Wertebildung im Religionsunterricht - Unterrichtsforschung am Evangelischen Institut für Berufsorientierte Religionspädagogik (EIBOR) in Tübingen

von Joachim Ruopp, Friedrich Schweitzer und Georg Wagensommer

 

Wertebildung ist ein Zukunftsthema. Heute werden verbindende Werte angemahnt und zugleich Werteverlust bzw. Wertewandel diagnostiziert. Auch von der Schule wird ein Beitrag zur Bildung von Werten erwartet. Gerade gegenüber dem Religionsunterricht werden hier viele Erwartungen geäußert. Blickt man auf die vielfältigen gesellschaftlichen Problemlagen, dann scheint eine Unterstützung bei der Ausbildung von Wertorientierungen mehr als plausibel.

Im Blick auf den Religionsunterricht ist dieses Anliegen allerdings nicht unumstritten. Vielmehr scheinen gegenüber dem Begriff des Werts und den darauf bezogenen Erwartungen an den Religionsunterricht Abgrenzungen notwendig zu sein. Erstens: „Der Glaube beruht nicht auf Werten, sondern umgekehrt folgen Werte aus dem Glauben“ (EKD 2006, S. 3). Der Religionsunterricht kann nicht in Werteerziehung aufgehen, genauso wie Werteerziehung Religionsunterricht nicht ersetzen könnte, weil Werte stets voraussetzungsreich sind im Blick auf grundlegende Perspektiven auf den Menschen und die Welt. Zweitens ist der manchmal als Alternative zur Werteerziehung verstandene Ruf nach Tugenden, die im Religionsunterricht vermittelt werden sollen (vgl. Finkelnburg 2005, S. 222f.1), nicht unproblematisch. Tugenden können mit Werten nicht einfach gleich gesetzt werden, weil Werte den Tugenden noch einmal voraus liegen. Schließlich gilt es, eine Instrumentalisierung des Religionsunterrichts zu verhindern.

Allerdings gilt es ebenso, eine Ausblendung des Wertebegriffs wegen der beschriebenen Problematiken abzuwehren. Die aktuelle Finanzkrise, Extremfälle jugendlicher Gewalt, Pränatalmedizin, Nachhaltigkeit als Leitkategorie für zukunftsfähiges Handeln: Mit diesen Schlagworten sind gesellschaftliche Debatten angedeutet, in denen es um fundamentale Weltsichten und zentrale ethische Fragen geht. Hielte sich der Religionsunterricht der Vorbehalte gegenüber dem Wertebegriff wegen hier heraus, müsste er einen hohen Preis bezahlen, nämlich den der Lebensferne und der selbst gewählten Belanglosigkeit. Spricht man von Wertebildung anstelle von Werteerziehung, dann ist berücksichtigt, dass die Ausbildung von Wertorientierungen auch den individuellen Bedürfnissen von Menschen entspricht und sie dabei autonom sind und ihnen nicht nur gesellschaftlich notwendige Handlungsformen anerzogen werden (vgl. Schweitzer in Schweitzer / Ruopp / Wagensommer 2012, S. 14).

 

Die Studie „Wertebildung im Religionsunterricht“

Zwar sind die Erwartungshaltungen gegenüber dem Religionsunterricht im Blick auf Wertebildung besonders groß, ja, im Blick auf den BRU scheint der erwartete Beitrag zur Wertebildung den Unterricht geradezu zu legitimieren. Dem steht aber gegenüber, dass über die empirische Gestalt von wertebezogenem BRU empirisch kaum Einsichten vorhanden sind. Zahlreiche Studien (zum Beispiel Bucher 2000 und Kießling 2004) beziehen sich auf die Wahrnehmung des Unterrichts durch seine Akteure, und natürlich sind prinzipielle Überlegungen zu Didaktik, Methoden und Inhalten des BRU weit entwickelt. Auch über Wertorientierungen Jugendlicher weiß man Vieles durch die einschlägigen Jugendstudien (vgl. dazu Ruopp und Wagensommer in Schweitzer / Ruopp / Wagensommer 2012, S. 149159), nicht aber, was dies in didaktischen Zusammenhängen bedeuten kann. Gerade um der Plausibilität des BRU willen ist es wichtig, empirische Untersuchungen von Unterrichtsprozessen selbst anzugehen, wenn die Rede von der Wirksamkeit des Unterrichts nicht nur eine Behauptung bleiben soll.

