'In deinen Augen bin ich schön' - Vom Blick Gottes auf den Menschen - Eine Unterrichtseinheit für die Berufsschule

von Hanna Dallmeier

 

Zum Hintergrund der Unterrichtseinheit

Diese Unterrichtseinheit ist entstanden im Rahmen der religionspädagogischen Prüfung im Zweiten theologischen Examen. Die Berufsschulklasse, mit der ich dem Thema "Schönheit" nachgegangen bin, entstammte dem Bereich "Textiltechnik": eine reine Mädchen- bzw. Frauenklasse, sehr unterschiedlich in Bezug auf Alter (15 bis 20 Jahre), Herkunft (etliche Mädchen aus Spätaussiedlerfamilien, einige Musliminnen), Gewandtheit in der deutschen Sprache, Berufswunsch. Nicht wenige der Mädchen blicken auf ein Leben mit mehreren Brüchen zurück. Etwa ein Drittel besucht die Klasse, um den Hauptschulabschluss nachzuholen.

Das Thema "Schönheit" traf anfangs nicht auf ungeteilte Gegenliebe. Je tiefer wir jedoch in das Thema eindrangen und je persönlicher die Zugangs- und Identifikationsmöglichkeiten wurden, desto stärker beschäftigte es die Mädchen. Sie gingen den Weg mit von der Beschreibung und Hinterfragung von Schönheitsidealen über die Betrachtung der eigenen äußeren und inneren Schönheit bis zu der Frage, welche Bedeutung das Thema Schönheit für unsere Beziehungen hat, ob sie zerstörend oder heilsam wirkt.

Die Theologin denkt dabei die Beziehung zwischen Gott und Mensch mit (in der Unterrichtssituation wurde darauf jedoch nicht explizit Bezug genommen). Um es an dieser Stelle schon vorweg zu nehmen: Der theologische Fokus der Einheit liegt auf der Rechtfertigungslehre, deren Anliegen in einer ästhetischen Wendung aufgenommen wird: Der "zugesprochenen Gerechtigkeit" korrespondiert die "zugesprochene Schönheit" (die im Rahmen des Unterrichtes in evangelischer Religion sozusagen als "christliches Schönheitsmodell" vorgestellt wird). Beide verdanken sich dem liebenden Blick eines anderen auf mich. Diesem Blick will die Unterrichtseinheit auf die Spur kommen …

 

Der biblische Befund

Es gibt in der Bibel keinen Text, der Gottes liebenden Blick auf den Menschen explizit mit dem Thema "Schönheit/Schönsein"1  verbindet. Das hängt mit dem biblischen, "beziehungsbezogenen" Verständnis von Schönheit zusammen, das keinen abstrakten Begriff für Schönheit im ästhetischen Sinne kennt. "Schönheit" ist daher auch keine Qualität, mit der die Gottesbeziehung beschrieben werden könnte. Dennoch kennt die Bibel eine Reihe von Texten, die auf die eine oder andere Art zum Thema einen Beitrag leisten:

  1. Texte, die von der für Frauen bedrohlichen Seite von Schönheit wissen: Gen 12,10-20 (Abram verleugnet die "sehr schöne" Sarai, um sich selbst zu schützen); II Sam 11 (David nimmt sich die "sehr gut aussehende" Batseba); II Sam 13 (die "schöne" Tamar wird von ihrem Bruder vergewaltigt).
  2. Texte, die "Schönheit" als ein Motiv heranziehen, das als Voraussetzung für die Gottesbeziehung unerheblich ist: z.B. I Sam 16,1-13: Bei der Erwählung und Salbung Davids kommt es nicht auf das Aussehen und die Gestalt an, sondern auf das, was JHWH in dessen Herzen "ansehen" kann (V.7). Zugleich wird David beschrieben als junger Mann "mit schönen Augen und von guter Gestalt" (V.12) – eine Konzession an das menschliche Auge und an eine Vorstellung, die speziell männliche Schönheit mit politischer Macht verbindet.
  3. Texte, in denen die durch den Schöpfungsakt begründete Gottesbeziehung qualifiziert wird durch Aussagen, die der Vorstellung von Schönheit nahe kommen: In Gen 1,31 erkennt Gott sein Werk des sechsten Tages, also des Tages der Menschenschöpfung, als tov meod (sehr gut). Die Septuaginta übersetzt hier mit kalà lían (sehr schön). tov bzw. kalós meinen aber nicht Schönheit in einem ästhetischen Sinne, sondern die "Zweckmäßigkeit des Werkes". Die Menschenschöpfung in Ps 139,14 wird qualifiziert mit Worten aus der Wurzel fala, die das Wunderbare im Sinne des schwer Begreiflichen hervorhebt.
  4. Texte, die mit ihrem Thema "Schönheit in den Augen der/des anderen" auf die Beziehung zwischen Gott und Mensch hin interpretiert worden sind: Hier ist das Hohelied zu nennen. Es kennt eine Fülle von Bildern für die Schönheit des geliebten Menschen, die aber nicht Formen und Aussehen des Gegenübers beschreiben, sondern die Wirkung, die von dem Gegenüber ausgeht. "Schön ist also letztlich nicht der einzelne Mensch, sondern die Beziehung unter zwei oder mehr Menschen. Das Schönheitsideal ist kein Körper-, sondern ein Verhältnisideal."2  Dieses Schönheitsideal ist nachträglich auf die Beziehung von JHWH zu seinem Volk übertragen worden: Die allegorische Interpretation sieht "im strahlenden Geliebten JHWH und in der Geliebten Israel"3 . Eine individualistische Weiterführung dieses kollektiven Liebesschwures legt dann die Aussage nahe: "In deinen Augen, Gott, bin ich schön."
  5. Texte, die Hässlichkeit bzw. körperliche Unzulänglichkeit/Gebrechlichkeit zur Beschreibung der unverdienten Gnade Gottes anwenden: Paulus wendet die Kreuzespredigt aus I Kor 1,18-25 in II Kor auf seine Person an: Wie "im Kreuz … eine radikale Umwertung der menschlichen Werteskala (erfolgt)"4 , so zeigt sich in Paulus’ persönlicher Existenz das Kreuz Christi5 , aber auch die verwandelnde Kraft Gottes. Der Spitzensatz findet sich in II Kor 12,9: "Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig." (So Luther. Die wörtliche Übersetzung lautet: " ... denn die Kraft kommt in der Schwachheit zur Vollendung.")
  6. Einen Text, in welchem dem liebend-verwandelnden Blick des Vaters (Gottes?) auf seinen Sohn die konkrete Verwandlung von "hässlich" zu "schön" folgt: Das Gleichnis vom Verlorenen Sohn (Lk 15,11-32) lässt den Vater seinen abgerissen aus der Fremde zurückkehrenden Sohn in die Arme schließen (V.20) und anschließend ihm ein neues Gewand und einen Ring bringen (V.22): Gottes Blick (und Handeln) macht den geliebten Menschen schön.

