Hiob - welche Themen hält das Buch für Kinder bereit?

von Lena Kuhl

 

Religionsdidaktische Grundlegung

Das Interesse von Kindern am Religionsunterricht wächst oft genau da, wo die Geschichten sich nicht einfach mit dem "lieben Gott" in Einklang bringen lassen. Hier können sie ihre eigenen, ganz persönlichen Fragen einbringen. Hier sind die Ecken und Kanten, die sie aus ihrem eigenen Leben kennen. Hier entdecken sie ungelöste Probleme, die wie die eigenen Probleme nicht immer einfach und glatt, manchmal gar nicht zu beantworten sind.

Aus Ergebnissen einer empirischen Untersuchung1 weiß man, dass von den sechs- bis siebenjährigen Kindern bereits 60 % die Frage nach Gott und dem Leid stellen, eine Zahl, die sich in den folgenden Jahren eher noch steigert.

Das Buch Hiob bietet einen Anknüpfungspunkt für Gespräche mit Kindern zu diesem Thema. Es ist mit Sicherheit der "Stoff", der klassisch das Thema "Theodizee" bearbeitet, aber ebenso sicher nicht als "leichte Kost". Religionslehrerinnen und Religionslehrer haben kaum Erfahrungen damit, didaktische und methodische Hilfen dazu sind eher für die Sekundarstufe vorhanden, und auch da sparsam.

Welches sind Aspekte im Buch Hiob, die bereits für Kinder Bedeutung haben und ihre eigenen Fragen an das Leben aufnehmen? Drei Punkte können sich als Erschließungshilfen erweisen:

  1. Wenn ein Mensch vom Unglück und Leid getroffen wird, so ist das nicht eindeutig Gottes Strafe und damit selbstverschuldet.
    Die Stufen des religiösen Urteils nach Oser/Gmünder2 weisen darauf hin, was im Alltag mit Kindern auch erlebt werden kann: Nicht selten denken sie sich Gott als Verhandlungspartner, der bei entsprechendem Verhalten beschützt oder bestraft ("do ut des"). Konkret wirksam wird dieses Denken dann, wenn Kinder etwas Schlimmes erleben (Tod eines Geschwisterkindes, Scheidung oder Trennung der Eltern ...) und mit Schuldgefühlen darauf reagieren.
    In der Geschichte von Hiob ist das Selbstverschulden des Leids ein zentraler Gedanke, der von den Freunden in klaren Worten eingebracht wird, der aber ebenso klar verworfen wird. Gott weist die Freunde schließlich zurecht: "Ihr habt nicht richtig geredet." Hiob bittet in einem Fürbittegebet für die Freunde um Vergebung.
  2. Immer noch herrscht die Meinung vor, ein Gebet müsse in aller Stille und in wohlgesetzten Worten vorgetragen werden. Lob und Dank sind die Inhalte, die darin zur Sprache kommen. Wie anders dagegen spricht Hiob! Er empört sich gegen sein Unglück, er fragt nach dem Sinn, er entlässt Gott nicht aus der Verantwortung für sein Schicksal.
    Jeder Mensch darf seine Not, seine Gefühle, seine Empörung und seine Klagen vor Gott bringen. Nicht ein unadressiertes Jammern ist damit gemeint, sondern die an Gott gerichtete Klage. Bei Hiob geschieht in dieser Klage die Begegnung mit Gott, die ihn "heil" werden lässt. Die Ermutigung zu solchem Sprechen mit Gott steckt im Buch Hiob. Wir sollten sie an die Kinder weitergeben. Die Sinnfrage kann damit allerdings nicht beantwortet werden.
  3. Menschliche Anteilnahme am Leid anderer geschieht am wirkungsvollsten durch bloßes Dasein. Wie eindrucksvoll ist die Szene, in der die Freunde Hiobs Leid einfach nur schweigend mittragen, in der sie sieben Tage und sieben Nächte bei ihm sitzen und schweigen, eine Sitte, die in Ansätzen als Trauerritus in der Nachbarschaft auch heute noch mancherorts bekannt ist. Im Kontrast dazu ist das Reden der Freunde in den Folgeszenen zu sehen, das in keiner Weise Hiob oder der Situation gerecht wird. Den Unterschied können Kinder bereits sehr genau wahrnehmen, und beide Reaktionen kennen sie aus dem eigenen Umfeld, von Eltern, von Lehrerinnen und Lehrern und anderen wohlmeinenden Bezugspersonen.
    Die Hiob-Geschichte hat daneben auch einige Aspekte, die eher problematisch sind und sehr genau bedacht werden müssen. Da ist einmal die Gestalt des Prüfers oder Satans, der von Gott die Erlaubnis erhält, Hiob dieses furchtbare Leid zuzufügen. Und da ist zum anderen das "Happy End", das den Eindruck erweckt, als könne der Verlust der eigenen Kinder durch neue Kinder überwunden werden. Wie kann man Kindern gegenüber so reden?

