Anliegen dieser Unterrichtseinheit
Die vorliegenden Ideen zum Thema „Engel" wollen verstanden sein als Elemente eines kirchenpädagogisch orientierten Religionsunterrichts. An einem exemplarischen Schwerpunkt (hier: Engeldarstellungen) haben die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, wieder einmal eine (ihre?) Kirche aufzusuchen und dort Neues zu entdecken, Bedeutung zu erschließen und in Verbindung zu setzen zu eigenen Erfahrungen. In einem kirchenpädagogisch orientierten Curriculum hat diese Einheit die Funktion der Vertiefung. Voraussetzung ist, dass die Schülerinnen und Schüler die Kirche bereits kennen, sich in ihr zurechtfinden und Orte und Einrichtungsgegenstände in der Kirche benennen können.
Kirchenfernen Schülerinnen und Schülern fallen beim Besuch einer Kirche zunächst die großen, deutlich hervor gehobenen Einrichtungsgegenstände auf: Altar, Taufbecken und Kanzel und natürlich die Orgel. Diese Dinge gibt es in jeder Kirche – Grund genug, sich bei ersten Kirchenerkundungen und im Religionsunterricht mit ihrem Aussehen, ihrer Funktion und Bedeutung zu beschäftigen. Sie sind charakteristisch für Kirchengebäude und wiedererkennbar, und eine Elementarisierung des Geschehens in einer Kirche lässt sich an ihnen festmachen.
In zahlreichen Kirchen finden sich Engeldarstellungen, mit oder ohne biblischen Bezug. Darüber hinaus begegnen uns Engel aber auch – nicht nur zur Weihnachtszeit – im Alltag: in der Werbung, der Popmusik, in Kinofilmen (1998: „Stadt der Engel"; 2000: „Drei Engel für Charlie"), auf Postkarten oder als Logo für weniger umweltfeindliche Produkte (blauer Umweltengel). Kinder kennen Engel. An ihre Vorkenntnisse und –einstellungen lassen sich die Engel in der Kirche anknüpfen. Die Engel verbinden also – hier Profanes und Sakrales.
Die Schülerinnen und Schüler
Die Unterrichtsideen richten sich an Schülerinnen und Schüler, etwa einer 5. Klasse der Schule für Lernhilfe oder einer 3. bzw. 4. Grundschulklasse, die in der Lage sind, sich über konkrete Handlungsmöglichkeiten Unterrichtsinhalte zu erschließen. Wenn persönlich bedeutsames Lernen stattfindet - über intensive, sinnliche Erfahrungen, individuelle Entdeckungen oder gruppendynamisch wirksame Spiele - werden die Sachinhalte auch behalten und langfristig erinnert. Diesen Bedürfnissen versucht die Einheit entgegenzukommen.
Der Unterrichtsgegenstand: Engel in einer Kirche
Engel, nach einem enzyklopädischen Lexikon „Mittler zwischen der Gottheit und den Menschen" , sollen im Folgenden kurz aus biblisch-theologischer und kunstgeschichtlicher Perspektive betrachtet und anschließend am Beispiel der Loccumer Klosterkirche konkret aufgesucht und beschrieben werden.
Biblisch-theologische Überlegungen
„Die christlichen Vorstellungen vom Sein und Wirken der Engel basieren auf den älteren religiösen Erfahrungen der Frühkulturen des Mittelmeerraumes." In vielen Religionen finden sich Vorstellungen von Engeln in Tier- oder Menschengestalt und mit Flügeln versehen. Sie sind Wesen, die Göttern oder höheren Mächten dienen. „Die biblisch-christliche Tradition von den Engeln steht somit in einem großen religionsgeschichtlichen Zusammenhang." Nach Westermann werden in der Bibel mit dem Begriff Engel zwei Arten von Wesen bezeichnet, die ganz verschiedenen Vorstellungskreisen angehören: die Boten Gottes einerseits und die himmlischen Wesen in Gottes Hofstaat andererseits. Engel sind zu verstehen von ihrer jeweiligen Aufgabe her. Ob sie existieren, wie sie aussehen, ob sie Flügel haben oder nicht, ist dabei überhaupt nicht wichtig. Entscheidend ist, was sie mit den Menschen tun, denen sie begegnen: Sie reden (Lk 2), schützen (Gen 19), begleiten (Mt 4), führen (Ex 14), aber sie kämpfen (Gen 32) und töten (2.Kö 19) auch. Und sie lassen die Menschen nach einer Begegnung verändert zurück. „Es sind nicht dieselben Augen, die den Engel fortgehen sehen, wie die, die ihn kommen sehen. Das Entscheidende geschah dazwischen: Ihre Augen wurden aufgetan." Engel überwinden die Distanz zwischen den Menschen und Gott, die Begegnungen mit ihnen sind eigentlich Gottesbegegnungen. Engel ereignen sich in ihrer Funktion. Über die Begegnung mit einem Engel ermöglicht Gott einem Menschen eine Veränderung seiner Wahrnehmung, das Treffen einer Entscheidung oder einen Impuls zum Handeln. In der Bibel treffen Engel die Menschen in Alltagssituationen an, bei der Arbeit, vor dem Zelt, auf einem Weg. Sie deuten darauf hin, dass in diesen Situationen Gott am Wirken ist. Engel sind eine Möglichkeit, Gott zu begegnen.
