Wir wollen hier einen Projekttag anregen, der die Erzählung des Turmbaus zu Babel für Grundschüler fruchtbar macht.1 Wir schlagen vor und haben gute Erfahrungen damit gemacht, dem Symbol der „bösen“ Stadt Babel ein hoffnungsvolles Symbol gegenüber zu stellen: das des himmlischen Jerusalem.
Dieser Projekttag wurde in der beschriebenen Form am Buß- und Bettag 2005 in Zusammenarbeit zwischen der Wilhelm-Henneberg-Grundschule in Göttingen und dem Göttinger Schulpfarramt veranstaltet. 200 Kinder in acht Klassen waren beteiligt und die gesamte Lehrerschaft. Bewusst wurde dem eigentlichen Projekttag eine Fortbildung mit den Lehrkräften vorangestellt, in der ausführlich die sachlichen und didaktischen Grundlagen erarbeitet wurden, bevor wir uns der eigentlichen Organisation des Tages zuwandten. Eine entsprechende inhaltliche Kooperation zwischen Lehrenden und Pastoren hat an der Schule eine lange Tradition und das Buß- und Bettagsprojekt ist als jährlicher „Kirchtag“ institutionalisiert.
Das Gelingen dieses Projekttages hing wesentlich von einer intensiven Vorbereitung der Lehrerschaft ab. Die Lehrerinnen und Lehrer sollten auf Grundlage der inhaltlichen Erarbeitung zusammen mit dem Vorbereitungsteam (in unserem Falle der Fachgruppenleiterin Religion und dem beteiligten Pastor des Schulpfarramtes) eigenständig zu einer methodischen Ausgestaltung des Projektes in Form passender Gruppenarbeiten kommen. Dieser Vorbereitung diente die folgende Sachdarstellung, die in Form einer Power-Point-Präsentation eingebracht wurde.
Zur Sache
Die wohl berühmteste Darstellung des Babel’schen Turmbaus stammt von Pieter Bruegel. Man sieht sehr schön den riesigen Turm vor den winzigen Häusern der Stadt im Hintergrund, hoch, bis in den Himmel. Die Bauarbeiter sind im Vergleich winzig. Links vorne sehen wir den babylonischen König, vor ihm kniend in Verehrung Untergebene, seine Ingenieure vielleicht. Im Grunde eine wenig deutende, „realistische“ Darstellung im Sinne der Renaissance. Dieses und vergleichbare Bilder zeigen, welche Kreativität die Erzählung vom Turmbau zu Babel zu allen Zeiten freizusetzen vermochte – eine Stärke, die in der Konkretion der Textbilder und der Konzentration der Geschichte begründet liegt.
Wie der Turm wirklich aussah, zeigen diese Darstellungen natürlich nicht, sie spiegeln jeweils architektonische Vorstellungen ihres Entstehungskontextes.
Was wissen wir über den Turm zu Babel? Dank archäologischer Forschungen gilt die Existenz eines (oder mehrerer) großer Turmbauwerke im altorientalischen Babel als sicher. Der Turm, von dem Gen 11 erzählt, dürfte ein babylonischer Tempel zu Ehren des Hauptgottes Marduk gewesen sein. Er wurde im 7. Jh.v.Chr. begonnen und zunächst nicht fertig gestellt, dann aber unter dem großen König Nebukadnezzar im 6. Jh. tatsächlich zum Abschluss gebracht. Ein deutscher Archäologe (Robert Koldewey) hat 1913 bei Grabungen an der Stätte Babylons (in der Nähe des heutigen Bagdad) die Fundamente freigelegt. Es handelte sich um einen Tempelturm, eine Zikkurat, und wie wir uns ein solches Bauwerk vorzustellen haben, das lässt sich aus dem Vergleich mit anderen historischen Stätten erschließen, an denen wie etwa in Ur im heutigen Iran noch Reste entsprechender Bauten erhalten sind. Der Turm von Babel dürfte 90 Meter hoch gewesen sein, bei einer Grundfläche von ca. 200 Meter im Quadrat. Entsprechende Rekonstruktionen zeigen oben auf der eigentlichen Zikkurat ein Tempelgebäude, das nur die Priester betreten durften. Der babylonische Turm ist vermutlich in Backsteinziegeln gebaut worden, die außen noch farbig (blau vielleicht) lasiert waren. Alles in allem sicher ein beeindruckendes Bauwerk, insbesondere für damalige Verhältnisse. Es hatte den sprechenden Namen Etemenanki, übersetzt: „Haus des Himmelsfundamentes auf der Erde“.
