Viele Menschen verspüren in ihrem Leben den Drang, eine bestimmte Lebensaufgabe zu erfüllen. Sie folgen damit einer Berufung. Zunächst verbindet man mit diesem Begriff religiöse Hintergründe. So sprechen z.B. Religionsstifter von ihrer Berufung. Auch die Bibel ist voll von Berufungsgeschichten. Viele dieser Geschichten wurden verfilmt, u.a. in der Reihe „Die Bibel“. Über diese rein religiöse Dimension hinaus gibt es auch Menschen, die in ihrem Beruf ihre Berufung sehen oder die einem inneren Impuls, einem Auftrag folgen und darin ihre Erfüllung finden. Die folgenden Filmvorschläge befassen sich mit Lebensgeschichten, die anregen, sich mit eigenen Handlungsmotivationen und Lebenszielen auseinanderzusetzen.
Mein Traumberuf: Bestatter
Frank Drescher, Eduard Erne, Deutschland 2005
29 Min., Dokumentarfilm
FSK Lehrprogramm gemäß §14 JuSchG
Geeignet ab 14 Jahren
Der Film porträtiert drei junge Menschen, zwei Männer und eine Frau, während ihrer Ausbildung für ihren Traumberuf des Bestatters bzw. der Bestatterin. Sie leben und arbeiten in einer Welt, die den Tod verdrängt. Längst beschränkt sich der Beruf des Bestatters nicht mehr auf das Verkaufen von Särgen oder das Schaufeln von Gräbern. Bestatter sind Floristen und Trauerpsychologen, Drucker und Dekorateure, Gärtner und Einzelhändler. Dienstleistung ist gefragt.
In dem Film kommen die hochengagierten jungen Menschen viel selbst zu Wort und sprechen daher insbesondere Jugendliche im vergleichbaren Alter an. Durch die Reflexion dessen, was die Auszubildenden erleben und was ihnen dieser Beruf bedeutet, erfahren die Zuschauenden hautnah, wie sich berufliche Identität entwickeln kann, wie ein Beruf sozusagen zur Berufung wird.
An dieser Stelle möchte ich auf das Cross-Media-Projekt für den Religionsunterricht an Berufsbildenden Schulen von Andreas Obermann (BIBOR, Bonner evangelisches Institut für berufsorientierte Religionspädagogik) und Andreas Ziemer (Pädagogisch-Theologisches Institut der EKM und EKA) hinweisen: Unter dem Titel „Woran du dein Herz hängst“ erzählen sich Auszubildende einer bestimmten Berufsgruppe (u.a. Friseurin, Fleischer, Erzieherin, Optiker, Landwirt) in jeweils ca. zehnminütigen Filmclips, warum sie diesen Beruf gewählt haben und nicht einen anderen. In den Gesprächen geht es um Erfüllung, Sinnsuche, Glück, Lebensplanung, Übergänge.
Auf der Website des Projektes unter http://
woran-du-dein-herz-haengst.de können die Clips, die Gesprächsmanuskripte sowie didaktisches Material heruntergeladen werden. Ein Beispiel für den Einsatz des Cross-Media-Projektes finden Sie im Artikel „Berufe – Impulse für einen Nachmittag mit Seniorinnen und Senioren“ auf Seite 47 in diesem Heft.
Aleyna – Little Miss Neukölln
Stephan Altrichter, Deutschland 2010
15 Min., Dokumentation, FSK 0
Auszeichnungen: Robert-Geisendörfer-Preis, 27. Internationales Kurzfilmfestival Berlin 2011
Publikumspreis: Flensburger Kurzfilmtage 2011
Die Dokumentation ist in der Sendereihe „stark!“ erschienen. Thema der Reihe sind Kinder bzw. Jugendliche im Pubertätsalter, die sich Herausforderungen stellen, um ihre Träume zu verwirklichen.
Aleyna ist elf, Türkin und wohnt in Neukölln – ein ganz normales Mädchen, das selbstbewusst ist und weiß, was sie will. Sie wird zwar in der Schule oft gehänselt wegen ihrer „Dicklichkeit“, wie sie es nennt, doch ihr großer Traum ist es, Bollywoodtänzerin zu werden, und davon lässt sie sich nicht abhalten. Durch das Projekt „Neuköllner Talente“ erhält sie die Möglichkeit, mit einem Tanz aufzutreten. Sie will ihre „Nervösigkeit“ überwinden und es allen bei ihrem ersten großen Auftritt zeigen. – Der Film dokumentiert Aleyna von ihrer Entscheidungsfindung bis zum eigentlichen Auftritt.
