Die Verleugnung des Petrus

von Elke Condrad

 

Die Unterrichtseinheit

Die hier vorgestellte Stunde stammt aus der Unterrichtseinheit "Passion und Ostern" und sollte bis zu den Osterferien abgeschlossen werden.

Die Themenwahl ergibt sich zum einen aus dem Zusammenhang zum Kirchenjahr, wie auch aus dem schulinternen Stoffverteilungsplan, der für die dritte Klasse die Beschäftigung mit Passion und Auferstehung im 3. Quartal des Schuljahres vorsieht.

Die Erzählungen vom Leiden und Sterben Jesu ist die Tradition in den Evangelien, die die größte Geschlossenheit in der Darstellung aufweist und die zudem einen sehr breiten Raum in ihnen einnimmt.

Offensichtlich besteht eine traditionsgeschichtliche Abhängigkeit der synoptischen Passionserzählungen von Mk, die jedoch von Lk und Mt mit je eigenem Material ergänzt werden.

Auch Johannes steht mit seinem Passionsbericht in außergewöhnlicher Nähe zu den Synoptikern, besonders zu Lk. Neben den Gemeinsamkeiten setzt natürlich jeder Evangelist auch in der Darstellung der Passion seine spezifischen theologischen Akzente, die aber für den Religionsunterricht an der Grundschule vernachlässigt werden dürfen. Kriterien für die Auswahl der biblischen Texte sind hier vielmehr die Anschaulichkeit und die leichte Erschließbarkeit des theologisch Bedeutsamen.

Aus diesen Gründen wählte ich als Textgrundlage für die Einheit die Mk-Fassung, behielt mir aber vor, zu einzelnen Themen auch auf andere Evangelien zurückzugreifen.

 

Systematisch-theologische Überlegungen zum Thema "Passion und Ostern"

Das Zeugnis vom Wirken Jesu, ebenso wie von seiner Passion ist nach Bultmann von der christlichen Urgemeinde erst aus der Perspektive der österlichen Auferstehungserfahrung als Wirken des Messias verstanden worden. Entscheidend ist dabei letztlich nicht die Historizität der Auferstehung Christi, denn "als historisches Ereignis ist nur der Osterglaube der ersten Jünger zu fassen".

Das Hauptgewicht legt Bultmann darauf, dass "im Erklingen des Wortes... Kreuz und Auferstehung Gegenwart" werden. Im Sinne einer präsentischen Eschatologie führt so das Hören vom Kreuz dazu, "das Kreuz Christi als das eigene (zu) übernehmen". Damit wird, ganz i.S. der für Bultmann so zentralen "Krises", eine ethisch motivierte Glaubensentscheidung gefordert, die sich im Handeln in der Welt manifestiert.

Tillich sieht das Kreuz als "Symbol und Ereignis... und Teil eines Mythos". Im Glauben an die Auferstehung des Christus begründet sich die "Gewissheit, dass der Christus über die existentielle Entfremdung... triumphiert". Damit interpretiert Tillich das Symbol von Tod und vor allem Auferstehung als aktuelle Veränderung meines Seins, indem es mir Anteil gibt am Sieg über die "Entfremdung und ihre letzte Konsequenz, den Tod". Damit liegt m.E. die Betonung auf der seelsorgerlichen Komponente.

 

"Passion und Ostern" und die religiöse Entwicklung der Kinder

Das Thema "Passion und Ostern" ist in seinem vollen Umfang sicher nicht für Kinder in der 3. Grundschulklasse zu bearbeiten. Viele theologische und historische Zusammenhänge können noch nicht in hinreichendem Umfang vermittelt werden. Es gilt daher eine angemessene Auswahl zu treffen.

Bei Kindern im Alter von acht bis neun Jahren überwiegt noch ein fast "magisch" zu nennendes Verständnis von Religion. Es gilt daher zu beachten, da nicht etwa ein Glaube bei den Kindern gefestigt wird, der später der eigenen Überprüfung nicht standhält. Dies kann m.E. vermieden werden, indem die vorliegenden Texte auf die Grunderfahrungen der Kinder bezogen und dadurch existentiell bearbeitet werden.