 

Systematisch-theologische Überlegungen

Mit menschlicher Schönheit hat sich die Theologiegeschichte6  bisher schwer getan: Schönheit ist entweder ein Attribut, das Gott zukommt, seit Clemens von Alexandrien besonders der zweiten Person der Trinität, dem Sohn. Oder der Begriff "Schönheit" wird ausdifferenziert und die einzelnen Aspekte werden einer unterschiedlichen Wertung unterzogen: Geistige Schönheit gilt als die beste, körperliche als die niedrigste Form von Schönheit; bei Augustin kann irdische Schönheit sogar zur Falle werden und so den Menschen der Sünde gefährlich nahe bringen. Auf evangelischer Seite fehlt eine systematisch-theologische Diskussion um den Locus des Schönen weitgehend.

Ausgehend von meinem biblischen Befund will ich nun eine systematisch- theologische Bündelung versuchen:

 

1. Schönheit in der Beziehung zwischen Menschen – Hinweis auf Gott

Schönheit ist in der Bibel ein Verhältnisbegriff: Schönheit entsteht in den Augen des/der anderen. Die Bibel differenziert zwischen verschiedenen Verhältnissen zwischen Menschen:

  1. Das Verhältnis beschreibt ein Machtgefälle: Hier kann Schönheit für Frauen bedrohlich und zerstörend werden, als Ausdruck männlicher Macht wird Schönheit einer Kritik unterzogen: Sie ist es nicht, die Gottesbeziehung bewirkt [Texte (1) und (2)].
  2. Das Verhältnis beruht auf einer gegenseitigen Beziehung: Schön ist, wer geliebt ist [Texte (4)]. Eine solche, auf Gegenseitigkeit beruhende Beziehung kann als auf Gott hin transparent verstanden werden: So erklärt Martin Bubers Dialogphilosophie die Gottesbeziehung als Verlängerung der gedachten Linie zwischen "Ich und Du" hin zum "ewigen Du"7 . Elisabeth Stuart sieht Beziehungen leidenschaftlicher Freundschaft als "Ort von Gotteserfahrung und Modell von Gottesbeziehung".8  Schönheit entsteht nicht aus sich selbst heraus, sondern "Schönheit kommt erotisch über uns"9  – in der Begegnung, unverfügbar.

 

2. Schönheit aus Gott? Gottes Schöpfungshandeln ist Beziehungshandeln

Die biblischen Schöpfungsaussagen [Texte (3)] begründen nicht die Schönheit des Menschen. Aber Gott schafft, indem Gott den Menschen schafft, eine Beziehung zu ihm, die sich ausdrückt in der Rede von der Gottebenbildlichkeit, in Gottes Segen für den Menschen und in der Feststellung, dass der Mensch wunderbar gemacht ist. "Gott (…) ist der Grund jeder Beziehung."10  Wenn nun "Schönheit-in-Beziehung" auf Gott hin transparent ist, kann auch der Umkehrschluss gewagt werden, dass Gottes Schöpfungsbeziehung zum Menschen diesen schön macht.

 

3. Rechtfertigung zur Schönheit: Gottes verwandelnder Blick

Schwachheit, Unzulänglichkeit, Hässlichkeit können von Gott verwandelt werden [Texte (5) und (6)]. Gerade im Fragmentarischen ist Raum für das Wirken Gottes – denn hier begreift der Mensch sein "Angewiesensein auf Vollendung"11 . Mich selbst als vollkommen zu verstehen, hingegen verschließt mich: vor Gott und vor den Menschen. Denn das Perfekte erwartet keine Verwandlung mehr, die sich in Begegnung mit dem anderen ereignet. Vor allem aber führt der Versuch, aus sich selbst heraus vollkommen – in unserem Kontext: schön – sein zu wollen, in eine Form von Werkgerechtigkeit: Das Schönheitsideal ist nicht (oder nur um den Preis der Selbstverleugnung und Selbstzerstörung, z.B. durch Magersucht) erreichbar. Retten, verwandeln kann nur ein bedingungslos liebender Blick von außen. Denn Schönheit in den Augen der/des anderen zeigt mir: Ich bin mehr und anderes, als ich auf dem Schönheitsmarkt leisten kann. – Das ist die christliche Hoffnung: dass es einen solchen liebenden, verwandelnden, rechtfertigenden Blick Gottes auf uns gibt.