Die Vorstellung von Engeln, besonders von Schutzengeln, ist vielen heutigen Menschen vertraut. Der Autoaufkleber „Fahre nicht schneller, als dein Schutzengel fliegen kann!" ist durchaus akzeptiert, und löst auch bei Menschen, die sich selbst als nicht-religiös bezeichnen, kein überlegenes Lächeln aus. Vielleicht hat sich der Schutzengel in unserer Gesellschaft aus dem Kontext christlicher Tradition herausgelöst und wird von vielen Menschen als säkulares Symbol für den Wunsch nach Bewahrung wahrgenommen.
Kunstgeschichtlicher Überblick
Engel werden seit dem späten vierten Jahrhundert als geflügelte Wesen, meist mit zwei Flügeln und einem Nimbus dargestellt. „Sie sind Jünglinge oder Männer, meist von einer ihre Würde betonenden besonderen Höhe der Gestalt; bekleidet sind sie mit leuchtend weißen Gewändern, den Zeichen der vollkommenen Reinheit ..." Als Boten Gottes tragen sie manchmal einen langen Botenstab in der Hand und um den Kopf ein Stirnband. Bei der Verkündigung an Maria wird dem Engel häufig ein Lilienzweig in die Hand gegeben. „Im Mittelalter und der Frührenaissance werden die Engel zunehmend androgyn oder mädchenhaft dargestellt." Ab jetzt finden sich auch immer mehr musizierende Engel. Kinderengel und geflügelte Engelköpfe (Ausdruck ihrer „Nicht-Leiblichkeit") kommen ab dem 12. Jahrhundert vor. Im Barock treten sie dann als Putten in Erscheinung. „Im 19. Jahrhundert erfuhr die Darstellung des persönlichen Schutzengels (vor allem von Kindern) einen starken Aufschwung." Eine der aussagekräftigsten Gestalten des 20. Jahrhunderts ist Barlachs schwebender Engel seines Ehrenmals im Güstrower Dom.
Die Cherubim erscheinen als Personifikation der Allmacht Gottes bereits ab dem sechsten Jahrhundert. Sie sind die Hüter des versperrten Paradieses, die Wächter der Bundeslade und als tetramorphe (viergestaltige) Wesen die Träger des Thrones Gottes. Als sechsflügelige Wesen mit vielen Augen sind die Seraphim dargestellt. Ihre Aufgabe ist die Anbetung Gottes. Die vier Erzengel, die Fürsten unter den Engeln, haben Namen und bestimmte Funktionen: Michael nimmt den höchsten Rang ein. Er wird als Krieger, Überwinder des Teufels und Seelenwäger im Endgericht dargestellt. Raphael ist vor allem Beschützer und Begleiter guter und leidender Menschen. Gabriel ist der Engel der Verkündigung. Uriel wurde mit dem Engel identifiziert, der am Grab Christi erschien.
Engeldarstellungen in der Loccumer Klosterkirche
Auch in der Loccumer Klosterkirche finden sich zahlreiche Engeldarstellungen. In folgender „Inventarliste" sind sie beschrieben:
Inventarliste: Engel
Laienaltar, Mitte, obere Reihe, 2. von links, Erzengel Michael mit dem Drachen.
Bei diesem Altar handelt es sich um den spätgotischen ehemaligen Laienbrüderaltar aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts. Die Heiligenfiguren werden der Werkstatt des sog. „Meisters von Osnabrück" zugeschrieben. Früher stand der Altar auf der Westseite des ehemaligen Lettners, also im den Laien zugänglichen Teil der Kirche.
Laienaltar, linker Seitenflügel, Innenseite, unten, Gemälde: Jesus in Gethsemane, Engel mit Kelch.
Im 17. Jahrhundert wurden wohl vorhandene Bilder auf den Altarflügeln übermalt.
