Von welchen Männern erzählen wir in Unterricht und Kindergottesdienst?
Orientierte sich die “gender-Frage” auch in kirchlichen Kontexten lange Zeit besonders an Mädchen- und Frauenthemen, geraten nun verstärkt Jungen und Männer in den Mittelpunkt des Interesses.1 Nicht nur in der Auseinandersetzung mit klassischen Männerollen und Männlichkeitsbildern der gesellschaftlichen Wirklichkeit, die sich für Jungen als wenig zukunftsweisend erweisen, sondern auch in der Diskussion um die Rolle von Jungen und Männern in religiösen Bildungsprozessen.
Dabei geht es zum einen um geschlechtssensible Angebote für Jungen, die soziale Kompetenzen wie Empathie und Konfliktfähigkeit, Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft fördern. Zum anderen auch um die spannende Frage, ob und welche Männer in biblischen Geschichten positive Vorbilder sein könnten, die die traditionellen Männerklischees überwinden helfen.
Jürgen Ebach2 stellt in seinem Vortrag “Wie viel Vater braucht der Mensch?” auf dem Kirchentag in Bremen 2009 fest, dass die Bibel auch in der patriarchalen Welt des Ersten Testaments von abwesenden, schwachen, hilflosen und scheiternden Vätern erzählt. Nur wenige eigneten sich darum als positive Vorbilder. Aber genau das sei die Stärke der Bibel: “Sie führt uns keine idealen Väter vor, sondern Männer und Väter in Konflikten, denen sie oft so wenig gewachsen sind wie wir.” Diese Männer, so Ebach, eignen sich hervorragend als “Modell im Gelingen und Scheitern”.
Für den Kindergottesdienst und den Religionsunterricht in der Grundschule ergeben sich in diesem Zusammenhang – angeregt durch neue kindertheologische Perspektiven (vgl. z.B. die Jahrbücher für Kindertheologie) – ähnliche Fragestellungen: Von welchem Gott erzählen wir den Jungen und von welchen Männern? Vom immer liebenden Vater, dem allezeit guten Hirten, dem obergerechten König? Brauchen Jungen spezielle Bibelgeschichten, die sie “cool” finden und die sie in ihrem Jungensein stärken und fördern?
Jochem Westhof fasst die gegenwärtigen Überlegungen für die biblische Erzählkultur im Kindergottesdienst so zusammen:3 “Jungen brauchen Geschichten, in denen das Leben vorkommt mit allen Kanten und Ecken, mit den dunklen Seiten, schmerzhaften Erfahrungen und Ungerechtigkeiten.”
Die Bibel mutet uns auch schwierige Männer-, Frauen- und Gottesbilder zu. Kinder haben ein Recht darauf, gerade sie kennen zu lernen, um ihre Fragen und Kommentare daran loswerden, um einen Ort zu haben, angemessen darüber zu reden, zu beten und zu theologisieren.4 Das ermutigt nicht nur Jungen zu einem lebendigen Umgang mit den eigenen Gottesbildern, die dadurch lebenslang mitwachsen können und ihre Lebensrelevanz auch über das Jugendalter hinaus behalten.5
Didaktisch-methodische Impulse
Anhand von vier Erzählungen aus dem Abraham-Sara-Erzählkreis werden beispielhaft diese aktuellen Erkenntnisse aufgenommen und die “gender-Frage” im Segensraum Gottes ins Spiel gebracht. Jungen und Mädchen können mithilfe des Symbols “Zelt” Gottes Segen als lebensbegleitenden Raum entdecken. Dieser Segensraum befreit zu einem Leben im Vertrauen auf Gottes verborgene Möglichkeiten angesichts männlicher und weiblicher Unmöglichkeiten.
Die biblischen Texte
Mit den Erzählungen von Abraham und Sara (1.Mose 11,10-25,18) beginnen die so genannten “Väter- und Müttergeschichten” der Bibel. Einzelerzählungen wurden durch intensive Sammlungs- und Kompositionsarbeit über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten zu Familienerzählkreisen (1.Mose 12-50) verwoben. Als Verbindungsstück zwischen Urgeschichte (1.Mose 1-11) und den Erzählungen vom Auszug aus Ägypten (2. Mose) haben sie eine Schlüsselstellung im Pentateuch (1.-5. Buch Mose). Ihre Wirkungsgeschichte reicht bis ins Neue Testamtent (Röm 4,18-22; Hebr 11,8-12) und in den Islam.
