Vorüberlegungen zum Thema
„Die ‚Anderen‘ und ich – Das Eigene über das Fremde wahrnehmen und reflektieren“ lautet der Titel einer Unterrichtssequenz, die vor allen Dingen den Umgang mit der Vielfalt ins Zentrum stellt.
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene wachsen gegenwärtig in einer Lebenswelt auf, die durch Pluralität, Heterogenität und Differenz gekennzeichnet ist. Ihr Aufwachsen vollzieht sich heute im Nebeneinander von verschiedenartigen, teils kontroversen Überzeugungen, Weltanschauungen, Religionen und politischen Positionen (EKD 1994, S. 40). In der Schule, am Praktikums- oder Arbeitsplatz und in der Freizeit treffen Menschen verschiedener Kulturen und unterschiedlichen Glaubens aufeinander. Diese Situation stellt neue und komplexere Anforderungen an den Religionsunterricht (Wiedenroth 2014, S. 38). Die fremden Religionen sind heutzutage nicht mehr nur die Religionen fremder Völker, über die man sich mit einer gewissen Distanz Wissen aneignet, sondern die Religionen und auch fremde Kulturen leben neben und mit uns. Diese Situation stellt die Gläubigen der verschiedenen Religionen vor die Frage, wie sie die jeweils anderen sehen und ob es eine gemeinsame religiöse Basis für das Gespräch und das Zusammenleben gibt (Renz 2011, S. 9). Dabei scheint es nicht das Hauptproblem zu sein, dass verschiedene religiöse Überzeugungen nebeneinander existieren, sondern dass die Konfrontation mit anderen Religionen in Deutschland mit einer verbreiteten Standpunktlosigkeit, vagabundierenden Religiosität und synkretistischen Mischformen einhergeht (EKD 1994, S. 26). In diesem Kontext kommt dem interreligiösen und interkulturellen Lernen erhebliche Bedeutung zu. Es soll Orientierung ermöglichen und Verständigung anbahnen. Schülerinnen und Schüler sollen mit der Herausforderung einer bestehenden kulturellen und religiösen Pluralität umgehen lernen. Konkret geht es darum Gespräche und Austausch zu initiieren, die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel und zur Empathie zu stärken und konstruktive Begegnungen zu gestalten, d. h. z. B. gemeinsam zu lernen, zu leben und zu feiern (Born 2005, S. 1). Beim interreligiösen Lernen geht es um das Bewusstsein der eigenen Perspektive und um probeweise Übernahme der Fremdperspektive, um die eigene Religion aus der eigenen und der fremden Sicht und die fremde Religion aus der christlichen und der fremden Perspektive wahrzunehmen.
Johannes Lähnemann unterscheidet verschiedene Ebenen der Begegnung im Dialog. So sollte seiner Meinung nach zunächst die Gegenwart im Hinblick auf das Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen betrachtet werden. Daran anschließend steht die Auseinandersetzung mit den Besonderheiten der jeweiligen Religion im Mittelpunkt des Dialoges, d. h. den Erhalt eines fundierten Basiswissens über den jeweils „Anderen“, um darauf aufbauend Gemeinsamkeiten und Differenzen wahrnehmen und beurteilen zu können. Daraus resultiert die Auseinandersetzung mit den eigenen (religiösen) Traditionen als eine Phase der Vergewisserung. Sie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Dialog, um gesprächsfähig zu sein. Auf der letzten Ebene der Begegnung steht die Begegnung selbst, das wahrhaftige In-Kontakt-Treten mit dem „Anderen“ mit meinem Gegenüber (Wiedenroth 2014, S. 165).'