 

Die Unterrichtseinheit im Überblick

Diese Unterrichtseinheit soll es den Kindern ermöglichen,

  • die biblischen Geschichten von der Passion und Ostern - in Grundzügen - als Grundlage des christlichen Glaubens kennenzulernen,
  • die menschlichen Grundsituationen, wie z.B. Angst, Verlassenheit, Traurigkeit am Beispiel Jesu und der Jünger in ihrem eigenen Leben aufzuspüren und zu artikulieren,
  • zu erkennen, dass die Osterbotschaft das Leben der resignierten Jünger entscheidend verändert und bis heute entscheidende Lebensveränderungen möglich macht,
  • den Weg zum Kreuz kreativ zu gestalten
  • die Stationen der Leidensgeschichte mit Symbolen in Beziehung zu setzen.

Als "roter Faden" wird diese Unterrichtseinheit deshalb die Gestaltung eines "Kreuzweges" begleiten, den die Schüler selbst aus verschiedensten Materialien in ihrem Klassenzimmer aufbauen. Jeder Unterrichtsstunde ist ein Symbol zugeordnet, das dann als "Wegstation" die Schüler greift- und sichtbar bis zu den Osterferien begleitet. Dieses Wegmodell wird als kreatives Zusatzangebot im Rahmen der Arbeit am Wochenplan den Religionsunterricht erweitern. Die Geschichten sollen z.T. aus der Perspektive eines Jüngers erzählt werden, so dass den Kindern die Möglichkeit der Identifikation mit dem "Held" der Geschichte gegeben wird. Aus der Fülle der Passions- und Ostererzählungen gilt es, eine sinnvolle Auswahl zu treffen, damit der Umfang der Unterrichtseinheit nicht zu groß wird und die Einzelstunden nicht überfrachtet sind. Es ergibt sich so eine Planung über 8 - 10 Unterrichtsstunden, die folgende Schwerpunkte haben:

 

1. Stunde:
Verhältnis Juden - Römer zur Zeit Jesu. Die Schüler erhalten Informationen zur historischen Situation in Palästina.

 

2. Stunde:
Die Heilung der gekrümmten Frau. Am Beispiel dieser Sabbatheilung erfahren die Kinder, dass Jesus auch bei den Juden umstritten ist.

 

3. Stunde:
Einzug in Jerusalem. Jesus ist ein anderer König als erwartet. Symbol: Palmwedel und/oder Gewand.

 

4. Stunde:
Das Abendmahl. Bei gemeinsamen Essen erfahren die Kinder etwas von der Gemeinschaft zwischen Jesus und seinen Jüngern. Symbol: Brot und Kelch.

 

5. Stunde:
Im Garten Gethsemane und Gefangennahme. Vom Umgang mit Angst und Verlassenheit als menschliche Grunderfahrung am Beispiel Jesu im Unterschied zu seinen Jüngern. Symbol: Strick/Fessel.

 

6. Stunde:
Verleugnung des Petrus. Eine Freundschaft wird von außen bedroht. Der Gewissenskonflikt des Petrus in seiner Hilflosigkeit und Angst soll nachempfunden werden und mit eigenen Erlebnissen konkret werden. Symbol: Hahn.

 

7. Stunde:
Verurteilung und Tod Jesu. Die Resignation und Trauer der Jünger über den Tod Jesu. Symbol: Dornenkrone und Kreuz.

 

8. Stunde:
Am Ostermorgen. Verwandlung von Dunkelheit in Licht: neue Hoffnung. Symbol: Osterkerze.

 

9.Stunde:
Der Auferstandene erscheint seinen Jüngern. Der Weg mit Jesus geht weiter.

 

10. Stunde:
Osterbrauchtum und sein Symbolgehalt in Verbindung zum christlichen Fest. Der hier vorgelegte Entwurf bezieht sich auf die 6. Stunde der Einheit.

