Vorüberlegungen zum Thema
Wir sind immer die Kinder unserer Eltern. Selbst wenn die eigenen Eltern nicht mehr leben, bleiben wir doch durch Gefühle wie Dankbarkeit, Liebe, Schuld, Scham oder Trauer an sie gebunden. Sie bestimmen unser Woher und sind damit auch ausschlaggebend für unser Wohin. Die notwendige stete Neu- und Umgestaltung der Eltern-Kind-Beziehung ist ein lebensbegleitender Prozess. Oft gestattet erst eine Ablösung wieder eine Annäherung. Wir ringen so lebenslang um Nähe und Distanz. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Elterngebot ist daher eine Aufgabe für uns alle.
In der Lebenszeit der Konfirmandinnen und Konfirmanden mit der dynamischen Aushandlung bzw. akuten Umgestaltung der Eltern-Kind-Beziehung ist eine Thematisierung dieses Gebotes besonders angeraten, da hier die Eltern-Kind-Beziehung oft noch von größerer Asymmetrie und von einem Machtgefälle zugunsten der Eltern geprägt ist.
Wir sind immer die Eltern unserer Kinder. Wir stehen in einer Generationenfolge, die die Vorausgehenden mit den Nachfolgenden verbindet. Generationengerechtigkeit sowie intergenerative Solidarität und Verantwortung sind stets aktuelle und drängende Themen gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse. Eine Sensibilisierung hierfür und die Förderung eigener kritischer Auseinandersetzung mit dem Problemfeld auf der Basis des christlichen Glaubens müssen als wichtige Unterrichtsintentionen im Rahmen einer zeitgemäßen Konfirmandenarbeit angesehen werden.
Der folgende Arbeitsentwurf thematisiert das 4. Gebot „Ehre deinen Vater und deine Mutter“ für Konfirmandinnen und Konfirmanden.
Die Abbildung zeigt das Anliegen dieses Entwurfes. Zwischen den Generationen – zwischen einem Kleinkind und einem alten Menschen – tanzt eine Figur. Mit spielerischer Leichtigkeit positioniert sie sich im Kontext einer liebevollen Begegnung. Die Figur personifiziert die Lernenden, die im Rahmen dieser Einheit dazu angeregt werden sollen, sich mit dem Generationenverhältnis auf der Basis des Elterngebotes auseinanderzusetzen. Sie können sich selbst im Zuge der Arbeitseinheit spielerisch in Szene setzen.
Innerhalb dieses Beziehungsgeschehens darf eine – und vielleicht die entschiedenste – Relation nicht unbestimmt bleiben. Gott wird im Rahmen der christlichen Religion als das Gegenüber geglaubt, das alle anderen Beziehungen bestimmt. Mit dem Dekalog, der unter dem Vorwort der Befreiung steht, werden wir aufgefordert, alle unsere menschlichen Beziehungen in seinem Licht zu sehen und zu gestalten.
Didaktische Überlegungen
Sachanalyse
Das Elterngebot wird im Rahmen des Dekalogs innerhalb des Pentateuchs zweifach aufgeführt. Es findet sich in Exodus 20,12 und in Deuteronomium 5,16.
Nach Martin Noth „…wendet [es] sich nicht an die Kinder, die der patria potestas unterstehen, sondern an Erwachsene, die selbst die patria potestas ausüben und ihren alt werdenden Eltern die schuldige Ehre erweisen sollen.“ (Noth 1968, S. 133). Die Aufforderung, die eigenen Eltern zu ehren, umfasst neben einer angemessenen leiblichen (Alters-)Versorgung auch den würdigen Umgang und die achtungsvolle Behandlung – besonders bei abnehmender körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit – sowie eine würdevolle Bestattung (vgl. Albertz 1978, S. 374).
Diese sozialethische Forderung darf keinesfalls abgekoppelt werden von einer im Kontext des Dekalogs implizierten Offenbarung Gottes als dem Gott, der die Menschen in die Freiheit geführt hat und führen will. Hinter dem Imperativ des Elterngebots steht immer Gottes Verheißung der Freiheit einer gelingenden Gemeinschaft des Menschen mit Gott sowie in Familie und Gesellschaft (vgl. Biewald 2004, S. 150f.).