1. Buch Mose (Genesis), Kapitel 11,1-9 Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. Als sie nun nach Osten zogen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinar und wohnten daselbst. Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! – und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder. |
Der biblische Text in Gen 11,1-9 erzählt in knapper Form, wie Menschen „aus aller Welt“, die dieselbe Sprache hatten, nach Osten zogen, um dort eine Stadt und Turm zu bauen, der bis an den Himmel reichen sollte. Gott sieht ihr Tun, verurteilt es, verwirrt ihre Sprache und zerstreut sie „in alle Länder“. Damit macht er wahr, was die Menschen eigentlich vermeiden wollten (V. 4). Wegen der Sprachverwirrung wird diese Stadt Babel genannt. 2
Traditionell ist die Erzählung zunächst ätiologisch gedeutet worden. Der Text erklärt ja nicht nur, warum das antike Babel so heißt, sondern vielmehr, warum Menschen verschiedene Sprachen benutzen und die des anderen nicht verstehen. Umfassender ist seine Deutung als eines großen Mythos, der von der Selbstüberschätzung des Menschen erzählt („damit wir uns einen Namen machen!“) und davon, wie Gott diese erkennt und die Gefahr, die darin lauert („nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können!“). Er bestraft den Hochmut der Menschen, indem er das Instrument zerstört, das Menschen zu so einem Plan befähigen konnte: die gemeinsame Sprache. 3
Wir vermuten, dass der ursprüngliche Sinn der Erzählung, der dieser enthistorisierenden Überarbeitung vorausging, sehr viel konkreter gewesen sein dürfte. Das jüdische Volk, Israel war zur Zeit des Turmbaus im 7. und 6. Jh. v. Chr. einem erheblichen Druck von Seiten des babylonischen Reiches ausgesetzt. Die Babylonier hatten die Assyrer als mächtigstes Volk des Alten Orients abgelöst, Babel war eine ihrer wichtigsten Hauptstädte. Die babylonische Vorherrschaft bezog sich nicht nur auf das Militärische, sondern auch auf Wirtschaft, Kultur, Religion. 4 Vielleicht ist es legitim, so wie wir heute manchmal von einer „Amerikanisierung“ der Welt sprechen, für die damalige Zeit von einer „Babylonisierung“ des Nahen Orientes zu sprechen. Und wie heute das Englische, so mag von Menschen damals die Verbreitung des babylonischen Assyrisch als Ausdruck dieser kulturellen Hegemonie empfunden worden sein.
Im Jahr 587 belagerte und eroberte der babylonische König Nebukadnezzar Jerusalem, die Hauptstadt des judäischen Reiches und deportierte die Königsfamilie und die Oberschicht in die Stadt Babel. Anhand rekonstruierter Stadtpläne5 erkennt man deutlich die zentrale Stellung des Marduk-Tempels mitten in der Stadt an der Prozessionsstraße: Etemenanki – Haus des Himmelsfundamentes, Sitz des Weltenherrschers Marduk.
Dieser Turm musste der exilierten jüdischen Gemeinschaft geradezu als Verkörperung der gottlosen Anmaßung der babylonischen Herrschaft erscheinen. Vielleicht waren sie als Sklaven sogar selbst am Turmbau beteiligt, mussten Ziegel brennen, auf denen der Name des verhassten Königs Nebukadnezzar gestempelt war, der ihre eigene Hauptstadt, Sitz des Tempels ihres Gottes Jahwe gnadenlos niedergebrannt hatte. 6
Zeichnet man die Turmbau-Erzählung in diesen historischen Kontext ein, so gewinnt sie eine eigene Schärfe als Zeugnis der Auseinandersetzung Israels mit der kulturellen Vorherrschaft Babels. 7 Der Turm zu Babel wurde Israel zu einem Symbol für die Überheblichkeit und Gottlosigkeit des Königs Nebukadnezzars und des babylonischen Herrschaftssystems überhaupt.