 

Sachanalyse zum Thema "Verleugnung des Petrus"

Exegetische Überlegungen

Die Verleugnung des Petrus wird in allen vier Evangelien erzählt, jeweils mit unterschiedlichem Schwerpunkt.

Im Folgenden werde ich vornehmlich auf die MK Fassung eingehen, die als Vorlage für die anderen Evangelien gilt. Die Perikope von der Verleugnung des Petrus Mk 14, 66-72 par hat eine Vorgeschichte in Mk 14, 26-31. Auch Mk 14, 54 als Ortsangabe der Handlung muss dazugenommen werden.

Die Ankündigung der Verleugnung (Mk 14, 26-31) steht als Bindeglied zwischen dem letzten Mahl Jesu mit den Jüngern und der Szene in Gethsemane. Jesus prophezeit allen Jüngern, dass sie zur Sünde verleitet oder abfallen werden.

Petrus widerspricht dieser Ankündigung (v 29). Als Jesus sie noch schärfer - "noch heute, noch diese Nacht, ehe der Hahn kräht, wirst du mich verleugnen" () - wiederholt, beteuert er seine Treue bis in den Tod.

Auch die anderen Jünger stimmen in dieses Versprechen ein, auch sie werden daran scheitern. Wenn hier Petrus als Spezialfall der Jünger hervorgehoben wird, so ist dies vielleicht schon ein Indiz für die beginnende Vereinzelung der Jünger, - "allein gehen sie in die Passion und werden sie nicht bestehen".

Das zweimalige Krähen des Hahnes ist nur bei Mk belegt. Es scheint mir fraglich, ob es zur ursprünglichen Textfassung gehört. Die Antwort auf diese Frage ist inhaltlich aber letztlich nur von untergeordneter Bedeutung.

Die Verleugnung selbst Mk 14, 66-72 steht zwischen den beiden Verhörszenen vor dem Hohen Rat 14, 53ff und vor Pilatus 15, 1ff. Die Perikope ist mehrgliedrig aufgebaut.

 

Verse 66-68: Petrus wird von einer Magd als Begleiter Jesu angesprochen. Er entzieht sich ihrer Frage, indem er vorgibt, nicht zu verstehen, was sie meint, und wechselt seinen Platz, vermutlich um weiteren unbequemen Fragen zu entgehen.

Im Text wird bereits diese ausweichende Antwort als "leugnen" bezeichnet. Natürlich hat Petrus die Magd verstanden; aber er versucht, sich möglichst unauffällig dieser unangenehmen Situation zu entziehen, indem er vorgibt, nichts mit ihr zu tun zu haben.

 

Verse 69-70a: Dieselbe Magd wiederholt ihre Vermutung über Petrus gegenüber den Dabeistehenden. Damit bekommt ihre Behauptung sozusagen Öffentlichkeitscharakter, und Petrus sieht sich genötigt, erneut seine Verbindung zu Jesus abzustreiten.

 

Verse 70b-71: Doch es gelingt ihm nicht, den Verdacht gegen seine Person zu zerstreuen. Denn wenig später konfrontieren ihn mehrere Leute mit ihrer Überzeugung, er sei einer "von ihnen". Petrus reagiert diesmal nicht mit Leugnen, sondern er beginnt zu fluchen und zu schwören, dass er den, von dem geredet wird, nicht kenne. Dabei erwähnt Petrus zwar nicht den Namen Jesu, aber er benutzt die "übliche Formel, mit der man sich von jemandem lossagt".

 

Vers 72: Der Hahnenschrei wirkt wie der Weckruf am frühen Morgen: Petrus erinnert sich an Jesu Vorhersage und beginnt zu weinen.

Die Verleugnungsszene ist in vier Teile gegliedert, die sich steigern und in der Verfluchung ihren Höhepunkt finden. Am Schluss setzt Petrus sein Verhalten mit der Ankündigung Jesu in Verbindung und beginnt deshalb zu weinen.

