Der Film gehört zu den wichtigsten Medien, in denen Lebensformen, Werte und religiöse Vorstellungen in unserer Gesellschaft vermittelt und geprägt werden. Im folgenden werden vier Filme zu Judentum und Israel vorgestellt. Sie sollen im Blick auf eine mögliche Verwendung im Religionsunterricht hin ansatzweise analysiert werden. Insbesondere wird die Frage leitend sein, ob die Filmdarstellung theologisch angemessen ist und somit für das jüdisch-christliche Gespräch als hilfreich und weiterführend angesehen werden kann. Das Spektrum der Filme reicht vom Spielfilm über den Unterrichts- und Zeichentrickfilm bis hin zum Dokumentarfilm. Die Beispiele lassen erahnen, dass es sich lediglich um eine kleine Auswahl eines breiten Spektrums handelt. Insbesondere den zahlreichen aktuellen Filmbeiträgen aus Israel kann sie nur unzureichend gerecht werden.1
Glauben ist Alles (Keeping the Faith)
Komödie USA 2000 128 Min
Regie: Edward Norton
(DVD mit Arbeitshilfe)
Alter: ab 14 Jahren
Zum Inhalt
Rabbi Jacob "Jake" Schram (Ben Stiller) und der katholische Priester Brian Finn (Edward Norton) sind seit ihrer Schulzeit Freunde. Für beide war es von Anfang an klar, dass sie den geistlichen Beruf ergreifen wollten. Beide machen sie in ihren Gemeinden in New York durch ihr unkonventionelles Auftreten Karriere. Ihre Freundschaft und ihre Lebenskonzepte geraten auf den Prüfstand, als nach vielen Jahren Anna (Jenna Elfman) in New York auftaucht, eine gemeinsame Freundin aus der Schulzeit. Jake und Anna verlieben sich, verschweigen Brian aber ihre Beziehung. Als Brian Anna eine Liebeserklärung macht und dabei die für ihn bittere Wahrheit erfährt, droht die Freundschaft mit Jake zu zerbrechen. Schließlich aber ist es Brian, der den Weg für Jakes und Annas Zukunft öffnet, indem er Jake dazu bringt, seine Vorbehalte Anna gegenüber, die keine Jüdin ist, über Bord zu werfen und sich auch vor seiner Gemeinde offen zu seiner Liebe zu bekennen.
Zur Interpretation
Als "Märchen für Erwachsene" (Arbeitshilfen Katholisches Filmwerk) vertritt der Film eine versöhnliche, tolerante Lebensphilosophie. Im Film leben verschiedenste Menschengruppen gut zusammen. Die Stadt stellt sich als menschenfreundlicher, zivilisierter Kosmos da. Nicht ein einziges Mal wird das "dunkle Kapitel" zwischen Juden und Christen dargestellt. Rituale u.ä. gelten nicht als trennend, sondern sind Ausdruck einer gemeinsamen praktischen Überzeugung des Glaubens an Gott. Ihre Toleranz besteht nicht in Gleichgültigkeit, sondern in offener gegenseitiger Achtung, in der auch eine gute Streitkultur gedeihen kann.
Jüdisches Gemeindeleben und Frömmigkeit (Jom Kippur, Schabbat, Bar Mizwa u.a.m.) werden konkret und anschaulich in Szene gesetzt. Ihre Darstellung ist weitgehend richtig, auch wenn die Komik des Films natürlich immer wieder übertreiben und karikieren muss. Das urbane Umfeld sowie die Synagoge selbst werden nah nach ihren realen Vorbildern gezeichnet. Jedoch ist der Blick für die sozialen Schattenseiten der Stadt durch die konsequente Perspektive der Mittelstandsgesellschaft stark eingeschränkt.