 

Fazit

Der Begriff der "Schönheit" bedarf theologisch einer Differenzierung, die m.E. mit den Kategorien von "geistiger" und "körperlicher" Schönheit nicht hinreichend getroffen ist. Stattdessen entwerfe ich eine Unterscheidung, die sich an der Struktur der Rechtfertigungslehre orientiert:

Zerstörend ist ein Verständnis von Schönheit, das auf die reine Erfüllung eines äußeren Schönheitsideals ausgerichtet ist mit dem Ziel, sich dadurch die Liebe anderer Menschen quasi erzwingen zu wollen. (Die Werbung suggeriert ja ständig, dass geliebt ist, wer schön ist.) Die Vorstellungen von (äußerer) Schönheit sind aber zum einen geschichtlich und kulturell bedingt und daher relativ, zum anderen gibt es keine Garantie, keinen Punkt, an dem ich schön genug bin, um mir der Liebe anderer sicher zu sein. Schönheit ist also ebenso wenig machbar wie ein heiles, gerechtes Gottesverhältnis.12  Heilsam ist ein Verständnis von Schönheit, die zugesprochen wird: Ihr liegt eine Beziehung zu Grunde, der liebevolle Blick eines Menschen auf einen anderen. Diese Schönheit ist nicht machbar, bleibt unverfügbar und kann nur angenommen werden. Dann aber entfaltet sie das befreiende Potenzial, das theologisch in der "Rechtfertigung sola gratia" begründet ist: Die Liebe befreit zur Schönheit, sei es der liebende Blick Gottes oder der eines Menschen (was m.E. theologisch nicht zu trennen ist).

 

Die Ambivalenz von "Schönheit" für Frauen: Weibliche Identitätsbildung und feministisch-religionspädagogische Folgerungen

Besonders für die Entwicklung weiblicher Identität spielen die gesellschaftlichen Schönheitsnormen nach wie vor13 eine große Rolle14. Mädchen geraten dabei in ein Dilemma: Zum einen wird ihr Körper in der Adoleszenz "zum zentralen Ort des Selbsterlebens, körperliche Attraktivität wird zu einem wichtigen Element des Selbstbewusstseins, zugleich ist aber gerade dieser Aspekt der Identität besonders labil und anfällig für Verunsicherungen und Störungen" – die zwangsläufig auftreten, da das "gesellschaftlich vorgegebene Schönheitsideal ein prinzipiell unerreichbares"15 ist. Diese Verunsicherungen treffen Mädchen mit geringerer Schulbildung (und daher eingeschränkten beruflichen Perspektiven) besonders, da sie ihr Selbstbild weniger über Kompetenzen und Perspektiven speisen können und daher darauf angewiesen sind, in ihren Körper als ihr Kapital zu investieren.

Die weibliche Identitätsentwicklung in der Adoleszenz ist außerdem geprägt durch die "Bewältigung von Beziehungen und Bindungskrisen"16. Die eigene Stimme und die Stimme von außen geraten in einen Konflikt, so dass die erstere verloren zu gehen droht (bzw. abgespalten und aus Beziehungen herausgehalten wird, um sie zu schützen). In Bezug auf das von außen, aus der "Erwachsenenwelt" auf die Mädchen eindringende Schönheitsideal heißt das: Was schön ist, kann ich nicht erreichen. Meine Bindung zu mir selbst – das mich selbst Schönfinden – droht verloren zu gehen. In der Frage nach der eigenen Schönheit verdichtet sich für junge Frauen gleichzeitig die Sehnsucht nach Beziehung, Geliebt werden, Angenommensein, Selbstliebe.

Feministische Religionspädagoginnen folgern aus diesen Erkenntnissen, dass zur Unterstützung der Identitätsentwicklung junger Frauen die Bindungskrise aufgenommen und aufgefangen werden soll. Dies geschieht in "eine(r) ihre Stimme aufnehmende(n) Beziehung", durch das Bereitstellen eines Resonanzraumes für ihre Suche nach einer "Beziehung zu sich selbst, zu anderen und zur Welt"17. Gerade bei der Schönheitsthematik ist dabei besondere Sensibilität gefordert, weil hier die "Stimmen von außen" so stark sind.

 

Der Aufbau der Unterrichtseinheit

Vorweg: Dieser Entwurf beschreibt in ausführlicher Form die Prüfungsstunde (6. Stunde), die übrigen Unterrichtsstunden sollen aber soweit dargestellt werden, dass sie nachvollzogen werden können.

Die Unterrichtseinheit besteht aus acht Stunden, die z.T. als Doppelstunden gehalten wurden. In den ersten drei Unterrichtsstunden wird der Blick auf die empirische Wirklichkeit und den lebensweltlichen Kontext der Schüle- rinnen gelenkt. Die Betrachtung und Beschreibung von Bildern steht hier im Vordergrund.

 

1. Stunde
Die Schülerinnen erarbeiten Merkmale von Schönheitsidealen im Wandel der Zeit, indem sie in Partnerinnen- oder Gruppenarbeit je ein Bild "schöner Menschen" aus verschiedenen Epochen (z.B. Griechische oder Römische Antike, Rubens-Frauen, Twiggy …) analysieren und Merkmale des Schönheitsideals benennen. Dadurch erfahren sie, dass das, was als "schön" empfunden wird, geschichtlich bedingt ist. Zugleich versuchen sie [M1] mit Hilfe der ihnen bekannten Schulnoten eine "Bewertung der Schönheit" der jeweiligen Ideale (am Ende der Stunde Vorstellung der Gruppenarbeit und Diskussion über die "Benotung").

 2./3. Stunde
Mit Hilfe eines Arbeitsblattes [M2] bündeln wir die Ergebnisse der letzten Stunde: Den auf einer Zeitleiste angeordneten "Schönheitsidealen" aus der vorangegangenen Stunde werden noch einmal die gefundenen Merkmale zugeordnet, um einen Überblick über die Wandelbarkeit des Schönheitsbegriffs zu schaffen. Im nächsten Schritt geht es um die Beschreibung und Benennung der zeitgenössischen Vorstellungen von Schönheit und aktueller Schönheitsideale (Brainstorming an der Tafel: Stichwort "Schönheit heute"). Dabei sollen die Schülerinnen auch ihre eigene Position zum gesellschaftlich vorherrschenden Schönheitsideal reflektieren.

