Die Bedeutung des Abendmahls in den Konfessionen – Das Abendmahl aus evangelisch-lutherischer, katholischer und reformierter Sicht

Von Matthias Hülsmann, Josef Fath und Frauke Thees

 

Welche Bedeutung hat eigentlich das Abendmahl in den unterschiedlichen christlichen Konfessionen? Die folgenden drei Beiträge kommen aus katholischer, evangelisch-lutherischer und reformierter Sicht. Die Texte sind mit Arbeitsaufgaben versehen und sollen die Leserinnen und Leser einladen, in ihren Klassen bzw. Kursen mit den Texten zu arbeiten.  

 

Da berühren sich Himmel und Erde
Die Bedeutung des Abendmahl bei den Katholiken

Es gibt Momente, „da berühren sich Himmel und Erde.“ So könnte man das umschreiben, was sich nach katholischem Verständnis bei der Feier des Abendmahls – im katholischen Sprachgebrauch Eucharistiefeier [1] – ereignet.

Menschen bringen dabei das mit, was zum alltäglichen Leben gehört: Brot, das Grundnahrungsmittel schlechthin und zugleich Symbol für die Mühen und Sorgen des Alltags, und Wein, Inbegriff menschlicher Arbeit und zugleich Sinnbild der Lebensfreude. Diese Gaben werden nun in eine Beziehung gebracht zum Glauben an Jesus Christus, der beim (letzten) Abendmahl Brot und Wein segnete und an seine Jünger austeilte mit den Worten: „Nehmt und esst, das ist mein Leib, … nehmt und trinkt, das ist mein Blut“ (vgl. Mt 26,26-29 parr.; 1Kor 11,22-25). Die Formulierung „das ist mein Leib, das ist mein Blut“ wird von der katholischen Kirche so verstanden, dass die Gegenstände nun nicht mehr die sind, die sie vorher waren, sondern durch die Worte Jesu in etwas völlig Neues verwandelt werden. Deshalb wird der Teil des katholischen Gottesdienstes, in dem die Einsetzungsworte gesprochen werden, anders als in den protestantischen Kirchen als „Wandlung“ bezeichnet. Wenn aber Brot und Wein wirklich gewandelt werden, dann behalten sie diese neue Qualität über den Moment hinaus, dann fallen sie quasi nicht mehr in ihren ursprünglichen Zustand des Alltäglichen zurück. Dieses Verständnis setzt allerdings den Glauben voraus, dass Jesus Christus zugleich wahrhaft Mensch und Gott ist und dass er im eucharistischen Geschehen tatsächlich gegenwärtig ist, oder mit anderen Worten, dass sich in ihm wirklich Himmel (der Bereich Gottes) und Erde (der Bereich des Menschen) berührt haben und berühren. Dass sich dieses Geschehen einer rationalen Erklärbarkeit entzieht, versteht sich von selbst. Darauf verweist auch der Priester im Gottesdienst, wenn er unmittelbar nach der Wandlung die Worte spricht: „Das ist ein Geheimnis unseres Glaubens“.

Dass Jesus die Einsetzungsworte beim letzten Abendmahl gesprochen hat, heißt allerdings noch nicht, dass das Gleiche geschieht, wenn Gläubige dies heute tun, auch wenn Jesus seine Jünger aufgefordert hat: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22,19). Hier ist das katholische Amtsverständnis von Bedeutung, das davon ausgeht, dass Jesus den Kreis der Apostel und deren Nachfolger (Bischöfe) mit einer besonderen Vollmacht ausgestattet hat, aufgrund derer sie das Tun Jesu in gleicher Weise so nachvollziehen sollen und dürfen, als ob Jesus selbst der Handelnde wäre. Deshalb setzt der gültige Vollzug des eucharistischen Geschehens voraus, dass ein geweihter Priester die Einsetzungsworte spricht.