Zum Unterricht
Auch wenn ein gut 2-stündiger Spielfilm nur selten im Unterricht zum Einsatz gelangt, so eignet sich der Film doch, auf unterhaltsame Weise über die Frage nach jüdischen (und christlichen) Bräuchen und Frömmigkeitsformen ins Gespräch zu kommen. Dass dabei auch geschmunzelt oder gelacht werden darf, muss den Wert des Gespräches nicht schmälern. Im Gegenteil kann es dazu führen, die Nähe von Form und religiösem Inhalt am Kriterium einer gelebten Glaubenspraxis zu überprüfen. Weder überschreitet noch verletzt der Film religiöse Gefühle. Doch auch jüdischer Glaube ist nur da lebendig, wo Tradition und Gegenwart sich wirklich begegnen und miteinander ins Gespräch kommen. Ob sich das im Film angebotene, letztlich ja sehr undifferenzierte Konzept religiöser Toleranz und Menschlichkeit tatsächlich als tragfähig erweist oder doch nur der Feststellung dienen muss, dass "alles viel zu schön ist, um wahr zu sein", wird man auch mit Schülern und Schülerinnen diskutieren können. Neben der Frage, ob der Film auch in der Bundesrepublik Deutschland spielen könnte, ist interessant zu fragen, warum ein Regisseur und Schauspieler wie Edward Norton, der sonst in gänzlich anderen Filmen brilliert (Fight Club, The Score, American History X, 25 Stunden), das Thema von Religion und Glaube überhaupt aufgreift. Offensichtlich gehört das Gefühl einer allgemeinen, häufig allerdings auch unkritischen Religiosität im multikulturellen amerikanischen Umfeld in einem viel stärkeren Maß zum Lebensgefühl der Menschen, als es in unserem Land der Fall ist. Ein Glücksfall freilich, wenn sich – wie in diesem Film – hinter mancher Oberflächlichkeit trotzdem Formen gelebten jüdischen Glaubens entdecken lassen, die mehr sind als Illustration oder billiger Klamauk einer ansonsten erfrischend schönen Dreiecks-Komödie.
Der Prinz von Ägypten (The Prince of Egypt)
Animationsfilm 99 Min USA 1997//98
Regie: Brenda Chapman, Steve Hickner, Simon Wells
(Video mit Arbeitshilfe)
Alter: ab 8 Jahren
Zum Inhalt
Der in aufwendiger und anspruchvoller Gestaltung von der Firma DreamWorks produzierte Zeichentrickfilm erzählt die biblische Geschichte des jungen Moses, der am Hof des ägyptischen Pharao aufwächst, seine wahre Identität erkennt und das Volk Israel im Auftrag Gottes aus der Unterdrückung führt. Dabei nehmen die Schilderung des jugendlichen Moses, die Konfrontation mit dem Pharao sowie die Flucht durch Wüste und Schilfmeer den größten Raum der Darstellung ein. Das Schlussbild, das Moses mit den Gesetzestafeln zeigt, deutet den weiteren Verlauf der Geschichte lediglich an.
Zur Interpretation
Der Film zeigt einen Ausschnitt aus dem Leben des Moses. Im Mittelpunkt steht zunächst der Identitätskonflikt eines Heranwachsenden, auch wenn bereits in der Eröffnungssequenz der wunderbaren Rettung im zerbrechlichen Körbchen erkennbar ist, dass hier eine höhere Macht schützend die Hand über Moses hält. Um das Freiheits- und Identitätsmotiv hervorzuheben, gestaltet der Film die Jugendjahre des Moses und seine Erlebnisse am Hof des Pharao sehr ausführlich. Andere zentrale Geschichten wie die Übergabe der Zehn Gebote oder der Konflikt um das Goldene Kalb spielen keine Rolle. Der Auszug aus Ägypten wird – ohne seine Bindung an die konkrete Geschichte Israels zu verlieren – zu einer überzeitlichen Erlösungs- und Befreiungsgeschichte, deren Motiv bis heute die Menschheitsgeschichte durchzieht. Wohltuend ist, dass der durchaus als unterhaltsam, bisweilen auch skurril und lustig daherkommende Film auf eine Botschaft im Sinne einer allgemein religiösen Moral verzichtet. Stattdessen ist, wie dem dem Film vorangestellten Text entnehmbar ist, ein deutliches Maß an Ernst und Respekt vor der biblischen Glaubensüberlieferung erkennbar. Der Hinweis sowohl auf die Hebräische Bibel (Dtn 34,10) als auch auf das Neue Testament (Apg 7,20) und den Koran (Sure 19 Vers 5) unterstreicht die Ausnahmestellung der Mosesgestalt in den verschiedenen religiösen Überlieferungen, bleibt aber auch als eigene religiöse Botschaft des Films wahrnehmbar. Es bleibt am Ende ein durchgehend positives Bild des Glaubens zurück. Es speist sich zum einen aus einem im Film durchaus angemessen dargestellten Gottesbild (z.B. Szene des brennenden Dornbusches oder der Feuersäule), zum anderen aus der gläubigen Gewissheit von Freude und Dankbarkeit, wie sie durch die Erfahrung der Errettung in der jüdischen Tradition und Frömmigkeit tief verwurzelt ist.