Die Verleugnung des Petrus ist eng verknüpft mit dem Verhör Jesu vor dem Hohen Rat (14, 53ff). Es scheint, als solle hier der direkte Kontrast gebildet werden: "Während Jesus sich so in der Versuchung bewährt", scheitert Petrus an seinen eigenen Vorsätzen. Jesus, der gerade in Gethsemane noch unsicher war, ist jetzt standhaft. Petrus, gerade noch so selbstsicher, ist jetzt unsicher und verzweifelt.

Zur Deutung der Verleugnungsszene gibt es grundsätzlich mehrere Möglichkeiten:

 

Die historische Deutung:

  1.  Die Bedeutung dieser Szene liegt in der nachösterlichen Berufung des Petrus zum Leiter der Kirche, die erst hier abgeschlossen wird.
    Dagegen spricht jedoch m.E. die exponierte Stellung zwischen den Verhören, die auf eine weitere Bedeutung als eine singuläre historische Erzählung schließen läßt. Zudem sind in 14, 27ff auch die anderen Jünger mit im Blick, Petrus gilt als Exempel.
  2. Petrus ist ein Beispiel für das Verhalten der Kirche in der Anfechtung. Wegen "seiner Vorrangstellung" in der Gemeinde wird an ihm das Exempel statuiert, aus dem die Gemeinde Trost schöpfen kann. Vielleicht droht der Gemeinde eine Verfolgung, auf die sie vorbereitet werden muss.
    Diese Deutung bestätigen m.E. viele Aspekte der exegetischen Analyse.

 

Die existentiale Deutung:

  1. In der Ankündigung ist Petrus so überzeugt davon, den richtigen, festen Glauben zu haben, dass er nicht mehr glauben konnte. Er meint quasi, ihn unverlierbar zu besitzen. Er muss aber erfahren, dass es Glauben ohne Rückschläge und Zweifel nicht gibt.
    Die spätere Gemeinde als Nachfolgerin der "Jünger" (14,27) muss diese Erfahrung auch gemacht haben, etwa in einer Verfolgungssituation. Die Gemeinde kennt die "Glaubenserfahrung des Versagens", d.h. die Erfahrung, dass Glauben nie ein fester Besitz ist.
  2. Das Versagen des Petrus kann auch verstanden werden als ein "Exempel für menschliche Untreue gegenüber Gott". Petrus ist ein "warnendes Beispiel". "Wir leben aus der Gnade des Herrn. Die soll uns nicht feige werden lassen, sondern gerade die Furcht und Feigheit vor der Kreuzesnachfolge nehmen."

 

Fazit:

Der Text ist vielschichtig und kann hier nicht in seinem ganzen Bedeutungsspektrum behandelt werden.

Die Begriffe "Verleugnen" und "Bekennen" sind außer in der Theologie auch in der Justiz feststehende Termini. Es geht in beiden Fällen um eine Schuld, zu der man sich bekennt oder die man leugnet. Als dritter Bereich ist das "innere Gericht", auch "Über-Ich" oder "Gewissen" zu nennen.

Die Verleugnung des Petrus findet im dreifachen Sinne statt:

a) Vor dem Gericht der Öffentlichkeit fehlt ihm der Mut, seine Zugehörigkeit zu Jesus offen zuzugeben. Er befürchtet eine Verurteilung oder Bestrafung aufgrund bestehender Normen und Meinungen der Mehrheit.

b) Vor sich selbst verleugnet sich Petrus, weil er nicht zu seiner Überzeugung steht. Dafür verurteilt er sich selbst, sein "schlechtes Gewissen" äußert sich im Weinen.

c) Schließlich bekennt er sich nicht zu Jesus und sagt sich damit von ihm und von Gott los. Gerade hierfür wird aber keine Verurteilung berichtet. Trotz dieses Versagens bleibt Petrus der "Fels" der Kirche. Gott richtet nicht über Petrus aufgrund seiner Bekenntnisverweigerung. So gilt schon hier das reformatorische "simul iustus et peccator", das jeden Menschen in seiner Sündhaftigkeit als von Gott angenommen weiß.