Beim Lesen und genaueren Hinsehen bietet die Art der Erzählung Hilfestellung dafür an. Es gibt im Rahmenteil, also zu Beginn und am Schluss, eindeutig märchenhafte Elemente, Hinweise auf eine poetische Gestalt. "Es war (einmal) ein Mann..." heißt es am Anfang. Und "..er war reicher als alle, die im Osten wohnten." Die Prüfung beginnt mit den Worten: "Es begab sich aber eines Tages....", und die vier Boten enden alle gleichermaßen mit: "...und ich allein bin entronnen, dass ich dir’s ansage." Das Gleiche kann im Rahmenteil am Schluss der Hiobgeschichte festgestellt werden.

In der unterrichtlichen Erarbeitung ist es hilfreich, diese Gestalt zu erhalten und Kinder dahin zu führen, dass sie diese auch erkennen. Das ermöglicht einerseits eine gewisse Distanz: Es handelt sich um eine überlieferte Geschichte, eine Erzählung, die einen Wahrheitsgehalt in einem märchenhaften Rahmen transportiert. Andererseits könnte diese Gestalt es geradezu ermöglichen, die Distanz zu überwinden. Der Rahmen könnte unter Umständen ausgewechselt werden: Und dann kommt meine eigene Geschichte zum Vorschein, die Geschichte meines Kummers, meiner Schuldvorwürfe, meiner Klagen, die keineswegs "märchenhaft" sind, sondern in aller Ernsthaftigkeit ausgetragen werden.

 

Zur Praxis des Unterrichts

Als Grundlage für eine Erzählung sollte ein Text gewählt werden, der sehr gekürzt den Inhalt des Hiob-Buches wiedergibt, der ihn aber nicht "entschärft". Die wenigen in Kinderbibeln vorhandenen Versionen können die Vorlage für eine eigene Bearbeitung sein. Die im Materialteil abgedruckte Erzählung in Anlehnung an Rainer Oberthür3 und Irmgard Weth4 ist in vier Szenen aufgegliedert und bildet die Grundlage für die dargestellten Schritte im Unterricht. Sie kann den Kindern auch nach und nach – oder auch noch etwas erweitert – als Lesetext in die Hand gegeben werden. Möglicherweise entsteht daraus ein kleines Heft.

Das methodische Arrangement der im folgenden Teil dargestellten Unterrichtsbausteine verbindet Erzählungen, Arbeit am Text, inszenierende Teile und reflektierende Unterrichtsgespräche. Dabei ist es immer wieder die Absicht, die obengenannten Gesichtspunkte in den Vordergrund zu rücken und Kindern in diesem Sinn Verständnishilfen, Haltungsoptionen und ein Verhaltensrepertoire zur Verfügung zu stellen, das sie sich nachdenkend und handelnd aneignen können.  