Im Folgenden verknüpfen wir die Abrahamserzählungen mit Worten aus dem Propheten (Deutero-) Jesaja (Jesaja 54,1-2). Im Exil von Babylon (587 v. Chr.) erfolgt im Judentum eine theologische Rückbesinnung auf die Erzählungen von Abraham und Sara. Die Worte des Propheten (Deutero-) Jesaja stammen insgesamt aus dieser Zeit. Sie stellen die aussichtslos scheinende Situation des Volkes Israels in Gefangenschaft und Exil parallel zur Situation der unfruchtbaren Sara. Mit dem symbolischen Bild eines weiten Zeltes (Jesaja 54,2) erneuert (Deutero-) Jesaja die alte, zukunftsöffnende Segensverheißung und macht damit Mut zum erneuten hoffnungsvollen Aufbruch in Gottes weiten Segensraum, der auch menschliche Begrenztheiten wie bei Abraham und Sara aushalten und erweitern wird – mehr noch: der auch mit Gottes verborgenem Handeln rechnet. Die Worte aus Jesaja bilden die Überschriften zu den vier Erzähleinheiten von Abraham und Sara:
- Mache weit den Raum deines Zeltes (siehe 1.Mose 12,1-8; 15,1-7; 17,15-17)!
- Breite aus die Decken deiner Wohnstatt; spare nicht (siehe 1.Mose 18,1-15; 21,1-7)!
- Spann deine Seile lang (siehe 1.Mose 22,1-19)!
- Und stecke deine Pflöcke fest (siehe 1.Mose 24,1-67)!
Auf diese Weise lässt sich an dem Vater (und an der Mutter) des Glaubens, an Abraham und Sara sichtbar machen, was es heißt, wenn Gott segnet, und trotz menschlichen Unvermögens, Zweifelns und Versagens der Segen weiten Raum für Gottes Möglichkeiten öffnet.
Das Symbol Zelt
Geborgenes Leben ist eine Grundsehnsucht des Menschen. Vom Mutterleib an sucht er Orte der Geborgenheit: Höhlen, Zelte, Häuser. Ein Zelt ist die alltägliche Wohnung von Nomaden. Unterwegs ist es Ort der Geborgenheit und Gemeinschaft. Es bietet Platz, Wärme, Schutz vor Regen, Wind, Sand und Dunkelheit. So ist das Zelt ein wunderbares Symbol für den Segensraum Gottes, der mitgeht auf allen Lebenswegen. Der alle Höhen und Tiefen menschlichen Lebens, Freude und Leid aushält.
Räume spielen in der Entwicklung von Mädchen und Jungen eine zentrale Rolle, auch in ihrer Glaubensentwicklung. Sie bewegen sich täglich in verschiedenen Räumen. Sie sehnen sich nach Orten der Geborgenheit und Freiheit. Kinder erleben zugleich auch Angst-Räume, verkriechen sich unter Decken, hoffen, dass es am Ende gut ausgeht. Wir schlagen daher vor, die Erzählsituation mit einem echten Zelt zu verbinden, vielleicht sogar ein Zelt in den Klassenraum zu holen!
Leicht gelingt dies in Kirchen, Gemeindehäusern oder draußen, aber auch in der Schule, wenn gemeinsam mit den Kindern ein Pavillon-Zelt aufgestellt wird, mit zwei Seitenwänden zum Hochrollen. Die Zeltstangen können gut in größeren Lochsteinen gesichert werden. Farbige Erzähltücher (mindestens Lakengröße) in blau, gelb, weiß verhängen jeweils den Eingang zum Zelt. Mit zusätzlichen Stangen kann aus diesen Tüchern auch ein überdachter Zelteingang werden.
Darüber hinaus werden als weiteres Material für ein kleines, viereckiges Stoffzelt Holzspieße, Baumwollstoff in ausreichender Zahl für jedes Kind und ggf. Textilmarker benötigt. Die Kinder gestalten daraus für sich im Rahmen jeder Einheit eine Zeltseite und schließlich ein komplettes Zelt zum Mitnehmen (s.u.).