Stellt man nun die Frage nach dem Sinn des Bekenntnisses, so sei hier nur kurz an unsere jüngere Geschichte erinnert. Denn sowohl die Mitglieder der "Bekennenden Kirche" im Dritten Reich wie auch die Christen in der damaligen DDR standen immer wieder vor der Entscheidung, zu bekennen oder zu verleugnen. Der Blick in die Kirchengeschichte hat gezeigt, dass Kirche immer wieder auf Konfrontationskurs gehen muss, wenn sie sich nicht selbst aufgeben will. Doch lässt sich daraus keine Pflicht zum Martyrium ableiten, denn dabei würde letztlich das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit aufgegeben.

So fordert zwar Gottes ein eingeschränktes JA zu uns Menschen unser JA, unser Bekenntnis als Antwort heraus. Doch können wir unsere Antwort immer nur im Rahmen unserer menschlichen Möglichkeiten geben, und d.h. nur unvollkommen, mit Fehlern und Schwächen. Die freie Verantwortung beruht also "auf einem Gott, der das freie Glaubenswagnis verantwortlicher Tat fordert und der dem, der darüber zum Sünder wird, Vergebung und Trost zuspricht."

 

Entfremdung

Einer der Hauptbegriffe Tillichs ist die Entfremdung. Er bezeichnet damit den Widerspruch zwischen Esssenz und Existenz des Menschen, also zwischen dem, was er sein könnte bzw. sollte, und dem, was er ist. Der persönliche Entscheidungscharakter zur Entfremdung des Menschen wird durch die Sünde zum Ausdruck gebracht: Die Sünde ist "das persönlich-aktive sich Wegwenden von dem, wozu man gehört."

Nach diesem Verständnis "sündigt" Petrus, weil er sich von Jesus abwendet, zu dem er existentiell gehört, dadurch fällt er aus dem Glauben und der Liebe, die das Gegenteil der Entfremdung sind. Petrus erkennt seine Sünde/Entfremdung, als der Hahn ruft. Das Weinen drückt seine starke Gefühlsbewegung aus. Es ist nach Tillich Ausdruck der Selbstzerstörung, die bei der Bewusstwerdung der Entfremdung einsetzt. Es sei denn, s gibt eine "erlösende Macht". In der Verleugnungsszene ist die erlösende Macht gleichzusetzen mit dem Wort Christi, an das Petrus sich beim Hahnenschrei erinnert.

M.E. ist das Weinen des Petrus nicht nur ein Zeichen für die Erkenntnis der Sünde, sondern bereits für die - durch die Erinnerung gewirkte - Erlösung davon. Sündenerkenntnis und Sündenerlösung sind in ihrer Ambivalenz typisch für die menschliche Existenz und ihre Entfremdung: "Jeder Mensch stellt sich gegen sein telos, das "Ewige Leben", während er zugleich nach ihm strebt. Tillichs Gedanke der "Entfremdung" ist zwar theologisch und philosophisch sehr komplex, trifft aber sowohl die Verleugnung des Petrus als auch das Erleben der Menschen.

Jeder Mensch stellt immer wieder fest, dass er anders handelt, als er sollte und wollte, und dass er damit seine eigenen Überzeugungen verleugnet. Und doch spricht Gott ihm immer wieder Vergebung zu, die eine neue Chance eröffnet.

 

Didaktische Überlegungen

Die Sachanalyse der Verleugnungsszene hat deutlich gemacht, dass für den Religionsunterricht gerade der existentielle Aspekt dieses Textes von Bedeutung ist. So lässt sich hier ganz konkret die Frage herausarbeiten: wie glaubhaft und konsequent trete ich für meine Überzeugungen ein? Wo entziehe ich mich meiner Verantwortung für eine Sache oder einen Menschen, die mir im Grunde wichtig sind, weil es mit Gefahr oder Verachtung für meine eigene Person verknüpft ist?