Die Studie, die am Evangelischen Institut für Berufsorientierte Religionspädagogik (EIBOR) in Tübingen dazu in den vergangenen Jahren (2009-2011) unternommen wurde, ist als qualitative Untersuchung auf Einzelfälle ausgerichtet. Das liegt daran, dass vorab noch gar nicht klar war, was unter Wertebildung im BRU zu verstehen ist. Das hier beschriebene Forschungsprojekt dient daher in besonderem Maße der Exploration des Feldes und zielt darauf, durch weiterführende Studien fortgesetzt zu werden.


Methodik und Vorgehen

Zwei Forschungsfragen standen im Mittelpunkt des Unterrichtsforschungsprojektes:

  1. Welche Wertorientierungen zeigen die Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht?
  2. Welche wertebildenden Aspekte gehen von den Kommunikationsstrukturen zwischen den Jugendlichen und der Lehrkraft aus?

Dabei stehen die subjektiven Sichtweisen der Schülerinnen und Schüler und der Lehrerinnen und Lehrer im Mittelpunkt, aber auch die sozialen Situationen und Strukturen der Kommunikation, und zwar explizite (beispielsweise da, wo didaktische Modelle von Wertebildung erkennbar sind) wie implizite (Stil und Kultur des Umgangs, des Redens und Diskutierens), wie sie im Klassenraum bzw. im Rahmen des Religionsunterrichts entstehen. Die Datenerhebung bestand insbesondere aus Videographien des Unterrichts, was dem explorativen Zugang der Studien entspricht. Den teilnehmenden Lehrerinnen und Lehrern wurde das Forschungsprojekt im Gespräch ausführlich erläutert, ohne jedoch darüber hinausgehende Vorgaben etwa thematischer Art zu machen. Das Sample aus insgesamt acht Schulklassen bildet das weite Spektrum des beruflichen Schulwesens hinsichtlich Bildungsvoraussetzung, Bildungsambition, aber auch Schultypen, Alter und religiöser Heterogenität ab. Die Themen der acht Unterrichtsstunden, die Eingang in die Auswertung gefunden haben, sind die Folgenden: Die Seligpreisungen, die Goldene Regel, Ethische Entscheidungen begründen, Frieden und Gerechtigkeit, Meine persönlichen Werte, Strafe und Gerechtigkeit sowie Werte im Konflikt. Die Videographien dieses Unterrichts (die Kamera war statisch im Raum, niemand jedoch vom Forschungsteam im Unterricht dabei, um die Eingriffstiefe gering zu halten) wurden wiederholt angesehen und ein vollständiges Transkript erstellt. In einem mehrschrittigen Verfahren wurden diese Transkripte analysiert (Verlaufsprotokolle, Segmentierungen, Formen der Themenentfaltung bzw. Gesprächsorganisation, Identifikation von „dichten“, d.h. relevanten Szenen und schließlich eine sequenzielle Analyse solcher Szenen).

Bei der Darstellung der Ergebnisse lässt sich die Untersuchung konsequent vom explorativen Charakter leiten. Das bedeutet, dass zu den sequenziellen Analysen von Szenen, die im Blick auf die beiden Forschungsfragen (Welche Werte stellen die Schülerinnen und Schüler dar und entfalten sie argumentativ?, Welche Wertorientierungen werden didaktisch aufgenommen bzw. prägen die Diskurse?) erfolgen, ein zusammenfassender Rahmen gelegt wird, der das Thema der Stunde einerseits und die Ergebnisse der empirischen Analyse andererseits auf die darin enthaltenen religionspädagogischen Probleme befragt.2

 

