Reformation durchs Lied: gesungener Protest - Ein Entwurf für die Jahrgangsstufe 7 eines allgemeinbildenden Gymnasiums

Von Eva Gotthold

 

Dass bei der Ausbreitung der Reformation Luthers Schriften eine maßgebliche Rolle gespielt haben, ist allseits bekannt. Dass Luther jedoch auch Lieder dichtete und diese ein mindestens gleichbedeutendes Vehikel bei der Verbreitung des reformatorischen Gedankenguts waren, findet nur wenig Beachtung. Die Idee der hier vorgestellten Unterrichtsstunde ist es, den strukturellen Topos der Ausbreitung der Reformation mit dem biographischen Topos der Zentralstellung der Musik im Leben Luthers zu verknüpfen. Dadurch soll das Verständnis der Schülerinnen und Schüler sowohl für die Person Luthers und die Dynamik des Reformationsgeschehens also auch für die Zentralstellung des Liedes in der Kirche heute vertieft werden.


Der Kontext der Unterrichtsstunde

Die Stunde Reformation durchs Lied: gesungener Protest ist als Bestandteil einer Unterrichtseinheit mit dem Titel Von Paulus bis Luther konzipiert. Da die Stunde in sich geschlossen ist, ist sie nicht notwendig auf ihren ursprünglichen Unterrichtskontext angewiesen. Sie kann Baustein von anderen Unterrichtszusammenhängen sein, die sich mit Luther und der Reformation beschäftigen. Dennoch sei die Einheit Von Paulus bis Luther an dieser Stelle skizziert:

Dramaturgische und Struktur gebende Mitte der Unterrichtseinheit Von Paulus bis Luther ist die reformatorische Entdeckung Martin Luthers. Von ihr aus spannt sich ein Bogen um die Frage des Lebensgefühls und den Lebensbewältigungsstrategien der Menschen im Mittelalter in Richtung des Anfangs der Unterrichtseinheit. In Richtung des Endes der Einheit spannt sich ein Bogen, der bei der Ablasskritik Luthers als Konsequenz seiner reformatorischen Entdeckung einsetzt, weitere Stationen des Lebens Luthers beleuchtet und schließlich die Ausbreitung der Reformation in den Blick nimmt. Paulus kommt innerhalb der Einheit als biblischer Vordenker und wichtigster Impulsgeber Luthers zum Tragen. Zusammengehalten wird die Unterrichtseinheit über ihre dramaturgische Mitte hinaus durch eine situierte Lernaufgabe: Im Rahmen des Reformationsjubiläums 2017 veranstaltet die EKD einen Liedwettbewerb.1 Gesucht werden neue Texte und Melodien, die es vermögen, die alte Rechtfertigungsbotschaft Luthers tönend und überzeugend ins Heute zu transportieren. Im Rahmen der situierten Lernaufgabe sind die Schülerinnen und Schüler die Jury, welche vor der Aufgabe steht, ein eingereichtes Lied auf seine Tauglichkeit zu überprüfen – „Paradies“ von den Toten Hosen.2 Die zu einer angemessenen Einschätzung des Beitrags nötigen inhaltsbezogenen Kompetenzen erwerben die Schüler im Laufe der Unterrichtseinheit.


Fachwissenschaftliche Überlegungen

Luther, die Musik und das Lied

Die Rolle, die das Lied bei der Ausbreitung der Reformation spielte, ist ohne Luthers Hochschätzung der Musik nicht verstehbar. Denn sie ist es, die ihn dazu veranlasste, sein reformatorisches Gedankengut nicht nur in Schriften, sondern auch in Lieder zu übersetzen. Musik war für Luther zentraler Bestandteil seines Glaubens- und Alltagslebens sowie seiner theologischen Reflexion. Sie „bedeutete ihm weit mehr als nur fröhlichen Zeitvertreib, humanistischen Bildungsausweis oder kirchlich-liturgisches Dekorum“.3

In den Vorreden zu den ersten deutschen Gesangbüchern finden sich grundlegende Aussagen Luthers zur Musik.4 Musik, so wird hier deutlich, ist Schöpfung und gute Gabe Gottes.5 Ihre Grundbestimmung sieht Luther darin, auf ihren Schöpfer zurückzuverweisen und ihm zu dienen, also Gott zu loben.6

Das Potential der Musik erschöpft sich jedoch nicht im Erfüllen ihrer Grundaufgabe, dem Gotteslob. In irdischen Kommunikationskontexten sorgt sie dafür, dass Gottes Wort „getrieben und geübt“7 , also verbreitet und verinnerlicht, wird.8 Musik, insbesondere das Lied, ist für Luther „eine Form der Kommunikation des Evangeliums“9 und somit nichts anderes als gesungene Predigt.

