Playstation statt Foltertod? – Mit Jugendlichen über das Sterben Jesu nachdenken

von Michaela Albrecht-Zenk

 

Das Problem

„Ein Hauptproblem, denke ich, ist, dass jemand für uns gegeißelt und ans Kreuz genagelt worden ist, dass er für uns durch Erstickungstod durch das viele Blut in der Lunge gestorben – kurzum: auf grausamste Weise umgekommen ist – für mich? Mir hätte es doch auch gereicht, wenn er ein paar Blinde und Aussätzige geheilt und den Rest seines Lebens Playstation II gespielt und daneben ein bisschen gepredigt hätte. Mir ist es eigentlich sehr unangenehm, dass sich Jesus (mein Gott) für mich so geopfert hat; ich hätte auch so an Jesus festgehalten – ohne den Foltertod.“

Dieses Votum eines Jugendlichen ist weithin repräsentativ für unsere Gesellschaft. Vielen Theologen erscheint der Tod Jesu am Kreuz in seiner Bedeutung für unser Leben als der heute am schwersten zu vermittelnde Glaubenstopos überhaupt.

Was aber bedeutet Jesu Tod für den Glauben und das Leben von Jugendlichen? Um Antworten auf diese Frage zu finden, bitte ich seit Jahren Jugendliche in der Passions- und Osterzeit Aufsätze zu diesem Thema zu schreiben (vgl. Albrecht 2007; Albrecht 2008).

 

Empirische Theologie als Lösung?

Doch wozu sollen solche Befragungen nutzen? Diese Frage ist mehr als berechtigt (vgl. dazu Albrecht 2007, S. 75f). Die Bedeutung und Berechtigung empirischer Methoden in der Theologie wird von nicht wenigen Menschen bestritten. Über Wahrheit lasse sich nicht demokratisch entscheiden, sagen sie – und zwar völlig zu recht!

Darum aber geht es ja auch nicht in der Empirischen Theologie. Vielmehr bedarf es empirischer Verfahren zur Ergänzung der traditionellen normativ-deduktiven Theologie, weil es von hoher Wichtigkeit ist, zunächst einmal wahrzunehmen, was die Menschen wirklich glauben, was ihnen wichtig ist und welche Aspekte einer theologischen Lehre ihnen problematisch erscheinen. Dies ist nötig, weil die wissenschaftliche Theologie sich nicht selbst Zweck sein darf, sondern um der Menschen willen betrieben wird. Dementsprechend muss sie darauf achten, ob und inwieweit sie ihnen Glaubens- und Lebenshilfe anbieten kann oder ob das kirchlich-theologische Tun und Reden hierfür reformiert werden müssen. Die Empirische Theologie kann insofern Korrektiv – ja: Störfaktor! – eines sich selbst genügenden systematisch-theologischen Systems sein, das vergisst, danach zu fragen, ob das an sich vielleicht durchaus schlüssig Abgeleitete Geist und Herz der Menschen gar nicht tangiert. Gerade die Meinung von Jugendlichen kann die wissenschaftliche Theologie zugleich inspirieren und herausfordern, da sie oft aus einer völlig ungewohnten Perspektive nachdenken, ohne auf Konventionen, Traditionen und Autoritäten Rücksicht zu nehmen. So können Jugendliche die wissenschaftliche Theologie auf Defizite in ihrem Denksystem aufmerksam machen und sie Wichtiges entdecken lassen.

 

Das erschreckende Ergebnis: Das Kreuz ohne Heilsbedeutung

Die Befragungen zeigen etwas, das zunächst einmal erschreckend anmutet: Der Kreuzestod Jesu Christi ist für einen großen Teil der Jugendlichen kein Heilsereignis. Viele der Heranwachsenden wissen zwar um die Geschehnisse auf Golgatha, sie verstehen aber nicht, inwiefern dieses Geschehen für die Menschen heute Bedeutung haben soll, sie können mit den kirchlichen Lehraussagen wenig anfangen und erkennen keinen Bezug der Kreuzesgeschehnisse zu ihrem persönlichen Leben.

Es zeigt sich aber auch, dass die Jugendlichen weit mehr können, als nur ihre Abneigung gegenüber bestimmten Aussagen zum Ausdruck zu bringen. Sie sind fähig, aktiv und eigenständig neue Deutungen des Kreuzestodes zu artikulieren. Diese Deutungen müssen dann daraufhin überprüft werden, inwieweit sie theologisch berechtigt sind (vgl. Albrecht 2008, 102ff). Nur wenn Theologie sich immer wieder kritisch hinterfragen lässt und Theologinnen und Theologen bereit sind, ihre Aussagen zu modifizieren – „Metanoiete“ ruft Jesus uns zu (Mk 1,15; Mt 4,17) – kann das Evangelium Frohbotschaft bleiben.