Diese menschliche Schwäche wird hier exemplarisch an Petrus als einem der treuesten Jünger Jesu aufgezeigt.

Sehr wichtig ist m.E. auch der in den systematisch-theologischen Überlegungen herausgearbeitete Aspekt der Vergebung und der bedingungslosen Annahme Gottes. Doch würde es sicher zu einer Überfrachtung dieser Stunde führen, wenn auch dieser Gesichtspunkt thematisiert würde. Denn er ist anhand dieser Erzählung für die Kinder nicht greifbar. Erst im weiteren Kontext der Erscheinungen des Auferstandenen vor seinen Jüngern, Joh 21, wird dieses Thema dann vertieft.

Gerade im Grundschulalter ist für die Kinder die Freundschaft zu Gleichaltrigen sehr wichtig. Hier findet ein erster Schritt in Richtung auf die Selbständigkeit und die Außenorientierung über die Grenzen der Familie hinaus statt. Der beste Freund oder die beste Freundin haben einen hohen Stellenwert im Erleben der Kinder. Absolute Loyalität und Hingabe sind gefordert.

Und doch kennen die Kinder sicher das Gefühl, wenn ihre Treue zum Freund oder zur Freundin nicht mehr trägt und sie plötzlich ein Versprechen nicht mehr einhalten können.

 

Schwerpunkt der Unterrichtsstunde

Aus den genannten Gründen trifft die Verleugnung des Petrus den Erfahrungsbereich der Kinder. Zwar werden sie nicht für abstraktes "intellektuelles Bekenntnis" eintreten, aber das Verhältnis zu einem Freund ist für sie sehr gut nachvollziehbar. Sie können nachempfinden, wie es jemandem geht, der aus Angst oder Feigheit vor anderen einen Freund im Stich lässt. Ein Schwerpunkt dieser Stunde soll daher ein kurzes Rollenspiel sein, in dem die Kinder sich spielerisch in die Lage des Petrus hineinversetzen und selbst vor der Entscheidung stehen, ob sie zu ihrem Freund Jesus halten oder nicht.

Ein weiterer Schwerpunkt dieser Stunde wird außerdem bei dem Transfer auf die eigene Existenz der Kinder liegen. Der exemplarische Charakter der Erzählung ist zu verdeutlichen, um den Kindern eine Aktualisierung für die eigene Wirklichkeit zu ermöglichen.

Das Symbol dieser Stunde, der Hahn, erinnert Petrus in dieser Szene an sein Versprechen von Treue und Freundschaft, das er Jesus gegeben und nun gebrochen hat. Die ganze Bedeutungsfülle dieses Symbols würde die Kinder sicher überfordern. Die Gestaltung des Hahnes aus Knete kann im Rahmen des Wochenplanes erfolgen. Dort wird es auch die Möglichkeit geben, dass die Kinder sich über das Symbol informieren.

 

Lernziele

Die Unterrichtsstunde soll den SchülerInnen die Möglichkeit geben, mit der Erzählung von der Verleugnung des Petrus

  • eine weitere Station auf dem Leidensweg Jesu kennenzulernen,
  • sich mit der Rolle des Petrus spielerisch auseinanderzusetzen,
  • sein Verhalten nachzuempfinden und
  • evtl. auf eigene Erlebnisse und Erfahrungen zu übertragen

 

Methodische Überlegungen

Der Text der Ankündigung der Verleugnung sollte bereits im Zusammenhang mit der 4. Stunde der Einheit "Das Abendmahl" eingeführt worden sein.

Da Schülerinnen und Schüler dieses Alters einen großen Drang nach Aktivität haben, ist es wichtig, dass die Kinder sich spielerisch-kreativ an der Stunde beteiligen können. Hierfür bietet sich ein kurzes Rollenspiel in Kleingruppen an.

