Jung und Alt gemeinsam: Ein Hort im Seniorenwohnstift

Von Gert Liebenehm-Degenhard

 

Der Ball fliegt über die Köpfe und prallt von der Wand zurück. Vier Jungen spielen Fußball. Nichts Ungewöhnliches, wenn man sechs oder acht Jahre alt ist. Ungewöhnlich jedoch ist der Ort: im Flur, vor dem Fahrstuhl im Seniorenwohnstift. Die Kinder gehören zum Hort der Evangelischen Kindertagesstätte St. Martin in Göttingen-Geismar und haben ihre Räume in einer Wohnetage des GDA-Wohnstifts1. Sie teilen sich die Etage mit einer Bewohnerin und Mitarbeitenden der Verwaltung. An den Wänden sind die Bilder und Namen der Kinder genauso zu sehen wie die Namen und Fotos einiger der GDA-Bewohner, die regelmäßig den Hort besuchen. „Jung und Alt gemeinsam“ – das Motto des Inter-Generationen-Projektes wird schon beim ersten Betreten des Horts sichtbar.

Nebenan erklärt ein Mädchen einer Seniorin, wie sie die Osterhasenzähne aus Tonpapier geschickt einkleben kann. Sie freut sich über ihr Expertinnenwissen und lässt beim Lächeln eine passable Zahnlücke erkennen; schon sind die beiden im Gespräch über die Möglichkeiten, ohne Schneidezähne zu essen.

Seit knapp sechs Jahren hat die Hortgruppe ihr Zuhause in angemieteten Räumen des GDA-Wohnstifts. Die Situation wurde zunächst aus der Not geboren. Kurzfristig fehlten Ausweichräumlichkeiten für die Hortgruppe. Die direkte Nachbarschaft und vorhandene Kontakte führten zur Idee, ins GDA zu ziehen, just zu einem Zeitpunkt, als dort gerade Räume zur Verfügung standen und die Leitung die Idee gleich aufnahm. Aus der Raummangelsituation entstand ein vielfältiges Projekt, das sich im Zusammenleben der Generationen und in der Zusammenarbeit von pädagogischen Fachkräften und Mitarbeitenden des Wohnstifts kontinuierlich weiterentwickelt – und mittlerweile einen Innovationspreis des Landkreises Göttingen erhalten hat.

Generationen übergreifende Projekte laufen an vielen Orten unter unterschiedlichen Bedingungen. Mal engagieren sich Senioren für und mit den Kindern: durch punktuelle Besuche z. B. im Rahmen einer Erzählwerkstatt oder regelmäßig als Vorleserin. Im Burgdorfer Paulus-Familienzentrum unterstützen ältere Frauen und Männer in einem Hausaufgabenprojekt besonders Kinder aus Fluchtfamilien, und geschulte Senioren begleiten verlässlich junge Familien. Mal bringen gemeinsame niedrigschwellige Aktionen Kinder und Senioren zusammen, wie im monatlichen offenen Singen im Familienzentrum Plus in Lüneburg. Mal sind es die Kinder, die die Hochbetagten im Seniorenheim besuchen.

Ziele, Zuschnitt und Zeitaufwand der Projekte unterscheiden sich. Ein gemeinsames Anliegen teilen die Ansätze: die Generationen in direkten Kontakt zu bringen. Im Hintergrund steht die Wahrnehmung, dass die Zahl der Begegnungsmöglichkeiten zwischen den Generationen abnimmt: Familienstrukturen verändern sich. Kinder besuchen Kitas, Eltern und Großeltern sind berufstätig und die Generation der Urgroßeltern wohnt immer häufiger im Seniorenzentrum. Die demografische Entwicklung führt zu einer Trennung der Generationen und damit zu einer Herausforderung für die Gesellschaft. Es wächst der Bedarf an „Generativität“: der Fähigkeit, die unterschiedlichen Generationen in das Denken und Handeln einzubeziehen, das Wohl der Nachfolgenden zu reflektieren und das Bewusstsein der Jüngeren zum Wohl der Älteren zu entwickeln. 2

Die Göttinger Kombination von Hort und Senioreneinrichtung unter einem Dach ist noch die große Ausnahme. Zugleich lassen sich daran die Möglichkeiten der intergenerativen Projekte sichtbar machen und mit Ergebnissen einer Studie der Evangelischen Hochschule Freiburg vergleichen.