 

Ein zentraler Kritikpunkt der Jugendlichen: Der Stellvertretungsgedanke

Dafür, dass der Kreuzestod Jesu manchen Jugendlichen nichts bedeutet, gibt es viele Gründe: dass sie hier zu Unrecht in die Rolle des Sünders gedrängt werden, dass der Kreuzestod keine erkennbaren positiven Auswirkungen habe, dass das biblische Zeugnis ihnen nicht glaubwürdig erscheint und vieles andere (vgl. zur ausführlicheren Darstellung Albrecht 2008, 150ff). Einer der fundamentalsten Kritikpunkte ist aber der:

Viele Jugendliche können Kreuzestod und Sündenvergebung deshalb nicht miteinander in Verbindung bringen, weil sie den damit einhergehenden Stellvertretungsgedanken nicht akzeptieren, die Vorstellung also, dass Jesus das erleidet, was eigentlich den Menschen zukommen müsste. Sie zeigen sich überzeugt, dass – ganz gleich, was in der Kirche gelehrt wird – auf begangene Sünden eine angemessene Strafe folgt bzw. – säkular formuliert – negatives Verhalten auch entsprechende Konsequenzen nach sich zieht. Ihnen leuchtet nicht ein, wieso Sünden, die sie als etwas Individuelles und somit Unübertragbares ansehen, durch die Sühneleistung eines anderen vergeben werden sollten. Oder mit den Worten einer Schülerin: „Wie kann der Tod von jemandem einen anderen erlösen, noch dazu, wenn sich der andere keiner Schuld bewusst ist?“

Manche der Jugendlichen führen logische Gegenargumente gegen den Gedanken einer Schuldübertragung auf Jesus an. Sie beziehen sich zu einem großen Teil auf die Vorstellung von der Generalamnestie infolge des Stellvertretungstodes. So schreiben manche, dass es Menschen letztendlich erst recht zum Sündigen veranlassen würde, wenn ihnen im Zuge der Strafübernahme durch Jesus die Verantwortlichkeit für ihr Tun genommen würde: „Jesus wird den Menschen ja wohl kaum einen Freibrief zum Sündigen ausstellen!“

Äußerungen wie diese können die Religionslehrkraft ins Herz treffen, betreffen sie doch ein Kernstück des christlichen Glaubens. Doch sie müssen zugelassen werden! Wo Denkverbote herrschen, da kann sich dem Menschen die lebensförderliche Kraft des christlichen Glaubens nicht erschließen. Wir müssen Jugendliche ermutigen, die Lehre der christlichen Kirche so in Gebrauch zu nehmen und wirklich auf ihr Leben zu beziehen, dass sie ihnen Lebensgewinn verschafft. Ein Satz, den ich nur aus Konvention nachspreche, dessen Sinn mir aber nicht einleuchtet, vielleicht sogar widerstrebt, kann dies nicht leisten.

 

Theologische Prüfung der Kritik

Generell ist der Gedanke der Stellvertretung in seiner allgemeinen Form für den christlichen Glauben von großer Bedeutung. Man denke nur an den hohen Stellenwert des Fürbittgebets in der Kirche, zu dem an verschiedenen Stellen der Bibel aufgerufen wird (vgl. z.B. Jer 29,7; Mt 5,44; Apg 7,66 u.v.a.). Man denke an die Verehrung der Heiligen in der katholischen Kirche, die für die Sünden der Menschen Gnade bei Gott erbitten. Es ist eine Grundüberzeugung des Christentums, dass Menschen gegenseitig füreinander einstehen können.