Der Transfer auf die eigene Erlebniswelt ist für die Kinder dann im Unterrichtsgespräch möglich. Sollte dieses Aufgabe von den Kindern nicht angemessen bearbeitet werden können, gibt es die Möglichkeit, anhand eines Arbeitsblattes die Verleugnungsszene nachzuerzählen.

Die Rolle als Unterrichtende sehe ich in dieser Stunde schwerpunktmäßig in der Funktion der Beraterin, die den Kindern Impulse und, wo nötig, Hilfestellungen gibt.

 

Methoden und Medien im Überblick

Der Sitzkreis
Die Begrüßung und der Einstieg im Sitzkreis ist schon beinahe ein Ritual des Religionsunterrichts. Oft wird eine kurze Wiederholung der vergangenen Stunde mit der Schülerkette oder der rundlaufenden Wortmeldung durchgeführt. So hat jedes Kind schon zu Beginn der Stunde einmal die Möglichkeit, sich mündlich zu äußern.

Auch für die Erzählung ist diese Sitzordnung ideal, da es mir als Unterrichtende so möglich ist, zu allen Kindern Blickkontakt zu haben. Die Nähe zwischen Erzählerin und Hörern schafft eine sehr intensive, dichte Atmosphäre, da die Kinder mit in das Geschehen hineingezogen werden können. Zudem ist es einfacher, im Sitzkreis eventuelle Unruhe oder Missverständnisse zu bemerken und auszuräumen.
 

Erzählung mit Darstellung auf dem Overheadprojektor
Die Erzählung sollte immer möglichst frei und lebendig vorgetragen sein, damit die Kinder sich auf die Geschichte gut einlassen. Zur Förderung der Aufmerksamkeit und Konzentration der Kinder bietet sich ein einfaches Figurentheater auf dem OHP an. Die klaren Figuren, die den Darstellungen von K. de Koort nachempfunden sind, machen die Geschichte für die Kinder sichtbar, lassen aber noch genügend Raum für die eigene Phantasie. Die verschiebbaren Teile ermöglichen sparsame Bewegungen, die die Kinder faszinieren.

Die Zäsur in der Erzählung nach Vers 67 soll den Kindern Gelegenheit geben, eigene Vorstellungen zu entwickeln und zu äußern.
 

Rollenspiel in Kleingruppen
Das Rollenspiel als Zäsur in der Erzählung ermöglicht den Kindern die Partizipation am Geschehen. Durch das eigene Agieren können die Kinder sich spielerisch in die Lage des Petrus hineinversetzen und nach Handlungsalternativen suchen. Durch die Arbeit in Kleingruppen sind alle Kinder beteiligt, also auch die stilleren und schwächeren, die in der szenischen Darstellung ebenfalls eine Rolle übernehmen können. Außerdem gibt die Gruppenarbeit die Chance, dass verschiedene Problemlösungen artikuliert werden.

 
Unterrichtsgespräch

Im gelenkten Unterrichtsgespräch sollen die Kinder die Möglichkeit bekommen, eigene Erlebnisse zum Thema "Im-Stich-lassen" einzubringen. Da die Klasse sehr gern erzählt, kann dieser Transferversuch gelingen. Sollte wider Erwarten keine Rückmeldung von den Kindern kommen, - vielleicht aus Scheu, dieses Thema in der Großgruppe anzusprechen -, besteht die Möglichkeit, mit einem Arbeitsblatt weiterzuarbeiten.
 

Arbeitsblatt
In diesem Fall kann jedes Kind in Einzelarbeit am Arbeitsblatt die Verleugnungsszene nacherzählen. Dabei sollen die Figuren, die vom OHP-Theater her bekannt sind, mit "Sprechblasen" versehen werden. Das Medium der "Sprechblasen" ist bei den Kindern durch die Comics eingeführt und beliebt. Außerdem besteht parallel die Möglichkeit, durch sog. "Denkblasen" auch innere Vorgänge der handelnden Personen sichtbar zu machen. Diese Phase soll in Einzelarbeit erledigt werden, damit jedes Kind die Geschichte nochmals überdenken und ganz individuelle Akzente setzen kann.