Heute sind die Älteren kaum noch auf eine Versorgung durch die eigenen Kinder angewiesen. Vielmehr steht eine – mehr oder weniger ausreichende – Unterhaltssicherung durch staatliche bzw. private Rentenzahlungen im Vordergrund. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig eine Trennung von Herkunftsfamilie und eigener Familie. Nicht selten erfolgt auch im Alter der Eltern eine Unterstützung ihrer erwachsenen Kinder. Generell ist eine wechselseitige und vielgestaltige Tauschsituation in Form von Kommunikation, Hilfeleistungen und finanzieller Zuwendung zu beobachten (vgl. Bien 2000, S. 203-209).
Gleichwohl sind intergenerative Abhängigkeiten und die Praktikabilität eines Zusammenlebens der Generationen ununterbrochen Thema der öffentlichen Diskussion. Generationengerechtigkeit und generationenübergreifendes Verantwortungsbewusstsein sind akute Problemfelder unserer Tage (vgl. Becker 2001; Gruber 2008; Berner 2012 u.a.). Neben der veränderten Versorgungssituation müssen auch demographische Verschiebungen der Alterspyramide, soziologische Umstrukturierungen des Systems Familie und medial geprägte Altersbilder zu den Ursachen dieses anhaltenden Generationenkonfliktes gezählt werden. Es ist eine paradoxe Entwicklung zu verzeichnen. Während die Menschen hierzulande einerseits durch Fortschritte in Technik, Wohlstand und medizinischer Versorgung durchschnittlich wesentlich älter werden als früher, werden andererseits alte Menschen in zunehmendem Maße von der Gesellschaft ausgegrenzt und für überflüssig erklärt (vgl. u.a. Honneth 2007, S. 139).
Neben dem Umfeld der Gleichaltrigen hat die eigene Familie im frühen Jugendalter den größten Einfluss auf die Ausbildung der eigenen Identität, die sich im Wechselspiel zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung bildet (vgl. Grob 2003, S. 41.49). Geschlechterrollen, ethische Werte, religiöse Vorstellungen und soziale Interaktionsmuster werden explizit oder implizit übernommen bzw. abgelehnt. Auch in der aktiven Inversion der elterlichen Vorgaben ist eine direkte Beeinflussung zu sehen. Der Umgang der Eltern mit Autorität und Machtverhältnissen prägt die Identitätsbildung des Jugendlichen ebenso wie interfamiliäre Kooperationsmuster und Wertzuschreibungen zwischen den Generationen. Die Interaktionen innerhalb des komplexen Systems Familie gehen dabei weit über die duale Konstellation Kind-Elternteil hinaus. Doch nur selten ist ein Zusammenleben von mehr als zwei Generationen gegeben. Die „multilokale Familie“ (Bien 2000, S. 193) stellt im Gegensatz zur unilokalen Mehrgenerationenfamilie das gegenwärtige Standardmodell dar.
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts werden Freiheiten und Pflichten der Kinder innerhalb der Familien zunehmend ausgehandelt statt repressiv vorgeschrieben. Hierin ist ein Grund für die Abnahme rebellischer Brüche und verbissener familiärer Kämpfe zugunsten eines prozesshaften Beziehungsumbaus zu sehen. Der Generationenkonflikt scheint entschärft. Dennoch ist völlige Gleichberechtigung und eine partnerschaftliche Kooperation in der Eltern-Kind-Beziehung ein Mythos. Das Machtverhältnis ist verhandelbar, bleibt aber in Bezug auf Verantwortung, Ressourcen und Rechte unausgewogen (vgl. Fend 2000, S. 271f.). Die Struktur der Eltern-Kind-Beziehung ist bis zu einem späten Lebenszeitpunkt gekennzeichnet durch eine Asymmetrie, aus der die Ausbildung autoritärer Strukturen folgt. Solche Autorität kann verantwortungsvoll umgesetzt, aber auch missbraucht werden. Erst bei einer Umkehr der Angewiesenheit der alten Eltern auf die eigenen erwachsenen Kinder erfolgt meist auch eine Modifikation der Autoritätsstrukturen. Im Bezug auf das Elterngebot ist zu beachten, dass es genau hier, an dieser Wende, ansetzt. Es befürwortet somit nicht bereits gegebene Autorität gegenüber Schwächeren, sondern sichert vielmehr die Rechte der Hilfsbedürftigen gegenüber den Stärkeren.