In der zweiten Hälfte der Doppelstunde rege ich eine Spiegelübung an: Im Sitzkreis wird zweimal ein Handspiegel herumgegeben, dazu gibt es jeweils eine Frage/Aufgabe: 1. Runde: "Ich finde schön an mir, dass …"; 2. Runde: "Spieglein, Spieglein, sag mir beizeiten: Was sind meine besten Seiten?" Jede Schülerin soll in den Spiegel schauen und die Sätze ergänzen bzw. beantworten; wichtig dabei ist, dass alle zuhören und die Aussagen nicht kommentiert werden. Dadurch wird ein "Resonanzraum" für die leisen und lauten Stimmen der Schülerinnen eröffnet.18 

Die folgenden Unterrichtsstunden wenden sich dem Thema "Schönheit" auf einer tieferen, auch theologisch begründeten Ebene zu. Den drei Unterrichtsteilen korrelieren im weiteren Verlauf die theologischen Topoi "Sünde/Verstrickung", "Rechtfertigung" und "Auferstehung".

 4./5. Stunde (Sünde/Verstrickung)
Zu Beginn schreiben sich die Schülerinnen selbst eine Postkarte mit der Aufschrift "Guten Morgen, Du Schöne", die ihnen etwa zwei Monate später zugeschickt wird – eine Methode, um die "Beziehung zum eigenen Selbst", die eigene Stimme zu stärken.

Anhand des Liedes "Sophie" von Eleanor McEvoy (Einspielen des Liedes; OH-Folie und Arbeitsblatt mit Liedtext und Übersetzung [M3]) wird anschließend die Geschichte der magersüchtigen Sophie erarbeitet, die nach Liebe hungert und an ihrem Schönheitsideal kaputtgeht. In ihrer Geschichte spiegelt sich die Struktur der "Werkgerechtigkeit" im blinden Streben nach einem unerreichbaren Schönheitsideal. Das dahinter stehende Verständnis von Schönheit kann umschrieben werden mit dem Begriff der "nacheifernden Schönheit". Die Schülerinnen erarbeiten diese Struktur und benennen die zerstörerischen Folgen für den so in sich gefangenen Menschen, der damit seine Beziehungsfähigkeit verliert.

6. Stunde (Rechtfertigung)
Diese Stunde steht in einem engen inhaltlichen, theologischen und didaktischen Zusammenhang zu der vorangehenden Unterrichtsstunde. Deren Ergebnisse werden daher zu Beginn noch einmal aufgenommen (tabellarisch an der Tafel).

Das Ziel der Stunde ist die Erarbeitung eines – theologisch gesprochen "rechtfertigenden" – heil machenden Gegenmodells: des Modells der "zugesprochenen Schönheit" und seiner befreienden Dimension. Diesem Ziel dient das Erzählen des Märchens "Die schönste Frau auf der ganzen Welt", das einen Blickwechsel auf das Thema "Schönheit" ermöglicht: Es nimmt die Hörenden hinein in den liebenden Blick eines Jungen auf seine dem gesellschaftlichen Schönheitsideal nicht entsprechenden Mutter. An der Tafel werden die Ergebnisse dem Vorherigen tabellarisch gegenübergestellt.

Zum Schluss wird der Blick noch einmal gewendet auf die Identifikationsfigur Sophie: Kann auch sie "Rechtfertigung" – also Liebe ohne "geleistete" Schönheit – erfahren?

7./8. Stunde (Auferstehung)
Die Abschluss-Stunde vertieft den heilenden und lebendig machenden Aspekt des in der vorangegangenen Stunde erarbeiteten Verständnisses von "zugesprochener Schönheit": Die Schüle- rinnen analysieren den Film "Antonia im Wunderland. Die Models von der Pflegestation". Er handelt von alten, kranken Menschen, die wieder Lebensmut finden, indem sie "schön gemacht" werden. (Eine Schülerin bündelte die Aussage des Films folgendermaßen: "Vorher waren sie krank und traurig – hinterher hatten sie das Leben wieder gefunden!")

 


Sophie:
Versteht Schönheit als Erfüllung eines Schönheitsideals


Russisches Märchen:
Beschreibt Schönheit als etwas, was mir zugesprochen wird.


Was macht die Schönheit aus?


Wer schlank ist, ist schön.


Es gibt kein bestimmtes äußeres Merkmal


Wie verhalten sich Schönsein und Geliebtwerden zueinander?


Sophie will schön sein, weil sie geliebt werden will.


Weil der Junge sein Mutter liebt, ist sie in seinem Augen schön


Wie entsteht diese Schönheit?


Sophie rennt ihrem (dem) Schönheitsideal hinterher. Sie will die Schönheit selbst machen


In den Augen eines Menschen der mich liebt. Diese Schönheit kann nur zugesprochen werden - man kann sie nicht machen!


Welches sind die Folgen ?


Sophie wird krank/geht kaputt


Wenn jemand mich schön nennt, weil er/sie mich liebt, macht mich das frei/glücklich/heil/schön.

 

Die 6. Stunde
Darstellung und Erläuterung der Medien

[M3] Die OH-Folie zeigt das Bild einer jungen Frau im Halbprofil19 , die mit verschränkten Armen dasitzt und die Betrachterin schräg, leicht von unten anblickt. Ihr Blick ist fragend, fragil, ernst, aber nicht hoffnungslos. Das Bild vermittelt etwas von der zerbrechlichen Situation, in der sich "Sophie", die Protagonistin des Liedes, befindet.

Das geplante Tafelbild wurde von mir entwickelt als Hilfe zur Strukturierung der Unterrichtsergebnisse. Es soll im Verlauf der Stunde auf der Innenseite der Tafel entstehen – der zentrale Ort für die zentralen Ergebnisse. Die linke Tabellenspalte (Fragen) und die mittlere Spalte (zu Sophie) werden zu Beginn erarbeitet, die rechte Spalte (Märchen) nach dem Märchen (s.u. [M4]). Dabei lege ich Wert auf sprachliche Präzision, verlange aber nicht die wörtliche Erarbeitung meiner Formulierungen. Die Tabellenzeilen zeichnen die Logik der beiden Modelle nach: Beschreibung der Merkmale des jeweiligen Verständnisses von Schönheit – die Kausalbeziehung zwischen Schönheit und Liebe – (abstrahierte Stufe:) der Entstehungszusammenhang – die Folgen. Die Tafel wird für die Erarbeitung dieser Tabelle benutzt, weil sie auf- und zuklappbar ist, so dass der schon erarbeitete Teil zu Sophie "verschwinden" kann. Mit einem Impulssatz auf der Außenseite der zugeklappten Tafel ("In deinen Augen bin ich schön") kündigt sich das nun zu erarbeitende "Gegenmodell" an.