 


Begegnung als Alltag

Auffälligstes Merkmal im Wohnstift ist das alltägliche Aufeinandertreffen der Generationen. „Wir grüßen immer“, erzählt der sechsjährige Julius und erklärt, dass die Kinder diese Regel schnell übernehmen. Apropos schnell: „Wir dürfen in den Fluren aber nicht rennen“, wirft Lisa ein und fügt gleich die Begründung hinzu: „damit sich die Bewohner nicht erschrecken und weil man ja nicht sehen kann, ob hinter der Ecke gerade jemand steht.“ Dass die Kinder dadurch Kompetenzen wie Rücksichtnahme und Einfühlungsvermögen stärken, beschreiben sie selbst nicht, man merkt es aber, zumal wenn die neunjährige Helen erzählt, wie die älteren Kinder den jüngeren helfen, sich in der Wohnanlage zurechtzufinden und einzugewöhnen. Dass sie bei ihren Erkundungen ihre Spiele fortsetzen, belebt die Flure. Einige der weniger mobilen Bewohnerinnen wissen schon, wann die Kinder kommen und nehmen rechtzeitig Platz, um das lebendige Treiben zu beobachten.

Zum Alltag gehören ebenso die Begegnungen in den Horträumen. Einige Senioren sind regelmäßig zu Gast – manche mit einem Angebot, das von kreativen Basteleien bis zu Schachspiel reicht. Einer der Bewohner inszeniert mit selbst gestalteten Marionetten kleine Stücke und Dialoge mit den Kindern. Eine hochbetagte Geschichtenleserin fasziniert die Kinder „jeden Donnerstag um halb vier“ mit ihrer Lesekunst. Eine andere Bewohnerin ist täglich im Hort präsent: als Gesprächspartnerin, die zuhört, wovon die Kinder erzählen und die selbst aus ihrem Leben berichtet und die Kinder daran teilhaben lässt.

Offene Türen gelten als Prinzip. Einer der Anlässe für niedrigschwellige Kontakte ist der Waffelverkauf, der in Abständen durchgeführt wird und an dem die Kinder von der Teigherstellung bis zum Verkauf beteiligt sind. Bewohner, die dem Duft folgen, um eine Waffel zu kosten, verweilen in Horträumen und es entstehen daraus ungeplante Begegnungen.

Die enge Verzahnung von Hort und Wohnstift führt zu einer Vielfalt gemeinsamer Aktionen. Klassische Anlässe wie Frühlings- oder Sommerfest oder Fasching planen die Mitarbeitenden mit Senioren und Kindern gemeinsam. Die Kinder nehmen nicht nur teil, sondern bringen sich mit ihren Kompetenzen/ Interessen ein, akrobatisch, musikalisch, künstlerisch.

Eine gemeinsame Gottesdienstform haben die Generationen auch entwickelt: „Groß und Klein beim Andächtigsein“. Gemeinsam mit der Pastorin der Kirchengemeinde finden diese Andachten im Haus statt, an der sowohl Kinder als auch Bewohner teilnehmen.

Die Nachbarschaft ermöglicht, Ideen aufzunehmen: in diesem Frühjahr z. B. bei einer Aktion mit dem Gärtner zu „Frühblühern“. Ein Gartenprojekt mit einer Bewohnerin ließ den Prozess vom Säen bis Blühen handgreiflich erlebbar werden. So profitieren die Beteiligten von den Kompetenzen der anderen Generation. Eine Art „Wissenstransfer“, der die Erfahrungen der Kinder und Senioren erweitert.

Wie in gemeinsamen Kunstprojekten: Ein Vater aus dem Hort, eine engagierte Künstlerin und Bewohnerin entwickelten im Gespräch mit den Hortkindern die Idee eines Kunstwerkes. Im Projektzeitraum trafen sich die Beteiligten und gestalteten ein gemeinsames Bild „in the summertime“ – das mit einer Vernissage gebührend eingeführt wurde.