Zum Ende des Films lacht Aleyna, Blumen in der Hand, in die Kamera. Sie hat es geschafft. Dies könnte ein Anlass sein, sich mit eigenen Träumen und deren Verwirklichung zu beschäftigen, z. B. mittels einer Zukunftswerkstatt, in der in Kleingruppen die Zukunft geplant wird. Dabei bietet sich die Walt-Disney-Methode an (Beschreibung im Internet, z. B. bei Wikipedia).
Geeignet ist der Film ab zehn Jahren für die Jahrgangsstufen 5-9 aller Schulformen.
Sehenswerte Filmproduktionen mit einer ähnlichen Thematik sind „Billy Elliot – I will dance“ (Spielfilm von Stephen Daldry aus dem Jahr 2000; 112 Min.) und „Adrian will tanzen – Ein Junge und seine Liebe zum Ballett“ (Dokumentation von Manuell Fenn aus dem Jahr 2004; 29 Min.).
Gott segne unseren Überfall
Martin Buchholz, Deutschland 2003
30 Min., Dokumentation, FSK 12
Auszeichnung: Deutscher Menschenrechts-Filmpreis 2004 (Langfassung)
Holland im Zweiten Weltkrieg: Erst sprachen sie ein Gebet, dann überfielen sie deutsche Behörden. Martin Buchholz porträtiert in seiner Dokumentation die ehemalige niederländische Widerstandskämpferin Diet Eman. Gemeinsam mit ihrem Verlobten Hein Sietsma und weiteren Mitkämpfern versteckte sie Juden bei Bauern auf dem Lande. Im Laufe der Zeit wurde es immer schwieriger, die Untergetauchten mit Lebensmitteln und Papieren zu versorgen. Die Mitglieder der Gruppe sahen sich daher genötigt, bewaffnete Raubüberfälle auf nationalsozialistische Amtsstellen zu unternehmen; nur so konnten sie an die überlebenswichtigen Dinge herankommen. Dabei gerieten sie auch ins Visier der Gestapo. Hein Sietsma wurde verhaftet und starb kurz vor Kriegsende im KZ Dachau. Diet Eman überlebte nur knapp, siedelte dauerhaft in die USA über. Erst Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts war sie in der Lage, über ihre traumatischen Erlebnisse zu berichten.
In den authentischen Interviews wird sehr deutlich, dass Diet Eman sich als gläubige Christin dazu berufen fühlte, den in Not geratenen jüdischen Menschen zu helfen.
Der Film ist geeignet ab 14 Jahren und bietet sich an für Sek I und Sek II, aber auch für die Ju-gendarbeit und in der Erwachsenenbildung.
Sores & Sîrîn
Katrin Gebbe, Deutschland, 2008
Kurzspielfilm, 23 Minuten
FSK: Lehrprogramm gemäß §14 JuSchG
Geeignet ab 14 Jahren
Die Geschwister Sores und Sîrîn sind vor sechs Jahren als Kinder aus dem Irak geflüchtet und haben ein neues Zuhause bei einer Pflegemutter in Deutschland gefunden. Während das Mädchen Sîrîn sich gut in ihre neue Umgebung integriert hat, hadert ihr Bruder Sores mit seinem Schicksal. Er ist es auch, der dem Großvater im Irak schreibt und ihn bittet, sie nach Hause zu holen. Die Pflegemutter fällt aus allen Wolken, als eines Tages ein fremder Mann vor ihrer Tür steht, der ihre Pflegekinder in ein weit entferntes Land mitnehmen möchte. Dem Großvater kommt jetzt eine besondere Rolle zu: Zum einen der Pflegemutter dafür zu danken, dass sie sich um seine Enkel gekümmert hat. Dies geschieht in Form einer schweren Goldkette. Zum anderen überreicht er seinem Enkelsohn einen Dolch als Zeichen der Übernahme von Familientradition und Verantwortung als neues Familienoberhaupt. Seiner Enkeltochter gibt er das Kopftuch ihrer Mutter – auch dies ein Zeichen dafür, die Traditionen zu wahren. Das Ende des Films zeigt, wie sein Enkelsohn seine neue Verantwortung einsetzt und seiner Schwester als Familienoberhaupt „erlaubt“, bei der Pflegemutter in Deutschland zu bleiben, während er selbst mit dem Großvater zurück in den Irak fährt.