Dennoch stehen die Jugendlichen, die Schwierigkeiten mit dem Stellvertretungsgedanken haben, gewissermaßen in einer langen theologischen Tradition: In allen Epochen gab es kritische Stimmen dagegen (vgl. Joest 1995, S. 246). Als ein exponierter Vertreter dieser Position kann Immanuel Kant gelten. Er hält den Ansatz der Versöhnungslehre, wonach ein anderer stellvertretend für die eigenen Sünden einstehen soll, für einen von Individualismus geleiteten Menschen nicht einsehbar: „[…] [Schuld] ist keine transmissibele Verbindlichkeit, die etwa, wie eine Geldschuld […], auf einen anderen übertragen werden kann, sondern die allerpersönlichste, nämlich eine Sündenschuld, die nur der Strafbare, nicht der Unschuldige, er mag auch noch so großmütig sein, sie für jenen übernehmen zu wollen, tragen kann.“ (Kant 1956, S. 77) Es sei „gar nicht einzusehen, wie ein vernünftiger Mensch, der sich strafschuldig weiß, im Ernst glauben könne, er habe nur nötig, die Botschaft von einer für ihn geleisteten Genugtuung zu glauben […], um seine Schuld als getilgt anzusehen“ (Kant 1956, S. 128).

Dass die Vorstellung vom stellvertretenden Strafleiden, obwohl die Einwände dagegen durchaus plausibel scheinen, biblisch dennoch eine Leitkategorie ist, hängt damit zusammen, dass das Denken des Menschen der Antike sich von der Mentalität der Modernen und Postmodernen deutlich unterscheidet. Klaus Berger weist in diesem Zusammenhang auf die Durchlässigkeit der Persongrenzen bzw. der Grenzen des Ich im antiken und biblischen Denken hin (vgl. Berger 1995, S. 53ff.). Anders als heute – und daher für Jugendliche so schwer nachvollziehbar – war damals das Kollektiv entscheidend, die Sippe, der Stamm, das Volk und die Familie, nicht das Individuum.

Für Menschen, die in einem solcherart vom Kollektiv her denkenden Umfeld aufwachsen, ist der Gedanke eines stellvertretenden Eintretens füreinander selbstverständlich, während er uns heute in unserer spätestens seit der Aufklärungszeit individualistisch geprägten Gesellschaft fremd erscheint. Erkennen die Heranwachsenden aber, dass auch ihr individualistisches Denken zeit- und kontextbedingt ist, dass für andere Kulturen ein solcher Zugang aber naheliegend ist, könnte bei ihnen Verständnis für solche Aussagen erwachsen.

Hier hat die Praktische Theologie also einen Aufklärungsauftrag, durch den manche Probleme schon behoben werden könnten.

Daneben ist zu bedenken, dass die Vorstellung einer stellvertretenden Strafabstattung auch biblisch keineswegs unbestritten ist. Ein eindrückliches Beispiel ist die stellvertretende Bitte um Vergebung für das Volk durch Mose, nachdem die Israeliten sich ein goldenes Kalb gebaut und angebetet haben (vgl. 2.Mose 32,30-35). Mose erklärt sich bereit, selbst ewige Strafen auf sich zu nehmen, damit Gott seinem Volk vergibt. Dieses Ansinnen wird von Jahwe aber zurückgewiesen: „Ich will den aus meinem Buch tilgen, der an mir sündigt.“ – Dass der Gerechte stellvertretend für Sünder leidet, ist kein Automatismus, keine dogmatische Notwendigkeit, kein einklagbares Anrecht für die Menschen. Es ist ein Gnadengeschenk Gottes in Situationen, in denen es ihm angemessen erscheint.

Stellvertretung ist dabei nicht in dem Sinn zu verstehen, dass das Verhalten des Einzelnen dadurch seine Bedeutung verliert. Stellvertretung im biblischen Sinn bedeutet nicht, dass der Mensch einfach ersetzt wird, sondern dem Menschen wird die Möglichkeit des Sich-vertreten-Lassens als ein letzter Weg zur Rettung geschenkt, wenn er mit seinen eigenen Möglichkeiten am Ende ist (vgl. Gestrich 2000, S. 282ff). Deutlich zeigen dies beispielsweise die biblischen Reflexionen zum „Gottesknecht“, der den Jüngern eine Schlüsselfigur zur Interpretation des Kreuzestodes geworden ist: Die Stellvertreterschaft des Gottesknechts kann nur dann wirksam werden, wenn Israel die eigene Schuld – und die Unschuld des Gottesknechtes – anerkennt und sich durch diese Erkenntnis verwandelt (vgl. Janowski 1997, S. 91ff). Aus seinen Verpflichtungen entbunden aber wird es keineswegs.