[M4] Das russische Märchen "Die schönste Frau auf der ganzen Welt" kenne ich aus der Sesamstraße – es ist schon zu einem Teil meiner Familientradition geworden und berührt mich tief. Märchen müssen erzählt werden. Erst am Ende der Stunde erhalten die Schüle- rinnen eine schriftliche Version für ihre Mappe. Das Märchen spielt in Russland – der Geburtsheimat von sechs der 15 Schülerinnen. Bei ihnen wird diese Bemerkung sicher auf besondere Aufmerksamkeit stoßen und die Identifikation verstärken. Märchen erinnern an die Kindheit, vermitteln ein Gefühl von Geborgenheit und heiler Welt. Die Dorfszene erinnert ebenfalls an "die gute alte Zeit". Durch diese Merkmale ist der Charakter der im Märchen erzählten Geschichte ein ganz anderer als der, den die Mädchen mit der Geschichte von Sophie verbinden: Das Lied spielt in der Jetztzeit, hat eine moderne Melodie und beschreibt eine raue, sehr aktuelle Realität. Es gibt nichts, was Distanz schafft oder die Realität abmildert. Das Medium des Märchens bildet daher einen Kontrast zu dem Medium des Liedes in der vorhergehenden Stunde.

[M5] Das Arbeitsblatt zur Ergebnissicherung enthält eine vorgefertigte Tabelle zu [M2]. Dadurch erhalten die Schülerinnen einen Motivationsschub zum Abschreiben.

Als roter Faden wiederholen sich die Bilder bzw. Bildausschnitte: Die Augen von "Sophie" korrespondieren den Augen der alten Frau (Dürers Mutter20 ). Grundsätzlich ist zur Verwendung von Bildern in dieser Unterrichtseinheit zu sagen: Das Thema "Schönheit" verlangt geradezu nach visueller Auseinandersetzung. In den vorangegangenen Stunden wurde viel mit Bildmaterial gearbeitet. In der Prüfungsstunde sollen vor allem "innere" Bilder erzeugt werden.

 

Geplanter Unterrichtsverlauf

 

Vor Stundenbeginn
Der Unterrichtsraum wird hergerichtet: Die Tafel wird bei Bedarf gewischt, auf dem rechten Außenflügel notiere ich den Satz "In deinen Augen bin ich schön", so dass er im Stundenverlauf als "Stiller Impuls" nur "hervorgezaubert" werden muss. Der OHP mit der OH-Folie wird bereitgestellt, Kreide bereitgelegt. 

Beginn
Die Begrüßung "Guten Morgen, Ihr Schönen" knüpft an die Postkartenaktion in der vorangegangenen Stunde an und soll die zu erwartende prüfungsbedingte Anspannung unter den Schülerinnen zugleich etwas lockern.

Anknüpfung
Mit Hilfe des Bildes zu "Sophie" unterstütze ich die Erinnerung der Schüle- rinnen an die vorangegangene Stunde: Es hatte zur Illustration des Liedtextes gedient und ist ihnen daher bekannt. Auch tritt ihnen das Bild von demselben Ort entgegen wie in der vorangegangenen Stunde: vom OHP aus (nur diesmal ohne Liedtext). So werden die Schülerinnen vermutlich schnell an die Ergebnisse der vergangenen Stunde anknüpfen und diese im gelenkten Gespräch rasch bündeln können. Die Ergebnisse werden an der Tafel festgehalten. Um diesem Wiederholungsschritt nicht mehr Raum als nötig zu geben, werde ich relativ stark strukturierend eingreifen. Das abstrahierte Reden fällt einigen Schülerinnen wegen der Sprachbarriere schwer. Daher werde ich versuchen, diese hier besonders zu motivieren. Die Phase endet damit, dass ich den OHP ausschalte und die Tafel zuklappe: "Sophie" verschwindet, zum Vorschein kommt der Impuls für die nächste Phase.

Neueinstieg
Der stumme Impuls "In deinen Augen bin ich schön" kommt in den Blick der Schülerinnen. Nach der Phase des u.U. stark gelenkten Gesprächs sollen die Schülerinnen jetzt die Möglichkeit zu freier Assoziation haben. Wenn das Gespräch vorzeitig stockt, werde ich weitere Impulse in Form von Anmerkungen bzw. Fragen geben. Nach den bisherigen Erfahrungen mit den diskussionsfreudigen Schülerinnen ist aber eher zu erwarten, dass das Gespräch nach einiger Zeit unterbrochen/abgebrochen werden muss, um zur nächsten Phase überzuleiten.

Erarbeitung (in zwei Phasen)
Die Phasen der Erarbeitung werden dadurch eingeleitet, dass ich meinen Ort vor der Tafel verlasse und mich vor den LehrerInnentisch setze. Dadurch schaffe ich fast so etwas wie einen Sitzkreis, da die Tische der Schülerinnen in U-Form angeordnet sind. Das Märchen soll in dieser etwas intimeren Sozialform erzählt und analysiert werden. Aus zwei Gründen entscheide ich mich gegen die Alternative, einen echten Sitzkreis im Zentrum des Klassenraumes errichten zu lassen (wie es die Schülerinnen von der "Spiegelübung" kennen): Zum einen würde das zuviel Unruhe erzeugen (die Unterrichtsstunde enthält schon genug Medienwechsel – da würde ein solcher Wechsel der Sozialform wie eine Überfrachtung wirken); zum anderen muss ich mich selbst vor zuviel Intimität in der Situation des Erzählens schützen, weil mich das Märchen selbst so stark berührt …

Märchen wollen erzählt werden. Die Methode des Erzählens erinnert an die biblischen Geschichten und daran, dass sich das Christentum als Erzählgemeinschaft versteht. Erzählen ist gemeinschaftsstiftend21 und erzeugt innere Bilder.

