Diese Liedstrophe aus „Non(n)sens“ von Dan Goggin, einer „himmlischen Musicalkomödie“, ist natürlich provokant gewählt und übertreibt darüber hinaus sicherlich. Aber es verdeutlicht das Problem des Sprache-Verstehens, womit sich nicht nur die Kirche, sondern auch andere Institutionen bis hin zur Politik befassen müssen. Worte allein können unverständlich, mehrdeutig oder sogar täuschend sein. Auch im Theater werden Worte genutzt. Aber anders. Theater ist vielmehr ein Spiel – oft mit Worten und meistens mit Menschen. Ein Spiel also mit und von und meist auch über Menschen. Theater ist aber auch noch mehr, wenn wir zum Beispiel an Mimik, Gestik und Bewegung denken. Theater hat immer etwas mit Leibhaftigkeit zu tun, schließlich nutzen wir dabei unseren Körper oder sehen dabei zu, wie andere just in diesem Moment ihre Körper nutzen. Wir hören, sehen und manchmal riechen und fühlen wir es sogar. Und genau diese Leibhaftigkeit ist es, die das Theater als Kunstgattung von anderen Medien unterscheidet. Nun haben wir es sowohl bei der Kirche als auch beim Theater jeweils mit einer Art von Kommunikations- und Gesellungsform zu tun, wobei gerade Letzteres offensichtlich eine besondere Möglichkeit bietet, die Jürgen Hofmann von der Universität der Künste Berlin wie folgt beschreibt: „Hier wirklich muss das Wort Fleisch werden in einem ganz buchstäblichen Sinn.“
Diese einleitende Laudatio für das Theater-(spielen) soll hier nun nicht einfach für sich stehen, sondern vielmehr als Anstoß dienen: Die kollektive Kreativität, mit der Theater oftmals hervorgebracht wird, seine Prozesshaftigkeit, sein soziales Gefüge, seine möglichen persönlich erfahrbaren Lern- und Bildungsfortschritte – all das bietet unendlich viele Chancen und Ansatzpunkte für die Arbeit in Kirchengemeinden: Theater und Religion, Bühne und Kirchenschiff, Publikum und Gemeinde – hier lassen sich viele Linien ziehen.
Der folgende Beitrag berichtet von einem besonderen Kirchen-Theater-Projekt, bei dem alte und junge Menschen zusammen gespielt haben. Der Erfahrungsbericht wird dabei ergänzt um konkrete Anregungen und Tipps, wie eine Gruppe ins gemeinsame Spiel gebracht werden kann.
Projektidee
Wenn alljährlich die Weihnachtsdekoration aus dem Keller geholt wird und wenn der Adventskranz die nahenden Festtage ankündigt, dann ist mit Sicherheit auch bald die klassische Weihnachtsgeschichte um Maria, Josef, Ochs‘ und Esel nicht mehr weit. Meist wird sie in Gottesdiensten an Heiligabend gespielt. Die Darsteller und Darstellerinnen sind häufig mehr oder weniger begeisterte Jugendliche aus der aktuellen Konfirmandengruppe und Kinder der Gemeinde. Nach lediglich drei, vier Proben können Texthänger schon mal vorkommen, und ob die alte Dame in der letzten Kirchenbank angesichts einzelner dahingenuschelter Passagen etwas versteht, bleibt fraglich. Von dieser Beobachtung ausgehend, sollte das Krippenspiel in einem Dorf bei Hannover vor einigen Jahren in eine neue Form gebracht werden. Die Verknüpfung von Religion und Theater bzw. von Glaube und Spiel wurde im Rahmen eines Krippenspiels für alte und junge Leute umgesetzt. Zur grundlegenden Konzeption gehörte es, dass zunächst eine Gruppe von Spielerinnen und Spielern gefunden werden musste, die sich bereit fand, Generationen übergreifend Theater zu spielen, zu diskutieren und zu proben. Zunächst einmal thematisch offen – später dann mit Bezug zur Weihnachtsgeschichte. Das Fernziel war eine eigene Inszenierung der klassischen Bethlehemgeschichte, die Heiligabend im Rahmen eines Gottesdienstes zur Aufführung kommen sollte. Theologisch-inhaltlich begleitet wurde das Projekt durch den Gemeindepastor, im Spiel angeleitet wurde die Gruppe von mir, damals Theaterstudent in Hildesheim. Wir wagten den Versuch, das Weihnachtsspiel zu aktualisieren – mit den uns gegebenen Möglichkeiten aus Spielern, Ideen, Materialien und der vorhandenen Spiellaune.