Wenn man dies Heranwachsenden deutlich macht, können Missdeutungen vermieden werden, wonach uns Menschen durch das Kreuzesgeschehen eine Universal-Amnestie für all unsere Sünden erteilt wäre und wir von der Verantwortlichkeit für unser Tun entbunden wären. Der Gott, den die Propheten verkündigen, der Gott, dessen Gericht Jesus ankündigt, schaut Unrecht nicht beteiligungslos an, sondern ist darüber erzürnt und wütend, verlangt den Menschen eine rigorose Umkehr ab und kündigt sein Gericht an (vgl. z.B. Lk 12,49). Trotz des Leidens Christi für uns bleibt die personale Verantwortlichkeit für unser ganzes Leben vor Gott bestehen – wir können aus Karfreitag und Ostern aber erkennen, dass dies nichts ist, was uns Angst einflößen und hemmen muss, sondern dass Gott unbedingt und durch all unsere Sünden hindurch letztlich auf unserer Seite ist. Es wird ihm im Gericht nicht um strafrechtlich korrekte Aburteilungen gehen, sondern um uns.

Die verkürzende Darstellung des Stellvertretungsgedankens aber, durch die der Eindruck entsteht, Gott könne erst nach der stellvertretenden Bestrafung seines Sohnes den Menschen gegenüber gnädig sein, widerspricht einem breiten Strom der biblischen Aussagen. Obwohl die Menschen Jesus und mit ihm Gott ablehnen, obwohl sie seine Botschaft von der bedingungslosen Liebe Gottes und den Freispruch von Schuld verwerfen und zum Anlass nehmen, Jesus Christus zu töten, hält er an seiner Liebe zu ihnen fest.

Um dies im Religionsunterricht deutlich zu machen, kann beispielsweise die genaue Betrachtung einer Stelle im Kolosserbrief hilfreich sein. Dort heißt es über Gott: „Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet.“ (Kol 2,14)

Hier ist die Rede von einem Schuldbrief, auf dem die Sünden der Menschen verzeichnet sind. Es ist also – so können wir dieser Stelle entnehmen – keineswegs so, dass das Verhalten der Menschen Gott gleichgültig wäre, wie manche Jugendlichen aus der Stellvertretungslehre ableiten zu müssen meinen. Der Schuldbrief ist da – Gott aber setzt ihn nicht ein, um die Menschen zu verurteilen. Stattdessen gibt er damit der Ermordung seines Sohnes durch die Menschen einen Sinn: Er heftet den Schuldbrief ans Kreuz, an jene Stelle, an der der Hinrichtungsgrund angegeben wird. Der scheinbar sinnlose Tod Jesu wird für die Menschen zum Moment der Rechtfertigung.

Die Redeweise vom stellvertretenden Strafleiden Christi am Kreuz ist insofern eine Deutung, die erst nachträglich funktioniert: Nicht weil Gott ohne Gegenleistung unfähig zur Gnade wäre, muss Jesus am Kreuz sterben. Es ist vielmehr so, dass Gott, wie Jesus es in seinem Leben gezeigt hat, bereit ist, die Sünden der Menschen zu verzeihen. Auch dass wir Menschen Jesus töten, bringt ihn nicht von seinem Heilswillen uns gegenüber ab. Gott lässt zu, dass die, die den Tod verdient hätten, leben, während der, der leben sollte, hingegen tot ist und insofern an unserer Statt gestorben.

Es war nicht Gottes Bedürfnis, die Menschen in Jesus zu strafen; es ist vielmehr das Festhalten Gottes an seinem Heilswillen uns Menschen gegenüber, das nach außen hin als das Gericht über unsere Sünde erscheint.

An diesem Punkt zeigt sich, wie die kritischen Voten der Jugendlichen es erkennen lassen können, wenn bestimmte Aussagen der Verkündigung, auch wenn sie prima facie mit dem Zeugnis der Bibel kongruieren, durch verkürzende Rede oder einen veränderten Kontext ihren berechtigten Aussagegehalt verlieren. Im Religionsunterricht gilt es, die Kritik der Jugendlichen aufmerksam wahrzunehmen und sich dann mit ihnen um ein revidiertes Verständnis der biblischen Texte zu bemühen. Dabei kann man feststellen, dass die meisten Jugendlichen in einem wirklich erstaunlichen Maß fähig sind, Theologie zu treiben, sobald man ihnen das Gefühl gibt, dass ihre Gedanken berechtigt und wichtig sind.