Mit diesen inneren Bildern kann im Verlauf des anschließenden Gesprächs gearbeitet werden. Wieder sollen die Schülerinnen zuerst Raum für eigene Reaktionen haben. Wenn das Gespräch nicht vorankommt, gebe ich Impulse. Ich erwarte aber eher (wieder) eine rege Beteiligung. Als Überleitung zur Vertiefungsphase verweise ich zurück auf den Impulssatz an der Tafel.

Vertiefung
Die Tafel dient mir als Medium zur Ergebnissicherung. Nun wird sie wieder aufgeklappt – die angefangene Tabelle kann fortgeführt werden. Je nachdem, wie weit und tief uns die vorangegangenen Gesprächsgänge geführt haben, können die Schülerinnen jetzt mit mehr oder weniger Lenkung meinerseits die Tabelle weiterführen. Bei dem Ausfüllen der Tabelle handelt es sich teilweise um eine Übertragungsleistung. Daher sind hier auch die schwächeren Schülerinnen wieder motivierend einzubeziehen. Die Aufgabe, Überschriften für die Tabellenspalten zu finden, könnte eine besondere Herausforderung für die Schülerinnen sein. Falls die fortgeschrittene Zeit es verlangt, werde ich selbst die von mir formulierten Überschriften einbringen, um im Anschluss durch einen Ortswechsel (von der Tafel zum OHP) den Übergang zur abschließenden Übertragungsphase zu markieren.

Übertragung
Durch das erneute Einschalten des OHP mit dem Bild zu "Sophie" wird die Aufmerksamkeit der Schülerinnen zum Schluss noch einmal auf das Thema des Stundenanfangs gelenkt. Was bedeutet unser Ergebnis für einen Menschen, der in Sophies Situation steckt? Zum Abschluss wird das Märchen ausgeteilt.

 

Ergebnissicherung

Aufgrund der Kürze der Zeit wird es in der Stunde nicht mehr zu einer Ergebnissicherung kommen können, obwohl eine Ergebnissicherung didaktisch sinnvoll ist. Daher bekommen die Schüle-rinnen von mir (noch vor der Verabschiedung – vgl. die vorangehende Phase) den Auftrag, im Anschluss an die Prüfungsstunde die Tabelle von der Tafel abzuschreiben. Dafür erhalten sie – zusammen mit dem Märchenblatt – ein vorgefertigtes Arbeitsblatt. Das steigert die Motivation.

Hätte ich diese Möglichkeit des "Zeitüberhangs" nicht, würde ich die Tabelle zu Beginn der nächsten Stunde einbringen und mit ihrer Hilfe die Ergebnisse der Prüfungsstunde mit den Schülerinnen wiederholen.

 

M 1

 Klasse:

Datum:


Fach: Religion

Name:


Thema: Schönheit

 

... wer ist die Schönste im ganzen Land? 

 

- Bildbetrachtung -

 

 

 


Bearbeite mit einer Partnerin die folgenden Aufgaben!

1. Beschreibt die Frau auf dem Bild: ihr Aussehen, ihre Haltung, ihre Kleidung...

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2. Beschreibt das Schönheitsideal, das möglicherweise dahintersteht; versucht dabei, Schönheitsmerkmale der Frau zu benennen.

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3. Ihr dürft die Schönheit dieser Frau bewerten: Welche Schulnote (von 1-6) würdet Ihr ihr geben? Begründet Eure Entscheidung!

Note: ____

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...................................................................................................................................

 

M 3


Klasse:

 

 

Datum:


Fach: Religion

Name:


Thema: Schönheit


Eleanor McEvoy: Sophie


I
Sophie cannot finish her dinner,
she says she’s eating enough.
Sophie’s trying to make herself thinner,
says she’s eating too much.
And her brother says, "You’re joking",
and her mother’s heart is broken.
Sophie has a hard time coping,
and, besides, Sophie’s hoping...

... she can be like all the other girls,
be just like all the other girls,
living in an ordinary world,
just to fit in, in the ordinary world,
just to fit in like an ordinary girl.


II
Sophie’s losing weight by the minute.
How did things get this bad?
Sophie’s family, they don’t understand it,
gave her all that they had.
And her sister won’t stop crying,
‘cause her father says she’s dying.
Sophie says she’s really trying -
problem is: Sophie’s lying,

... she can be like all the other girls...


III
How did she get this way?
How did she get this way?
Through trying to hide it.
What does it take to say,
What does it take to say:
She’s dying. Sophie’s dying…





I
Sophie kann ihr Essen nicht aufessen,
sie sagt, sie isst genug.
Sophie versucht, sich selbst dünner zu machen,
sagt, sie isst zu viel.
Und ihr Bruder sagt: "Du machst Witze",
Und ihre Mutter hat ein gebrochenes Herz.
Sophie hat eine harte Zeit zu ertragen,
und, außerdem, Sophie hofft…

 

 

… sie könnte sein wie all die anderen Mädchen,
einfach nur sein wie all die anderen Mädchen,
in einer gewöhnlichen Welt leben,
einfach dazugehören, zu der gewöhnlichen Welt,
einfach dazugehören wie ein gewöhnliches Mädchen.


II
Sophie verliert Minute für Minute an Gewicht,
wie konnten die Dinge so schlimm werden?
Sophies Familie – sie können es nicht verstehen,
sie haben ihr doch alles gegeben, was sie hatten.
Und ihre Schwester hört nicht auf zu weinen,
weil ihr Vater sagt, sie wird sterben.
Sophie sagt, sie gibt sich wirklich Mühe –
das Problem ist: Sophie lügt,

… sie könnte sein wie all die anderen Mädchen…


III
Wie konnte es mit ihr soweit kommen?
Wie konnte es mit ihr soweit kommen?
Dadurch, dass sie versucht, es zu verstecken.
Was kostet es zu sagen,
Was kostet es zu sagen:
Sie stirbt. Sophie würde sterben…

… um zu sein wie all die anderen Mädchen…

 

M 4


Klasse:

 

 

Datum:


Fach: Religion

Name:


Thema: Schönheit

 

 


Die schönste Frau auf der ganzen Welt

 

Märchen aus Russland

 

Es war einmal ein kleiner Junge, der wohnte in einem kleinen Dorf in Russland. Eines Tages lief der Junge aufgeregt durch das Dorf. Er weinte und rief immerzu nach seiner Mutter, aber er konnte sie nirgends finden.