Ergebnisse aus der Untersuchung

Die Schülerinnen und Schüler im BRU, so kann man rekonstruieren, heben auf einen hohen Stellenwert von Familie und Freundschaft, also ihren sozialen Nahbereich, ab. Die Familie ist der Ort der primären Sozialisation, es gilt, sie nicht zu enttäuschen, sondern familiäre Solidarität zu üben, wo sie gefragt ist. Auch ein ganz allgemeiner Gewissensbegriff hilft den Schülerinnen und Schülern, das soziale Verhalten zu steuern. Ebenso sind Bindungen an Freunde wesentlich. Was die Goldene Regel etwa in ihrem Leben bedeuten kann, exemplifizieren Schülerinnen und Schüler am anschaulichsten im Nahbereich freundschaftlicher Beziehungen. Häufig bewegen sich die Schülerinnen und Schüler argumentativ im Themenfeld von Arbeit und Ausbildung. Hier bewegen sie sich zwischen zwei Polen, dem Wunsch nach mehr Autonomie und dem Druck, Hierarchien (Berufsschule, Ausbildung, Ausbilder/in) zu respektieren und akzeptieren. Welche Werte versehen die Schülerinnen und Schüler mit Bedeutung, wenn es um prosoziale Verhaltensweisen geht? Hier werden Wertorientierungen entfaltet wie Gewaltverzicht, aber auch Höflichkeit, Respekt vor dem Alter, Pflichterfüllung und Mitleid (aber nicht mit einhelliger Zustimmung, weil Mitleid auch mit Schwäche assoziiert werden kann: „Ich denk‘, jeder, der in der Situation ist, klauen zu müssen, sieht mitleidig aus“). Freilich werden diese Orientierungen individuell verschieden gefüllt und entfaltet. Als einheitliche Konzepte ethischen Handelns, die sich in den videographierten Unterrichtsstunden dokumentieren, können insbesondere das Prinzip der Wechselseitigkeit (tit for tat) und eine Orientierung am Gewissen, dessen inhaltliche Bestimmtheit sich von selbst versteht, gelten. Die Jugendlichen beziehen sich dabei meist auf den lebensweltlichen Nahbereich. Eine diesen Bereich übergreifende Perspektive wird selten eingenommen.


Kommunikationsstrukturen

Im Blick auf die zweite Fragerichtung unserer Untersuchung, die nach den Kommunikationsstrukturen, lässt sich einmal festhalten, dass die Kommunikationskultur, also die Art des Umgangs miteinander, sowohl zwischen Lehrerinnen/Lehrern und Schülerinnen/Schülern als auch unter den Schülerinnen und Schülern selbst außerordentlich gut ist. Das Klima ist geprägt von Wertschätzung und Vertrauen, gelegentlich sogar gegen den Inhalt des Unterrichts, wenn etwa Schüler völlig offen und vorbehaltlos erläutern, dass sie Gewaltfreiheit für kaum erstrebenswert halten. Insgesamt üben die Schülerinnen und Schüler dabei wertebezogene Reflexions- und Sprachfähigkeit, sie übernehmen probeweise die Rollen von anderen und üben sich so in Empathie. Auch gibt es Ansätze, den Unterricht im Unterricht selbst zum Thema zu machen und dadurch die Unterrichtsqualität zu steigern. Daneben gibt es aber auch andere Fälle, wo unterrichtlich vergegenwärtigte Wertorientierungen zu Kommunikationsabbrüchen führen und so das Gegenteil des Intendierten erreicht wird, etwa, wenn Schülerinnen und Schüler beschämt werden. Außerdem fällt bei allen unterrichtlichen Impulsen die Schülerorientierung auf, die sich in der Lebensnähe und Anschaulichkeit der Beispiele und Situationen zeigt. Es fällt Schülerinnen und Schülern so leicht, sich zu eigenen Wertorientierungen zu äußern.