 


Begegnungen mit Folgen

Was geschieht beim Miteinander der Generationen – und welche Auswirkungen haben die Begegnungen und gemeinsamen Aktivitäten? Eine Studie der Ev. Hochschule Freiburg3  untersuchte diese Fragen in einem Projekt mit mehreren Kitas und Seniorenheimen. Dabei besuchte jeweils eine kleine Gruppe von Kindern wöchentlich ein Seniorenheim und traf dort auf acht bis zehn hochbetagte Bewohnerinnen. Nach einem Begrüßungs- und Ankommensritual stand jeweils eine gemeinsame Aktion mit künstlerischen, musischen oder dialogisch-biografischen Impulsen auf dem Programm. Die Bandbreite reichte vom gemeinsamen Singen, Bewegungsspielen und Tanzen im Sitzen über das Bemalen von Faschingsmasken, dem wechselseitigen Zeigen und Entdecken von Lieblingsstofftieren, Spielzeug oder Alltagsgegenständen von „früher und heute“ bis hin zu gemeinsamen Ausflügen. Die Wissenschaftlerinnen untersuchten dabei u.a. die Auswirkungen auf die Lebensqualität der Senioren und auf die soziale und emotionale Entwicklung und das Selbstkonzept von Kindern. Daneben war der Einfluss der Begegnungen auf das Altersbild der Kinder von Interesse.

 


Kinder erweitern ihre Lebenserfahrung und Kompetenzen

Ein klares Ergebnis: Die Begegnungen vertiefen und erweitern die Lebenserfahrungen der Kinder genauso wie ihr altersspezifisches und generationenbezogenes Erfahrungswissen. 4

„Im Verlauf der Begegnungen konnten neben dem Wissens- und Erfahrungszuwachs auch Veränderungen in dem sozio-emotionalen Bezug der Kinder in Bezug auf das hohe Alter beobachtet bzw. rekonstruiert werden. Wesentliche Veränderungen waren: Verhaltensweisen, die zunächst von Fremdheit und Distanz geprägt waren, entwickelten sich im Laufe der Begegnungen zunehmend in Richtung Offenheit und Zugewandtheit. Teilweise führten allerdings auch befremdliche Erlebnisse zu einem (temporären) Rückzug aus den Begegnungen.“5

Es fällt nicht schwer, diese Erkenntnisse mit Beispielen aus Göttingen zu bestätigen: Gefragt, welche Eindrücke Helen noch an die erste Zeit im Hort/Wohnstift habe, erwidert sie sofort: „Es roch so anders, irgendwie so alt“. – Und heute? Sei das kein Problem mehr, verändert habe sich das durch die Gewohnheit und das Kennenlernen einzelner Bewohner. Dass es auch mal unfreundliche Senioren gebe, erwähnt Julius, aber da seien ja auch die anderen, die zurückgrüßen oder sich freuen.

Kinder bringen bereits in jungen Jahren stereotype Altersbilder mit.6  Häufig dienen als Erkennungsmerkmale für alte Menschen wahrgenommene oder vermutete Defizite, all das, was die Senioren nicht mehr können, vor allem die im Vergleich zur Bewegungsfähigkeit der Kinder eingeschränkte Mobilität („die sind viel langsamer als wir“) und die Veränderungen der Haarfarbe und Zunahme der Falten.

Die Freiburger Studie zeigt: Je jünger die Kinder sind, desto offener gehen sie in die Begegnungen mit den hochbetagten Menschen. Entscheidend dabei sei, dass sie durch ihre pädagogischen Fachkräfte feinfühlig begleitet werden und die Teilnahme an gemeinsamen Aktionen freiwillig ist. Im Laufe der Begegnungen kennen die Kinder das hohe Alter besser, sie können stärker unterscheiden zwischen altersspezifischen Merkmalen und der individuellen Persönlichkeit eines alten Menschen.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: „Die Erfahrungen in den Begegnungen stärkten das Kompetenzerleben der teilnehmenden Kinder. […] Kompetenzzuwächse zeigten sich besonders in Situationen, in denen den Kindern eine Perspektivenübernahme gelang, in denen sie für ihr Handeln positive Aufmerksamkeit bekamen und in denen sie Unterstützung geben konnten.“7