 

Beschreibung der Unterrichtsbausteine5

1. Szene (Hiob 1)
In der Mitte eines Sitzkreises liegt ein großes schwarzes Tuch, das mit anderen Tüchern (grün, braun) abgedeckt ist und eine Landschaft, das Land Uz, bildet. Daneben liegt Material, das sich eignet, um das Erzählte darzustellen: Schafwolle, Wolle, Fellreste, Bauklötze, Korken, eine Kerze, vielleicht einige Perlen usw. Für die Personifizierung des Hiob steht ein dickes Holzscheit bereit.

Vier Kinder sind instruiert. Sie haben die Aufgabe, die Boten zu spielen, an den entsprechenden Stellen in die Mitte zu stürmen, ihren Text zu lesen und jeweils eine Ecke der Tücher sehr heftig umzuschlagen, so dass das Schwarze von unten dann oben liegt.

Die Lehrkraft liest sehr langsam den ersten Abschnitt vor und macht entsprechende Pausen. Nach dem ersten Satz stellt sie "Hiob" (Holzscheit) in die Mitte des "Landes Uz". Die Kinder gestalten nun dieses Land in der Mitte auf den Tüchern. Dabei darf es auch etwas lebhafter zugehen und die Kinder können miteinander vereinbaren, welche Ideen sie realisieren wollen. Nach und nach gibt es Söhne und Töchter, Häuser, Schafe, Rinder, Esel, Kamele, Hirten, Knechte und Mägde, viel Reichtum und alles, was man sich wünschen kann.

Wenn davon erzählt wird, dass Hiob Ehrfurcht vor Gott hatte und für seine Kinder Opfer darbrachte, kann neben ihm eine Kerze angezündet werden, entweder spontan von einem Kind oder auch von der Lehrerin bzw. dem Lehrer.

Die Erzählung fährt fort mit den "Hiobsbotschaften" der vier Boten, die mit kurzer Überleitung durch die Lehrkraft von Kindern eingebracht werden.

Lehrkraft: "Da – plötzlich kam ein Bote zu Hiob gehastet. Er zitterte am ganzen Leibe und rief entsetzt:"

1. Bote ("abgehetzt"):
"Herr, etwas Furchtbares ist passiert. Wir waren gerade mit den Rindern und Eseln bei der Arbeit auf den Feldern. Da fielen Feinde über uns her, schlugen die Knechte tot und nahmen alle Tiere mit. Nur ich allein habe überlebt um es dir zu berichten."

(Eine Tuchecke wird bis zur Mitte geklappt, schwarzes Tuch wird sichtbar.)

2. Bote:
"Herr, etwas Furchtbares ist passiert. Wir waren gerade mit den Herden auf den Hügeln. Da fiel Feuer wie ein Blitz vom Himmel und verbrannte alles, die Hirten und die Herden. Nur ich allein habe überlebt um es dir zu berichten."

(Die zweite Tuchecke wird bis zur Mitte geklappt, schwarz wird sichtbar.)

3. Bote:
"Herr, etwas Furchtbares ist passiert. Wir waren gerade mit den Kamelen unterwegs. Da fielen von drei Seiten Räuber über uns her. Sie schlugen die Kameltreiber tot und nahmen alle Tiere mit. Nur ich allein habe überlebt um es dir zu berichten."

(Die dritte Tuchecke wird bis zur Mitte geklappt, schwarz wird sichtbar.)

4. Bote:
"Herr, etwas Furchtbares ist passiert. Alle deine Söhne und Töchter feierten ein Fest im Haus des ältesten Sohnes. Da brach plötzlich ein Sturm los. Das Haus stürzte ein und alle starben unter den Trümmern. Nur ich allein habe überlebt um es dir zu berichten."

(Die letzte Ecke des schwarzen Tuches wird bis zur Mitte geklappt. Alles ist schwarz, nur in der Mitte steht Hiob, bzw. das Holzscheit.)

Die Lehrkraft liest den letzten Abschnitt vor. Falls die Kerze noch nicht brennt, sollte sie zum Gebet des Hiob angezündet werden.