Theologische Gespräche mit Kindern als Vertiefung
Kinder machen Erfahrungen des unendlich langen Warten-Müssens: das kannst du noch nicht, das kommt später. Kinder haben das Bedürfnis nach Grenzüberschreitungen und nach der Entdeckung neuer Welten in Geschichten und Spielen. Kinder machen schließlich auch Erfahrungen des Scheiterns. Diese Grunderfahrungen finden sich in den Abraham-/Sara-Erzählungen wieder. Sie bieten reichliche Iden- tifikationsmöglichkeiten – nicht nur für Jungen.
Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, diese Grunderfahrungen der Kinder in Gesprächen aufzugreifen und zu vertiefen. Solche theologische Gespräche im Anschluss an Erzählungen ermutigen Kinder, sich empathisch in die ambivalenten Gefühle und Situationen hineinzuversetzen. Durch das vertiefende Gespräch haben die Kinder die Möglichkeit, die beispielhaften Situationen der Erzählung zu einem Modell für das eigene Leben werden zu lassen.
In der Isaak-Einheit empfehlen wir während des Gespräches zudem eine Visualisierung der Erzählung beispielsweise mit dem Bild von Marc Chagall “Bindung Isaaks” (siehe im Internet z. B. unter http://www.musees-nationaux-alpesmaritimes.fr/pages/page_id18000_u1l2.htm).
Lieder
Alle Einheiten werden von Liedern gerahmt. Neu lernen die Kinder das Segenslied “Gott, du bist mein Zelt” sowie das biblische Erzähllied “Wir haben viele Schafe, und viele, viele Ziegen” von Franz Kett (Religionspädagogische Praxis 2000/4, 27).
Zusätzlich geeignet sind die Lieder “Weißt du wie viel Sternlein stehen?” aus dem Evangelischen Gesangbuch Nr. 511 und der Geburtstagskanon “Viel Glück und viel Segen!”.
Vier Erzähleinheiten für Grundschule und Kindergottesdienst
Erste Einheit:
Mache den Raum deines Zeltes weit – oder:
Die Erzählung von Abraham, einem aussichtslosen Fall, der für andere zum Segen wird.
Gut zu wissen:
Nach dem Chaos der Geschichte Gottes mit den Menschen macht Gott mit Abraham und Sara, mit diesen Nomaden (Wanderhirten), die in Zelten wohnen und im Gebiet um die Stadt Haran in Nordmesopotamien von Weideplatz zu Weideplatz ziehen, einen neuen Anfang. Dieser Neuanfang Gottes mit den Menschen gehört zu den religiösen Grunderlebnissen von Judentum und Christentum.
Mit dem Ruf Gottes: hebr.: “Lech lecha” = “Geh auf dich gestellt” ist eine Trennung verbunden von dem, was bislang Schutz und Hilfe war, menschlich bindend und bergend: Großfamilie (hebr. bajit = Haus), Land, Freunde, Heimat. Gott ruft Abraham und Sara hinaus in einen weiten, unbekannten Raum, der neue Lebensmöglichkeiten und Erfüllung von Hoffnungen bietet: Gottes Segensraum (vgl. Psalm 18,20: Er führte mich hinaus ins Weite.): “Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.” Gesegnet sein heißt, in der Zuwendung Gottes bleiben und einen Raum haben, in dem die eigene Lebensgeschichte immer wieder neu erfunden und verwandelt werden kann. Segen wird sichtbar in Nachkommen, Wohlergehen und Lebensglück. Segen stärkt, schützt, heilt und stiftet Gemeinschaft.
Aber, und das ist das seltsame, Gott erwählt mit Abraham und Sara Segensträger, die keine guten Voraussetzungen mitbringen: Sie sind eigentlich zu alt für Neuanfänge und bislang kinderlos (1.Mose 11,30). Doch sie vertrauen und binden sich hoffnungsfroh an Gott und seine Segensverheißung und machen sich mit Tieren und Zelten als Gesegnete auf den Weg in ein neues Leben, das eine wunderbare Zukunft mit Kind eröffnet. Nach dem gescheiterten Versuch der “Globabelisierung” (11,1-9) will Gott seinen Namen groß machen und alle Völker in den Segensraum Abrahams hinein nehmen. Und so ziehen sie weiter als Nomaden ihren Weg und der Segen geht mit wie ein Zelt.