Vorüberlegungen
Spielerinnen und Spieler
Im Theater wird vielleicht mehr als anderswo Generationen übergreifend gearbeitet. Denn gerade in der Begegnung von alten und jungen Schauspielerinnen und Schauspielern eröffnen sich zahlreiche Chancen des Miteinanderumgehens und der wechselseitigen Inspiration. Menschen mit viel Bühnenerfahrung treffen auf junge Leute, die gerade von den Schauspielschulen kommen und erste eigenständige Schritte in der Theaterwelt gehen. Was im Theater selbstverständlich ist, bildet sich im Gemeindealltag dagegen oft nicht ab. Hier gibt es Jugend- und Seniorengruppen, die eher nebeneinander bestehen als miteinander in Kontakt zu kommen. Deshalb bestand die erste größere Herausforderung darin, Spielerinnen und Spieler für das Generationen übergreifende Projekt zu finden, Menschen davon zu begeistern, das Krippenspiel auf diese Weise zu gestalten. Überraschenderweise fanden sich über persönliche Ansprache und über einen Aufruf im Gemeindebrief mehr als genug Gemeindeglieder aller Generationen, die sich für das Projekt gewinnen ließen. In der Gruppe, die sich schließlich zusammenfand, waren die physischen Gegebenheiten sehr unterschiedlich. Ein Problem ergab sich daraus nicht – im Gegenteil. Bei Übungen oder Improvisationen hat sich jede Person ihren Möglichkeiten entsprechend einbringen können und so Impulse und Ideen zum Umgang miteinander in die Gruppe hinein geliefert. Aber wie kombiniert man den zwölfjährigen Schüler, die 40-jährige Berufstätige und den 70-jährigen Rentner? Bevor es an den konkreten thematischen Stoff ging, galt es, ein Gefühl für die Gruppe und das Miteinander zu entwickeln – das nämlich ist das A und O beim Theater, ganz gleich, ob Profis oder Laien miteinander arbeiten. In der Theaterarbeit gibt es zahlreiche Methoden, die dabei helfen können, dass eine Gruppe zusammenwächst und miteinander spielfähig wird.
Räume
Das Theaterprojekt fand im Gemeindehaus statt. Gemeindehäuser sind meist als Allzweck-Räume konzipiert und nicht unbedingt für körperlich-szenisches Spiel angelegt. Wichtig für die Krippenspiel-Arbeit war es deshalb, für genügend Spielfläche zu sorgen und Verletzungsgefahren (z. B. durch zu niedrige Decken etc.) auszuschalten. Außerdem war es wichtig, dass die Fenster des Raumes verdunkelt werden konnten, damit die Spielerinnen und Spieler einerseits in einem geschützten Raum arbeiten konnten, andererseits durch Einflüsse von außen nicht abgelenkt wurden. Als „Arbeitskleidung“ wurde den Teilnehmenden bequeme Kleidung empfohlen, die auch größere Bewegungen zulässt – wichtig vor allem in der längeren Phase, in der wir improvisatorisch gearbeitet haben. Um eine Trennung zwischen Privat und Bühne zu erzielen, wurden anstelle von Straßenschuhen rutschfeste Socken getragen.
Zeitplanung
Die konkrete Zeitplanung für das Krippenspiel-Projekt sah vor, dass Ende Oktober mit der Probenarbeit begonnen wurde. So standen bis zur anvisierten Präsentation an Heiligabend ca. zehn wöchentliche Probentermine von etwa zwei bis drei Stunden Dauer zur Verfügung. Hinzu kam eine Intensivprobenphase an einem Wochenende und eventuell Einzelproben mit Teilen der Gruppe. Vor allem gegen Ende eines solchen Projektes muss Luft sein für Haupt- und Generalproben. Generell gilt: lieber ein paar Termine mehr blocken, die dann kurzfristig doch nicht benötigt werden. Andernfalls gerät man mit der Produktion in Zeitnot. Alle Termine waren den Teilnehmenden von Beginn an bekannt. So konnte sich jede Person darauf einstellen und wusste, worauf sie sich einlässt.