 

2. Szene (Hiob 3 und 4)
Der Text der zweiten Szene ist für jedes Kind kopiert worden und wird gemeinsam gelesen. Nach einem durch Kinderäußerungen und -fragen bestimmten Gespräch erhalten die Kinder auf Papier gedruckte Sprechblasen, auf die sie eine Klage des Hiob aufschreiben oder auch abschreiben sollen. Die Auswahl ist ihnen überlassen. Diese Sprechblase legen sie später im Sitzkreis unter ihren Stuhl.

Nun werden Absprachen für später einzunehmende Rollen getroffen. Ein Kind übernimmt die Rolle des Hiob und setzt sich nach Aufforderung in die Mitte. Drei weitere Kinder übernehmen die Rolle der drei Freunde und handeln entsprechend der Erzählung. Alle Kinder sitzen im Sitzkreis. Das schwarze Tuch aus der vorhergehenden Szene liegt in der Mitte.

Die Lehrerin bzw. der Lehrer liest den Text der 2. Szene vor bis: "...Hiob konnte nicht liegen und nicht stehen und hatte furchtbare Schmerzen. Er setzte sich in die Asche, weit weg von allen Menschen." Das entsprechende Kind wird mit einem Blick aufgefordert, sich in die Mitte zu setzen.

Es ergeht eine Aufforderung an alle: "Hiob ist am Ende seiner Kräfte. Er muss getröstet werden. Geht nacheinander zu ihm und versucht eine tröstende Geste!" Die Kinder handeln entsprechend, ohne dabei zu reden.

Der Text wird weiter vorgelesen: "Er hatte aber drei gute Freunde..." Die Kinder, die die drei Freunde spielen, kommen langsam zu Hiob, wiederholen einige Gesten und setzen sich dann neben ihn auf die Erde. Um die sieben Tage und sieben Nächte anzudeuten, wird die Erzählung an der entsprechenden Stelle unterbrochen und eine Klangschale oder ein Gong siebenmal angeschlagen.

Nach einer Pause fährt der Text fort: "Nach sieben Tagen hielt Hiob es nicht länger aus. Wie ein Sturzbach, so brach die Klage aus ihm heraus." Die Kinder nehmen ihre vorbereiteten Sprechblasen hervor, lesen der Reihe nach ihre Klagen vor und legen sie neben Hiob in die Mitte.

Das Kind in der Mitte (Hiob) wird aufgefordert, sich in den Sitzkreis zurückzusetzen. Dann kann als Abschluss ein gemeinsames "Klagelied" gesungen werden, z.B. "Aus der Tiefe rufe ich zu dir: Herr, höre meine Klage..." Oder auch einfacher: "Das wünsch ich sehr, dass immer einer bei mir wär...".

Ein ungelenktes Unterrichtsgespräch schließt sich an.

 

3. Szene (Hiob 4-37)
Der Text der gesamten dritten Szene wird gemeinsam gelesen. Die Kinder werden aufgefordert, jeweils einen Satz der drei Freunde zu unterstreichen.

Im Anschluss daran setzen sich die Kinder wieder in einen Sitzkreis. In der Mitte liegt das schwarze Tuch, für Hiob steht dort das Stück Holz (aus der ersten Szene). Die Lehrerin bzw. der Lehrer erzählt:

"Die drei Freunde hören sich die Klagen des Hiob an. Einer sagt: Du warst glücklich und es ging dir gut. Aber nun, wo es dich selber trifft, nun wirst du weich. Das ist nicht recht. – Und nun sagen die Freunde Sätze zu Hiob, die wohl als guter Rat gemeint sind, aber wie Rat-Schläge wirken. So lesen wir die Sätze nun vor: wie ein Schlag, den Hiob in seinem Unglück erhält."

Die Kinder lesen der Reihe nach ihre unterstrichenen Sätze vor, heftig und mit Nachdruck. Es spielt keine Rolle, dass es nun nicht drei, sondern evtl. 25 Sprecher sind. Ebenfalls keine Rolle spielt eine mehrmalige Wiederholung eines Satzes, er wirkt umso nachdrücklicher! Auf die sprachliche Gestaltung des jeweiligen Satzes sollte viel Wert gelegt werden, u.U. kann die Lehrkraft einen Satz beispielhaft vorlesen: "Denke darüber nach, womit du dieses Unglück verdient hast!"