Darüber hinaus stellt Luther fest, dass die Musik, auf diejenigen, die sie ausüben, auch psychisch eine positive Wirkung hat. Luther, der selbst vor seiner reformatorischen Entdeckung ein verzweifelter, mit Gott hadernder Mensch war und auch in seiner Zeit auf der Wartburg mit seelischen Problemen zu kämpfen hatte, rät dem Freiberger Kantor Matthias Weller in einem Brief: „Darumb, wenn Ihr traurig seid, und will uberhand nehmen, so sprecht: Auf! ich muß unserem Herrn Christo ein Lied schlagen auf dem Regal […]; denn die Schrift lehret mich, er höre gern fröhlichen Gesang und Saitenspiel. Und greifet frisch in die Claves und singet drein, bis die Gedanken vergehen, wie David und Elisäus taten.“10

Es wundert nun nicht weiter, dass Luther selbst zur Feder griff und Lieder dichtete. Dabei hatte er nicht von Beginn an ihre kirchlich-liturgische Verwendung im Blick.11Zunächst schrieb er, um über das Medium des Liedes Informationen zu verbreiten, die von Straßensängern von Ort zu Ort getragen werden sollten.12 Im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit der Neuordnung des Gottesdienstes stellte sich ihm jedoch auch die Frage nach dem Gesang der Gemeinde im liturgischen Kontext. 

Luther schrieb seine Lieder bewusst mit dem Ziel, die Grundinhalte reformatorischer Lehre sowie biblische Kernaussagen im Volk zu verbreiten: „Alle Liedschöpfungen Luthers“, so Markus Jenny, „gelten direkt oder indirekt der Verkündigung des Evangeliums“13.

Diese nahm ihren Lauf zum einen durch Einblattdrucke 14, die neuen Möglichkeiten des Buchdrucks beförderten nicht nur die Verbreitung der Schriften, sondern auch der Lieder Luthers. Darüber hinaus war es jedoch das Proprium des Liedes, ohne ein von außen hinzukommendes Trägermedium auszukommen. Indem es nichts weiter bedurfte als der mündlichen Weitergabe von Mensch zu Mensch, war es im wahrsten Sinne des Wortes ein Selbstläufer.15

Aufgrund dieser Charakteristika des Liedes, seiner elementaren Sprachform sowie den nahezu voraussetzungslosen Verbreitungsmöglichkeiten, wurden die evangelischen Lieder wichtiger Motor bei der Ausbreitung reformatorischen Gedankenguts vor allem in den niedrigen Gesellschaftsschichten. Denn Menschen, die nicht lesen oder sich die lutherischen Schriften kaufen konnten, erschlossen sich die Inhalte reformatorischer Lehre durch den Gesang.16 Inge Mager weißt darauf hin, dass sich „ein Großteil der Anhänger Luthers […] in das, was er wollte, nicht hereingedacht, sondern hereingesungen“17 hat.

Die ersten Menschen, die in den Städten gesungen haben, waren vermutlich Tuchmacher und Wollenweber.18
Da sie aufgrund ihres Berufsstandes viel unterwegs waren, waren sie zugleich wichtige Multiplikatoren reformatorischer Lieder und Anliegen.19 Gesungen wurde zunächst hinter verschlossenen Türen 20.
Traten die Anhänger Luthers mit ihren Liedern in die Öffentlichkeit, war das für die jeweiligen Stadträte ein untrügliches Zeichen dafür, dass reformatorisches Gedankengut in ihrer Stadt bereits Wurzeln geschlagen hatte.
 

