Andacht zum Buß- und Bettag für Schüler der Sek I

von Reinhard Hahn

 

Hann. Münden, St. Blasius am 22. 11. 2000
Ausrichtende: 6 Schülerinnen und Schüler ( 8.Klasse) der Werra RS, eine Küsterin für die Technik, ein Organist, eine Diakonin, ein Pastor, eine Lehrerin, ein Lehrer.

Der Buß- und Bettag wird von unseren Schülern seit Jahren gerne angenommen, weil er den üblichen Vormittag, d.h. den Unterricht für 1 – 2 Stunden ausfallen lässt und etwas Abwechslung bietet. Die Motivation der Schüler für diese Andacht bzw. diesen Gottesdienst ist folglich sehr verschieden gelagert. Einige gehen nur mit, andere sind inhaltlich interessiert. Wenn Mitschüler beteiligt sind, ist die Neugier verständlicherweise höher. Diese 300 bis 500 Schüler kennen keine Lieder, singen in der Kirche nicht gern und sind zum Teil sehr unruhig.

Den anwesenden Jugendlichen sind die Sprache Luthers, die religiöse Sprache und die Liturgie mehrheitlich nicht mehr geläufig.

Wir haben deshalb keinen Gottesdienst, sondern eine Andacht gehalten.

In den Vorgesprächen kamen wir deshalb überein, alles entsprechende Vokabular zu vermeiden oder sorgfältig /vorsichtig einzubetten.

Nach dem Vorjahresgottesdienst hatten sich einzelne Schüler das Thema: Gewalt für dieses Jahr gewünscht. Eine Gruppe (22 Schüler) hat einige Texte im Unterricht in ihre Sprache übertragen. Einzelne Schüler und die anderen Beteiligte (Schule und Kirche) erarbeiteten die Andachtsbausteine. Die Planungszeit betrug 3 – 4 Wochen, Die Andacht dauerte 30 Minuten.
 


Abfolge:

Begrüßung (Pastor als Hausherr) kurz mit Hinweis auf Glocken und Hören.

Glocken (2 – 3 Min.)

Lesung (Schülerin)

Ich lese aus Psalm 52

3. Was prahlst du mit deiner Anmache, du alter Spinner
und quatschst auf deinen Nachbarn ein,
Die Möglichkeiten Gottes erreichst du nie.

4. Deine Zunge benutzt du wie ein Schutzgelderpresser,
du Abzocker.

5. Du liebst das, was runterzieht mehr als das, was gut tut
und laberst lieber als über Zutreffendes zu reden.

6. Du ziehst dich hoch an Sachen, die anderen schaden ;
du lästerst, du tratschst.

7. Irgendwann wirst du es nicht mehr packen,
du wirst dich kaputt machen, und mega-out sein.


Zeitungsüberschriften mit Trommeln unterlegt (Diakonin und Pastor an Pauke)

Madrid,

Autobombe explodiert vor Kaufhaus.

Ramala,

 Im Nahen Osten herrscht weiter Krieg.

Antwerpen,

Junge Frau auf Friedhof vergewaltigt.

Flensburg,

Lehrer schlägt Schüler.

Berlin,

Schülerin erpresst Mitschüler.

Essen,

Mit Gewehr, Parkplatz erobert.

Herford,

Geiselnahme unblutig beendet.

Braunschweig,

Jugendliche schikanieren Behinderten.

Bodenwerder,

Schlägerei unter Schülern.
Passanten halfen nicht.

Gimte,

Hund grausam ertränkt.

  

(Alternativ standen Filmtitel vom Wochenende zur Verfügung (auf die verzichtet wurde):

Vox  Mord unter Freunden.
RTL II 

Gedemütigt – und keiner wird ihr glauben
Ein Psychothriller

ARD 

Das Gesetz bin ich

ZDF 

Das Mörderschiff

SAT I 

Rache ist süß

Kabel I

 Bestie in schwarz

Super RTL

 Tod nach Schulschluß

3 SAT 

Der Dreckfresser

ZDF 

Angriff aus dem Dunkel

Arte  Opfer
NDR 3 

Bei Anruf Mord)

 


Mediensequenz:

4 Videoszenen über einen Beamer auf Leinwand projiziert. Die kurzen Gewaltsequenzen mit Originalton stammen aus Filmen von der Kreisbildstelle, aus Nachrichten oder Spielfilmen und wurden speziell für unsere Schulveranstaltung zusammengeschnitten:

(aus: Die Brücke, Schimanski, Schindlers Liste, California
alternativ: ..............)

Orgel: Improvisierte Musik nimmt die Gewaltthemen auf (bedrohlich, aggressiv, stockt und endet in einem Einzelton, der bei ausgeschalteter Orgel endet.
 


Lesung:

Seligpreisungen in alter und von Schülern übersetzter Form:
(2 Jungen lesen den Luthertext von der Kanzel als kleiner Chor, 4 Mädchen lesen anschließend, einzeln ihre neuen Texte)

Die Seligpreisungen Math.5, 3ff.

