Fast alle Jugendliche und bereits ein Großteil der Grundschüler nutzen Computer intensiv für die Schule und zur Freizeitgestaltung. Inzwischen kann – empirisch belegt – von einer “Net Generation” an unseren Schulen gesprochen werden. Die “Net Generation” geht dabei anders mit Computern um als die Erwachsenen, die so genannte “TV Generation”. Stört die “TV-Generation” am Internet die Informationsflut, so will die “Net-Generation” sich selbst aus vielen Quellen informieren. Sucht die “TV-Generation” Expertenwissen und bemängelt die Qualität von Webseiten, so gebraucht die “Net-Generation” das Netz, um mit anderen gemeinsam Probleme zu lösen.
“Web 2.0”, so heißt das Stichwort, welches die “Net Generation” von ihren Lehrerinnen und Lehrern unterscheidet. Hinter diesem Begriff verbergen sich Internetanwendungen wie Facebook, SchülerVZ, Wikipedia, Youtube, Twitter, Blog und Co. Der Unterschied zur “TV-Generation” besteht darin, dass Jugendliche durch Web 2.0 gewohnt sind, in netzgestützten “communities” zu denken, zu arbeiten und Freizeit zu gestalten. Sie haben einen eigenen Lernstil entwickelt, ihre neuronalen Strukturen sind andere.
Schülerinnen und Schüler leben nun in zwei unterschiedlichen Welten: Während sie in der Schule Texte oftmals allein verfassen, erleben sie, dass in sozialen Netzwerken kein Text unkommentiert bleibt. Während sie daheim Wissen und Werte mit anderen aushandeln, treffen sie in der Schule auf Lehrerinnen und Lehrer, die Lernstoffe mit Schulbüchern, Tafelbildern und Arbeitsblättern versuchen zu vermitteln.
Doch empirische Studien belegen auch, dass die “Net-Generation” klare Vorstellungen von gelungenem Lernen und Arbeiten entwickelt hat. Sie erwartet:
- freie Auswahl des Ortes und Zuganges zur Kommunikation und zu Wissensquellen,
- freie Gestaltung/Anpassung von Internetplattformen, Schul- und Arbeitsplatzumgebungen,
- viel Hintergrundinformationen zu Themen, um diese Informationen selbst kritisch durchleuchten zu können, '
- Offenheit und Integrität im Umgang miteinander,
- Pflege von Beziehungen und “collaboration” (=gemeinschaftliches Denken und Arbeiten),
- Spaß am Lernen und Spaß an der Arbeit,
- kontinuierliche Kreativität, Innovation und Wandel.1
Welche didaktischen Möglichkeiten bietet das Medium “Netz”?
Hier sind zu nennen:2
- Individualisierung: Jeder kann in seinem eigenen Tempo und Niveau Fragestellungen erarbeiten (Binnendifferenzierung).
- Schulformübergreifender Einsatz: Von der Förder- bis zur Hochschule kann mit vernetzten Computern in anspruchsvoller pädagogischer Perspektive gearbeitet werden.
- Balance von Online- und “Face-to-Face”-Kommunikation: Durch die Verlagerung von Kommunikation ins Netz soll die “Face-to-Face” und Online-Kommunikation in ein verändertes Verhältnis gebracht werden. Online-Kommunikation bezieht alle Mitglieder, auch größere Gruppen, und somit auch die verbal Unauffälligen mit ein. Offene Klassen- oder Seminargespräche aktivieren oft nur wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Hier ist strukturierte Kommunikation in Partner- oder Gruppenarbeit notwendig.
- Exteriorisierung eigener Vorstellungen: Die Gedanken, Erkenntnisse, Gefühle, Einstellungen aller Teilnehmer können exteriorisiert und kommentiert werden (Online-Editoren, Visualisierungen, Medienproduktion …).
- Veröffentlichung von Arbeitsergebnissen: Erträge des forschenden Erkundens (inquiry) können durch das “Netz” öffentlich werden.
- Metakognitive Fähigkeiten: Das “Lernen zu Lernen” wird unterstützt (Online-Portfolio, Expedition, Mappen etc.).