"Gib zu, dass du ein Sünder bist wie alle anderen, dann wird Gott dich auch heilen!"

"Gott tut dir Unrecht, sagst du? Nein, was Gott tut, das ist immer recht!"

Nach einer Pause erzählt die Lehrkraft weiter: "Hiob schüttelte traurig den Kopf. Er hatte auf Trost gehofft, aber keiner der Freunde hatte ihn trösten können. Die Freunde standen leise auf, einer nach dem anderen, und ließen Hiob allein."

Die Kinder stehen nacheinander auf und entfernen sich aus dem Sitzkreis. Ein Gespräch über das Verhalten der Freunde schließt sich an. Aufschlussreich kann hier ein Vergleich des Verhaltens in der zweiten und dritten Szene sein.

 

4. Szene (Hiob 38-42)
Die Kinder sitzen im Sitzkreis. In der Mitte liegt das schwarze Tuch, für Hiob steht dort wieder das Stück Holz.

Die Lehrerin bzw. der Lehrer liest den Text der vierten Szene vor bis:

"Freude und Frieden strahlten aus seinem Gesicht, obwohl sein ganzer Körper noch von Geschwüren bedeckt war."

Es folgt die Anweisung: "Ich gebe jetzt ein Körbchen herum mit den Strahlen, die von Hiobs Gesicht ausgehen. Jede und jeder nimmt sich einen Strahl, und wir legen sie nacheinander wie eine Sonne um Hiob."

Nachdem die Kinder ihre gelben Papierstrahlen um den Holzklotz gelegt haben,

liest die Lehrerin bzw. der Lehrer weiter bis: "Vergib du ihnen!"

Eine kurze Erinnerung an die Szene eröffnet eine Runde zum Meinungsaustausch: Womit haben die Freunde Gott zornig gemacht? Wie kommt es, dass Hiob für seine Freunde beten kann?

Dann werden die Kinder aufgefordert: "Nun setzt euch an eure Plätze zurück. Jede und jeder darf sich jetzt einen Schluss für die Geschichte von Hiob ausdenken und den aufschreiben."

Interessanterweise haben Erfahrungen gezeigt, dass viele Kinder einen ähnlichen Schluss schreiben, wie wir ihn im Hiobbuch finden. Offensichtlich bietet sich der durch die von den Kindern erkannte poetische (märchenhafte) Gestalt an. Die bereits erzählte Wende in der Geschichte, die durch die Strahlen emotional verstärkt wurde, leitet ebenfalls in Richtung "gutes Ende", das Kindern im Grundschulalter in ihrem Wünschen und Denken sehr nahe kommt.

Wenn einige der Kinder ihre Arbeiten vorgelesen haben, sollte ihnen der biblische Schluss nicht vorenthalten bleiben.

 

Materialteil


1. Szene (Hiob 1)

Vor urlanger Zeit lebte im fernen Lande Uz ein Mann, der hieß Hiob. Er war zu allen freundlich, half jedem, der in Not war, achtete auf Gottes Gebote und tat nie etwas Böses. Selbst für seine Kinder brachte er Opfer dar, für den Fall, dass sie einmal Böses tun. Und Gott segnete ihn mit reichen Gaben. Hiob hatte eine Frau, sieben Söhne und drei Töchter, ein großes Gut, 7000 Schafe, 3000 Kamele, 500 Gespanne Rinder und 500 Eselinnen, dazu Knechte, Mägde und alles, was sich ein Mensch nur wünschen kann. Und dennoch war er nie stolz und hochmütig.

Eines Tages geschah es, dass das Gefolge Gottes, die himmlischen Wesen vor Gott traten. Unter ihnen war auch "Der Prüfer". Dem Prüfer haben die Menschen später auch andere Namen gegeben: Sie nannten ihn den Versucher, den Verführer, das Böse oder Satan.