Didaktische Überlegungen
Unter Berücksichtigung dieser Ausgangslage ist die Unterrichtssequenz „Die ‚Anderen‘ und ich – Das Eigene über das Fremde wahrnehmen und reflektieren“ entstanden. Diese gliedert sich in zwei Teile. Während es im ersten Teil um den Aufbau und die Festigung des Wissens der Grundzüge des Islam und das Wissen um Gemeinsamkeiten und Unterschiede der abrahamitischen Religionen geht, wird im zweiten Teil der Blick auf die Probleme der Pluralisierung gelenkt, wie zum Beispiel Vorurteile, Diskriminierung und Rassismus, die den interreligiösen Dialog erschweren.
Die Unterrichtssequenz lässt sich, mit Blick auf das Kerncurriculum für das Fach Evangelische Religion in der Integrierten Gesamtschule, dem inhaltsbezogenen Kompetenzbereich „Nach Religionen fragen“ zuordnen. So sollen die Schülerinnen und Schüler am Ende des 8. Schuljahrs in der Lage sein, zum einen Grundzüge des muslimischen und jüdischen Glaubens darzustellen und gerade das Judentum in Beziehung zum Christentum zu setzen, als auch zum anderen einen respektvollen Dialog mit Anhängern anderen Glaubens führen zu können.
Darüber hinaus geht es um die Auseinandersetzung mit der Situation Andersgläubiger und die Vertretung einer eigenen Position im Dialog. Die Auseinandersetzung mit den dargestellten inhaltsbezogenen Kompetenzen schult neben der Deutungskompetenz auch die Urteilskompetenz der Schülerinnen und Schüler, da sie sich zum einen ihrer eigenen religiösen Sprache bewusster werden und zum anderen in den Austausch mit dem Gegenüber treten können und ihre Gesprächsfähigkeit trainieren beziehungsweise optimieren.
Doch nicht nur der inhaltsbezogene Kompetenzbereich „Nach Religionen fragen“ wird berücksichtigt, sondern zudem der Bereich „Nach Gott fragen“, da das eine das andere bedingt. So sollen Schülerinnen und Schüler des Weiteren zur christlichen Vorstellung der Einzigartigkeit Gottes Stellung nehmen können und sie mit Gottesvorstellungen anderer Religionen vergleichen (Kultusministerium 2009, S. 15/16, S. 20, S. 28).
Hieran schließen sich die Lernerwerbe der zwei Teile der Unterrichtssequenz an:
- Teil 1: Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit zentralen Grundzügen des muslimischen Glaubens auseinander und setzen sie in Beziehung zu zentralen Grundzügen des christlichen und jüdischen Glaubens.
- Teil 2: Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit der Thematik „Vorurteile, Verallgemeinerungen, Rassismus“ auseinander und erarbeiten Wege des respektvollen Miteinanders.
Darstellung einer Unterrichtssequenz „Die ‚Anderen‘ und ich – Das Eigene über das Fremde wahrnehmen und reflektieren“
Bei der Zweigliederung der Unterrichtssequenz wurde sich an den Ebenen der Begegnung nach Lähnemann orientiert. Zur Sicherstellung des Lernerwerbs des ersten Teils, die Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit den zentralen Grundzügen des muslimischen Glaubens und dem Vergleich dieser mit denen des christlichen und jüdischen Glaubens, wurde sich an dem Kapitel 6 „Was glauben die Anderen? – Abraham und die Muslime“ des Lehrwerks „Moment mal! 2“ orientiert. Dieses wird im Folgenden nicht näher erläutert, sondern kann im Lehrwerk selbst eingesehen werden.
Teil 2: „Die ‚Anderen‘ und ich – Das Eigene über das Fremde wahrnehmen und reflektieren“ – Umgang mit Vielfalt anhand des Films Monsieur Claude und seine Töchter
Der Film [1] – Inhalt
Der Film „Monsieur Claude und seine Töchter“ des Regisseurs Philippe Chauveron zählte schon kurz nach seinem Erscheinen im April 2014 in den französischen Kinos zu den zehn erfolgreichsten französischen Filmen aller Zeiten. Auch in Deutschland stieß er auf positive Resonanz, denn bereits in den ersten drei Wochen sahen über eine Millionen den Film in den deutschen Kinos.