Die evangelische Singbewegung in Lübeck

Dass die evangelischen Lieder nach und nach auch noch eine andere Funktion erfüllten als die der Verbreitung lutherischer Lehre und gemeindlicher Selbstvergewisserung 21, dass sie Mittel des Protestes gegen bestehende kirchliche Praxis wurden, zeigen die Ereignisse, die sich in der Adventszeit des Jahres 1529 in Lübeck ereignet haben:
„Des andern dages, welk sondach was und sunte Nicolaus avent, des Morgens tho Sunte Jakob predigede Herr Hildebrandt Capellan darsulvest. Alse der sermon ut was, ehr de prediger darsulvest wat van wusten, hoven twe kleine jungen an den psalm: Ach Gott vam Hemmel seh dar in etc. und dat volk sank vortan efentrechtig, effte se darup thor schole gegan hedden. […] Wente von der tid an, wo ein hücheler up dem predigtstol quam, so höreden se en wohl so lange, bet he beghunde minschentand hervor tho bringhen, aldenn hoven se an: Ach Gott vam Himmel etc., dato sik de papisten schouw wurden, dat erer nicht ein up dem predigtstoel kamen dorfte, se weren noch den hoghen, effte siden papen, effte monnike.“22

Diese Schilderung des Chronisten Reimar Kock hat ihren ganz eigenen Reiz, denn hinter der Oberfläche der schlichten Beschreibung des Geschehens zeichnen sich die grundsätzlichen religiösen, theologischen und sozialen Verschiebungen ab, die sich in der Reformationszeit vollziehen.
So wird deutlich, dass sich die Gemeinde aus ihrer passiven Rolle im Windschatten der Liturgie löst und sich durch die singende Intervention selbst als eigene Größe innerhalb des gottesdienstlichen Geschehens installiert. Damit wird sie eigenständig agierendes Gegenüber zum Klerus.23

Darüber hinaus wird im Handeln der Gemeinde deutlich, dass sie sich als theologische Urteilsinstanz versteht.24 Durch das außerplanmäßige Singen nach oder sogar während der Predigt wird das Lied Indikator für das Veto der im Gottesdienst Versammelten: Immer, wenn sie meinen, „minschentand“ anstelle des Wortes Gottes zu vernehmen, erheben sie ihre Stimme. Dadurch wird die Gemeinde Anwältin eines der Grundanliegen der Reformation: der Zentralstellung des in der Schrift bezeugten Evangeliums.25

Der zunehmenden Selbstständigkeit der Gemeinde korreliert die ins Wanken geratene Rolle des Klerus. Er verliert die ihm bisher eignende Handlungshoheit und Kontrolle über die Liturgie. Die Dramaturgie der Messfeier wird durch das eigenmächtige Singen der Gemeinde empfindlich gestört und der Liturg wird in die Defensive gedrängt: Predigt er nicht gemäß den Kriterien, die die Gemeinde an eine Predigt anlegt, muss er damit rechnen, von ihr zum Schweigen gebracht zu werden. Dadurch wird das traditionelle Kräfteverhältnis im Gottesdienst umgekehrt.


Didaktische Überlegungen

Die eben angestellten fachwissenschaftlichen Überlegungen lassen sich im Hinblick auf die hier vorgestellte Unterrichtsstunde auf eine Frage komprimieren: Welche Rolle spielt das Lied in der Reformation? Die Antwort kann dreifach ausdifferenziert werden. Das Lied in der Reformation ist:
 

  1. musikalisches Vehikel der Reformation, das Kerninhalte reformatorischer Lehre auf niedrigschwelliger Ebene breiten Volksschichten zu vermitteln vermag,
  2. Medium des Protestes gegen bestehende kirchliche Praxis,
  3. gesungene Verkündigung.
     