Probenarbeit
„Ohne Fleiß kein Preis“ – das gilt auch bei der Theaterarbeit und so muss allen Beteiligten klar sein, dass ein Theaterprojekt immer auch einen zeitlichen und körperlichen Aufwand mit sich bringt, der unter Umständen schon auch mal an die eigenen Grenzen gehen kann. Tiefen gehören aber ebenso zu den Erfahrungen wie der verdiente Applaus bei einer Aufführung oder ein geglückter Übergang bei der ersten Durchlaufprobe. Proben bedeutet Ausprobieren, aber auch Verwerfen und am Ende: Festlegen und Festigen. Dass diese Prozesse manchmal zäh sein können, dass Ideen eben nicht auf Knopfdruck kommen und dass man manchmal auch seine „Darlings killen“ muss (altes Theatersprichwort, wenn man sich von beliebten Szenen oder Elementen aus ästhetischen, zeitlichen oder anderen Gründen verabschieden muss) – an dieser Erfahrung wird man nicht vorbeikommen. Aber: Das Spielen soll in erster Linie Spaß machen und daher kann man hier als Spielleiter schon vorab einige Dinge beachten und koordinieren.
„Normale“ Ensembleproben bieten sich an einem festen Wochenabend an und sollten mindestens zwei Stunden dauern. Erfahrungsgemäß brauchen die Teilnehmer immer eine gewisse Zeit, bis sie nach Schule, Arbeit und Alltag wieder aufeinander eingespielt sind. Außerdem sollte ja das Warm-up ebenfalls nicht zu kurz kommen.
In der Endprobenphase bzw. wenn sich herauskristallisiert, dass bestimmte Szenen nur von einzelnen Akteuren gespielt werden, bieten sich Einzel- und Teilgruppenproben an. Diese können vor oder nach der offiziellen Probe liegen oder aber auch an einem individuell vereinbarten Termin.
Da man mit einem größeren Zeitpolster einfach angenehmer und produktiver arbeitet, sind Intensivproben in Betracht zu ziehen. Dies kann ein Wochenende oder je nach Kapazität auch mal eine Woche in den Schulferien sein. Entweder bietet es sich an, am Beginn eines Projektes eine solche Kompaktphase einzubauen (Kennlernen der Gruppe, Einstieg in die Thematik) oder zeitnah an die Premiere, um das Erarbeitete zusammenzuführen, zu proben und eben zu festigen.
Abschließend soll betont werden: Jedes Theaterprojekt, jedes Thema, jeder Proben- und Spielort und jede Gruppe bringen unterschiedliche Bedingungen ein. Die Spielleitung muss für diese Bedingungen sensibel sein und in Art und Weise der Probenarbeit angemessen reagieren. Hilfreich kann es sein, wenn eine theatererfahrene Person an der Probengestaltung mitwirkt. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt! Die Erfahrung des konkret durchgeführten Krippenspiels hat jedenfalls gezeigt, dass sich die Arbeit auch aus gemeindepädagogischer Perspektive lohnt.
In diesem Sinne: Viel Spaß beim Spielen, Improvisieren und Entwickeln! Toi Toi Toi!
Literatur
- Hofmann, Jürgen: Die irdischen und die himmlischen Paradiese. Oder: Vom Kult zur Dienstleistung, in: Ermert, Karl (Hg.): Die Künste und die Kirche II, Rehburg-Loccum 1993
- Johnstone, Keith: Theaterspiele – Spontaneität, Improvisation und Theatersport, Berlin 1993
- Vlcek, Radim: Workshop Improvisationstheater – Übungs- und Spielesammlung für Theaterarbeit, Ausdrucksfindung und Gruppendynamik, Augsburg 2013