Am Beispiel der Geschwister wird im Film dargestellt, dass Menschen sich auch bei gleichen Ausgangssituationen durchaus zu anderen Lebenswegen „berufen“ fühlen können. Die Entscheidungen der beiden Geschwister werden dabei nicht als „richtig“ oder „falsch“ bewertet. Die Tragweite ihrer unterschiedlichen Berufungen, nämlich die Trennung der Geschwister und das Weiterleben in unterschiedlichen Kulturkreisen, macht exemplarisch deutlich, dass Entscheidungen Konsequenzen hervorrufen.
Malala – Ihr Recht auf Bildung
Davis Guggenheim, USA 2015
87 Min., Dokumentarfilm; FSK 6
Geeignet ab 14 Jahren
Portrait der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai. – Malalas Heimat ist das Swat-Tal im Nordwesten Pakistans. Sie ist zehn Jahre alt, als die islamistischen Taliban dort die Macht übernehmen und mit Gewalt den Menschen ihre strengen Regeln aufzwingen. Sie wollen einen Gottesstaat errichten, die Scharia einführen. Über den alltäglichen Terror unter dem Regime schreibt die Schülerin Malala einen Blog für den urdu-sprachigen Dienst der britischen BBC. Sie und ihr Vater, ein Schuldirektor, geraten schnell in den Fokus der Taliban, weil sie sich für das Recht auf Bildung für Mädchen einsetzen. Malala wird auf dem Weg nach Hause in ihrem Schulbus durch einen Schuss in den Kopf schwer verletzt. Mit viel Geduld kämpft sie sich zurück ins Leben und ist jetzt als Mitgründerin des Malala-Fund eine global agierende Aktivistin für das Recht von Mädchen auf Bildung.
Der Film erlaubt einen umfassenden Einblick in das Leben dieses außergewöhnlichen jungen Mädchens – von der engen Beziehung zu ihrem Vater, der ihre Leidenschaft für Bildung entfacht hat, über ihre mitreißenden Reden vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen, bis zu ihrem Alltag mit ihren Eltern und Brüdern.
The Danish Girl
Tom Hooper, Belgien/Dänemark/Deutschland/Großbritannien/USA 2015
115 Min., Spielfilm, FSK 6
Geeignet ab 14 Jahren
Kopenhagen in den 1920er Jahren: Auf der Suche nach neuer Inspiration bittet die Malerin Gerda ihren Mann Einar, der ebenfalls Künstler ist, ihr in Frauenkleidern Modell zu sitzen. Das Ergebnis ist bemerkenswert, die Portraits finden großen Anklang. Es scheint, als ob Gerda endlich die Muse gefunden hat, die sie zu wahrer Meisterleistung inspiriert. So lassen sich die beiden immer häufiger auf dieses Rollenspiel ein. Eine Erfahrung, bei der Einar seine weibliche Seele entdeckt und immer stärker den Wunsch verspürt, vollständig als Frau leben zu können. Ermöglicht durch die bedingungslose Liebe seiner Frau kämpft Einar darum, ihre wahre Identität als Transgender-Pionierin Lili Elbe ausleben zu dürfen.
The Danish Girl ist eine Transgender-Geschichte, die allerdings in einer Zeit spielt, in der es diesen Begriff noch gar nicht gab, in den 1920er Jahren des 20. Jahrhunderts. Der Film handelt von der Sehnsucht eines Mannes nach einem anderen Körper; diese Neigung kann man auch als Einars Berufung sehen. Er zeigt einfühlsam Einars Phasen seiner Entdeckung, seiner Verunsicherung, seines wachsenden Selbstbewusstseins und seiner Verletzlichkeit. Der Film erzählt darüber hinaus aber auch von der Liebe einer Frau, die so groß ist, dass sie für diese Neigung sogar sein Verschwinden bedingungslos unterstützt.
Der Film ist geeignet ab 14 Jahren und ist in der Erwachsenenbildung, in der Gemeindearbeit sowie für den Unterricht in der Sekundarstufe II einsetzbar.