Zum Unterricht
Die Film kann in vielfältiger Weise aufgenommen werden. Lässt sich zum einen die konfliktbeladene Identitäts- und Glaubensgeschichte des jungen Moses nachzeichnen, so eignet sich die Darstellung gleichzeitig, eine, wenn nicht die zentrale Glaubensüberlieferung des jüdischen Volkes im Unterricht zu thematisieren. Neben der Offenbarung der Tora am Sinai gehört die Befreiungsgeschichte aus der ägyptischen Knechtschaft zum Kern jüdischer Identität (z.B. Dtn 5,6, Hos 11,1), wobei kritisch zu fragen bleibt, ob die "unvermittelte Inanspruchnahme der Exodustradition für alle Völker (Eingangs-Song!)"2 nicht einen deutlichen theologisch-religionskritischen Zugang erforderlich macht. Zusätzlich zu einem Vergleich mit den biblischen Quellen lassen sich auch bekannte Verfilmungen wie beispielsweise "Die zehn Gebote" von Cecil B.DeMille (1957) oder "Die Bibel: Moses" von Roger Young (1995) einbeziehen. Hierbei kann besonders auf die Gestaltungselemente wie Musik, Komik, Figuren, Schauplätze, Farb- und Lichtdramaturgie u.ä. eingegangen werden. Als literarische Erzählung eignet sich für Jugendliche hervorragend der Roman von Arnulf Zitelmann "Mose, der Mann aus der Wüste".
Moskito: Shalom
Unterrichtsfilm Bundesrepublik Deutschland 1995 44 Min
Magazin – Produktion: SFB
Redaktion Moskito
(Video mit Arbeitshilfe)
Alter: ab 14 Jahren
Zum Inhalt
Die Fernsehproduktion "Moskito: Shalom" schildert in neunzehn verschiedenen Beiträgen jüdisches Leben in der Bundesrepublik Deutschland. Unterschiedlich lange Dokumentationen und Interviews wechseln sich ab mit Videoclips, Sketchen und Zeichentricksequenzen. Jüdische Jugendliche aus Berlin erzählen von ihrem Verhältnis zum Holocaust sowie den Erfahrungen und Problemen, in die ihr Leben zwischen religiöser Tradition und Alltag gestellt ist. Der Film schildert u.a. den Besuch von Jugendlichen in einem Konzentrationslager, er gibt Einblicke in traditionelle jüdische Feste und Frömmigkeitsformen und berichtet von Jugendlichen, die ein eher distanziertes Verhältnis zu ihrem Glauben haben. Besonders die Videoclips, Sketche und Cartoons setzen sich kritisch mit Vorurteilen und anderen gesellschaftlichen und politischen Fragen wie z.B. dem Rechtsradikalismus auseinander.
Zur Interpretation
Der im Jahr 1995, einem für Deutsche und Juden bedeutsamen Jahr des Gedenkens, entstandene Moskito-Film gibt in verständlicher und abwechslungsreicher Weise Einsicht in das vielschichtige Leben junger jüdischer Menschen in der Bundesrepublik Deutschland. Der Magazincharakter des Films versucht dabei durch Kameraführung und eine abwechslungsreiche Darstellungsform bewusst die Sehgewohnheiten und den Verstehenshorizont von Jugendlichen aufzunehmen. Dabei liegt die Stärke des Films insbesondere darin, dass das geschilderte jüdische Leben dem hiesigen gesellschaftlichen Kontext angehört. Auch nach dem Holocaust gibt es ein jüdisches Leben in Deutschland! Gerade hierin liegt die Chance und Herausforderung einer Begegnung. Jüdisches Leben ist mehr als jüdische Kultur in Israel. Man kann in diesem Zusammenhang kritisieren, dass zu Beginn des Films die Darstellung des orthodoxen Judentum relativ viel Raum einnimmt und auch eine gewisse Exotisierung jüdischen Lebensgefühl in Form eines hebräischen Liebesliedes stattfindet. Doch gerade darin wird deutlich, dass die einzelnen Filmbeiträge nicht zufällig nebeneinander stehen, sondern letztlich bewusst auf eine kritische Auseinandersetzung und Solidarität mit heutigem jüdischen Leben in Deutschland hinauslaufen wollen.