Schließlich sollte noch erwähnt werden, dass nach katholischer Überzeugung die Eucharistiefeier als Opfer verstanden wird, bei dem die Gläubigen Anteil am Opfertod Christi gewinnen, und dadurch „der Bund Gottes mit den Menschen (immer wieder) neu bekräftigt wird“ [2] .

Katholiken beziehen demzufolge die Glaubensaussage von der Menschwerdung Gottes so auf das Abendmahlsgeschehen, dass die Gläubigen davon überzeugt sind, dass der Bereich des Göttlichen konkret in den Bereich des Irdischen eindringt, dass sich Alltägliches in Göttliches verwandelt.

Josef Fath


Anmerkungen

  1. Eucharsistie (aus dem Griechischen): Danksagung
  2. Liturgiekonstitution des 2. Vatikanischen Konzils, Nr. 10 


Aufgaben:

  1. Benennen Sie weitere Situationen und Momente, in denen Menschen wahrnehmen: „Da berühren sich Himmel und Erde“. Zeigen Sie auf, was diesen Momenten gemeinsam ist.
  2. Erläutern Sie die Bedeutung des Abendmahls für einen katholischen Gläubigen.
  3. Untersuchen Sie das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit im katholischen Abendmahlsverständnis

 

Vergegenwärtigung des Heils
Welche Bedeutung hat das Abendmahl bei den Reformierten?

Obgleich gut vernetzt mit den Feierlichkeiten 2017 in Deutschland beginnt in der Schweiz das „eigentliche“ Reformationsjubiläum 2019, wenn sich zum 500. Mal der Amtsantritt von Ulrich Zwingli (1484-1531) in Zürich jährt. Bekannt ist er vor allem wegen der Auseinandersetzungen mit Luther um das rechte Verständnis des Abendmahls; in der Kritik der damaligen Messe war man vereint, im Verständnis der Einsetzungsworte nicht, wie sie z.B. Paulus überliefert (1Kor 11, 23ff: „Dies ist mein Leib für euch … Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut. Das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis.“) War die Gleichsetzung der Elemente Brot und Wein mit Leib und Blut im Sinne einer figürlichen Rede, das „ist“ im Sinne von „bedeutet“ zu verstehen? Zwingli war davon vor dem Hintergrund der Brotrede im Johannesevangelium (Joh 6, 63) überzeugt. Dass der Herr seiner Gemeinde gegenwärtig ist – ja; dass er sich in irgendeiner Form an die Elemente bindet – nein. Und so versucht der Begriff der „anamnetischen Realpräsenz“ zu verdeutlichen, dass es bei den Reformierten bis heute nicht um ein „nur“ symbolisches Abendmahl geht.

1525 entsteht in Zürich – ohne Musik und nur wenige Male im Jahr zu feiern – eine neue Liturgie, die die Ablehnung von Form und Inhalt der Messe verdeutlicht: „Aktion oder Brauch des Nachtmahls, Gedächtnis oder Danksagung Christi“. Kennzeichnend ist der Anschluss an den spätmittelalterlichen Predigtgottesdienst, spielt doch die Verkündigung des Gotteswortes gemäß der parallel auch in der Eidgenossenschaft in die Volkssprache übersetzten Bibel eine herausragende Rolle. Im Glauben an die – verkündigte – gute Botschaft wird die am Kreuz ein für alle Mal in Christus geschenkte Vergebung der Sünden für die Menschen erfassbar und im Zeichen des Sakraments erfahrbar. Als Sünder dieses Geschenk dankbar anzunehmen, im Glauben gestärkt zu werden, sich als Glied am Leibe Christi zu bekennen und Jesu heilsamen Tod zu verkündigen – das feiert die Gemeinde im Abendmahl, quasi den Jüngern am Gründonnerstag gleich. Und so setzt sich die Gemeinde an den Tisch des Herrn, genießt Brot und Wein und erbittet ein entsprechendes Handeln im Alltag, das die Gemeinde im Sinne von 1Kor 10,16 mit Hilfe des Heiligen Geistes als wahren Leib des Herrn erweise.