Gottes Eingreifen gilt in dieser Deutung nicht dem Hochmut des Menschen an sich, sondern dem Hochmut des babylonischen Herrschers, dessen mit Gewalt durchgesetztes kulturelles Monopol von Gott aufgebrochen wird in die Vielfalt der Kulturen und Sprachen, die solche Einheitspläne verhindern. Im Gefälle dieser Deutung erscheint Gottes Handeln nicht als Strafe an der Menschheit an sich, sondern als Bestrafung eines bestimmten politischen und religiösen Weges – und zugleich als Chance für einen Neuanfang jenseits des „babylonischen Systems“. 8
Diese Chance allerdings führt, wenn sie nicht ergriffen und gestaltet wird, zunächst in die Konkurrenz der verschiedensprachigen Völker und Kulturen. Von Kampf und Krieg blieb historisch auch Israels Welt geprägt – so wie unsere Welt heute.
Biblische Texte, die zeitgleich entstanden, zeugen aber auch von einer Sehnsucht, die diese Realität überwindet. Die Propheten Israels nährten einen Traum von der Wiederherstellung der Stadt Jerusalem. Wurde Babel zum zeitübergreifenden Symbol für Gottesferne und Selbstüberschätzung des Menschen, so wurde das endzeitliche Zion zum Hoffnungssymbol für eine friedliche Zukunft jenseits der pax babylonica.
Gott würde in Zion erscheinen, es tausendmal schöner wieder aufzubauen und dort seinen Thron einzunehmen. – Und dann würden alle Völker, auch die des babylonischen Reiches zum Zion wandern, um dort in den einen, wahren Gott anzubeten. Von dieser universalen Hoffnung zeugt ein Text wie Jesaja 2, 2-4. 9
Er macht deutlich: die Zerstörung der sprachlichen Einheit ist nicht Gottes letztes Wort in dieser Sache. Sie war notwendig, so erzählt es der Genesis-Text, um der Selbstvergottung des Menschen Einhalt gebieten: Babel steht für dieses Der Mensch will Gott sein. Er kennt seine Grenzen nicht, keine Demut. Da ist dann kein Platz mehr für andere Sprachen, Religionen und Einstellungen. Diese Vereinheitlichung verhindert Gott durch die Spaltung der Menschen in verschiedene Kulturen, die sich dann allerdings bekämpfen und bekriegen. So ist die Welt nach Babel.
Demgegenüber steht Gottes Versprechen einer neuen Stadt, in der Menschen sich nicht mehr bekriegen, sondern trotz ihrer kulturellen und natürlich auch sprachlichen Verschiedenheit verständnisvoll zusammenleben. Und zwar so, dass Völker aus aller Welt hier zusammenkommen, das Kriegswerkzeug umzuschmelzen in Handwerkszeug, nun nicht aus Zwang, sondern aus Überzeugung und Einsicht. So wird die Welt eines Tages sein.
Jesaja 2,2-4 Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen,und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns auf den Berg des HERRN gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. |
Didaktische Präzisierungen
Für Schüler der Grundschule ergeben sich in einem so charakterisierten theologischen Feld vielfältige Anknüpfungspunkte. Auch sie erleben die Welt so, dass Sprachen und verschiedene Kulturen Menschen und Völker trennen. Sie machen die Erfahrung, dass das Nichtverstehen der Sprache, aber eben auch der Weltsicht des Anderen dazu führt, ihn als „Fremden“ zu betrachten. Das schürt Vorurteile und Ängste, mit der Konsequenz, dass Menschen sich bekämpfen, sogar bekriegen.