Laienaltar, rechter Seitenflügel, Außenseite, Gemälde: auferstandener Christus, umkränzt von Engelköpfen.
Tafelkreuz, Vorder- und Rückseite, Engel als Symbol des Evangelisten Matthäus.
Das Tafelkreuz stammt aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Es wurde im 19. Jahrhundert übermalt. Bei der Restaurierung im 20. Jahrhundert konnte auf der Westseite des Kreuzes die originale Farbfassung freigelegt werden. Auf der Ostseite wurde die Übermalung beibehalten. Das Kreuz zeigt den leidenden, nicht den auferstandenen Christus.
Marienaltar, linker Seitenflügel, Innenseite, Verkündigungsengel mit Botenstab.
Der Altar stammt vom Beginn des 16. Jahrhunderts. Die Marienfigur in der Mitte und die Gemälde der Seitenflügel (links Engel Gabriel, rechts Maria) wurden im 19. Jahrhundert im romantischen Stil erneuert.
Marienaltar, Mitte, betender Engel kniet unter dem Sockel der Marienfigur.
„Das Mittelfeld stellt die Verehrung der Himmelskönigin dar, die mit dem Christusknaben auf dem Arm auf einer von einem Engel gestützten Konsole steht." „Zu ihren Füßen sitzt, in kleinerem Maßstabe dargestellt, eine vielköpfige Menge, Männer und Frauen, die einer Nonne lauschen, die aus einem Buche vorliest. Es sind prachtvolle, individuell behandelte Figuren mit ausdrucksvollen Gesichtern, in weite, mit weichem Faltenwurf behandelte Gewänder gehüllt. Links und rechts über der Menge sitzen auf gotischen Thronen die Vertreter der geistlichen und weltlichen Regierung, links der Papst und ein Kardinal, rechts der Kaiser und ein König ...".
Reliquienschrein im südlichen Querschiff, Rundbogennische in der Mitte: Christus als Weltenrichter, Engel als Matthäussymbol (oder lebendes Wesen nach Hes 1) rechts und links je ein Seraph mit sechs Flügeln.
Der romanische Schrein in Form eines Hauses mit drei dem Betrachter zugewandten Giebeln stammt aus der Mitte des 13. Jahrhundert. Er besteht aus Eichenholz, ist geschnitzt und vergoldet. Verzierungen wie Perlen und Edelsteine wurden gemäß der strengen Gestaltungsvorschriften des Zisterzienserordens in Holz imitiert. Im 17. Jahrhundert. wurde der Schrein verändert, Malereien und Schnitzwerk sind nicht mehr erhalten. „Auf der Verschlussplatte des Mittelportals ist um 1850 das Tafelbild des thronenden Christus umgeben von den Evangelistensymbolen gemalt worden."
Südliches Seitenschiff, Westwand, Christus, flankiert von Evangelisten, zweiter von links: Matthäus mit Engel.
Bei den vollplastischen Steinfiguren handelt es sich um Teile eines Altars aus dem 19. Jahrhundert. Das zugehörige Altargemälde ist im südlichen Seitenschiff über der Tür zum östlichen Kreuzgang angebracht.
Westseite, Südwand, Epitaph der Familie von Münchhausen aus dem 16. Jahrhundert mit Engelkopf.
Westfenster, frühgotisch, Glasbild der Taufe Jesu (Mk 1,9-11 par.) von 1960 (Hans Gottfried von Stock hausen).
Die Geist-Taube kommt in einem Lichtschein vom Himmel herab, dieser wird umringt von einigen Engeln (sieben?).
Nördliches Seitenschiff, Wand, sechste Grabplatte von Westen, gefügelte Evangelistensymbole an den Ecken, links oben: Engel als Matthäussymbol
Hauptportal außen, Tympanon, Segnender Christus, umkränzt mit Mandorla, darin abwechselnd achtzackige Sterne und Engelköpfe (sechs davon sichtbar).
Das Bogenfeld des flachen Spitzbogens über dem Laienportal zeigt Christus als Weltenrichter in Stein eingeritzt.
Auswertung der Engelliste
Die in dieser Kirche aufgefundenen Engeldarstellungen lassen sich drei Kategorien zuordnen:
Biblische Engel
Da sind zunächst die Engel, die ausdrücklich in biblischen Texten vorkommen:
Der Engel mit dem Kelch auf dem Altarbild „Jesus in Gethsemane". Nach Lk 22,43 stärkt er den betenden Jesus.
Der Erzengel Michael mit dem Drachen. Der Drachenkampf ist in Offb 12,17 ff. geschildert.