Zum Unterricht
Trotz einzelner Schwächen kann der Film als ausgezeichnete Grundlage für eine Beschäftigung mit heutigem jüdischen Leben in Deutschland dienen. Die Vielfalt der angesprochenen Themen ermöglicht, dass sich die Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Schwerpunkten mit den Fragen und Themen des Films beschäftigen. Deutlich zeigt der Film, dass sich eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Judentum nicht auf den Holocaust reduzieren muss, dieser aber auch in keiner Weise ausgeschlossen werden darf. Der Film "Shalom" kann helfen, die eigene stereotypische Wahrnehmung jüdischer Glaubenstraditionen zu durchbrechen. Jüdisches Leben ist vielfältiger und lebendiger, als es oft den Anschein hat. Dies zu entdecken und so in einen gemeinsamen, offenen Dialog einzutreten, in dem sowohl religiöse als auch gesellschaftliche Fragen ihren Platz haben, spiegelt als Anliegen des Films wider. Wenn am 6.Juni diesen Jahres der Bundestag dem Staatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland zugestimmt hat, so kann dies in eben diesem Sinn als Zeichen einer weiterhin wachsenden Verständigungsbereitschaft zwischen der jüdischen und nichtjüdischen Bevölkerung in der Bundesrepublik verstanden werden.3
Forget Baghdad
Dokumentarfilm
Deutschland/Schweiz 2002 110 Min
Regie: Samir
(Kinostart: 13.3.2003)
Alter: ab 14 Jahren
Zum Inhalt
Der Film porträtiert die Geschichten von vier hochintellektuellen jüdischen Persönlichkeiten, die im Irak aufgewachsen sind und heute in Israel wohnen und arbeiten. Sie erzählen von ihren Kindheits- und Jugenderfahrungen am Tigris, ihrem politischen Engagement, den engen Verflechtungen mit der arabischen Sprache und Kultur, ihrer Flucht vor dem terroristischen Regime und dem Leben in der neuen Heimat. Ihr Schicksal, das sie seinerzeit mit über 120000 anderen aus dem Irak emigrierten Juden teilten, steht stellvertretend für ein um Entfremdung und Identitätsbildung ringendes Leben in der komplizierten Welt des Nahen Ostens.
Zur Interpretation
Unabhängig von den aktuellen politischen Ereignissen im Irak und fernab von gängigen Klischees hat der selbst 1955 in Bagdad geborene und heute in der Schweiz lebende jüdische Regisseur Samir einen über das tagespolitische Geschehen hinausgehenden einfühlsamen Beitrag zur Verständigung und Toleranz zwischen Arabern und Juden ins Bild gesetzt. Die als Grenzgänger zwischen jüdischer und arabischer Kultur und Ideologie zu charakterisierenden Protagonisten des Films lassen ein von Melancholie und Trauer geprägtes Lebensgefühl einer Welt zurück, die nicht nur westliche Zuschauer zu einer aufmerksamen und differenzierten Wahrnehmung der politischen, kulturellen und religiöse gingen, wir hatten immer die falsche Identität", formuliert der Shimon Ballas, Professor für Arabisch in Tel Aviv, und kennzeichnet damit die Situation der "Mizrahim", d.h. der jüdischen Einwanderer aus arabischen Ländern. Zu-gleich entspringt genau dieser "falschen Identität" das Bemühen um Verstehen und Toleranz des Anderen und Fremden. In den Bildcollagen einer geteilten Leinwand, auf der sowohl die Gesichter der Interviewten als auch dokumentarisches Filmmaterial zu sehen ist, spiegelt sich dieses Leben zwischen den Kulturen eindrücklich wider.
Zum Unterricht
Im Verstehen der eigenen Tradition und Geschichte begegnen im Leben nicht nur Eindeutigkeiten. Zur Identität des eigenen Lebens wie von Kulturen und Gesellschaften gehört ein Pluralismus von Identität, wie er sich nur in Dialog und Begegnung ausbilden kann. In der Wertschätzung und Anerkenntnis dieses Pluralismus liegt die Chance, das für sich Eigene zu entdecken und weiterzuentwickeln. Neben den aktuellen politischen Implikationen des Films, die berechtigte Ängste sowie die eigene Friedens- und Gewaltbereitschaft von Juden und Arabern thematisieren müssen, lassen sich im Unterricht u.a. folgende zwei Themen behandeln:
1. Das Bild, das der Film vom "Orientalismus" zeichnet, wobei besonders die vergleichenden Untersuchungen der Kulturwissenschaftlerin und Filmhistorikern Ella Habiba Shohat hinzuzuziehen sind, und 2. Die differenzierte Identitätsdiskussion, die um die Vielfalt von Traditionen, eigenen Prägungen und Lebensperspektiven weiß und die gerade so in eine Suchbewegung von Vergewisserung und Freiheit führt.