Folgt man der oben vorgeschlagenen Deutung der Turmbau-Erzählung liegt der Grund hierfür in der „babylonischen“ Selbstüberschätzung von Menschen, die sich an die Stelle von Gott setzen, den eigenen Standpunkt, die eigene Weltsicht verabsolutieren und anderen das Recht auf kulturelle und religiöse Selbstbestimmung streitig machen. Zwar mag diese herrschaftliche Tendenz in der Natur des Menschen liegen, sie ist aber nicht – wie es die mythologische Deutung der Erzählung nahe legt – unabänderliches Schicksal des Menschen, dem nach Gottes Eingreifen nur Scham oder die Revolte gegen Gott bliebe. Die biblischen Prophetentexte weisen einen anderen Weg, indem sie dem falschen „babylonischen“ Weg den hoffnungsvollen Weg zum Zion gegenüberstellen. Dies scheint uns als Botschaft für die Kinder ungemein wichtig. Zion als Symbol nimmt Hoffnungen und Sehnsüchte der Kinder auf, die an der „babylonischen“ Wirklichkeit leiden und sich eine andere, friedlichere, von Einigkeit geprägte Welt wünschen. 10 Die Zions-Hoffnung nimmt diese Sehnsucht auf, aber nicht im Sinne eine Rückkehr in den Urzustand einer kulturellen Einheit aller Menschheit. Zum einen lag ja hierin, wie die Turmbau-Erzählung zeigte, gerade die Verführung zur Selbstüberschätzung. Zum anderen aber wäre das aus der Lebenswelt der Kinder heraus auch naiv. Wir leben als Menschen ja kulturell, sprachlich und religiös verschieden. Einheit ist hier nicht zu gewinnen und auch gar nicht zu wünschen – weil sich natürlich sofort wieder die Machtfrage stellte. Zu gewinnen aber ist ein friedliches, faires, von gegenseitiger Anerkennung und Verständnis geprägtes Miteinander in aller sprachlichen und kulturellen Vielfalt. Dafür steht das biblische Symbol des Zion, zu dem alle Völker am Ende gerufen sind – nicht, um ein Volk zu werden, sondern um gemeinsam, aber in ihrer jeweiligen Eigenart vor Gott zu leben.11 Kinder können so lernen, nicht Verschiedenheit als „Übel“ zu sehen, sondern unseren Umgang mit ihr. Hoffnung findet ihren Grund in Gottes Verheißung, durch seine Herrschaft jede „babylonische“ Herrschaft des Menschen abzulösen und so dem Hass und der Entfremdung der Menschen untereinander den Nährboden zu entziehen.
Turm zu Babel – Auslegung | |
Babel | Zion |
Der Mensch will wie Gott sein | Der Mensch will bei Gott sein |
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Nebukadnezzar beherrscht die Welt. | Gott beherrscht die Welt. |
Mit Gewalt setzt er die Kultur, Sprache und Religion Babels monopolistisch durch. | Er überzeugt die Menschen durch sein Wort von Frieden und Gerechtigkeit |
Völker werden in das babylonische System gezwungen. | Völker ziehen zum Zion, weil sie Gott anerkennen. |
Gott straft die Menschen mit Sprachverwirrung und gegenseitigem Unverständnis. | Gott belohn die Menschen mit Verständigung und Einigkeit trotz verschiedener Kulturen und Religionen. |
Streit und Krieg prägen die Welt des Menschen. | Ruhe und Frieden prägen die Welt des Menschen |
So ist die Welt jetzt. | So wird die Welt eines Tages sein. |
Ablauf des Projekttages und Methodik
(Materialien im Internet unter www.rpi-loccum.de/pelikan)
Der Projekttag gliedert sich in die drei Teile Gottesdienst, Gruppenphase und Abschlussfeier. Teil 1 und 3 finden in der Kirche statt und rahmen den gesamten Tag in liturgischer Form. Zur Abschlussfeier sind die Eltern mit eingeladen. Nach unserer Erfahrung stören sich muslimische Kinder und auch nicht religiös geprägte Elternhäuser nicht am Ort Kirche und am liturgischen Rahmen, wenn ihre Kinder im Verlauf der Veranstaltung nicht zu religiösen Handlungen gezwungen sind. Im Gegenteil wird der Raum Kirche als besonders feierlich und angemessen empfunden. Den Auftakt haben wir daher bewusst als Gottesdienst gestaltet. Der Abschlussteil ist eine Feier mit liturgischen Anteilen (Gebet).