Der Verkündigungsengel mit dem Botenstab. Hier geht es um die Verkündigung der Geburt Jesu an Maria nach Lk 1,26 ff.
Vier himmlische Gestalten umgeben nach Offb 4 den Thron Gottes. Auf dem Reliquienschrein ist Christus auf dem Thron dargestellt, umgeben von vier geflügelten Wesen (Mensch, Löwe, Stier und Adler) und zwei Seraphim.
Nach Heinz-Mohr ist die Darstellung des „Christus in Majestät" mit den vier Wesen eine Variante des Darstellungstypus „Christus als Weltenrichter".
Der Engel als Symbol des Evangelisten Matthäus
Diese Engelgestalt findet sich an mehreren Stellen in der Kirche:
auf der Vorder- und Rückseite des Tafelkreuzes
in der Mitte des Reliquienschreins
als Figur an der Westwand des südlichen Seitenschiffs
auf einer Grabplatte an der Wand des nördlichen Seitenschiffs.
Literarische Quellen für die Evangelistensymbole sind die vier lebenden Wesen der Gottesvision Hesekiels (Hes 1) und des Johannes (Offb 4). Engel bzw. Mensch, Löwe, Stier und Adler sind als Attribute den Evangelisten beigegeben oder symbolisieren diese selbst. Ab dem 4. Jahrhundert ist ihre Zuordnung belegt: Engel/Mensch = Matthäus, Löwe = Markus, Stier = Lukas, Adler = Johannes. Der Mensch/Engel, Attribut des Evangelisten Matthäus, gilt als Abbildung der Menschwerdung Christi. Häufig umgeben die vier Evangelistensymbole ein Christussymbol oder Christus selbst. An den Enden des Kreuzes veranschaulichen sie die vier Paradiesflüsse, die vom Kreuz als dem Baum des Lebens ausgehen. In der Kunst der Ostkirche sind die Evangelistensymbole nicht zu finden.
Für die Darstellung der „Majestas Domini" (Christus als Weltenrichter) sind sie unabdingbar.
Engel als himmlische Wesen, die zur Umgebung Gottes gehören
Die Bezeichnung „Engel" wird in der Bibel außer für die Boten Gottes auch für die himmlischen Wesen verwendet, die zu seinem „Hofstaat" gehören. In der christlichen Kunst erhalten sie ab dem 12. Jahrhundert häufig die Gestalt der Kinderengel oder auch der Engelköpfe. In der Loccumer Klosterkirche finden wir „Gottes Hofstaat" an mehreren Stellen:
Engelköpfe umkränzen den auferstandenen Christus auf der rechten Außenseite des Laienaltars.
Ein Engelkopf schmückt das Epitaph der Familie von Münchhausen.
Engel, z.T. als Engelköpfe, umringen den himmlischen Lichtschein auf dem Glasbild der Taufe Jesu.
Engelköpfe befinden sich in der Mandorla, die den segnenden Christus im Bogenfeld des Hauptportals umgibt.
Alle diese kleinen Engel lassen sich vielleicht deuten als „Qualitätsmerkmale" zur Charakterisierung der dargestellten Situation, als Hinweise auf Gottes Nähe.
Nicht eindeutig zuordnen lässt sich der stützende Engel auf dem Marienaltar. Seine ausgearbeitete erwachsene Gestalt wirkt ähnlich wie die der Gottesboten. Seine Aufgabe hingegen ähnelt derjenigen der kleinen Engel. Auch er weist auf die Anwesenheit Gottes hin.
Insgesamt finden sich an zwölf Orten der Klosterkirche etwa dreißig Engelbilder und –figuren. Dass es so viele sein würden, war nicht zu vermuten! Sie drängen sich den Blicken der Besucherinnen und Besucher nicht auf, fügen sich stattdessen ein in den eher nüchternen Gesamteindruck dieses Kirchenbaus und werden erst bei genauem Hinsehen entdeckt.
Didaktisch-methodische Überlegungen
Grundlage eines an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler orientierten Religionsunterrichts in der Sonderschule und Grundschule ist ein grundsätzliches Vertrauen in die Fähigkeiten der Mädchen und Jungen, denn eine Lerngruppe ist ja nicht eine Anhäufung von (intellektuellen, sozialen, sprachlichen, motorischen ...) Defiziten. Aus dieser positiven Einstellung folgt ein Verhalten der Lehrerin, das die Schülerinnen und Schüler dazu ermutigt, ihre je eigenen Entdeckungen zu machen und individuellen Erkenntnisse zu formulieren und das ihre Arbeitsergebnisse würdigt und respektvoll mit ihnen umgeht.