Bei dem Film „Monsieur Claude und seine Töchter“ handelt es sich um eine sogenannte Culture-Clash-Komödie. Culture-Clash-Komödien nutzen Differenzen des alltäglichen Lebens. Dabei geht es häufig um klischeehafte Eigenarten von Angehörigen verschiedener Nationalitäten, aber auch schichtspezifische Unterschiede. Häufiges Thema sind interkulturelle Liebesbeziehungen, die nur schwer mit Familie und sozialem Umfeld vereinbar sind, dargestellt in übertriebener Inflexibilität zumindest eines Teils der Charaktere (Eltern etc.) bei der interkulturellen Kommunikation. Aus diesen Differenzen nutzt die Culture-Clash-Komödie Momente der Situationskomik (siehe http://www.wissenswertes.at/index.php?id=film-culture-clash).
Genau diese aufgeführten Aspekte weist der Film „Monsieur Claude und seine Töchter“ auf, denn auch hier treffen Menschen verschiedener Herkunft, Hautfarbe und Religion aufeinander und haben immer wieder aufs Neue mit Vorurteilen und „Inflexibilität“ zu kämpfen.
Inflexibilität zeigt sich vor allen Dingen bei den beiden Protagonisten Monsieur Claude und seiner Frau Marie Verneuil.
Beide leben in einem wunderschönen Gutshaus in der französischen Provinz. Während Geldprobleme ihnen fern sind, haben sie mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Denn wider ihre Vorstellung, dass alle ihre Töchter einen katholischen Franzosen aus gutem Hause heiraten, und somit die Fortführung ihrer Familientraditionen garantiert ist, schlagen diese einen ganz anderen Weg ein und geben zu verstehen, dass die Vorstellung ihrer Eltern von der gegenwärtigen französischen Gesellschaft „old fashioned“ ist.
Als sich drei ihrer Töchter mit einem Muslim, einem Juden und einem Chinesen verheiraten, geraten Claude und Marie Verneuil unter Anpassungsdruck. Beiden wird die globalisierte Welt vor Augen geführt, aber dort angekommen sind sie noch nicht. Hoffnung auf Einkehr von Normalität schöpfen beide, als die jüngste Tochter ihnen offenbart, dass sie einen französischen Katholiken heiraten wird. Zu diesem Zeitpunkt ahnen beide noch nicht, dass auch ihr vierter Schwiegersohn „irgendwie anders“ ist.
Als sie ihn in einem Restaurant kennenlernen und feststellen müssen, dass er dunkelhäutig ist, kommen beide an ihre Grenzen. Geschwächt durch Beschneidungsrituale, Hühnchen halal und koscheres Dim Sum ist ihr Toleranzvorrat restlos aufgebraucht. Doch nicht nur das Ehepaar Verneuil ist mit der anstehenden Heirat nicht einverstanden. Auch Charles‘ Familie ist nicht gerade begeistert – ihr Sohn und eine „Catherine Deneuve“. Beide Seiten lassen sich daraufhin auf ein Kennenlernen ein. Streit, Unverständnis und Vorwürfe sind durch die Einstellungen beider Seiten vorprogrammiert und die Hochzeit droht zu kippen.
Der Film – Didaktische Begründung
Interreligiöses Lernen kann und wird auch durch Medienrezeption angestoßen (Schröder 2005, S. 529). Der Einsatz des Films „Monsieur Claude und seine Töchter“ ermöglicht den Schülerinnen und Schülern einen distanzierten Zugang zu der Thematik, beispielsweise im Hinblick darauf, dass Andere aussprechen, was man selber denkt/denken würde, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Die Figuren in dem Film bieten zudem die Möglichkeit des Perspektivenwechsels, der ein zentrales Element des interreligiösen, aber auch interkulturellen Lernens darstellt.