Wie die Kinder eigene Kompetenzen entdecken und erweitern, lässt sich an alltäglichen wie außergewöhnlichen Episoden im Göttinger Projekt erkennen: Das Aufhalten einer Tür, damit die Seniorin mit dem Rollator („den haben hier viele“) gut durchgehen kann, gehört genauso dazu wie die Unterstützung, wenn jemand den Weg nicht gleich findet. Viele Kinder erbringen Hilfeleistungen, ohne dass sie von ihnen erwartet werden – und fühlen sich dadurch kompetent und geschätzt. Die gute Ortskenntnis nutzten einige Kinder, die beim Spielen auf dem Außengelände Hilferufe aus Haus A hörten. Sie liefen zur Rezeption und konnten die Lage der Wohnung so gut beschreiben, dass die Hilfe schnell vor Ort war.

Immer wieder werden Möglichkeiten eröffnet, selbstwirksam zu handeln, so dass die Kinder erleben, dass sie mit anderen etwas bewegen und Vorhaben verwirklichen können. Ein Mädchen kam mit der Idee, einen Film zu drehen (in Genre der Star Wars-Filme). Sie schrieb ein Drehbuch und fand Unterstützung nicht nur bei den Erzieherinnen, sondern auch bei einem Senior, der sich für organisatorische und „Sekretärs“-Aufgaben in den Dienst stellte. Auch der Friseur im Wohnstift ließ sich engagieren und war für die Frisuren der Schauspieler zuständig.

Auch Konflikte fördern Kompetenzen. Wann kann man wo Fußball spielen, wann und wo soll lärmendes Spiel vermieden werden und wann ist es erlaubt? Die Mittagsruhe im Haus, so eine Vereinbarung, respektieren auch die Kinder. Konfliktlösungen gemeinsam zu finden, sei eine lohnende Lernaufgabe, denn Kompromisse zu schließen bleibe ja eine Herausforderung im Leben, so der für die Kooperation mit dem Hort verantwortliche stellvertretende Stiftsdirektor Sascha Franz in einem Gespräch.

Schwierige Begegnungen und Irritationen besprechen die beiden Erzieherinnen Rita Lüdecke und Patricia Moneke mit den Kindern, wenn z. B. Demenzerkrankte ungewünscht zu nahe kommen oder hilflos erscheinen. Ob das Vergessen ansteckend sei und ob Demenz eine Temperatur habe, beschäftigte einen der Jungen. Durch die Gespräche können Fragen und Irritationen verarbeitet werden und die Bilder vom Alter können ergänzt und erweitert werden.

Zu den Erfahrungen der Kinder im Kontakt mit den Senioren gehört unweigerlich die Begegnung mit Krankheit und Sterben. Kinder und Erzieherinnen sind herausgefordert, der Verunsicherung zu begegnen und Handlungsorientierung zu gewinnen. Als ein den Kindern vertrauter Bewohner starb, überlegten sie mit den Erzieherinnen, was und wie sie seiner Familie schreiben könnten. Inhaltliche und ganz praktische Fragen hatten Platz (auch, ob man besser keinen pinkfarbenen Stift benutzen solle).8

 


Senioren fühlen sich mittendrin

Die Senioren im Wohnstift, die zu den Kindern Kontakt aufnehmen, erzählen davon, wie belebend und erfrischend die Begegnungen sind. Zugleich erinnerten sie sich an die eigene Kindheit. Auch helfe der Kontakt gegen das Gefühl, als alter Mensch in einem Ghetto zu leben. Eigene Fähigkeiten einzubringen, gefordert zu sein und mittendrin im Leben zu sein, motiviert auch die Burgdorfer Senioren, die im Paulus-Familienzentrum bei der Familienbegleitung oder der Hausaufgabenhilfe im Rahmen der Nachmittagsbetreuung der Grundschule mitwirken. Dazu kommt der regelmäßige Austausch gemeinsam mit der Koordinatorin des Familienzentrums über Erziehungsstile und -haltungen, der als Anregung und Reflexionsraum wichtig ist.