Die Zentralstellung der Musik ist es, die diesen fachwissenschaftlichen Gehalt der Stunde mit der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler verknüpft. Viele Schülerinnen und Schüler der Sek I sind selbst Musikausübende. Sie erlernen ein Instrument, in seltenen Fällen sogar mehrere Instrumente. Sollten sie keinen Instrumentalunterricht besuchen, erleben sie sich doch im schulischen Kontext im Rahmen des Musikunterrichts als Musizierende. Darüber hinaus sind die Schülerinnen und Schüler Musikkonsumenten. Sie hören Musik in den unterschiedlichsten Kontexten: auf dem Weg zur Schule, zu Hause, bei Freunden, im Fernsehprogramm und zuweilen auf Konzerten. Auch im kirchlichen Raum verfügen die Schülerinnen und Schüler über Erfahrungen mit Musik. Auch wenn sie selbst selten in den Gottesdienst gehen, wissen sie doch, dass in der Kirche gesungen wird. Diejenigen unter den Schülerinnen und Schülern, die den Konfirmandenunterricht besuchen, erleben die Praxis des gottesdienstlichen Singens sogar regelmäßig.

Allerdings stehen hier die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler im Kontrast zu den im Stundenthema implizierten Erfahrungen: Für diejenigen, die zu Luthers Zeit im Gottesdienst ihre Stimme erhoben, um gegen die bestehende Predigt- und Kultpraxis zu protestieren, war das Lied weder selbstverständlicher Bestandteil des Gottesdienstes noch verstaubt anmutende Pflichtübung. Mit dem Lied traten sie für evangeliumsgemäße Verkündigung ein und sorgten damit immer wieder für Unruhe.

Die Erarbeitung des Stundeninhalts, also die Arbeit an der Frage nach der Rolle des Liedes in der Reformation, wird schwerlich Ergebnisse zeitigen, anhand derer die Schülerinnen und Schüler ihr Gottesbild oder ihr Glaubensverständnis thematisieren können. Dennoch muss der Inhalt der Stunde für die Schülerinnen und Schüler nicht bedeutungslos sein. Er kann ihren Blick auf einen für sie wichtigen Teilbereich ihres Lebens, die Musik, weiten und vertiefen. Er kann sie sensibilisieren für die Zentralstellung der Musik in der Kirche, die sie auch heute noch innehat. Wenn sie das nächste Mal einen Gottesdienst besuchen, werden sie in der Wahrnehmung des musikalischen Geschehens über ein erweitertes Deutungsrepertoire verfügen.

Die Zielformulierung für die Stunde „Reformation durch Lied: gesungener Protest“ lautet somit: Die Schülerinnen und Schüler können die Rolle des Liedes in der Reformation erläutern und vor diesem Hintergrund den hohen Stellenwert des gesungenen Liedes in der heutigen Kirche verstehen.26
 

Verlauf der Unterrichtsstunde

In der Eröffnungsphase der Stunde „Reformation durchs Lied: gesungener Protest“ geht es zunächst darum, die Leitfrage zu installieren: Welche Rolle spielt das Lied in der Reformation? Das Medium, anhand dessen die Leitfrage problematisiert werden soll, ist eine kolorierte Zeichnung, die mit dem OHP projiziert werden kann. Im Mittelpunkt der Zeichnung steht ein pointierter Wortwechsel zwischen einem Ratsdiener und einem Bürgermeister (M 2). Je nachdem, aus welcher Perspektive oder mit welchem Wissenshintergrund man diese Szene betrachtet, provoziert oder beantwortet sie die Frage nach der Rolle des Liedes in der Reformation. Verfügt man bereits über Hintergrundwissen, bringt die Zeichnung zum Ausdruck: Ab dem Zeitpunkt, an dem lutherische Lieder nicht mehr hinter verschlossenen Türen, sondern öffentlich und als Mittel des Protestes erklingen, ist aus altgläubiger Sicht „alles verloren“ und die reformatorische Bewegung nicht mehr zu unterbinden.

Aus der Perspektive der Schülerinnen und Schüler ist es jedoch zunächst nicht unmittelbar nachzuvollziehen, warum das Singen von Liedern in der Kirche ein alarmierendes Zeichen sein soll. Für sie wird es eher umgekehrt sein: Wenn in der Kirche gesungen wird, zeigt das, dass „alles in Ordnung“ ist.

Über die Reaktion des Bürgermeisters, die nicht – wie eventuell zu erwarten – das Singen positiv, sondern negativ bewertet, können sich die Schülerinnen und Schüler an die Leitfrage herantasten: Welche Bedeutung hatte das Singen denn, dass er so reagiert?