Übersicht: Ablauf des Projekttages 08.15 1. Gottesdienst in der Kirche 09.00 Pause 09.20 2. Gruppenarbeiten 11.40 Pause 12.00 3. Abschlussfeier in der Kirche 13.00 Ende |
Zentrales Gestaltungsmittel des Gottesdienstes ist die Verlesung eines fiktiven Tagebuches eines Jungen, der in Babel zur exilierten jüdischen Gemeinschaft gehörte. Diese Tagebuch wurde in (entsprechend vermoderten und zerrissenen) Fragmenten „gefunden“ und wird nun im Gottesdienst verlesen. Ein Vorschlag für eine entsprechende „Erzählpredigt“ findet sich unter der genannten Internetadresse. Die Predigt knüpft an ein vorher gehaltenes Anspiel an, in dem das Lied „Das Lied vom Anderssein“ szenisch umgesetzt wurde. Die weitere Auswahl der Lieder sollte berücksichtigen, was den Kindern möglicherweise schon aus Musik- oder Religionsunterricht bekannt ist. Zur Sendung gehört in diesem Gottesdienst konkret die Entsendung in die Arbeitsgruppen. Die Einführung der Gruppen haben wir im Konzept der Gottesdiensterzählung gehalten. Auch das Lied und dieser Text wird im Internetanhang zur Verfügung gestellt.
Die Pausen dienen natürlich auch dem Ortswechsel, denn die Gruppenarbeiten finden in den dafür besser geeigneten Schulräumen statt. Sie werden vorbereitet und durchgeführt von den Lehrerinnen und Lehrern, die sich in der Vorbereitung mit dem Pastor und der Fachgruppenleiterin Religion inhaltlich orientiert und eingearbeitet haben. Die Themen und Inhalte wurden mit den jeweiligen Lehrerinnen und Lehrern gemeinsam entwickelt, sie wurden bewusst nicht vorher festgelegt. Sie können hier also nur als Beispiel dienen. Auf Wunsch der Lehrkräfte entsprachen in diesem Fall die Gruppen den Klassen – alternativ wäre eine Aufteilung der Kinder nach Interesse denkbar und vielleicht auch wünschenswert.
Folgende Gruppen haben sich gebildet:
1a Wie Menschen Tiere bedrohen – wie Menschen Tiere beschützen können
1b Türme bauen
1a Wie eine Stadt aussieht, in der Menschen gut miteinander leben können
2b Unser Berg Zion
3a Sprachenvielfalt in unserer Umwelt
3b Verständigung ohne Worte
4a Gebabbel in Babel – musikalische Umsetzung
4b Vom Umgang mit der Macht
Allen Gruppen wird angeboten, sich im Rahmen der Abschlussfeier zu präsentieren. Ob sie davon Gebrauch machen will, entscheidet die gruppenleitende Lehrkraft im Vorhinein. Die Vorabmeldung ist nötig, damit die Präsentationen, für die eine maximale Länge von drei bis fünf Minuten vorgegeben wird, von der Moderatorin der Abschlussfeier in ein erzählerisches Gerüst eingebunden werden können. Es erschien uns wichtig, dass die Präsentationen nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern die Relevanz ihrer Themenstellung und ihre Ergebnisse jeweils mit dem biblischen Gesamtthema verbunden wird. So wird den zuschauenden Kindern und Eltern hoffentlich ein thematischer Gesamteindruck vermittelt, der die Symbolik der Städte Babel und Zion noch einmal durchscheinen lässt.
Der beispielhafte Moderationstext im Anhang muss natürlich an die Themen der tatsächlich gebildeten Arbeitsgruppen angepasst werden. Unser Text nimmt hier den Faden der eingangs im Gottesdienst erzählten Geschichte vom gefunden Tagebuch aus Babel wieder auf.
Reflexion
Nach dem Projekttag scheint uns in zeitlicher Nähe etwa im Rahmen einer Gesamtkonferenz ein Rückblick auf das Projekt wünschenswert. Gerade weil das Kollegium so stark in die Vorbereitung eingebunden wird, muss die Gelegenheit bestehen, Vorbereitung und Verlauf noch einmal zu reflektieren. Der begleitende Pastor oder die begleitende Pastorin sollte dazu anwesend sein.
Bei uns wurde festgehalten, dass der liturgische Rahmen den Tag deutlich zusammengehalten habe, dass die musikalische Gestaltung wesentlich zum Gelingen beigetragen habe und sich das Kollegium durch die intensive Vorbereitung und Nachbereitung auch durch den Pastor sehr ernst genommen gefühlt habe. Kritisiert wurde von manchen Kolleginnen andererseits, dass man sich in der Durchführung als „religiös zu wenig kompetent“ gefühlt habe und dass der Zeitaufwand beträchtlich gewesen sei.