Wie er so weinte, hörten ihn die Leute, die auf dem Feld beim Dorf arbeiteten. Sie dachten, da ist wohl etwas Schlimmes passiert, dass der Junge so bitterlich weint.
Also kamen die Leute herbeigeeilt und fragten den Jungen: "Junge, warum weinst Du denn?"
"Ich kann meine Mutter nicht finden!" sagte er und fing wieder an zu weinen.
Da fragte einer: "Ja, aber wie sieht sie denn aus, deine Mutter?"
"Das ist ganz einfach", sagte der Junge. "Meine Mutter ist die schönste Frau auf der ganzen Welt!"

Da waren die Leute aus dem Dorf erleichtert: Das konnte ja nicht so schwer sein. Und gleich rief einer aus: "Katja ist die schönste Frau aus dem Dorf! Lasst uns Katja holen!" Und sie holten Katja und brachten sie zu dem Jungen. Der aber schüttelte nur traurig den Kopf: "Das ist nicht meine Mutter. Meine Mutter ist noch viel, viel schöner."
Da steckten die Leute aus dem Dorf wieder ihre Köpfe zusammen und überlegten weiter. Dann sagte jemand: "Jeljenka aus dem Nachbardorf, die ist doch die schönste Frau weit und breit!" Und schnell liefen sie Jeljenka holen und brachten sie zu dem Jungen. Aber der schüttelte den Kopf und fing wieder an zu weinen: "Nein. Das ist nicht meine Mutter! Meine Mutter ist viel, viel schöner! Ich habe euch doch schon gesagt, dass sie die schönste Frau auf der ganzen Welt ist!"
Die Leute aus dem Dorf zuckten ratlos mit den Schultern. Der Junge aber war so traurig und weinte so sehr, dass sie noch einmal überlegten. Und ja, richtig! Madjuschka aus dem Dorf hinter dem Wald, die war wirklich wunderschön. Nur die konnte eigentlich die Mutter des Jungen sein. Und Madjuschka wurde geholt und zu dem Jungen gebracht... aber wieder sagte dieser: "Nein, nein, nein! Das ist nicht meine Mutter! Meine Mutter ist noch tausendmal schöner! Ich habe euch doch schon die ganze Zeit gesagt: Meine Mutter..."
"...ist die schönste Frau auf der ganzen Welt!" ergänzten die Leute aus dem Dorf.

Nun war guter Rat teuer. Und während sie sich noch besprachen, kam eine kleine, verhutzelte Frau des Wegs. Sie sah müde und verzweifelt aus. Und sie lief gebückt, so als ob sie den ganzen Tag vergeblich nach etwas gesucht hätte.
Als der kleine Junge sie erblickte, rief er: "Mama!"
"Mein Junge!" Sagte die Frau und schloss ihn in die Arme.

Die Leute aus dem Dorf aber drehten sich verwundert um und fragten: "Wie, das ist deine Mutter? Wir dachten, deine Mutter sei die schönste Frau auf der ganzen Welt!"
"Aber das ist sie doch!" rief der Junge. "Seht doch selbst: Meine Mutter ist die schönste Frau auf der ganzen Welt!"

 

M 5


Klasse:

 

 

Datum:


Fach: Religion

Name:


Thema: Schönheit

 

Das Verständnis von Schönheit

 

- Zwei Modelle -

 

 


 


Sophie


Russisches Märchen


Was macht die Schönheit aus?

 

 


Wie verhalten sich Schönsein und Geliebtwerden zueinander?

 

 


Wie entsteht diese Schönheit?

 

 


Welches sind die Folgen ?

 

 


 