Die Freiburger Studie unterstreicht die Bedeutung für die Hochbetagten. Gerade für Menschen am Ende ihres Lebens sei es besonders bedeutsam, in Kontakt zu den ihnen nachfolgenden Generationen zu stehen und sie erleben zu können. Regelmäßige Begegnungen schafften dabei Raum für ein Stück Normalität und das sei ein Türöffner für soziale Teilhabe und Lebensqualität.

 


Synergien für Eltern und Träger und Gemeinwesen

Die Kooperation von Hort und Wohnstift wirkt sich auch auf die Eltern aus. Die Erzieherinnen nehmen wahr, dass sich Eltern von der Offenheit des Hortes im und für das Wohnstift anregen lassen. Immer wieder bleiben einzelne beim Abholen etwas länger oder kommen früher, um ins Gespräch zu kommen oder nur zuzuschauen.

Die Kooperation von Hort, Kirchengemeinde und dem Wohnstift hat sich vertieft. Die Bereitschaft des Wohnstifts, sich auf die Veränderungen durch die Anwesenheit der Kinder einzulassen und Aktionen mitzutragen, spielt eine große Rolle. Die Kontinuität erleichtert viele Vorhaben und Abläufe. Das ist hilfreich, weil Planungen und Absprachen, ein nicht unerheblicher Organisationsaufwand, rechtzeitig getroffen werden müssen. Der verantwortliche Leiter freut sich über die Anwesenheit des Hortes als ein belebendes Merkmal des Lebens im „Dorf“ Wohnstift.

In einem Gemeinwesen, in dem die institutionelle Trennung zwischen den Generationen mittlerweile sehr ausgeprägt ist, tragen professionell gestaltete Begegnungen zwischen Jung und Alt dazu bei, dass beide Generationen Erfahrungen miteinander machen, die mit Freude und Wohlbefinden verknüpft sind und die die kindlichen Einstellungen zum Alter in positiver Weise prägen. So können die Intergenerationen-Projekte eine Weise sein, den diakonischen Auftrag der Kirche mit Leben zu füllen. Sie nutzen den besonderen Zugang zu Menschen unterschiedlichen Alters und Lebenssituation, über den die Kitas verfügen.

 


Faktoren für’s Gelingen

Die Erfahrungen zeigen jedoch ebenfalls: Förderliche Begegnungen zwischen den Generationen entwickeln sich nicht von allein, bloß weil man gemeinsam Zeit miteinander verbringt, zu unterschiedlich sind die Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten. Was also trägt zum Gelingen bei? 9

Eine große Bedeutung kommt den Fachkräften zu.10 Sie sind diejenigen, die Kontakte stiften, Brücken bauen, Gefühle aufgreifen und Fragen beantworten. Die Beziehung zu den Kindern, die Atmosphäre und die Wahrnehmung der Bedürfnisse der beteiligten jungen und alten Menschen sind Voraussetzungen für glückende Kontakte. Was die Fachkräfte einbringen, lässt sich mit den Erfahrungen auch der Horterzieherinnen folgendermaßen beschreiben:

  • Sie reagieren flexibel auf Unvorhergesehenes. Wenn eine Bewohnerin oder ein Kind mit einem Impuls für eine Aktion kommt, werden eigene Vorhaben zurückgestellt. Das macht Partizipation erfahrbar, stärkt die Motivation und ermöglicht Neues.
  • Sie setzen ihr Zutrauen zu den Kindern ein, die Welt im Wohnstift je nach Grad der Eigenständigkeit zu erkunden.
  • Sie klären und verabreden Regeln und Strukturen. Dies gibt Orientierung und Sicherheit.
  • Sie brauchen Organisationsfähigkeit: Die Zusammenarbeit mit dem Haus von der Terminplanung bis zur technischen Unterstützung der Andachten und den Absprachen mit Pflegekräften / Mitarbeitenden erfordert einen erkennbaren Zeiteinsatz.
  • Sie moderieren in Konflikten und setzen Impulse zur Vor- und Nachbereitung von Begegnungen.
     