Wo kommst du her? fragte Gott den Prüfer.

Ich habe die Erde durchwandert, antwortete der Prüfer, ich habe gesehen, was die Menschen tun und treiben.

Hast du auch Acht gegeben auf meinen Knecht Hiob, fragte Gott, denn keiner im ganzen Lande ist so treu und so gottesfürchtig wie er.

Meinst du, dass Hiob umsonst so fromm ist, entgegnete der Prüfer, er weiß genau, warum er zu dir hält. Er tut es nur, weil du sein Haus bewachst, weil du ihm Reichtum schenkst und seine Arbeit gut gelingen lässt. Er hat doch alles, was ein Mensch sich wünschen kann. Wenn der nicht fromm und glücklich ist, wer ist es dann? Aber strecke nur einmal deine Hand nach ihm aus und nimm ihm seinen Reichtum wieder weg. Du wirst sehen, er wird sich von dir abwenden.

Gut, sagte Gott, für eine Weile gebe ich alles, was er hat, in deine Hand. Nur nach seiner Person strecke deine Hand nicht aus.

Darauf ging der Prüfer weg vom Angesicht Gottes.

Da – plötzlich kam ein Bote zu Hiob gehastet. Er zitterte am ganzen Leibe und rief entsetzt:

Herr, etwas Furchtbares ist passiert. Wir waren gerade mit den Rindern und Eseln bei der Arbeit auf den Feldern. Da fielen Feinde über uns her, schlugen die Knechte tot und nahmen alle Tiere mit.

Nur ich allein habe überlebt, um es dir zu berichten.

Als der Bote noch redete, kam schon der zweite und rief:

Herr, etwas Furchtbares ist passiert. Wir waren gerade mit den Herden auf den Hügeln. Da fiel Feuer wie ein Blitz vom Himmel und verbrannte alles, die Hirten und die Herden.

Nur ich allein habe überlebt, um es dir zu berichten.

Kaum hatte der zweite Bote ausgeredet, da kam ein dritter hereingestürzt:

Herr, etwas Furchtbares ist passiert. Wir waren gerade mit den Kamelen unterwegs. Da fielen von drei Seiten Räuber über uns her. Sie schlugen die Kameltreiber tot und nahmen alle Tiere mit.

Nur ich allein habe überlebt, um es dir zu berichten.

Die schlimmste Botschaft brachte der vierte:

Herr, etwas Furchtbares ist passiert. Alle deine Söhne und Töchter feierten ein Fest im Haus des ältesten Sohnes. Da brach plötzlich ein Sturm los. Das Haus stürzte ein und alle starben unter den Trümmern.

Nur ich allein habe überlebt, um es dir zu berichten.

Da schrie Hiob laut auf, sprang auf und zerriss sein Gewand vor Schmerz und Entsetzen, schor seinen Kopf kahl zum Zeichen der Trauer. Er fiel auf die Erde, vergrub sein Gesicht in den Händen – und schwieg. Wie tot lag er da. Danach stand er auf und sprach: Der Herr hat’s gegeben. Der Herr hat’s genommen. Der Name des Herrn sei gelobt!

So betete Hiob, aber gegen Gott fluchte er nicht.

  


4. Szene (Hiob 38-42)

Da zog eines Tages ein schweres Gewitter auf. Dichte Wolken türmten sich auf. Der Himmel wurde ganz schwarz. Da kam es Hiob plötzlich vor, als riefe jemand seinen Namen. Hiob hob erschrocken den Kopf. Und Gott antwortete aus dem Wettersturm, aber Hiob war es, als komme Gottes Stimme nicht von draußen, sondern aus der Mitte seines Inneren.

Hiob, sprach Gott, ich kenne dich. Ich habe dich erschaffen, bevor du von deiner Mutter geboren wurdest. Ich habe dir Gesundheit geschenkt und Glück und viele Güter. Auch der dich heilen kann, bin ich allein. Du fragst, warum ich es nicht tue.