In der Erarbeitungsphase soll den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gegeben werden, sich bezüglich der aufgeworfenen Leitfrage einen Wissens- und Lernzuwachs zu verschaffen. Dies geschieht anhand eines Zeitungsartikels (M 3), dessen Form zwar fiktiv ist, dessen Inhalte aber auf der gesicherten Grundlage der fachwissenschaftlichen Überlegungen basieren. Um die Texterarbeitung zu strukturieren, bekommen die Schülerinnen und Schüler Arbeitsaufträge.

In der auf die Erarbeitung folgenden Sicherungsphase sollen die Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler gesammelt, gebündelt und in einem Tafelbild visualisiert werden. Dazu wird die Sozialform auf das Unterrichtsgespräch ausgeweitet. Die Sicherung wird abgeschlossen, indem die Schülerinnen und Schüler dazu aufgefordert werden, das entstandene Tafelbild nochmals in eigenen Worten zusammenzufassen.

Die Vertiefungsphase dieser Stunde hat zwei Teile. In ihr soll sowohl der Kreis zum Anfang der Stunde geschlossen als auch der Zusammenhang zur situierten Lernaufgabe hergestellt werden. Für beide Phasen wird die Sozialform des Unterrichtsgesprächs beibehalten.

Zunächst wird der Kreis zum Anfang der Stunde geschlossen. Dazu wird auch das Medium zum Einsatz kommen, das die Stunde eröffnet hat:
Die Schülerinnen und Schüler betrachten die auf der Folie dargestellte Szene ein zweites Mal. Vor dem Hintergrund ihres in der Stunde erworbenen Lernzuwachses kommen sie zu einem vertieften Verständnis bzw. einer Neubewertung des Verhaltens des Bürgermeisters. Das Rätsel um seine Reaktion ist gelöst. Die Schülerinnen und Schüler verstehen, dass sein Kommentar auf sein Wissen um die Rolle des Liedes in seiner Zeit zurückzuführen ist. Ein möglicher Impuls, der die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen könnte, ihr neu erworbenes Wissen anzuwenden, besteht in der Frage, was dem Bürgermeister in diesem Moment durch den Kopf gegangen sein könnte.

Ein zweiter Impuls soll die Schülerinnen und Schüler einen Schritt weiter in die Wahrnehmung der Diskrepanz der Rolle des Liedes im Gottesdienst damals und heute führen. Mit der Aufforderung: „Beschreibt mal, wie das heute mit dem Singen in der Kirche so aussieht!“, werden sie dazu angeregt, die historische Szene in Verbindung mit ihrer eigenen Lebenswelt zu bringen. Die Schülerinnen und Schüler erleben den Gesang in kirchlichen Kontexten weder als Instrument des Protestes noch wird er vom Umfeld der Schülerinnen und Schüler als Bedrohung für die bestehende Ordnung empfunden. Durch das Formulieren dieses Kontrastes wird zum einen das Verständnis für die Rolle des Liedes in der Reformation erneut geschärft, zum anderen aber auch die Wahrnehmung der Schülerinnen und Schüler für die Stellung der Musik in der Kirche heute sensibilisiert.

Mit diesem Impuls ist auch schon die Brücke zur Verbindung der Stunde mit der situierten Lernaufgabe hergestellt. Nicht zufällig hat die EKD einen Lied- und nicht einen Zeichen- oder Literaturwettbewerb ausgeschrieben. Ausgehend von dieser Tatsache („Habt ihr eine Erklärung dafür, warum die Kirche ausgerechnet einen Liedwettbewerb ausgeschrieben hat?“) können die Schülerinnen und Schüler die mögliche doppelte Motivation der EKD aufschlüsseln: Der Wettbewerb hat zum einen eine Verweisfunktion: Er erinnert an die Rolle des Liedes in der Reformation. Zum anderen will er die Stellung des Liedes im Gottesdienst im Hier und Jetzt stärken.
 