Der Film „Monsieur Claude und seine Töchter“ weist somit ein großes Potential zur Arbeit mit und an ihm auf. Es geht hier nicht um „political correctness“, sondern darum, das, was da ist, nämlich Vorurteile, Intoleranz und Rassismus, sichtbar zu machen, und gerade durch das „Offensichtliche“, den Blick auf das „Verborgene“, d. h. die eigene Sichtweise auf die aufgeführte Thematik, zu richten – Das Eigene über das Fremde wahrnehmen und reflektieren.
Das, was wir in unserer Gesellschaft „im Großen“ haben, nämlich das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen, Herkunft und Religionen und die damit einhergehenden Vorurteile, die zwischen den Menschen kursieren und das Miteinander erschweren, zeigt sich „im Kleinen“ in der Familie Verneuil.
Der Film spielt mit dem „Extremen“. Außergewöhnlich erscheint, dass in einer Familie so viele Kulturen aufeinandertreffen. Nicht nur die französische Kultur steht den Anderen gegenüber, sondern diese sich auch untereinander, was die Gesamtsituation zudem verkompliziert. Es geht nicht nur um Vorurteile der Franzosen gegenüber „Anderen“, sondern auch, um die Vorurteile der „Anderen“ untereinander.
Diese Vorurteile sind greifbar, d. h., dass sie Schülerinnen und Schülern zumeist bekannt sind und sie ihre Bedeutung ansatzweise in einen Kontext einordnen können. Häufig bleiben die Vorurteile im Raum stehen und werden nicht ausdiskutiert. Zumeist werden sie aber auch gar nicht öffentlich ausgetauscht, sondern nur in bestimmten Personenkonstellationen. Deshalb ist auch das Setzen von Beobachtungsschwerpunkten bei der Betrachtung des Films von Nöten. Die Frage, die dabei im Raum steht, ist, wie welche Vorurteile in den einzelnen „Gruppierungen“ (Töchter, Ehepaar Verneuil, Schwiegersöhne, Ehepaare, …) kommuniziert und thematisiert werden. Zudem gibt es in dem Film immer wieder Szenen, in denen „zu viele“ Vorurteile, auch Stereotype, aufeinandertreffen, sodass man gar nicht weiß, bei welchem man mit der (Auf-)Klärung beginnen soll. Bei manchen der Vorurteile merkt man, dass sie in gewisser Weise schon „normal“ geworden sind und man ihnen mit Ironie begegnet. Immer wieder lässt der Regisseur die Darsteller über Vorurteile stolpern. Stets verkomplizieren sie das Miteinander.
Das Weihnachtsfest im Hause Verneuil scheint einen Wendepunkt darzustellen. Dieses wird zum einen beim Festmahl deutlich, als Marie Verneuil drei verschiedene Gänse/Truthähne serviert (halal, koscher, „normal“) und jeder von jedem probieren möchte. Zum anderen zeigt sich eine gewisse Annäherung in der Szene, als alle vier Schwiegersöhne zusammen die Nationalhymne singen.
Denn bei all der Verschiedenheit haben alle fünf Männer, auch Claude Verneuil, eines gemeinsam: Sie sind alle, unabhängig von ihrer Herkunft, vollwertige und gleichberechtigte Bürger Frankreichs (Institut für Film und Kultur 2014, S. 6). Jeder von ihnen leistet seinen individuellen Beitrag zu der französischen Gesellschaft, die dadurch besonders wird.
Auch in Deutschland haben wir diese Vielfalt, mit der die Schülerinnen und Schüler tagtäglich im Raum Schule und privat konfrontiert werden. Der Film zeigt einen Umgang mit dieser Vielfalt auf. Er veranschaulicht, dass interreligiöses und interkulturelles Lernen nur im Miteinander passieren kann, im Austausch, im Teilhabenlassen, im gemeinsamen Erleben von Situationen und Anlässen.