Obige Engelliste zeigt das in dieser Kirche vorhandene „Material", das den Schülerinnen und Schülern hier zu lernen gibt. Sie selbst werden sich aufgrund ihrer eigenen Vorerfahrungen und –einstellungen an unterschiedlichen Stellen in dieses Material „einklinken" und ihre eigenen Lernprozesse durchlaufen. Dieses individuelle Lernen in der Kirche findet im Kontext der Unterrichtseinheit statt, die Engel von ihrem Auftrag her als „Verbindungszeichen" zwischen Gott und den Menschen betrachtet.
Um dieser abstrakten Funktionsbestimmung individuelle Bedeutungen abgewinnen zu können, erscheinen folgende Schritte nötig. Zunächst soll über „in-Verbindung-sein" nachgedacht werden. Die Schülerinnen und Schüler befinden sich in zahlreichen festen und lockeren, als angenehm oder konflikthaft empfundenen Verbindungen: in ihren Familien, in der Nachbarschaft, im Wohnort, in der Schule, in Freizeitgruppen und Freundschaften. Neben organisatorischen Verbindungen (in dieselbe Klasse gehen, den gleichen Schulweg haben) werden den Kindern inhaltliche Verbindungen zunehmend wichtiger, z.B. die Zusammengehörigkeit mit Gleichaltrigen aufgrund gemeinsamer Interessen, Hobbies oder auch Abneigungen. Im ersten Teil der Unterrichtseinheit „Menschen sind miteinander verbunden" besteht Gelegenheit, spielerische Erfahrungen mit Zugehörigkeit und Nicht-Zugehörigkeit zu machen, über Zeichen für Zusammengehörigkeit nachzudenken und eigene Verbindungszeichen (Freundschaftsbänder) herzustellen. Emotionale, intellektuelle und soziale Lernebenen sind hier miteinander verschränkt.
Der folgende Teil der Einheit „Über Engel nachdenken" dient der Verständigung über mitgebrachte Kenntnisse und Einstellungen zu Engeln: Wie sehen Engel aus? Was tun sie? Wo kommen sie her? Gibt es Engel? Gleichzeitig ist diese Phase eine Vorbereitung für die folgende Kirchenerkundung.
Beim Besuch der Kirche geht es darum, Engeldarstellungen im Kirchenraum aufzufinden, Informationen dazu zu erhalten und die eigenen Eindrücke in einer Gestaltungsaufgabe zu einem Engel zu verarbeiten. Dabei haben die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, sich „ihren" Engel auszuwählen (ein Engel, der mir gefällt, den ich interessant finde) und sich für eine vorgeschlagene Aufgabe zu entscheiden (kneten, schreiben, zeichnen). Die zusätzliche Aufgabe „Gib deinem Engel einen Namen, der beschreibt, wie er ist!" intensiviert die Beziehung der einzelnen Kinder zu ihrem Engel und macht deutlich, wie sie ihn sehen, was ihnen daran wichtig ist. Hier könnte sich auch eine Ergebnispräsentation in Form einer Engelausstellung in der Schule oder der Kirche anschließen.
Den Abschluss der Einheit bildet das Nachdenken über die Frage „Warum sind in der Kirche so viele Engel dargestellt?" Hier können die Schülerinnen und Schüler ihre Gedanken formulieren. Vielleicht finden sie heraus, dass „Engel wie Freundschaftsbänder sind", nämlich Zeichen dafür, dass in den dargestellten Situationen Gott in der Nähe ist, dass eine Verbindung besteht zwischen den Menschen und Gott.
Die Unterrichtseinheit:
„Engel zeigen: Gott und die Menschen sind miteinander verbunden"
Im Folgenden werden die Schritte der Einheit und ihre Bausteine kurz skizziert. Hinweise zur Methode und zum benötigten Material sind angegeben, der Zeitbedarf ist abhängig von der konkreten Lerngruppe und ihrer Situation.
Menschen sind miteinander verbunden
Dieser ausführliche erste Teil der Einheit soll einen Reflexionsprozess über Bedingungen und Zeichen für Zusammengehörigkeit anregen. Die vorgeschlagenen Bausteine können entsprechend der Lernsituation ausgewählt und kombiniert werden.
