damit soll verdeutlicht werden, dass der evangelische Religionsunterricht immer wieder auf die Bibel zu beziehen ist.9 So sind der Umgang sowie die Auseinandersetzung mit der Bibel kontinuierlich über alle Jahrgänge der Oberschule einzuüben. Zur Orientierung sind den inhaltsbezogenen Kompetenzbereichen biblische Basistexte zugeordnet, die den Kompetenzerwerb unterstützen und für eine kontinuierliche Arbeit mit der Bibel im Unterricht stehen.
Im Blick auf die schulische Praxis ist der Hinweis wichtig, dass aufgrund der engen Zusammenarbeit der Kommissionen für die Fächer Evangelische und Katholische Religion die Erstellung eines schuleigenen Lehrplans möglich ist, der die Einrichtung eines konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts ermöglicht. Die Voraussetzungen hierfür sind dem Erlass zu entnehmen.10
Abschließend ist anzumerken, dass die bisher vorliegenden schuleigenen Arbeitspläne für das Fach Evangelische Religion an der Hauptschule bzw. an der Realschule eine gute Grundlage zur Erstellung eines schuleigenen Lehrplans für das Fach Ev. Religion an der Oberschule bilden. Aufgrund einer großen Übereinstimmung zwischen den Kerncurricula der Haupt-, der Real- und der Oberschule lassen sich die oben benannten Besonderheiten bzw. Veränderungen gut im Rahmen einer ohnehin in regelmäßigen Abständen vorgesehenen Überprüfung und Weiterentwicklung bestehender Lehrpläne durch die Fachkonferenzen einarbeiten.
Anmerkungen
- Die Arbeit in der Oberschule; RdErl. d. MK v. 7.7.2011 – 32-81028 (SVBl. 8/2011 S.257; ber. SVBl. 5/2012 S.268) – VORIS 22410 -, 2.3.
- Die Arbeit in der Oberschule; RdErl. d. MK v. 7.7.2011 – 32-81028 (SVBl. 8/2011 S.257; ber. SVBl. 5/2012 S.268) – VORIS 22410 -.
- Niedersächsisches Kultusministerium (Hrsg.): Kerncurriculum für die Oberschule, Evangelische Religion Hannover 2013, 15.
Download unter www.rpi-loccum.de/download/kcobs.pdf. - Ebenda.
- Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium (Hrsg.): Kerncurriculum für das Gymnasium, Schuljahrgänge 5-10, Evangelische Religion, Hannover 2009, 15f.
- Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium (Hrsg.): Kerncurriculum für das Gymnasium, Schuljahrgänge 5-10, Evangelische Religion, Hannover 2009, 15.
- Niedersächsisches Kultusministerium (Hrsg.): Kerncurriculum für die Oberschule, Schuljahrgänge 5-10, Evangelische Religion, Hannover 2013, 16.
- Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium (Hrsg.): Kerncurriculum für die Hauptschule, Evangelische Religion, Hannover 2009, 28.
- Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium (Hrsg.): Kerncurriculum für die Oberschule, Schuljahrgänge 5-10, Evangelische Religion, Hannover 2013, 16.
- Vgl. Regelungen für den Religionsunterricht und den Unterricht Werte und Normen, RdErl. d. MK v. 10.5.2011 – 33-82105 (SVBl. 7/2011 S.226) – VORIS 22410 -.