Abraham verhält sich ganz und gar nicht wie ein unzweifelhaft von Gott Gesegneter. Er zweifelt, er lacht sogar (1.Mose 17,17) – nicht nur Sara! – und will die Erbnachfolge selbst regeln (15,1-7). Abraham klagt Gott seine Kinderlosigkeit. Doch Gott holt ihn vor das Zelt unter den Sternenhimmel und bringt den vertrauten Blick in Verbindung mit dem Segen und richtet Abraham wieder auf.
So wird das Sternenzelt (Psalm 147,4) zum überwältigenden, sichtbaren Zeichen der Segensverheißung. Das Vertrauen ist mit Gottes Hilfe wieder da.
Die Erzählung: Erinnert Euch an Abraham!
Das Zelt ist an allen Seiten geschlossen, an der Vorderseite mit einem großen blauen Tuch. Die Kinder sitzen im Halbkreis vor dem Zelt.
Sie waren weit weg von Zuhause, in Babylon, der großen Stadt. Wieder saßen Männer, Frauen und Kinder am großen Fluss und wärmten sich an einem Feuer. Sie gehörten zum Volk Israel. Vor vielen Jahren – es war Krieg – wurden sie hierher gebracht, ins babylonische Exil. Ob sie oder ihre Kinder jemals wieder nach Hause durften?
Abend für Abend weinte der alte Jaron. Weinte über den schönen Tempel Gottes in Jerusalem. Im Krieg wurde er zerstört. “Ich werde hier im fremden Land sterben”, seufzte er traurig. “Gott hat mich vergessen. Ja, Gott hat uns alle vergessen!”
Den Mädchen und Jungen fröstelte es bei diesen Worten. Und wieder fragten sie sich:
Was ist das nur für ein Gott, der uns hier allein lässt?
Doch plötzlich kam Jesaja zu ihnen ans Flussufer. Er baute in Windeseile ein Zelt auf. Dann rief er: Erinnert euch an Abraham! Und an den Segen Gottes, der wie ein Zelt immer mitging. Erinnert euch und macht den Raum eures Zeltes weit für Gottes Segen.
Ihr wisst doch noch, wer Abraham ist. Abraham ist unser Urvater. Und er hat damals auch gedacht: Gott hat mich vergessen. Ja, er konnte gar nicht mehr glauben, dass Gott sein Versprechen einlösen wird. Er war alt geworden, und nicht ein einziges Kind hat er bekommen. Dabei hat Gott gesagt, dass er der Vater vieler Völker werden sollte. Viele Völker? Ha, nicht einmal ein einziges Kind. Abraham musste lachen. Er war verzweifelt. Er verkriecht sich in sein Zelt, ist mutlos und traurig. Wie soll man Gott vertrauen, wenn nichts passiert, wenn man gar nicht sieht, dass er da ist?
Unterbrechung der Erzählung durch ein theologisches Gespräch. Impulsfrage: “Was geht in Abraham vor?”
Jesaja erzählte weiter:
Es kommt die Zeit, da werdet ihr wieder zuhause wohnen. Haltet an dieser Hoffnung fest, wie die Pflöcke dieses Zelt im Abendwind festhalten. Als Abraham noch so traurig war, da hörte er Gott, der ihn rief: Komm raus aus deinem Zelt. Komm und sieh! Es war dunkel geworden, die Sonne war längst unter gegangen. Abraham schaute in den Himmel. Da leuchteten die Sterne, hunderte, tausende, ja abertausende Sterne. “Abraham”, sprach Gott, “zähle die Sterne am Himmel! So viele Nachkommen wirst Du bekommen!” Und Abraham sah die vielen Sterne, und er vertraute. Er war nicht mehr traurig, sondern wurde zuversichtlich. Er war voller Hoffnung. Und Gott segnete Abraham, und Abraham wurde zum Segen für viele Menschen. Denn er bekam tatsächlich ein Kind: Isaak, und der bekam Kinder, und die bekamen Kinder, und es wurden viele Völker!
Erinnert euch also an Abraham, wenn ihr traurig seid und wenn ihr denkt: Gott hat mich verlassen! Erinnert euch an Abraham. Der konnte erst gar nicht glauben und ist dann zum Segen geworden!
Und dann setzte sich Jesaja vor sein Zelt und begann zu singen und alle, die ihm zuhörten, sagen mit: Gott, du bist mein Zelt (M 1)!