Wegen des gemeinsamen theologischen und politischen Kampfes gegen die spätmittelalterlich-katholische Kirche und den Kaiser schien eine Einigung in wesentlichen Lehrfragen beider Lager zum Zwecke eines Bündnisses „neugläubiger Gebiete“ denkbar, doch erwies sich dies 1529 im Religionsgespräch zu Marburg als Irrtum. Und so wurde nach vierzehn gemeinsam verantworteten Artikeln vom „Sakrament des Leibes und Blutes Christi“ bekannt: Zum fünfzehnten glauben und halten wir alle von dem Nachtmahl unseres lieben Herrn Jesus Christus, daß man nach der Einsetzung Christi beide Gestalten gebrauchen soll; daß auch die Messe kein Werk sei, mit dem einer für den anderen tot oder lebendig, Gnade erlange; daß auch das Sakrament des Altars ein Sakrament des wahren Leibes und Blutes jedem Christen vonnöten ist; desgleichen der Gebrauch des Sakramentes wie das Wort vom allmächtigen Gott gegeben und verordnet ist, um damit die schwachen Gewissen durch den Heiligen Geist zum Glauben zu bewegen. Da wir uns aber zu dieser Zeit nicht geeinigt haben, ob der wahre Leib und das wahre Blut Christi leiblich in Brot und Wein seien, so soll doch ein Teil dem anderen gegenüber christliche Liebe, sofern eines jeden Gewissen es immer ertragen kann, erzeigen, und beide Teile den allmächtigen Gott fleißig bitten, daß er uns durch seinen Geist das rechte Verständnis bestätigen wolle. Amen.“ [1]

Erst 1973 gelang in der Leuenberger Konkordie ein Kompromiss, der eine Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft lutherischer, unierter und reformierter Kirchen und Christen ermöglichte.

Frauke Thees



Anmerkungen

  1. Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen Bd. 3, hg. von H. A. Obermann, Neukirchen-Vluyn 1981, S. 160; leichter lesbar unter www.glaubensstimme.de/doku.php?id=bekenntnisse:marburger _artikel.


Aufgaben:

  1. Benennen Sie Ihre Erfahrungen mit und Erwartungen an Abendmahlsfeiern.
  2. Arbeiten Sie das gemeinsame Anliegen der Reformatoren im Abendmahl heraus und setzen Sie Ihren Befund mit den Aussagen der Leuenberger Konkordie II. 2.b und III. 1.2. in Beziehung (www.ekd.de/glauben/grundlagen/leuenberger_konkordie.html).
  3. Entwickeln Sie anhand der Einsetzungsberichte und reformatorischen Einsichten Perspektiven für eine zeitgemäße Abendmahlsfeier.

 

Was passiert eigentlich beim Abendmahl?
Eine evangelisch-lutherische Antwort

Das ist mein Leib.“ An diesen Worten hing für Martin Luther alles. Wenn Jesus das beim Abendmahl so gesagt hat, dann hat er das auch so gemeint. Für Luther stand damit unumstößlich fest: Im Abendmahl nehmen wir Christi Leib und Blut zu uns.

Aber wie kann der Leib Christi im Brot sein, wenn dieser Leib Christi in den Himmel aufgefahren ist? Deshalb behauptete Luthers Gegner Ulrich Zwingli: Der Leib Christ ist gar nicht beim Abendmahl in der Oblate gegenwärtig, denn er sitzt im Himmel zur Rechten Gottes. Jesu Satz „Das ist mein Leib“ müsse also bildlich verstanden werden in dem Sinne von: Diese Oblate deutet auf meinen Leib hin.