Zeichen dafür, dass Menschen miteinander verbunden sind (Erkennungs- und Verbindungszeichen)
Eine Auswahl der folgenden Gegenstände dient als Gesprächsimpuls. Die Schülerinnen und Schüler wählen sich einzeln oder zu zweit je einen Gegenstand aus und beschreiben und interpretieren ihn (Was ist das? Was bedeutet das?). Sie finden heraus, dass diese Gegenstände eine Verbindung signalisieren. Wer z.B. einen HSV-Schal trägt, zeigt damit, dass er diesen Fußballverein gut findet. Sie werden angeregt, noch weitere, vielleicht nicht sichtbare, Verbindungszeichen zu nennen.
Mögliche Gegenstände: Freundschaftsband, Eheringe, Fankleidung, Kreuz als Kettenanhänger, Brief, Telefon, Abzeichen, Embleme, Wappen, Fahnen,
Weitere Verbindungszeichen: Familienpfiff, Musikgeschmack, Mode, Haarfrisur, Sprache (Begriffe einer bestimmten Szene, Geheimsprache).
Bei einigen dieser Erkennungszeichen ist eine Problematisierung angezeigt: Drückt ein gemeinsamer Musikgeschmack tatsächlich eine Verbindung zwischen zwei Menschen aus?
Menschen, mit denen ich mich verbunden fühle/ nicht verbunden fühle
Bei diesem Baustein geht es darum, festzustellen und darüber nachzudenken, welchen Menschen sich die Schülerinnen und Schüler verbunden bzw. nicht verbunden fühlen. Aus einer vorbereiteten Sammlung von Fotos oder/ und Illustriertenbildern suchen sie sich einzelne aus und begründen ihre Wahl: „Ich bin mit ihr/ ihm (nicht) verbunden, weil..."
Netzspiel
Das Netzspiel ist eine Möglichkeit, bestehende Verbindungen innerhalb der Lerngruppe sichtbar zu machen. Alle sitzen dazu im Kreis. Jemand wirft das (möglichst schwere, dicke) Wollknäuel einer Mitspielerin/ einem Mitspieler zu und sagt, welche Verbindung zu ihr oder ihm besteht. Das kann sowohl Sichtbares sein, wie z.B. braune Augen oder rote Socken, als auch Unsichtbares, wie etwa ein gemeinsames Hobby oder gemeinsame Erlebnisse. Wenn alle Mitspielenden den Wollfaden an ihrer Stelle festhalten, entsteht im Laufe des Spiels ein Netz (wichtig dabei: immer oben, über das Netz hinweg werfen!). Das Spiel kann enden, wenn alle im Kreis einmal an der Reihe waren. Es kann aber auch mehrere Runden gespielt werden oder auch rückwärts. Dabei wird das Wollknäuel dann wieder aufgewickelt.
Spiel: Es gehen alle in die Mitte, die...
Auch dieses Spiel zeigt Verbindungen oder Gemeinsamkeiten in der Lerngruppe. Es stellt eine Variante des bekannten „Obstkorb"-Spiels dar. Im Stuhlkreis steht ein Stuhl zu wenig. Eine Mitspielerin steht in der Mitte und sagt die erste Aufgabe: Es gehen alle in die Mitte, die ... (dunkle Haare haben, jüngere Schwestern haben, gerne Fußball spielen...). Die Betroffenen stehen auf, gehen in die Mitte und stellen fest, wer mit ihnen zusammengehört. Auf ein Zeichen der Spielleiterin setzen sich alle auf die Stühle. Eine Mitspielerin bleibt übrig – sie stellt die nächste Aufgabe. (Wer keine Aufgabe stellen möchte, wählt die nächste „Bestimmerin" aus.) Bei diesem Spiel sind schon völlig unerwartete Verbindungen zwischen einzelnen Mitspielenden deutlich geworden!
Spiellied: „Ein Seil zieht in diesem Kreis seine Runden"
Für dieses Spiel braucht man ein langes Seil (Turnhalle), dessen Enden zusammengeknüpft werden. Die Mitspielenden stehen im Kreis und halten das Seil in Bauchhöhe fest. Sie singen das Lied „Verbunden" (M 2) und geben dabei das Seil in ihren Händen weiter. Wichtig ist es, dass Gesang und Bewegung nicht abbrechen sondern immer weitergehen. Dabei sind dann verschiedene Varianten möglich: das Seil hoch oder tief halten, über das Seil steigen, das Seil hinter dem Rücken weitergeben, das Lied laut oder leise singen usw. Hier kann die Gruppe experimentieren und eigene Spielformen erfinden.