Als Differenzierung für die Schnellen ist das Anmalen des Arbeitsblattes möglich.

 

M 1
Erzählvorlage zu Mk 14, 66-72 M 1

Jesus ist gefangengenommen und wird von den Wachen in den Palast des Hohenpriesters gebracht. Petrus sieht das und folgt ihnen in ganz kurzem Abstand. Petrus ist mutig: Er hängt sich an sie, als gehöre er dazu, und geht mit durch das Tor in den Innenhof im Palast des Hohepriestrs. Dort ist ein Feuer, und die Bewaffneten und ein paar Mägde stehen am Feuer und wärmen sich. Die Nacht ist kalt.

Plötzlich sieht eine von den Mägden Petrus an und sagt zu ihm: "Du bist doch auch bei diesem Nazarener gewesen, diesem Jesus!" Petrus aber schüttelt den Kopf und sagt: "Ich weiß nicht! Ich verstehe nicht, was du sagst.!" Aber nun geht er doch lieber hinaus in den Vorhof, aber die Magd folgt ihm und fängt wieder an und sagt zu den Herumstehenden: "Der da gehört auch zu denen!" - "Nein, das ist nicht wahr!", sagt Petrus.

Wenig später sagen die anderen zu ihm: "Doch, jetzt hast du dich verraten! Deine Sprache verrät dich: Du sprichst wie einer, der aus Galiläa kommt." Da fängt Petrus an, zu schwören und sich zu verfluchen: "Ich will verdammt sein, wenn ich lüge! Ich kenne diesen Menschen überhaupt nicht! Ich habe ihn nie in meinem Leben gesehen!"

Kaum hat Petrus das gesagt, als er plötzlich einen Hahn krähen hört. Im gleichen Augenblick fällt ihm ein, was Jesus am letzten Tag zu ihm gesagt hat: "Petrus, du wirst mich verleugnen! Noch bevor der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen". Petrus ist entsetzt, er hatte doch versprochen, zu Jesus zu halten, egal was passiert. Und was hatte er jetzt getan? Petrus kann sein Gesicht nicht mehr beherrschen, er bricht in Tränen aus und dreht sich schnell um und geht hinaus. Und draußen läuft er davon, nur weg von hier, so weit wie möglich!

 

Lern-
schritt

Inhalt

Medium

Methode

Lehrer-
verhalten

Schüler-
verhalten

Be-
merkungen

Einstieg/
Wieder-
holung


 

Erinnerung an
Peters/
Hahn

 





 

Sitzkreis



 

gibt Impuls



 

sammeln ihr
Wissen



 





 

Er-
arbeitung I




 

Erzählung mit OHP
Mk 14,
66f.


 

OHP,
Folien,
Lein
wand


 

Sitzkreis




 

erzählt und
bedient den
OHP



 

hören und
schauen zu




 






 

Vertiefung

 

Wie verhält sich Petrus?
 



 

Rollenspiel
in Gruppen

 

gibt Anleitung

 

sammeln Ideen
in Gruppen

 



 

Sicherung


 

Vorspielen
der 
Ergebnisse

 




 

Plenum


 

leitet an,

Rückmeldung

 

spielen vor,
schauen zu


 




 

Er-
arbeitung 2





 

Fort-
setzung
der 
Erzählung
Mk 14, 
68ff.

 

OHP,
Folien,
Lein-
wand



 

Sitzkreis





 

erzählt und
bedient den
OHP




 

hören und
schauen zu





 







 

Transfer


 

Er-
fahrungen
der Kinder

 




 

Plenum,
Unter-
richts-
gespräch

moderiert


 

erzählen


 




 

Sicherung


 

Nacher-
zählung in
Comic-
Form

Arbeits-
blatt


 

Einzel-
arbeit


 

leitet an


 

schreiben und
Sprech- und
Denk-
blasen


 

 

 

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/1994

PDF