Theologisches Gespräch:
“Was geht in den Kindern vor, die Jesaja zugehört haben?” Anschließend gemeinsames Lied: Weißt du wie viel Sternlein stehen?
Kreative Vertiefung:
Die Kinder gestalten die erste Seite eines kleinen Segenszeltes aus Holzspießen, Stoff und selbst gestalteten Sternen: Die Erinnerung an das Sternenzelt.
Zweite Einheit:
Breite aus die Decken deiner Wohnstatt – oder:
Von Abraham und Sara, die gemeinsam lernen, sich zu freuen, und nicht mit Dankbarkeit sparen!
Am nächsten Tag sitzen wieder alle zusammen und hören Jesaja zu. Jesaja erinnert wieder an die Geschichte von Abraham und Sara: Wisst ihr noch? Gott selbst ist Abraham und Sara erschienen, in der Gestalt von drei fremden Männern. Es war Mittag, Sara und Abraham waren in Ihrem Zelt in der Oase Mamre. Es war heiß, und es war eine ungewöhnliche Zeit für Besuch. Aber Abraham freut sich über die drei Männer, die er nicht erkennt. Er lädt sie ein, sie sind seine Gäste. Sie essen gemeinsam auf ausgebreiteten Decken. Da wird nicht gespart.
Die drei Männer bringen Abraham und Sara die frohe Botschaft: In einem Jahr werdet ihr Eltern sein. Sara hört im Zelt diese Worte und lacht, lacht genau wie Abraham über diese Ankündigung. Denn auch Sara ist schon sehr alt. Doch die drei Männer fragen: Ist denn etwas zu wunderbar für Gott?
Erinnert euch, ihr Leute, ruft Jesaja. Denn nach einem Jahr schon hält Sara wie versprochen einen Sohn im Zelt lachend in den Armen: “Welch ein Segen, dass du da bist! Gott hat meine Tränen in Lachen verwandelt.” Und der Sohn erhält den Namen Isaak, das heißt: Gott lacht!
Darum will ich heute auch mit euch feiern, sagt Jesaja. Denn Gott vergisst uns nicht! Was er versprochen hat, das geschieht tatsächlich! Erinnert euch daran immer, wenn ihr traurig seid! Lasst uns ein Fest feiern!
Während des Erzählens wird ein großes, gelbes Tuch vor dem Zelt ausgebreitet. Die Kinder setzen sich daran. Speisen und Getränke werden aufgetragen (Gläser/ Wasser/ Fladenbrot/ Käse/ Weintrauben). Alle essen und trinken und räumen gemeinsam ab. Im gelben Tuch wird jeweils ein Kind zum “Wiegenlied” (Brahms) sanft geschaukelt: geborgen in der Welt wie in Gottes Zelt.
Theologisches Gespräch:
“Was denken Sara und Abraham, was fühlen sie?”
Kreative Vertiefung:
Die Kinder gestalten die zweite Seite des kleinen Segenszeltes: Die Erinnerung an das Fest! Anschließend wird das Lied gesungen: Viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen!
Dritte Einheit:
Spanne deine Seile lang – oder:
Von Abraham, der beinahe alles falsch gemacht hätte.
Gut zu wissen:
Die theologisch geprägte Erzählung von der Bindung Isaaks auf dem Berg Morija ist der Höhepunkt im Abraham-Sara-Erzählkreis. Der weite Segensraum wird durch das Gebot an Abraham, seinen Sohn zu opfern, und durch den Gehorsam Abrahams erschreckend eng und erst durch das wunderbare Eingreifen des Engels wieder weit. Exegeten betonen, dass die Erzählung sagen will: Gott will keine Kinderopfer (vgl. Lev 18,21/20,2f.). Er ist ein Gott, der das Leid seiner Kinder sieht. Deshalb heißt der Berg auch Morija, d.h. Gott sieht. Bereits auf dem Hinweg spricht Abraham vom gemeinsamen Zurückkehren. Gottes Segen will Kinder schützen und helfen, Seile, die Menschen um sie gebunden haben, wieder zu weiten und zu lösen.