Ein anderes Bild entsteht, wenn Wertorientierungen durch Medien oder durch ein Votum des Lehrers/der Lehrerin eingebracht werden, und zwar so, dass die Schülerinnen/ die Schüler eingeladen bzw. aufgerufen sind, diese zu übernehmen. Hier kann man ungünstige Situationen sehen, etwa dann, wenn kein Raum besteht, Widerspruch deutlich genug anzubringen oder wenn sich Schülerinnen und Schüler als überrumpelt oder fremdbestimmt erfahren. Schließlich kann man häufig sehen, dass bekannte, auch ältere didaktische Konzepte von Wertebildung im BRU aufgenommen werden, wenn auch nicht in Reinform, sondern in individuellen Adaptionen. Bei der Arbeit mit Dilemmasituationen, wie sie in der von Lawrence Kohlberg (Kohlberg 1995) ausgehenden Schule geübt wird, kann man wahrnehmen, dass auch junge Erwachsene im BRU sich nicht selten noch an präkonventionellen moralischen Urteilen orientieren. Nicht nur hier zeigt sich ein dringender Bedarf ethischer Bildung. Auch das didaktische Modell der values clarification kann im Hintergrund von Unterrichtsstunden stehen (vgl. Mokrosch 2009, S. 36), so wie auch die Probleme dieses Ansatzes, insbesondere der ethische Indifferentismus, dabei deutlich werden.

 

Didaktische Modelle von Wertebildung

Heute ist anerkannt, dass man Wertebildung nicht einfach als Werteerziehung konstruieren kann, im Sinne einer Einführung in den normativen, allgemein anerkannten Grundbestand gesellschaftlicher Werte und Normen. Vielmehr kann ein überzeitlich gültiger Wertekosmos nicht einfach vorausgesetzt werden, sondern Sinn und Bedeutung von Werten müssen diskursiv verhandelt werden, um Bildungsprozesse zu ermöglichen. Allerdings haben auch didaktische Modelle, die sich auf die individuelle Klärung von persönlichen Werten beziehen und sich auf diese Weise dem Vorwurf der Indoktrination nicht aussetzen wollen, große Schwächen. Das Hauptproblem dürfte darin liegen, dass Werte in der Perspektive der values clarification weder hinsichtlich ihrer Entstehung noch im Blick auf ihre Wirkung auch in ihrer sozialen Dimension betrachtet werden, sondern ausschließlich als individualisierte Konzepte (dazu ausführlich Oser / Althof 1992). So können hier auch Überzeugungen als Werte gelten, deren soziale Konsequenzen fatal sind. Was Werte sind, wird letztlich gar nicht deutlich, und die Ausblendung ihrer sozialen Dimension führt zu ethischem Relativismus.

 

Auf dem Weg zu einer umfassenden Theorie von Wertebildung

Die Arbeit mit Dilemma-Geschichten dagegen, also Situationen, bei denen in einer herausfordernden Entscheidungssituation mehrere Werte sich so gegenüber stehen, dass man immer nur einem folgen kann, hat empirisch nachgewiesene positive Folgen für die Entwicklung moralischer Urteilsfähigkeit. Bei diesem Ansatz von Wertebildung, der in der Tradition von Lawrence Kohlberg (Kohlberg 1995) steht und auch in Deutschland eine gewisse Verbreitung durch die Methodik Georg Linds (Lind 2009) gefunden hat, wird durchgehend betont, dass es nur um moralische Fähigkeiten und nicht um moralische Einstellungen gehen darf. Letztere könne man nicht indoktrinationsfrei bearbeiten, und zudem verstünden sie sich selbst global gesehen ohnehin von selbst.3 Es komme allein darauf an, die moralischen Prinzipien in einer Situation auch folgerichtig zur Anwendung zu bringen. Insgesamt ist dieses Konzept konzentriert auf Kognitionen. Heute wird man freilich weitere Entstehungsbedingungen von Wertorientierungen annehmen und mit diesen auch mehrere Dimensionen pädagogischer Zugänge. Welche Rolle spielen Gefühle und Emotionen bei der menschlichen Sozialisation bzw. ethischer Bildung? Gibt es neben diskursiven und rationalen Kompetenzen zur Bewältigung ethischer Herausforderungen nicht auch psychologische, wie zum Beispiel die Fähigkeit zu Empathie? Es liegt nahe, dass die Aufgabe der Zukunft in einer Theorie ethischer Bildung bzw. von Wertebildung liegt, bei der emotionale, kognitive und handlungspraktische Momente gleichermaßen berücksichtigt werden (vgl. Hoffman 2000, Naurath 2008).