Nur im Miteinander können Vorurteile und Stereotype abgebaut, aber vielleicht auch bestätigt werden, denn Vorurteile spalten nicht nur, sondern weisen auch auf das Besondere hin, auf das, was das, was den „Andere(n)“ ausmacht. Als dieses „Besondere/Einzigartige“ sollte man es aber auch ansehen und es als Bereicherung für unsere Gesellschaft erfahren, die durch die Vielfalt wächst und lebendig wird.
Der Film – Einsatz in den ersten zwei Doppelstunden
Im Folgenden wird anhand der ersten beiden Doppelstunden exemplarisch die Arbeit mit dem Film „Monsieur Claude und seine Töchter“ im Rahmen des Religionsunterrichts dargestellt.
Erste Doppelstunde:
In der 1. Doppelstunde geht es um die Annäherung der Schülerinnen und Schüler an den Film und seine Thematik. Sie sollen am Ende der Unterrichtsstunde in der Lage sein, festzuhalten, dass die Charaktere in dem Film in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen, und zudem, welches der mögliche Hintergrund dieses Verhältnisses ist. So sollen sie beispielsweise anhand der Analyse des Filmplakates aufzeigen können, dass verschiedene Religionen und Kulturen in dem Film eine Rolle spielen und dem Ehepaar Verneuil wohl eine „exklusive“ Rolle zukommt, da sie auf dem Filmplakat räumlich distanziert von den anderen sind. Das Verhältnis der Figuren des Films untereinander erfährt eine erste gewisse Klarheit, indem die Schülerinnen und Schüler sich in Kleingruppen gezielt mit einzelnen Gruppierungen auseinandersetzen und sich am Ende der Unterrichtsstunde über ihre Beobachtungen austauschen. Auffallend wird am Ende der Stunde sein, dass die Gruppierungen unterschiedlich untereinander und miteinander agieren und die Thematik der „Vorurteile“ und „Stereotype“ alle gleichermaßen bestimmt.
Vor der Unterrichtsstunde wird auf den Tischen der Tischgruppen eine Klarsichthülle deponiert, die alle benötigten Materialien für die Unterrichtsstunde beinhaltet. Zu Beginn der Stunde präsentiert die Lehrkraft das Filmplakat zu „Monsieur Claude und seine Töchter“ und bittet die Schülerinnen und Schüler auf dem Arbeitsblatt „Monsieur Claude und seine Töchter – eine erste Annäherung“ den benannten Arbeitsauftrag zu bearbeiten (M 1). Im Anschluss daran tauschen sie sich in ihrer Tischgruppe über ihre Notizen aus und halten zentrale Merkmale des Plakates auf farbigen Zetteln fest. Diese werden im Plenum gesammelt und besprochen.
Daran anschließend erhalten die Schülerinnen und Schüler einen ersten Einblick in den Film (Szene 1: 00:00 bis 13:07). Mit der gezeigten Szene kann auf zwei verschiedene Weisen umgegangen werden. Zum einen kann die Lehrkraft den Schülerinnen und Schülern Beobachtungsschwerpunkte (M 2a) zuweisen. Die folgenden Beobachtungsschwerpunkte bieten sich an:
- Das Ehepaar Verneuil
- Die Töchter und ihre Partner
- Die Schwestern untereinander
- Die Partner der Töchter untereinander
- Religiöse Elemente/Hinweise & Vorurteile im Film
Da die Thematik der Beobachtungsschwerpunkte sehr grob formuliert ist, bleibt den Beobachtern und Beobachterinnen ein gewisser interpretativer Freiraum bei dem Anfertigen von Notizen zum Film. Die aufgeführten Beobachtungsschwerpunkte können immer wieder im Rahmen den Unterrichtssequenz aufgenommen werden, beispielsweise bei der Analyse weiterer Szenen des Films oder der Reflexion von Schülerergebnissen aus kreativen Arbeitsprozessen (Rollenspiele, Bilder, …).