Isaaks Bindung gilt gemeinhin für Mädchen und Jungen als zu schwierig, weil ein dunkles Gottes- und Vaterbild vermittelt würde. Das tragen jedoch manche in sich: Gott fordert bedingungslosen Gehorsam (z.B. Gotteskrieger). Theologische Gespräche mit Kindern zeigen, dass das durchweg positive Gottesbild der Kinder durch diese Geschichte nicht erschüttert wird. Einige wundern sich über Abraham (“Der handelt komisch.”). Das rettende Eingreifen des Engels gilt als wunderbares Eingreifen Gottes.
Wichtig ist gerade für die Arbeit mit Jungen, hier aufrichtig und wahrhaftig von Gott und von Männern zu erzählen. Im Gedächtnis ist mir daher die theologische Erkenntnis eines Jungen im Kindergottesdienst: “Gott macht auch mal einen Fehler. Aber Gott sieht es und macht es wieder gut (vgl. Jes 54,7). Er schickt einen Engel.”
Die Erzählung von der Bindung Isaaks
Der Zelteingang ist mit einem weißen Tuch verhängt. Alle sitzen wieder vor dem Zelt.
An diesem Tag war Jesaja ganz ernst. Erzählst du uns wieder von Abraham und von Sara? riefen die Kinder. Sie saßen schon alle wieder am Fluss vor dem Zelt und waren gespannt.
Ihr müsst wissen, Kinder, manchmal verstehe ich auch nicht alles. Die Geschichte die ich euch heute erzählen muss …, aber ihr sollt das selbst beurteilen. Manchmal wissen wir einfach nicht, was Gott alles von uns Menschen verlangt. Aber wir können von Sara und Abraham lernen. So wie die Gott verstanden haben, so können wir ihn auch verstehen.
Es war einige Jahre später. Isaak, der Sohn von Abraham und Sara war schon ein großer Junge, vielleicht zehn oder zwölf Jahre alt. Sara saß neben Abraham vor dem Zelt. Es war Abend geworden. “Ich kann es immer noch nicht fassen”, sagte sie. “Warum ist das geschehen?” – “Aber es ist doch gut ausgegangen”, antwortete Abraham. Er sprach aber auch ganz leise und nachdenklich. “Nur weil Gott Isaak gesehen hat”, sagte Sara ganz aufgeregt. “Erzähl das noch einmal, aber ganz langsam. Auf einmal wart ihr beide weg heute morgen. Ich wusste gar nicht, wo ihr seid! Erzähl noch einmal, aber sprich leise, damit Isaak nicht aufwacht. Er schläft schon im Zelt.”
Und Abraham erzählt: “Es war wie ein böser Traum. Ich bin ganz früh aufgewacht und habe wieder die Stimme Gottes gehört. Der sagte, ich solle Isaak nehmen und mit ihm nach Morija gehen, um dort zu opfern. Ich stand also auf und nahm ihn, dazu Holz für ein Feuer. Er war so fröhlich wie immer, er freute sich, mit mir einen Ausflug zu machen. Und redete und erzählte den ganzen Weg über. Als wir endlich da waren – mir war so elend. Da fragte Isaak, welches Tier wir denn opfern wollten. ‚Holz und Feuer hast Du mitgebracht, aber ich sehe keinen Bock.’” “Und dann”, rief Abraham, “wollte ich gehorsam sein. Ich wollte tun, was Gott mir befohlen hatte. Darum zog ich mein Messer aus der Tasche und hob es hoch. Isaak sah mich mit großen Augen an. Im letzten Moment hörte ich die Stimme eines Engels: ‚Abraham, tu ihm nichts! Halt ein!’ Sara, stell dir vor, fast hätte ich Isaak getötet! Ich kann es noch nicht fassen.”
Sara wurde ganz still. Ratlos schaute sie ihren Mann an. Sie wischte ihm eine Träne aus den Augen. “Es ist noch einmal gut gegangen”, sagte sie dann leise. “Wir können nicht immer begreifen, was Gott von uns will! Aber wir wollen darauf vertrauen, dass er uns begleitet und den richtigen Weg zeigt.”
Jesaja hörte auf zu erzählen. Manchmal weiß auch ich nicht, was Gott mit uns Menschen vorhat. Ich weiß aber, dass er da ist, dass er zuhört und uns alle sieht. Deswegen spannen wir unsere Seile lang, das heißt wir üben, Geduld zu haben.