Freundschaftsbänder flechten oder häkeln
Zum Flechten eines Freundschaftsbandes braucht man drei verschiedenfarbige Wollfäden von etwa 30 cm Länge. Sie werden zu einem Zopf geflochten und an den Enden verknotet. Das Band kann als Armband getragen werden. Die Schülerinnen und Schüler können ihre Freundschaftsbänder untereinander austauschen oder sie jemand anderem als Zeichen der Verbundenheit schenken. Geflochtene Bänder sind erfahrungsgemäß fester und stabiler als gehäkelte Luftmaschenketten.
Über Engel nachdenken
Der zweite Teil der Unterrichtseinheit folgt zunächst relativ unverbunden auf den ersten. Er dient der Erkundung der Lernausgangslage zum Thema Engel und der Hinführung auf die Kirchenerkundung. Der Bezug zum ersten Teil wird sich bei der Weiterarbeit ergeben.
Als Gesprächsimpuls dienen unterschiedliche Engelbilder (Friedhofsengel, Schutzengel, Weihnachtsszene mit Engelchor, Wächterengel, Comicengel, Engel aus der Werbung ...), die in die Mitte des Stuhlkreises gelegt oder an der Wand des Klassenraums befestigt werden. Bei diesem Unterrichtsgespräch (Wie sehen Engel aus? Was tun sie? Wo kommen sie her? Gibt es Engel?) können die Schülerinnen und Schüler Kenntnisse und Meinungen äußern oder Fragen stellen. Dass die Engel „etwas mit Religion zu tun haben", wird etlichen Schülerinnen und Schülern aufgrund fehlender Kenntnisse biblischer Geschichten unbekannt sein. Sie identifizieren die Menschen mit Flügeln als „Engel" und interpretieren die Bilder assoziativ, aus sich heraus. Ein wichtiges Ziel des Gesprächs ist es, herauszufinden, was für Aufgaben die dargestellten Engel haben.
Engel in der Kirche aufsuchen
Bei dieser Kirchenerkundung haben die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, Engel in der Kirche zu entdecken und festzustellen, dass sie einen religiösen Bezug haben. Sie müssen sehr genau hinsehen, um dargestellte Figuren als „Engel" zu identifizieren und herauszufinden, welche Aufgaben sie haben. Oft haben auch die Aufenthaltsorte der Engel eine besondere Bedeutung. „In vielen alten Kirchen finden sich Engeldarstellungen hoch oben an den Wänden oder gar in Form einer Gewölbebemalung. Dies brachte zum Ausdruck, dass die Engel dafür zuständig waren, das Gotteslob der Gemeinde emporzutragen." Die vorgeschlagenen Gestaltungsaufgaben entschleunigen und intensivieren den Auseinandersetzungsprozess.
Wo sind Engel in dieser Kirche?
Die Schülerinnen und Schüler suchen zunächst zu zweit in der Kirche nach Engeln und legen an den Fundorten Farbkarten mit ihren Namen ab. Anschließend kommen sie auf ein akustisches Zeichen (z. B. Glöckchen) im Plenum zusammen, setzen sich hin (evtl. in einem Stuhlkreis) und erläutern ihre Ergebnisse. Sie markieren auf einem Kirchengrundriss ihre Engelfundorte (z.B. mit wasserlöslichem Folienstift auf einer laminierten Grundrissvergrößerung oder indem sie kleine Engelfiguren auf dem Plan ablegen oder aufstellen). Nach dieser ersten Bestandsaufnahme geht die Lerngruppe gemeinsam durch die Kirche zu allen angegebenen Engelfundorten. Dort finden jeweils kurze Gespräche zu den dargestellten Engeln statt (Assoziationen, Fragen...).
Persönliche Auseinandersetzung mit einem ausgewählten Engel
Die Schülerinnen und Schüler wählen sich jeweils einen Engel aus, der ihnen gefällt/ den sie interessant finden und entscheiden sich für eine Gestaltungsaufgabe:
- Zeichne deinen Engel und denk dir für ihn einen Namen aus, der beschreibt, wie er ist.(Material: Zeichenkarton DIN A 3; Wachsmalstifte)
- Forme deinen Engel aus Knete und denk dir für ihn einen Namen aus, der beschreibt, wie er ist. (Material: Knetmasse, Unterlage, Behälter zum Aufbewahren und Transportieren)
- Schreibe eine Geschichte zu deinem Engel und denk dir für ihn einen Namen aus, der beschreibt, wie er ist. (Material: Schreibunterlage, Papier, Stifte)
Anschließend gestalten sie in Ruhe ihren ausgewählten Engel.