 

Herausforderungen für die Zukunft

Erste Handlungsempfehlungen und weiterführende Fragen können aus der Studie des EIBORs gewonnen werden. In der Studie konnte man sehen, dass sehr wohl auch die jungen Erwachsenen im BRU Sinnfragen stellen, wo es um Wertorientierungen geht: Sie fragen nach einem plausiblen, gerechten Zusammenhang zwischen Lebensführung und Ergehen eines Menschen, sie denken über das Wesen des Menschen nach, wenn es um Straffälligkeit und ihre Formen geht. Man sieht daran, dass Wertebildung keine bloße Tugenderziehung ist, sondern mit fundamentalen Weltsichten verbunden ist. Man könnte auch sagen, dass wertebildende Elemente im BRU häufig eine religiöse Tiefendimension besitzen. Für den Unterricht scheint es darauf anzukommen, diese Fragen mit den Einsichten der christlichen Tradition in Verbindung zu bringen bzw. die Tiefendimension zu erschließen. Die Religionslehrerin/der Religionslehrer müsste hier zu einer Rolle gelangen, die über die der Moderatorin/des Moderators hinausgeht.

Weiter scheinen uns curriculare und didaktische Überlegungen zentral zu sein, die sich auch auf die strukturellen und organisatorischen Besonderheiten des BRU einstellen. Für den BRU sind eine Konzentration auf das Wesentliche und eine exemplarische Erschließung von Inhalten naheliegend. Didaktisch gilt es nicht nur, sich in besonderer Weise auf die jungen Erwachsenen einzustellen, sondern thematisch auch den Berufsbezug in den Blick zu bekommen. Dabei ist sowohl an einen umfassenden Berufsbezug gedacht (Themen der Persönlichkeitsarbeit, des Nachdenkens über Lebenswege und -stile, aber auch Gewaltprävention und soziales Lernen) wie auch an einen jeweiligen konkreten. So legen sich in kaufmännischen Ausbildungsgängen wirtschaftsethische Fragestellungen nahe, im medizinisch-pflegerischen Bereich sind Fragen nach dem Beginn und Ende, nach der Würde und der Qualität eines Menschenlebens zentral. Auch für weitere Berufsbilder gibt es spezifische Themen mit werteorientierendem Potential. Hier liegen Herausforderungen für eine künftige berufsorientierte Religionspädagogik.

 

Wertebildung in der Pluralität

Zuletzt ist festzuhalten, dass die Unterrichtsforschung sich weiter und verstärkt des Themas annehmen sollte. Interventionsstudien könnten dabei helfen, die Effekte wertebezogenen Religionsunterrichts realistisch wahrzunehmen. Dies könnte zur Versachlichung der zu Beginn angesprochenen Debatten beitragen, aber auch bei der Qualitätssteigerung des Religionsunterrichts und seiner praxisnahen Unterstützung. Schule und Unterricht könnten insgesamt profitieren, wenn sie auf empirisch validierte Konzepte von sozialem Lernen, von Gewaltprävention, von Lebenswegreflexion und Ähnlichem zurückgreifen können. Weiter ist eine Verknüpfung des Themas mit anderen zentralen Themen der berufsorientierten Religionspädagogik bedeutsam. Dabei ist besonders an das Thema interreligiösen Lernens zu denken. Schließlich geschehen alle Debatten um Werte heute mit dem Vorzeichen kultureller und religiöser Pluralität.4

 