Theologisches Gespräch und Bildbetrachtung
An das Tuch wird mit einem OH-Projektor das Bild von Chagall “Bindung Isaaks” projiziert. Stille. Eindrücke erzählen lassen. Darüber ein theologisches Gespräch mit Kindern führen.
Kreative Vertiefung:
Das weiße Tuch wird abgenommen und in Streifen gerissen. Die Streifen werden beschrieben mit Klagen (Sieh doch, Gott!) oder Dankworten (Du siehst mich Gott, wenn ich …). Anschließend werden jeweils drei bis vier Streifen zu einem Seil verknotet und locker um die Pfosten des Zeltes gewickelt. Die dritte Seite des kleinen Zeltes für die Kinder wird ebenso mit einer Klage oder einer Dank-Aussage gestaltet.
Vierte Einheit:
Und stecke deine Pflöcke fest – oder:
Von Abraham, der voller Stolz ein großes Zelt für eine große Familie bauen muss.
Heute erzähle ich meine letzte Geschichte von Abraham und Sara, sagte Jesaja fröhlich. Die Kinder sitzen da, auch die Erwachsenen. Alle hören gespannt zu, was Jesaja diesmal zu berichten hatte. Jesaja sitzt direkt vor seinem Zelt.
Abraham und Sara waren alt geworden, wirklich sehr, sehr alt. Und Sara starb schließlich vor Abraham nach einem gesegneten Leben. Abraham war traurig, doch er wusste, der Segen geht weiter. Denn sein größter Wunsch war in Erfüllung gegangen: Er wollte die Hochzeit von Isaak noch erleben. Er wollte sehen, ob Gott wirklich sein Versprechen erfüllte und ihm viele Nachkommen schenken wollte. Und genau so kam es. Isaak fand eine Frau. Oja, wie er sie fand, das ist wirklich auch eine besondere Geschichte, aber die erzähle ich euch vielleicht ein andermal. Auf jeden Fall fand er eine Frau mit dem Namen Rebekka! Rebekka war eine wunderschöne Frau. Und Isaak und Rebekka feierten eine große Hochzeit. Da war Abraham glücklich. Und er baute sein Zelt groß auf mit weiten Seilen und mit festen Pflöcken. Stolz war er auf das große Zelt. “Ich brauche Platz für meine neue Familie, für Isaak und Rebekka und für die Kinder.” Das hättet ihr sehen sollen, wie er selbst noch die Pfosten des Zeltes befestigte!
Und so ging der Segen weiter. Der Segen, den Gott Abraham versprochen hatte unter dem Sternenzelt. Der Segen, den Gott Sara versprochen hatte durch die drei Männer. Dieser Segen ging weiter zu Isaak und Rebekka und weiter zu Jakob und Esau, den Söhnen von Isaak und Rebekka und weiter von einer Generation zur nächsten bis zu uns heute! Dieser Segen geht weiter. Er ist wie ein Zelt, das uns beschützt und uns behütet!
Und noch einmal begann Jesaja das Segenslied zu singen, und alle singen mit: Gott du bist mein Zelt (M 1)!
Theologisches Gespräch:
“Woran zeigt sich für euch Gottes Segen?”
Kreative Vertiefung:
Die vierte Seite der kleinen Segenszelte werden gestaltet und die Zelte insgesamt zusammengefügt: Die Erinnerung an den Segen, der mitgeht von einem zum andern.
Anmerkungen
- Erhard Reschke-Rank (Hg.): Wo bleiben denn die Jungs? Jungen und Männer im Kindergottesdienst, Neukirchen 2008; Praxis Gemeindepädagogik 1/2010: Thema: Jungen, Ev. Verlagsanstalt Leipzig (darin: 40-41, Literaturtipps und Links zu den Themen Jungenarbeit-Väterarbeit-Männer); Junge Kirche 4/2009: Männer, Hg. Von Erev-Rav, Verein für biblische und politische Bildung.
- Jürgen Ebach: Wie viel Vater braucht der Mensch?, auf: www.bibel-in-gerechter-sprache.de.
- Jochen Westhof: Von welchem Gott erzählen wir den Jungen?, in: Junge Kirche 4/2009, 13f.
- Wegweisend ist hier: Petra Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche mit Kindern, Stuttgart 2007.
- Vgl. Anna-Katharina Szagun: Dem Sprachlosen Sprache Verleihen, Jena 2006; dies., Religiöse Heimaten, Jena 2008.