Luther war strikt dagegen. Er hielt am buchstäblichen Sinn der Worte Jesu fest: In der Oblate ist der Leib Christi tatsächlich gegenwärtig, und zugleich ist Christi Leib auch im Himmel. Natürlich widersprach Luthers Ansicht jeder rationalen Logik. Aber gerade darin liegt ihre überraschende Aktualität, denn auch die Quantenphysik behauptet ja gegen jede „rationale Logik“, dass im subatomaren Bereich unserer Wirklichkeit keine eindeutigen Ortsangaben mehr möglich sind. Nicht umsonst trägt die „Heisenbergsche Unschärferelation“ den Begriff Unschärfe im Titel, der nicht so recht zu einer exakten und präzisen Naturwissenschaft passen will.

Luther entwickelte als Erklärungsmodell für die Gegenwart Jesu im Abendmahl die Lehre von der communicatio idiomatum; das heißt wörtlich übersetzt „die Mitteilung der Eigenschaften“. Was verbirgt sich hinter dieser Lehre?

Luther nimmt die neutestamentliche Botschaft ganz ernst: Gott wird Mensch. Dieses Ereignis feiern wir an Weihnachten. Gott wird Mensch, das heißt, das Wesen Gottes und das Wesen des Menschen kommen in dem Menschen Jesus von Nazareth zusammen. Die Person Jesu bildet die Einheit, in der die göttliche und die menschliche Natur verbunden sind. Luther ging davon aus, dass diese Einheit der Person Christi so umfassend ist, dass die göttliche Natur ihre Eigenschaften wie zum Beispiel die Allgegenwart auch der menschlichen Natur mitteilt. Die menschliche Natur Christi bekommt also Anteil an diesen göttlichen Eigenschaften. Das hat zum Beispiel zur Folge, dass der Leib Christi überall gegenwärtig sein kann. Konkret: Sein Leib ist sowohl bei Gott im Himmel als auch im Brot beim Abendmahl, und zwar gleichzeitig.

Umgekehrt bekommt auch die göttliche Natur Christi Anteil an den menschlichen Eigenschaften Christi, wie zum Beispiel der Sterblichkeit. Nur deshalb ist es möglich, dass in Jesus Christus Gott in seiner göttlichen Natur am Kreuz stirbt.

Luthers Verständnis dieser Mitteilung der Eigenschaften der beiden Naturen wird anschaulich, wenn man ein Stück Eisen beobachtet, das ins Feuer gelegt wird. Das Eisen nimmt die Eigenschaften des Feuers an, denn es wird heiß und rotglühend. Dennoch bleibt es Eisen. Umgekehrt gilt dasselbe: Die Feuersglut bekommt Form und Gestalt, denn sie verbindet sich mit dem Eisen. Dennoch bleibt es Feuer.

Ich persönlich halte Luthers Antwort für hoch aktuell und zukunftsfähig, und zwar aus zweierlei Gründen: Zum einen bietet sie auf die Frage: „Wo ist eigentlich der Himmel?“ eine Antwort, die auch im 21. Jahrhundert überzeugt. Und zum anderen ermöglicht Luthers Antwort ein Wirklichkeitsverständnis, das sich auf gleicher Augenhöhe mit den naturwissenschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts befindet, zum Beispiel in der Frage nach dem Verhältnis von Geist und Materie.

Matthias Hülsmann


Aufgaben:

  1. Erklären Sie auf der Grundlage des Textes Luthers Lehre von der communicatio idiomatum („Mitteilung der Eigenschaften“). Nutzen Sie zur Veranschaulichung die Form der Grafisierung.
  2. Entfalten Sie die These des Verfassers, Luthers Antwort sei „hoch aktuell und zukunftsfähig“.
  3. Vergleichen Sie die hier dargestellte Bedeutung und den Vollzug des Abendmahls mit dem katholischen Verständnis.
  4. Entwickeln Sie Perspektiven einer gemeinsamen Abendmahlsfeier katholischer, evangelisch-lutherischer und evangelisch-reformierter Christen.