Anmerkungen

  1. Bei Finkelnburg heißt es: „Zu einer ordentlichen Bildung gehört selbstverständlich die Vermittlung von Grundwerten (…). Es sind klassische, humane Tugenden, die für die Zusammenarbeit in unseren Betrieben unerlässlich sind: Wenn Menschen miteinander wirken und leben, sind bestimmte Verhaltensweisen, Regeln und Einstellungen unabdingbar. (…) Um diese Einstellungen und Verhaltensweisen ausbilden zu können, brauchen die Schüler die Vermittlung eines verlässlichen Wertegerüstes.“
  2. Eine ausführliche Darstellung aller Verfahrensweisen und des sozialwissenschaftlich-theoretischen Hintergrundes findet sich bei Wagensommer in Schweitzer / Ruopp / Wagensommer 2012, S. 32-44. – In dieser Ausgabe des Loccumer Pelikans findet sich auch eine Rezension dieses Bandes.
  3. Bei Lind 2009, S. 42, heißt es: „Die meisten Menschen haben, so ist zu vermuten, moralische Ideale und Werte. Wir sind heute in der Klärung dieser Frage nicht nur auf eigene Beobachtungen und Vermutungen angewiesen, sondern können uns dabei auf viele Untersuchungen stützen, die zeigen, dass diese Annahme richtig ist und zwar unabhängig von Alter, Schicht, Kultur oder politischer Ideologie.“
  4. Es sei hier verwiesen auf ein weiteres Forschungsprojekt, das gemeinsam von den beiden Tübinger Instituten für Berufsorientierte Religionspädagogik (EIBOR und KIBOR), den evangelischen Landeskirchen und den katholischen Diözesen in Baden-Württemberg mit maßgeblicher Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung getragen wird. In diesem Projekt mit dem Namen „Ethische Bildung in der Pflege“ geht es um die wissenschaftliche Evaluation von Unterrichtsmodulen, die im Horizont einer integrierten Pflegeausbildung erarbeitet werden. Dabei werden insbesondere interreligiöse Perspektiven einer religiös und konfessionell pluralen Situation sowohl seitens der Pflegegebenden als auch der Pflegenehmenden berücksichtigt.

 

Literatur

  • Bucher, Anton: Religionsunterricht zwischen Lernfach und Lebenshilfe. Eine empirische Untersuchung zum katholischen Religionsunterricht in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart, 2000
  • Evangelische Kirche in Deutschland [EKD] (Hg.): Religionsunterricht. Zehn Thesen des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Hannover, 2006
  • Finkelnburg, Antonin: Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung von Wertevermittlung, in: Gesellschaft für Religionspädagogik / Deutscher Katechetenverein (Hg.): Neues Handbuch Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, Neukirchen-Vluyn, 2005
  • Hoffman, Martin L.: Empathy and Moral Development. Implications for Caring and Justice, Cambridge, 2000
  • Kießling, Klaus: Zur eigenen Stimme finden. Religiöses Lernen an berufsbildenden Schulen, Ostfildern, 2004
  • Kohlberg, Lawrence: Die Psychologie der Moralentwicklung, Frankfurt a.M., 1995
  • Lind, Georg: Moral ist lehrbar (2. Aufl.), München, 2009
  • Mokrosch, Reinhold: Zum Verständnis von Werte-Erziehung. Aktuelle Modelle für die Schule, in: Mokrosch, Reinhold / Regenbogen, Arnim (Hg.), Werte-Erziehung und Schule. Ein Handbuch für Unterrichtende, Göttingen 2009
  • Naurath, Elisabeth: Mit Gefühl gegen Gewalt. Mitgefühl als Schlüssel ethischer Bildung in der Religionspädagogik (2. Aufl.), Neukirchen-Vluyn, 2008
  • Oser, Fritz / Althof, Wolfgang: Moralische Selbstbestimmung. Modelle der Entwicklung und Erziehung im Wertebereich. Mit einem Beitrag von Detlef Garz. Ein Lehrbuch, Stuttgart, 1992
  • Schweitzer, Friedrich / Ruopp, Joachim / Wagensommer, Georg: Wertebildung im Religionsunterricht. Eine empirische Untersuchung im berufsbildenden Bereich, Münster, 2012

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2013

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