Literatur

  • EKD, Liedwettbewerb: https://www.ekd.de/kirchentag/liedwettbewerb.html, zuletzt abgerufen am 21.11.2015
  • Jenny, Markus: Luther als Liedschöpfer, in: Bott, Gerhard (Hg.): Kataloge des Germanischen Nationalmuseums. Martin Luther und die Reformation in Deutschland, Frankfurt 1983, 294ff.
  • Luther, Martin: Die Gesangbuchvorreden, WA 35, 474-483
  • Mager, Inge: Lied und Reformation. Beobachtungen zur reformatorischen Singbewegung in norddeutschen Städten, in: Dürr, Alfred (Hg.): Das protestantische Kirchenlied im 16. und 17 Jahrhundert: text-, musik-, und theologiegeschichtliche Probleme, Wiesbaden 1986, 25-38
  • Missfelder, Jan-Friedrich: Akustische Reformation: Lübeck 1529, in: (Hg.) v. Arni, Caroline u.a., Historische Anthropologie, Band 20, Heft 1, Köln/Weimar/Wien 2012, 108-121
  • Schilling, Johannes: Musik, in: Beutel, Albrecht: Luther Handbuch, Tübingen 2005, 236-244
     

Anmerkungen:

  1. Nähere Informationen unter www.ekd.de/kirchentag/liedwett bewerb.html. Zuletzt abgerufen am 21.11.2015.
  2. Das Lied „Paradies“ befindet sich auf dem Album „Opium fürs Volk“ der Toten Hosen. Der Text des Liedes problematisiert das Bild eines Gottes, der die Menschen zur Erlangung der Seeligkeit dazu anhält, ständig seine Regeln zu befolgen. Es ist an Luthers Frage nach dem gnädigen Gott anschlussfähig und eignet sich deshalb gut als Gegenstand der situierten Lernaufgabe.
  3. Jenny, Markus: Luther als Liedschöpfer, in: Bott, Gerhard (Hg.): Kataloge des Germanischen Nationalmuseums. Martin Luther und die Reformation in Deutschland, Frankfurt 1983, 312.
  4. Vgl. Schilling, Johannes: Musik, in: Beutel, Albrecht (Hg.): Luther Handbuch, Tübingen 2005, 236-244, 240.
  5. Vgl. ebd., 237.
  6. Vgl. ebd.
  7. Luther, Martin: Die Gesangbuchvorreden, WA 35, 474-483, 474.
  8. Luther führt hier Paulus als Gewährsmann an, der den Kolossern empfiehlt „von hertzen dem Herrn singen geistliche lieder und Psalmen, Auff das da durch Gottes wort und Christliche leere auff allerlei weise getrieben und geübt werden“. (WA 35, 474)
  9. Schilling, Musik, 239.
  10. Luther, WA 7, 104-106. Zitiert nach Schilling, Musik, 241.
  11. Vgl. Jenny, Liedschöpfer, 294.
  12. Vgl. ebd.
  13. Ebd.
  14. Vgl. Mager, Inge: Lied und Reformation. Beobachtungen zur reformatorischen Singbewegung in norddeutschen Städten, in: Dürr, Alfred (Hg.): Das protestantische Kirchenlied im 16. und 17 Jahrhundert: text-, musik-, und theologiegeschichtliche Probleme, Wiesbaden 1986, 25.
  15. Vgl. ebd.
  16. Vgl. ebd., 27.
  17. Ebd., 28
  18. Vgl. ebd.
  19. Vgl. ebd.
  20. Vgl. ebd.
  21. Vgl. Missfelder, Jan-Friedrich: Akustische Reformation: Lübeck 1529, in: (Hg.) v. Arni, Caroline u.a.: Historische Anthropologie, Band 20, Heft 1, Köln / Weimar / Wien 2012, 112.
  22. Kock 1830, 28. Zitiert nach Missfelder, Akustische Reformation, 110f.
  23. Vgl. Missfelder, Jan-Friedrich: Akustische Reformation, 113.
  24. Vgl. Missfelder, Jan-Friedrich: Akustische Reformation, 113.
  25. Vgl. ebd.
  26. Die in der Stunde vorwiegend geförderten Kompetenzen finden sich aufgelistet in M 1.