Damit vermitteln die Fachkräfte auch ein Modell für intergeneratives Handeln, an dem sich die Kinder orientieren können.

 


Folgerungen

Sollten also alle Kitas intergeneratives Lernen in ihren Alltag aufnehmen? Die erste Antwort lautet: „Nein!“ Die Kitas brauchen keine weiteren Aufgabenzuwächse, denn die Herausforderungen sind schon groß genug.

Die zweite Antwort lautet: „Mal sehen!“ Zuerst das, was schon an Kontakten vorhanden ist. Vielleicht lässt sich dies erweitern oder vertiefen, denn die Bandbreite an Generationen übergreifenden Begegnungsmöglichkeiten ist groß. 11  Die dritte Antwort: „Warum nicht?“12  und „Was können und wollen wir unter den jeweils vorhandenen Rahmenbedingungen angehen, um durch die Begegnungen Lebensqualität und Lernmöglichkeiten zu fördern?“ Wer weiß, was sich entwickelt, wenn pädagogische Fachkräfte aus dem Team die Idee aufgreifen, Kooperationspartner wie die Kirchengemeinde und ein Seniorenheim hinzukommen und Unterstützer aus der Gruppe der Senioren und Eltern sich beteiligen?!

 

 

Anmerkungen: 

  1. Die Gesellschaft für Dienste im Alter mbH ist ein Tochterunternehmen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und betreibt mehrere Wohn- und Pflegeeinrichtungen in Deutschland.
  2. Vgl. Tina Keller, Intergenerative Arbeit, 50.
  3. Vgl. Dörte Weltzien, Gestützte Begegnungen. Informationen zum Projekt auch unter: www.intergenerative-begegnungen.de
  4. Vgl. ebd. 224.
  5. Vgl. ebd. 226.
  6. Vgl. ebd.. 203ff.
  7. Vgl. ebd. 226.
  8. „Liebe Familie L.! Wir sind sehr traurig, dass Herr L. gestorben ist. Hin und wieder hat er früher für uns vorgelesen und das war sehr nett von ihm. Wir Hortis haben eine schöne Erinnerung an ihn, denn er hat uns einen kleinen Schrank geschenkt. Der steht jetzt in unserer Theatergarderobe. Bei unserer Schaukeleinweihung ist Herr L. auch dabei gewesen. Darüber haben wir uns sehr gefreut. Viele Grüße von den Hortis“
  9. In einer Handreichung des Freiburger Projektes lassen sich grundsätzliche und ganz praktische Hinweise für Generationen übergreifende Vorhaben finden. Vgl. Dörte Weltzien, Handreichung für die Praxis.
  10. Vgl. Weltzien, Gestützte Begegnungen, 170. 227.
  11. Siehe eine Übersicht in: Marlis Jost, Intergenerative Pädagogik.
  12. Siehe auch Margit Franz, „Macht euch bereit …“.
     


 

 Literatur

  • Franz, Margit: „Macht euch bereit …“ und freut euch doch jetzt endlich! Intergenerative Pädagogik mit Kindern und Senioren, in: TPS 9/03, 27-30
  • Jost, Marlis: Intergenerative Pädagogik – Jung und Alt gemeinsam aktiv www.kizz.de/kindergarten-und-krippe/kita-konzepte/intergenerative-paedagogik-jung-und-alt-gemeinsam-aktiv
  • Keller, Tina: Intergenerative Arbeit – ein Ansatz der Zukunft, in: TPS 4/2016
  • Weltzien, Dörte; Rönnau-Böse, Maike; Klie, Thomas; Pankratz, Norman: Begegnungen. Ein Projekt mit Hochbetagten und Vorschulkindern. Handreichung für die Praxis, Freiburg 2013
  • Weltzien, Dörte; Rönnau-Böse, Maike; Prinz, Tina; Vogl, Leonie: Gestützte Begegnungen zwischen Hochaltrigen und Vorschulkindern zur Verbesserung von Lebensqualität und sozialer Teilhabe. Die kindheitspädagogische Perspektive. Wissenschaftlicher Abschlussbericht, Freiburg 2014.