- Online-Ressourcen: Viele Texte, Bücher (u. a. Bibeln), Videos, Musik, Web-Repräsentationen von Organisationen zum Kerncurriculum stehen Online zur Verfügung.
- Kollaborativer interner und öffentlicher Diskurs: Ein kollaborativer, fortschreitender Wissensaufbau wird gefördert (Foren, Wikis). Später kann dieser in Web 2.0-Anwendung im “Netz” fortgeführt werden.
E-learning zusammen mit einer Neuorientierung im Verständnis von Lernen und Lehren in Einrichtungen einzuführen, ist ein langsamer Prozess. E-learning nur in einer Klasse einzuführen, führt im günstigsten Fall zu Anstößen hinsichtlich einer Veränderung der Lernkultur auf Klassenebene, insbesondere bei Lehrerinnen und Lehrern, die über ein großes Methodenspektrum verfügen.
Seit dem Jahr 2003 führe ich Schülerinnen und Schüler von der 4. bis zur 12. Klasse, Studierende der Religionspädagogik und Religionswissenschaft, Referendare und Lehrerinnen und Lehrer des Fachs Religion an E-learning heran. Das beginnt mit den Möglichkeiten, die das Netz und digitale Medien zur Informations- und Materialbeschaffung bieten, und endet bei der Arbeit in virtuellen Seminarräumen/Klassenzimmern (www.rpi-virtuell.de). In diesen lernen und arbeiten die Teilnehmenden – unabhängig von Raum und Zeit – miteinander. Manchmal kooperieren wir in diesen virtuellen Seminarräumen auch mit Menschen außerhalb der jeweiligen Bildungseinrichtung. Im Folgenden möchte ich Sie anregen, Elemente von gemeinschaftlichem Lernen mit dem Netz in den Unterricht aufzunehmen. Dabei geht es zum einen um das bewusste Training der “Face-to-Face”-Kommunikation, die hier gewissermaßen als Vorbedingung für den virtuellen Austausch betrachtet wird. Zum anderen sind Phasen der Informationsbeschaffung mit Hilfe von Online-Ressourcen in die Methoden der “Face-To-Face”-Kommunikation eingebunden. Wenn Sie mit diesen Arbeitsformen gute Erfahrungen gesammelt haben, können Sie den Kommunikations- und Handlungsraum ihres Unterrichts mit einem virtuellen Klassenzimmer bei www.rpi-virtuell.de erweitern. Hierdurch verfügen Sie über eine flexible Lernumgebung (Web 2.0) im Religionsunterricht, die auf die Lernbedürfnisse der “Net-Generation” abgestimmt ist.
Dr. Martin Sander-Gaiser ist Studienleiter am Pädagogisch-Theologischen Institut der Kirche von Kurhessen-Waldeck in Kassel und Privatdozent an der Georg-August-Universität Göttingen.
M 1: Think – Pair – Share
Think-Pair-Share kann man übersetzen mit “allein nachdenken – sich in Partnerarbeit verständigen – mit der Klasse die gemeinsamen Erkenntnisse teilen”. Ziel dieses Think-Pair-Share ist es, die besten Argumente für und gegen das Tragen von Kopftüchern an Schulen, also religiösen Symbolen des Islam, kennen zu lernen.
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M 2: Gruppenpuzzle
Bei einem Gruppenpuzzle fügt ihr Expertenwissen der Gruppenmitglieder, wie bei einem echten Puzzle, zu einem Ganzen zusammen. Ziel dieses Gruppenpuzzles ist es, unterschiedliche Vorstellungen vom Leben nach dem Tod in den fünf Weltreligionen kennen zu lernen.
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M 3: Placemat (“Tischdeckchen”) So kann eure Placemat aussehen (ein großes Plakat, Papiertischdecke, etc.)
5. Schritt:
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Anmerkungen
- Tapscott, Don: grown up digital. How the net generation is changing your world, New York, 2009, 34.
- Vgl. Sander-Gaiser, Martin: Was ist gutes E-learning?, in: Theo-Web 1/2010, 41.