Auswertung des Kirchenbesuchs
Auch die Vorstellung der Arbeitsergebnisse sollte möglichst noch in der Kirche stattfinden, um die Intensität der Auseinandersetzung aufrecht zuhalten. Die Schülerinnen und Schüler stellen ihre gestalteten Engelbilder, –figuren oder –geschichten vor. Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler kommentieren, fragen nach usw. und versuchen, den möglichen Namen des Engels zu erraten („Wie könnte dieser Engel heißen?"). Die Autorin/der Autor nennt und erläutert den gewählten Namen des Engels. An dieser Stelle könnte sich eine Information der Lehrkraft anschließen, dass auch die biblischen Engel Namen haben, die auf Hebräisch etwas bedeuten:
Michael = „Wer ist wie Gott?"; Gabriel = „Gott ist stark.", Raphael = „Heil von Gott" und Uriel = „Mein Name ist Gott." Wenn möglich, legen die Schülerinnen und Schüler ihre Produkte um den Kirchengrundriss herum und markieren den Standort durch einen Pfeil. Die Lehrkraft gibt weitere Informationen zu den dargestellten Engeln und erzählt evtl. die zugehörigen biblischen Geschichten. Anschließend kann vielleicht in der Schule eine Engelausstellung aufgebaut werden.
Warum gibt es Engel in der Kirche?
Der Abschluss der Unterrichtseinheit soll einen Bezug zum Anfang herstellen und noch einmal Engel von ihrer Funktion her als „Verbindungszeichen zwischen den Menschen und Gott" charakterisieren. Dazu dient ein Unterrichtsgespräch zum Impuls: „Warum sind in der Kirche so viele Engel dargestellt?" Die Schülerinnen und Schüler finden heraus, dass Engel Zeichen für die Verbindung zu Gott sind:
- Engel in biblischen Szenen
- Sie zeigen: Marias Kind kommt von Gott, sein Bote bringt ihr die gute Nachricht; Gott ist bei Jesu Taufe; Gott ist bei Jesus im Garten Gethsemane
- Engel auf Grabplatten/ Epitaphen
- Die Angehörigen vertrauen darauf, dass Gott bei den Verstorbenen ist.
- Engel als Attribut des Evangelisten Matthäus
- Der Engel (Mensch) ist das Attribut des Evangelisten Matthäus. Er soll zeigen, dass Gott in Christus Mensch geworden ist, dass Jesus Gottes Sohn ist.
Die Lerngruppe betrachtet auch noch einmal die Engelbilder vom Anfang der Unterrichtseinheit. Die Schülerinnen und Schüler formulieren (mündlich oder schriftlich), was diese Engel mit Gott zu tun haben.
Verwendete Literatur
- Berneburg, Ernst/ Kalko, Christine: Kloster Loccum. 15. Auflage, Berlin 1997.
Bibliographisches Institut (Hg.): Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 7, 9. Auflage, Mannheim u.a. 1980. - Biedermann, Hans: Knaurs Lexikon der Symbole. München 1989.
- Deutsche Bibelgesellschaft (Hg.): Stuttgarter Erklärungsbibel. Stuttgart 1992.
- Dorst, Brigitte: Engel als Urbilder der Seele. In: Wege zum Menschen. 46. Jahrgang, Heft 3, Göttingen 1994, S. 157-170.
- Glienewinkel, Ute/ Thiele-Wittig, Inga: Untersuchung und Restaurierung der Klosterkirche in Loccum unter Conrad Wilhelm Hase im 19. Jahrhundert. (Facharbeit zur Vordiplomsprüfung im Fach Kunstgeschichte, Fachhochschule Hildesheim/ Holzminden 1999, unveröffentlicht).
- Heinz-Mohr, Gerd: Lexikon der Symbole. Bilder und Zeichen der christlichen Kunst. 9. Auflage, München 1988.
- Hölscher, Uvo: Kloster Loccum, Bau- und Kunstgeschichte eines Cisterzienserstiftes. Hannover/ Leipzig 1913.
- Keller, Hiltgart L.: Reclams Lexikon der Heiligen und der biblischen Gestalten. 8. Auflage, Stuttgart 1996.
- Klie, Thomas: Nicht nur barocke Putten. In: Loccumer Pelikan. Heft 4, Loccum 1999, S. 181-186.
- Kruhöffer, Gerald: Die Nähe des Heiligen – biblisch-theologische Überlegungen zu den Engeln. In: Loccumer Pelikan. Heft 1, Loccum 1991, S. 19-23.
- Sachs, Hannelore/ Badstübner, Ernst/ Neumann, Helga: Christliche Ikonographie in Stichworten. 7., überarb. Auflage, München u.a. 1998.
- Westermann, Claus: Gottes Engel brauchen keine Flügel. 5. Auflage, Stuttgart 1989.