 

Offene Fragen

Gleichzeitig wird man sich aber auch damit abfinden müssen, dass in einem so orientierten Religionsunterricht kaum letztgültig abschließende Antworten gegeben werden. Doch muss auf die Frage, wozu Jesus Christus am Kreuz gestorben ist, wirklich eine verbindliche Antwort gegeben werden? In meinen Augen entstehen viele Probleme im Religionsunterricht erst dadurch, dass viel zu schnell Antworten gegeben werden, selbst wenn die Fragen schwieriger kaum sein könnten. Es muss nicht verwundern, dass sie auf diese Weise nicht befriedigend geklärt werden können.

Den Schülerinnen und Schülern, denen wir das Evangelium weitersagen wollen, muss deutlich werden, dass es keine eindeutige Reformulierungsmöglichkeit der Aussage „Jesus Christus ist für uns gestorben“ geben kann, dass eine ihrer Stärken gerade darin liegt, dass sie so offen formuliert ist und Leerstellen besitzt. Hierin nämlich liegt ihre Lebendigkeit begründet; hierdurch wird vermieden, dass die christliche Religion zur Ideologie erstarrt. Eindeutige Antworten auf die Frage, warum Jesus Christus am Kreuz gestorben ist, lassen sich auf rationalem Weg nicht finden. Wir können uns nur annähern an die Geschichte, wir können sie auf unser Leben beziehen und Entdeckungen machen: die Entdeckung, dass dieses Geschehen, das anderen als Skandalon erscheint, für uns das Heil bedeuten kann.

Gerade die kritischen Stimmen im Religionsunterricht laden dazu ein, sich auf solche Entdeckungen einzulassen: Wie die Jugendlichen sollten wir immer wieder neu und unermüdlich danach fragen, was die oft undurchsichtige Geschichte Gottes mit den Menschen für uns bedeuten soll – und uns hineinreißen lassen in die Geschichte, die Gott noch mit uns vorhat.

Man denke beispielsweise an die Äußerung des Jugendlichen vom Anfang dieses Beitrags. Der Junge gibt im Zuge seines Aufsatzes selbst eine Antwort auf das „Warum“ des Kreuzestodes:

„Aber könnte ein Gott, der nur ein bisschen predigt, Playstation II spielt und sich sonst ein schönes Leben macht, glaubwürdig sein? Solange es einem selbst gut geht, sicher: JA! Wie ist es aber, wenn es einem selber mal dreckig geht? Wie sieht es aus, wenn man wichtige Prüfungen – mit Angstschweiß auf der Stirn – zu bestehen hat, wenn man mit Verdacht auf Krebs im Krankenhaus liegt und sich der Verdacht bestätigt, wenn einem sein Lebenspartner in den Armen wegstirbt, wenn, ja wenn alles zu spät ist? Dann kann mir ein Gott mit schönen Worten und Playstationspielen gestohlen bleiben, denn der weiß ja gar nicht, wie dreckig es mir geht! Daher ist mir ein Gott – also Jesus – schon lieber, der schon dort war, wo ich nie hin möchte: in einen äußerst grausamen Tod. Und ‚Gott sei Dank’ – hier treffender denn je – bleibt es ja nicht bei diesem elendigen Tod, sondern er boxt sich zum ewigen Leben durch bzw. wird von Gott auferweckt. Problematisch? – Nein! – Sehr zuversichtlich und Vertrauen erweckend! Glaubhaft! Wie man jemandem, der mit dem Kreuzestod Schwierigkeiten hat, weiterhelfen kann? Ihm sagen, dass es so schon ganz gut ist! Alles andere wäre schlechter.“

 

Literatur

  • Albrecht, Michaela: Für uns gestorben. Die Heilsbedeutung des Kreuzestodes Jesu Christi aus der Sicht Jugendlicher, Göttingen 2007.
  • Dies.: Vom Kreuz reden im Religionsunterricht, Göttingen 2008.
  • Berger, Klaus: Historische Psychologie des Neuen Testaments, Stuttgart ³1995.
  • Gestrich, Christoph: Opfer in systematisch-theologischer Perspektive. Gesichtspunkte einer evangelischen Lehre vom Opfer, in: Janowski, Bernd/Welker, Michael (Hg.), Opfer. Theologische und kulturelle Kontexte, Frankfurt a.M. 2000, 282-303.
  • Janowski, Bernd: Stellvertretung. Alttestamentliche Studien zu einem theologischen Grundbegriff, Stuttgart 1997.
  • Joest, Wilfried: Dogmatik. Bd. 1. Die Wirklichkeit Gottes, Göttingen 41995.
  • Kant, Immanuel: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (PhB 45). Hg. v. K. Vorländer, Stuttgart 61956.