Anmerkungen

  1. Ich verwende hier diesen Doppelbegriff, da es in allen Überlegungen zur Unterrichtsstunde nie nur um einen philosophischen, quasi objektiven Begriff von "Schönheit" gehen kann, sondern sowohl ich als Lehrende als auch vermutlich die Schülerinnen das Thema "Schönheit" immer wieder auf sich selbst, auf das eigene Schönsein beziehen.
  2. Silvia Schroer/Thomas Staubli, Die Körpersymbolik der Bibel, Darmstadt 1998, S. (27-) 29.
  3. So eine mögliche Interpretation – vgl. dazu und zu den geschichtlichen Hintergründen der Allegorisierung Othmar Keel, Das Hohelied. Mit 168 Abbildungen, ZBK.AT 18, Zürich 21992, S. 15f.
  4. Jürgen Roloff, Einführung in das Neue Testament, Stuttgart 1995, S. 113.
  5. "er ist schwach, seine Rede kläglich", vgl. II Kor 10,10; Gal 4,13f u.a.
  6. Vgl. zu den Anfangsüberlegungen die Ausführungen von Patrick J. Sherry, Art. Schönheit II. Christlich-trinitarisch, in: TRE Bd. XXX, Berlin/New York 1999, S. 240f und Matthias Zeindler, Art. Schönheit III. Praktisch-theologisch, in: TRE Bd. XXX, Berlin/New York 1999, S. 247.
  7. Martin Buber, Ich und Du, Heidelberg 101979.
  8. Elisabeth Hartlieb, Freundschaft in der Theologie Elisabeth Stuarts, in: Barbara Wündisch u.a. (Hg.), Mein Gott – sie liebt mich. Lesbisch-feministische Beiträge zur biblischen Theologie, Knesebeck 1999, S. 170. Dass gerade im Nächsten Gott begegnet, lässt sich auch christologisch begründen: vgl. Mt 25,31-46.
  9. Uwe Gerber, Von der Schönheit der Welt und ihres Gottes. Schönheit: Vorgabe – Konstrukt – Simulation? In: BRU Heft 37, 2002, S. 6.
  10. Paul Tillich, Systematische Theologie I, Berlin/New York 81984, S. 311.
  11. Henning Luther, Identität und Fragment, in: Ders., Religion und Alltag. Bausteine zu einer Praktischen Theologie des Subjekts, Stuttgart 1992, S. 173, vgl. S. 169-172.
  12. Die hinter diesem Verständnis von Schönheit stehende Struktur ist dieselbe wie die in Luthers verzweifelter Frage: "Wie kriege ich einen gnädigen Gott?" Der auf ein äußeres Schönheitsideal fixierte Mensch entspricht so dem "homo incurvatus in se ipsum".
  13. Dass das Thema "Schönheit" für die Identität von Frauen überhaupt erst seit der Wende zum 19. Jh. relevant wurde, zeigt Regina Ammicht Quinn, Körper – Religion – Sexualität. Theologische Reflexionen zur Ethik der Geschlechter, Mainz 22000, S. 86f.
  14. Im Folgenden stütze ich mich auf die Ausführungen von Karin Flaake, "Zuerst, toll! Jetzt bin ich endlich ’ne Frau. Aber jetzt geht’s mir auf die Nerven!" – Weibliche Adoleszenz, Körperlichkeit und Entwicklungsmöglichkeiten von Mädchen, in: Sybille Becker/Ilona Nord (Hg.), Religiöse Sozialisation von Mädchen und Frauen, Stuttgart/Berlin/Köln 1995, S. 29ff.
  15. Zitate s. ebd., S. 30.
  16. Dass in der weiblichen Adoleszenz nicht die Entwicklung von Autonomie und Individuation im Vordergrund steht, sondern eine Bindungskrise, das Austarieren zwischen der eigenen und der "anderen" Stimme, ist das Ergebnis der Forschungen von Carol Gilligan. Vgl. dazu Annabelle Pithan, Die Stimmen von Mädchen hören und ihnen Gehör verschaffen. Geschlechtsspezifische Sozialisation im Religionsbuch, in: Sybille Becker/Ilona Nord (Hg.), Religiöse Sozialisation von Mädchen und Frauen, Stuttgart/Berlin/Köln 1995, bes. S. 36-40.
  17. Beide Zitate ebd., S. 40. Ein solcher Resonanzraum setzt eine gleichberechtigte Kommunikation voraus (vgl. ebd., 39), die allerdings im schulischen Bereich (und noch weniger unter den Bedingungen einer Prüfungsstunde, in der sich die Schülerinnen "mitgeprüft" fühlen) strukturell nicht möglich ist – eine Annäherung daran soll aber trotzdem versucht werden!
  18. Das Anbieten eines "Resonanzraumes", d.h. einer die Stimme der jungen Frauen aufnehmenden Beziehung, halten feministische Religionspädagoginnen für ein hilfreiches Mittel, um der in der Adoleszenz von Mädchen auftretenden Bindungskrise (zu sich selbst und zur Welt) zu begegnen. (Vgl. Annabelle Pithan, Stimmen, bes. S. 36-40.) Nachdem diese Spiegelübung durchgeführt wurde, kann ich von einem beeindruckenden Ergebnis sprechen: Die Schülerinnen gingen nicht nur gut auf die Aufgabenstellung ein, sie forderten auch eine "dritte Runde", in der sie "schöne Dinge" übereinander und zueinander sagen durften – dadurch erweiterten sie den ihnen angebotenen "Resonanzraum" sogar!
  19. Es handelt sich dabei um die Sängerin des Liedes "Sophie", Eleanor McEvoy.
  20. Klaus Staeck, Mutter, S. 335. Das Bild "Dürers Mutter" illustriert auf besondere Art das Märchen. Denn zum einen hat Albrecht Dürer seine Mutter zwar realistisch, aber mit liebenden Augen dargestellt, und zum anderen arbeitet der Künstler Klaus Staeck in seiner Plakataktion mit einem ähnlichen Perspektivwechsel wie das Märchen.
  21. Christiane Müller, Erzählen, in: Iris Bosold/Peter Kliemann (Hg.), "Ach, Sie unterrichten Religion?" Methoden, Tipps und Trends, Stuttgart 2003, S. 169ff.

 

Literatur

  • Athalya Brenner, Wann macht Geschlecht den Unterschied? Schönheit in der hebräischen Bibel, in: Oh, wie schön! Körperbilder und Ästhetik. Schlangenbrut 78 (2002), 15-19.

  • Christl Maier, Beziehungsweisen. Körperkonzept und Gottesbild in Ps 139, in: Hedwig-Jahnow-Forschungsprojekt (Hg.), Körperkonzepte im Ersten Testament. Aspekte einer Feministischen Anthropologie, Stuttgart 2003, 172-188.

  • Karl-Theo Siebel u.a. (Hg.), Thema: Schön häßlich. BRU. Magazin für den Religionsunterricht in Berufsbildenden Schulen Heft 37, 2002.

 

Bildquellen

  • Bilder zu "Schönheitsideale im Wandel der Zeit", Bildmaterial aus DAK Hamburg, Projektideen für die Schule: "Verflixte Schönheit", o.J.

  • Postkarte Nr. 103: "Guten Morgen Du Schöne", Annanym Photodesign, Im Krummen Arm 1, 28203 Bremen

  • Bild zu "Sophie": http://www.eleanormcevoy.net/images.html

  • Staeck, Klaus, Dürers Mutter,

  • Plakataktion, (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2004

 

Film

  • "Antonia im Wunderland. Die Models von der Pflegestation", Ein Film von Beate F. Neumann, AVE Gesellschaft für Fernsehproduktion GmbH, Schützenstraße 18, 10117 Berlin (Tel.: 030-20267-0)

Text erschienen im Loccumer Pelikan 2/2004

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