Von den Kindern wissen wir, dass sie gerne mitgemacht haben, dass sie den kirchlichen Rahmen als „feierlich“ genossen und als Aufwertung erlebt haben („dass man so was in der Kirche aufführen durfte“). Noch wochenlang haben sich Kinder im Unterricht eben nicht nur der Religionslehrerin auf Erfahrungen des Projektes bezogen, so dass auch wir den Aufwand als lohnenswert erlebt haben.
Anmerkungen
- Die Turmbau-Erzählung gehört nicht in den üblichen Unterrichtskanon der Grundschule, vgl. aber die positiven Erfahrungen bei R. Oberthür, Kinder begegnen der Geschichte von Babelturm und Sprachverwirrung, in den Katechetischen Blättern 4/2002, 260-268. In diesem Themenheft findet sich auch eine Übersicht zu ‚Annäherungen an die Turmbau-Geschichte in der Sekundarstufe I‘ von Agnes Wuckel, ebd., 269-273
- Die Stadtbezeichnung „Babel“ ist in der hebräischen Fassung ein Wortspiel, das „Geplapper“ oder „Gebrabbel“ bedeutet. Da ist vermutlich eine Volksetymologie, denn die griechische Form des Namens, Babylon, leitet sich vom Akkadischen ba-b-ilim ab, was „Tor Gottes“ bedeutet.
- In der neueren exegetische Literatur wird betont, dass die in Gen 11 beschriebene „sprachliche Einheit“ eine intentionale Einheit beschreibt, die Gott durch sein Eingreifen so vollkommen durchbricht, dass Verstehensdifferenzen fortan die Kommunikation prägen; vgl. zusammenfassend mit ausführlichen Literaturhinweisen jetzt den Online-Artikel von N.C. Baumgart, Turmbauerzählung, in: www.wibilex. de, hg. von der Deutschen Bibelgesellschaft, Stuttgart; zu möglichen Deutungen auch der Kommentar zur Stelle von H. Seebass, Genesis I. Urgeschichte (1,1-11,26), Neukirchen‑Vluyn, 1996.
- Belege bei U. Sals, Die Biographie der „Hure Babylon“. Studien zur Intertextualität der Babylon-Texte in der Bibel (FAT 26), Tübingen 2004
- Die hier gezeigte Illustration entstammt dem Band: Alan Millard, Schätze aus biblischer Zeit. Ihre Entdeckungsgeschichte – ihre Bedeutung, Gießen, 41994, S.135.
- Ein Foto des Ziegelstempels findet sich in Millard, a.a.O., S.133.
- Zur Literarkritik und historischen Einordnung von Gen 11,1-9 vgl. C. Uehlinger, Weltreich und „eine Rede“. Eine Deutung der so genannten Turmbauerzählung (OBO 101), Freiburg (Schweiz) / Göttingen, 1990
- Eine ähnliche Interpretation schlägt U. Berges vor: Die befreiende Gabe der Vielfalt. Eine exegetische Analyse der Erzählung vom Baustopp, im schon erwähnten Themenheft der KatBl 4/2002, 248‑253.
- Parallel überliefert in Mi 4,1-4; vgl. auch Jes 62.
- Lena Kuhl hat Ergebnisse eines Malwettbewerbs auf Zukunftswünsche von Grundschulkindern untersucht und hält fest, dass neben konkreten privaten Wünschen „nahezu immer der Wunsch nach Frieden, Wohlstand für alle Menschen und Gesundheit“ vorkomme; L. Kuhl, „Unsere Zukunft – ein Paradies?“ Vorstellungen und Wünsche von Grundschulkindern, Grundschule Religion 2/2003, S.18-20.
- Auch hier stellt sich natürlich die ‚Wahrheitsfrage‘, ob nicht die Anerkennung dieses Gottes und dieser Endzeitvision Voraussetzung ist für diesen Völkerfrieden. Das ist eine spannende Frage, deren Thematisierung jedoch außerhalb der religiösen Kompetenz von Grundschülern liegen dürfte.