Ja, Herr, das frage ich, rief Hiob. Schlägt auch ein Vater sein Kind, ohne ihm zu sagen, warum? Du aber schlägst mich so, dass alle Welt mich fragt, was ich verschuldet habe, und dabei habe ich dir doch immer treu gedient. Ich bitte dich ja nicht um Glück und langes Leben – ich bitte dich nur um eins: dass du mir sagst, warum du mich so schrecklich strafst. Das, Herr, verstehe ich nicht.

Hiob, sprach Gott, ich kenne deine Leiden, und ich verstehe auch, dass du verzweifelt bist. Doch meine Wege wirst du nie mit dem Verstand begreifen, denn ich bin Gott und handle nicht nach dem Gesetz der Menschen. Bin ich es nicht, der alles auf der Welt, was lebt und wächst und stirbt, in seinen Händen hält?

Da erkannte Hiob und antwortete seinem Gott:

Ich bin zu gering, was soll ich antworten?

Ich will meine Hand auf meinen Mund legen.

Ich erkenne, dass du alles vermagst, und nichts, das du dir vorgenommen hast, ist dir zu schwer.

Ich will dich fragen, lehre mich!

Nur vom Hörensagen wusste ich von dir, jetzt aber hat mein Auge dich geschaut.

Nach dieser Begegnung mit Gott war Hiob nicht mehr traurig.

Hiob hatte erfahren und erzählte davon: In meiner Klage gegen Gott und in den Fragen, die er mir stellte, ist mir Gott begegnet, und ich habe seine Größe erkannt. Gott kann man nicht begreifen, Gott muss man erfahren. Nun kann ich annehmen, was Gott zuließ: mein Glück und Gut und auch mein Leiden. Ich kann Gott vertrauen, und das ist gut. Freude und Frieden strahlten aus seinem Gesicht, obwohl sein ganzer Körper noch von Geschwüren bedeckt war.

Der Herr wies die Freunde zurecht: Ihr habt meinen Zorn erregt mit all euren klugen Reden. Ihr habt nicht recht von mir geredet.

Doch Hiob sprach vor Gott für die Freunde: Sie haben mir zwar weh getan mit ihren vielen Ratschlägen, doch kränken wollten sie mich damit nicht. Sie konnten es nicht besser. Vergib du ihnen!

Da gab Gott Hiob alles wieder, was ihm genommen worden war und von allem doppelt so viel: 14000 Schafe, 5000 Kamele, 1000 Gespanne Rinder und 1000 Eselinnen. Seine Brüder und Schwestern kamen zu ihm, seine Freunde und alle, die ihn vor seiner Krankheit gekannt hatten. Sie trösteten ihn wegen all des Bösen, was er erfahren hatte, aßen und freuten sich mit ihm über sein neues erfülltes Leben.

Hiob bekam noch sieben Söhne und drei Töchter. Die waren im ganzen Land die schönsten Frauen. Hiob nannte sie Jemima, das heißt kleine Taube, die andere Kezia, das heißt Zimtblüte und die Jüngste Keren-Happuch, das heißt Schminkdöschen. Er gab ihnen sein Erbe genau wie ihren Brüdern. Hiob lebte noch viele Jahre. Er starb alt und lebenssatt.

 

Anmerkungen

  1. Rainer Oberthür: Kinder fragen nach Leid und Gott. München 1998, S. 46 ff.
  2. Fritz Oser/Paul Gmünder: Der Mensch – Stufen seiner religiösen Entwicklung, In: Büttner/Dieterich 2000, S. 123-152
  3. Rainer Oberthür: Kinder fragen nach Leid und Gott. München 1998, S. 98 ff.
  4. Irmgard Weth: Neukirchener Erzählbibel. Neukirchen-Vluyn 1998, S. 232 ff.
  5. Einige dieser Vorschläge sind in einem Lehrerfortbildungskurs im Frühjahr 2004 in Loccum entstanden.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 3/2005

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