3. Selig sind, die da geistlich arm sind;
denn ihrer ist das Himmelreich.
Voll krass sind die, die einem nicht alles abkaufen; denen gehört die Zukunft.

4. Selig sind, die da Leid tragen;
denn sie sollen getröstet werden.
Hammerhart sind die, die Angst und Schmerz anderer mittragen; die verlieren ihre eigene Angst.

5. Selig sind die Sanftmütigen;
denn sie werden das Himmelreich besitzen.
Konkret sind die, die ohne Gewalt leben; Ihre Ideen sind bessere Waffen als Messer und Schießeisen.

6. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit;
denn sie sollen satt werden.
Total fett sind die, die noch was suchen; die werden alles bekommen.

7. Selig sind die Barmherzigen;
denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Easy sind die, die sich kümmern; die werden wahre Freundschaften zimmern.

8. Selig sind, die reinen Herzens sind;  
denn sie werden Gott schauen.
Voll normal sind die, die keine Hintergedanken haben; denn sie erleben Big Boss.

9. Selig sind die Friedfertigen;
denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Brontal sind die, die nicht ständig einen Harten ziehen müssen; die werden eine Party auf Wolke 7 feiern.

10. Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden;
denn ihrer ist das Himmelreich.
Super sind die, die in kritischen Situationen Nachteile haben könnenund doch cool und gerecht bleiben; die haben das Himmelreich.

11. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen
und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen.
Total cool seid ihr, wenn ihr euch nicht zu schade seid, für andere einzustehen, auch wenn die anderen lästern oder euch durch ständiges Volllabern unter Druck setzen.

Kurze Stille, dann Orgel mit versprengten Tönen (Texte von Lehrerin):
(In die Stille werden einzelne Fragen gestellt:)

Wann bin ich selig?
Worauf kann ich überhaupt noch hoffen?
Kann ich meine Sehnsucht und Träume mutig aussprechen?
Ist es wirklich total cool, alles zu haben und damit mächtig zu sein?
Bin ich mutig genug zu sagen, was ich wirklich will?

Videoclipwiederholung ohne Ton mit Fürbitten
Zu jeder Videoszene wird eine Fürbitte gesprochen. Nach jeder Szene wird der Film unterbrochen und eine Kerze an der großen schmiedeeisernen Weltkugel angezündet. Danach folgt die nächste Sequenz.
 


Fürbitten

(im Wechsel Diakonin und Pastor – alternativ Schüler):

Gott, es ist immer wieder und überall Krieg in der Welt mit Zerstörung und Tod. Soldaten und Zivilisten, Männer und Frauen, Erwachsene und Kinder kommen um. Wir sehnen uns nach Frieden in der Welt. Du bist ein Gott des Friedens.
Gott, Verbrechen sind an der Tagesordnung, wir haben uns fast daran gewöhnt – solange es uns selbst nicht betrifft. Aber da sind die vielen Opfer von Verbrechen, für die wir beten.
Gott, immer wieder werden Menschen verfolgt, weil sie anders sind: andere Hautfarbe, andere Religion, andere Meinung. Auch in unserem Land werden wieder Ausländer verfolgt. Wir sehnen uns nach Gemeinschaft. Du bist ein Gott der Versöhnung.
Gott, es gibt überall Haß in der Welt durch Rivalität, Konkurrenz und Neid. Wir sehnen uns nach mehr Verständnis und Rücksicht. Du bist ein Gott der Liebe.

(alternative Fürbitten)

Komm, Du Geist Gottes, der keinen faulen Frieden will,
sondern Gespräch und Tat

Komm, Du Geist Gottes, der Glauben nicht vom Himmel fallen lässt,
der Wagnisse eingeht und Vertrauen braucht.

Komm, Du Geist Gottes, der nicht große Worte macht,
sondern mitentscheiden will und bereit ist zum Handeln.

Komm, Du Geist Gottes, der nicht auf Ruhm und Ehre setzt,
nur auf die Liebe allein.

Komm, hilf uns.)

Segen  (Lehrer):

Altes verändern und erneuern ist immer wieder notwendig.
Neue Wege auch in Altem suchen und finden, dazu einen alten irischen Segen für euch:

Geh deinen Weg ruhig – mitten in Lärm und Hast - 

und wisse, welchen Frieden die Stille schenkt.

Sage deine Wahrheit immer ruhig und klar
und höre die anderen auch an;
selbst die Unwissenden und Dummen -
auch sie haben ihre Geschichte.

Lebe in Frieden mit Gott,
wie du ihn jetzt für dich begreifst
und halte Frieden mit deiner eigenen Seele.

Überlege dir Worte, die guttun
an einem kalten Tag wie heute,
und geh zufrieden deinen Weg nach Hause.

Der Wind stärke deinen Rücken.
Möge Gott dich schützend in seiner Hand halten.

Amen

Nach dem Segen setzt sich der Lehrer wieder hin, alle können Stille finden, nur wenige reden weiter, da niemand weiß, ob das Programm schon zu Ende ist.
 

Ausspiel: Orgelimprovisationen

Text erschienen im Loccumer Pelikan 3/2001

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