Alternativ könnten die Schülerinnen und Schüler ein Arbeitsblatt erhalten, das inhaltliche Fragen aufweist (M 2b). Hier wird ihr Blick mehr gelenkt. Im Anschluss an die gezeigte Filmsequenz finden sich die Schülerinnen und Schüler in ihren Gruppen (Beobachtungsschwerpunkt) zusammen und tauschen sich über ihre Notizen aus. Ihre Ergebnisse halten sie auf Plakaten in Form einer selbst gestalteten Grafik und einem erklärenden Text fest. Diese werden den Anderen präsentiert und besprochen.
Zweite Doppelstunde:
Die zweite Doppelstunde knüpft an die erste Doppelstunde an und vertieft den Aspekt der „Vorurteile“ und die Folgen, die diese für das Miteinander der Familienmitglieder der Familie Verneuil haben. Zudem kommt ein neuer Begriff ins Spiel, der für die weitere Arbeit mit dem Film zentral wird: der Begriff „Rassismus“. Dafür wird ein zweites Mal die Szene gezeigt, in der Claudes und Maries Tochter Ségolène und ihr Mann Chao alle zum Essen zu sich einladen, bis zu der Stelle, an der Rachid seinem Schwiegervater vorwirft eine rassistische Bemerkung gemacht zu haben. Was nun? Mit dieser Frage sollen sich die Schülerinnen und Schüler im Rahmen der Unterrichtsstunde auf verschiedene Art und Weise auseinandersetzen. Wesentlich ist dabei der Perspektivwechsel. Den Schülerinnen und Schülern soll die Möglichkeit gegeben werden, die verschiedenen Perspektiven, die in der Szene eine Rolle spielen, einnehmen zu können und davon ausgehend eine eigene Sichtweise auf die Dinge (ansatzweise), auch im Austausch mit anderen, zu entwickeln.
Zu Beginn der zweiten Doppelstunde zeigt die Lehrkraft noch einmal die dritte Szene aus der ersten Doppelstunde (Szene 2: 05:53 bis 09:56). Hierbei handelt es sich um die Situation, als alle sich bei Chao und Ségolène zum gemeinsamen Essen einfinden. Ziel der Unterrichtsstunde soll es sein, dass die Schülerinnen und Schüler aufzeigen, welche Probleme das Zusammenleben der Familie Verneuil erschweren. Nach der Filmsequenz bearbeiten sie auf einem Arbeitsblatt zunächst in Einzel-, dann in Partner- und abschließend in Gruppenarbeit die benannten Aufgaben (M 3). Abschließend präsentieren die Gruppen ihre Ergebnisse. Über den Beobachtungsauftrag kommen die Schülerinnen und Schüler ins Gespräch.
Weiterführende Arbeit mit dem Film
In der darauffolgenden Doppelstunde sollte der Begriff Rassismus ins Gespräch gebracht und definiert werden. Neben den dargestellten Szenen weist der Film viele Schlüsselszenen auf, die geeignet sind, um mit den Schülerinnen und Schülern ins Gespräch zu kommen. Da an dieser Stelle nicht alle ausführlich dargestellt werden können, möchte ich einzelne Szenen im Folgenden hervorheben und Impulse für die Arbeit mit diesen aufzeigen:
- Szene 3 – Laure & Charles (19:39 bis 20:38): Umgang mit Vorurteilen;
- Szene 4 – Halal/Koscher/Ente (21:03 bis 21:52): Andere Religionen andere Geschmäcker – Zeichen der Begegnung;
- Szene 5 – Vorurteile (22:27 bis 26:59): Welche Vorurteile stehen zwischen den Kulturen und Religionen?
- Szene 6 – Gemeinsames entdecken und Unterschiede erkennen (26:03 bis 34:46/36:25): Weihnachten – Fest der Liebe; alle Familienmitglieder bemühen sich um ein besinnliches Weihnachtsfest und überschreiten dabei Grenzen, zugleich führen Neuigkeiten in der Familie von Charles zu Konflikten;
- Szene 7 – Die Krippe (27:00 bis 27:11): Wer war und ist Jesus Christus?
- Szene 8 – Die Messe (27:12 bis 31:21): Weihnachten – das Fest der Liebe; alle Familienmitglieder bemühen sich um ein besinnliches Weihnachtsfest und überschreiten dabei Grenzen;
- Szene 9 – französische Nationalhymne (32:00 bis 32:32): Sind wir nicht alle Franzosen?
- Szene 10 – Laures Beichte (40:03 bis 45:43): Vorurteile blockieren Beziehungen;
- Szene 11 – Was haben wir dem lieben Gott getan? (45:44 bis 46:16): Schülerinnen und Schüler gehen der Frage unter Berücksichtigung des Filmverlaufs nach.
Impulse für die Weiterarbeit
Die Analyse des Films, gerade mit Blick auf die herausge- und erarbeiteten positiven Schritte im Umgang mit kulturellen und religiösen Unterschieden, bietet eine gute Grundlage, um die Schülerinnen und Schüler zum einen recherchieren zu lassen, welche Projekte es beispielsweise in ihrer näheren Umgebung gibt, die sich für den interreligiösen Dialog einsetzen. Ansprechpartner wären zum Beispiel die ortansässigen Gemeinden. Zum anderen können Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen selber Projekte erarbeiten, beispielsweise die Ausrichtung einer interreligiösen Feier, um ihre Urteils-, Dialog- und Gestaltungskompetenz weiter auszubilden.
Anmerkung
- Monsieur Claude und seine Töchter, Komödie, Frankreich 2014, 97 Minuten. Regie: Philippe De Chauveron, Produzent: Romain Rojtman. Ohne FSK, www.monsieurclaude.de
Literatur
- Institut für Kino und Filmkultur e.V. (Hg.): Kino & Curriculum – Monsieur Claude und seine Töchter, Wiesbaden 2014. (www.film-kultur.de/glob/monsieur-claude-und-seine-toechter_kc.pdf)
- Niedersächsisches Kultusministerium (Hg.): Kerncurriculum für die Integrierte Gesamtschule Schuljahrgänge 5-10 – Evangelische Religion, Hannover 2009
- Husmann, Bärbel/Merkel, Rainer (Hg.): Moment mal! 2 Evangelische Religion, Stuttgart 2013
- Renz, Andreas: Beten wir alle zum gleichen Gott? Wie Juden, Christen und Muslime glauben, München 2011
- Wiedenroth-Gabler, Ingrid: Kompetenter Religionsunterricht – Konzeptionell, kreativ und konkret, Braunschweig 2014
- EKD: Identität und Verständigung. Standort und Perspektiven des Religionsunterrichts in der Pluralität. Eine Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 1994
- Born, Julia: RPI virtuell – Ein Interview mit Peter Schreiner – Interreligiöses Lernen: Vielfalt der Religionen als Teil von Gottes Schöpfung wahrnehmen – Brücken bauen durch Begegnung!, 2005
- Schlüter, Richard: Methoden des interreligiösen Lernens: Grundsätzliche Überlegungen, in: Schreiner, Peter; Sieg, Ursula; Elsenbast, Volker (Hg.): Handbuch Interreligiöses Lernen, Gütersloh 2005
- Schröder, Bernd: Interreligiöses Lernen als Herausforderung der Religionspädagogik, in: Schreiner, Peter; Sieg, Ursula; Elsenbast, Volker (Hg.): Handbuch Interreligiöses Lernen, Gütersloh 2005
- www.wissenswertes.at: www.wissenswertes.at/index.php?id=film-culture-clash