Die Umgestaltung des Verhältnisses zu den eigenen Eltern beginnt bereits im Jugendalter. Biologische, kognitive und soziale Veränderungen sind so fundamental, „… dass die Dinge nicht so bleiben können, wie sie in der Kindheit waren.“ (Fend 2000, S. 275). Die Eltern-Kind-Beziehung muss neu ausgehandelt werden. Statt von einer Ablösung oder Loslösung vom Elternhaus scheint es dabei sinnvoller, von einem Umbau der sozialen Beziehungen zu sprechen (vgl. Fend 2000, S. 269-303), da die eigene Beziehung zu den Eltern ja nicht überwunden, sondern in ihrer Qualität umgestaltet wird. Die Jugendlichen stehen vor der paradoxen Aufgabe, einerseits nach eigener Unabhängigkeit zu streben und andererseits die Kommunikation und Zuneigung zu den Eltern aufrecht zu erhalten.
Methodische Akzentsetzung
Gerade in der Konfirmandenarbeit oder im Religionsunterricht steht die Vermittlung abfragbarer, klassischer Lernstücke – wie bspw. die Zehn Gebote, das Vaterunser oder das Glaubensbekenntnis – der Herausforderung einer Anbahnung von authentisch gelebtem Christsein gegenüber. Ein Textangebot rückt ins Zentrum, das jedoch erst durch Wahrnehmung, Ausdruck und Reflexion anverwandelt werden muss, um als solches im Leben der Lernenden relevant zu werden.
„Das geläufigste Mittel zur Aneignung der Welt ist die Benennung, ist Sprache. Das wirksamste ist es nicht, es ist nicht einmal das ursprünglichste.“ (von Hentig 1999, S. 116). Nicht die Sprache, sondern das Theaterspiel nennt Hartmut von Hentig eines der wirkmächtigsten Bildungsinstrumente. Erst die Darstellung eines Anderen im Spiel, das „als ob“ der Inszenierung ermöglicht einen Schritt der Erweiterung, der Selbst-Überschreitung (vgl. von Hentig 1999, S. 117). In der spielerischen Identifizierung mit dem Fremden ereignet sich die Möglichkeit eines Perspektivwechsels. Das Spiel eröffnet einen intermediären Raum – einen Raum dazwischen … zwischen Text und Rezipient, zwischen Unterrichtsgegenstand und Lernendem, zwischen Welt und Selbst. Die wellenartige Spiel-Bewegung ist an sich nicht zielgerichtet, sie ist sich selbst Ziel genug – und unterliegt doch einer steten Metamorphose. In einem Raum des Als-Ob trifft sich die Phantasie mit den Bildern der Realität. Innere und äußere Wirklichkeit können so vom Subjekt in ein persönliches Verhältnis zueinander gebracht werden (vgl. Kunstmann 2002, S. 260-263).
Das Spiel soll stark gemacht werden in diesem Unterrichtsentwurf. Die Anregung einer spielerischen Auseinandersetzung mit dem Thema der Einheit intendiert die Schaffung einer Grundlage für eine Aneignung und kritische Auslegung des Elterngebots in Form einer begründeten Stellungnahme.
Eine zentrale Herausforderung im Alter der Konfirmandinnen und Konfirmanden ist die Ausbildung eines selbstbewussten Umgangs mit der individuellen Leiblichkeit. Immens wichtig ist zudem die Achtung der Anderen auch und gerade in Bezug auf den äußerlich wahrnehmbaren und als unverrechenbar gegebenen Körper. Im darstellenden Spiel können diese Entwicklungsaufgaben durch Einbeziehung des eigenen Körpers als ein kreatives „Instrument“ gefördert werden. Auf einen sensiblen und wertschätzenden Umgang ist unbedingt zu achten.
Thematische Fokussierung
Richtet sich das Elterngebot an erwachsene Kinder, worin kann dann der geforderte lebensweltliche Bezug gesehen werden? Was hat das Elterngebot mit den Jugendlichen zu tun?
Nichts – insofern, als sie nicht als konkrete Adressaten und somit als Handlungsbeauftragte gesehen werden können. Das Elterngebot ist keine Legitimation für eine Forderung – absoluten oder mündigen – Gehorsams der minderjährigen Kinder gegenüber jeglicher menschlicher Autorität!
Alles – indem sie hineingestellt sind in ein System „Familie“. In dieser, ihrer konkretesten Lebenswirklichkeit müssen sie täglich agieren und reagieren, sich einordnen und behaupten, besonders im Zuge der oben geschilderten Entwicklungsaufgabe eines Umbaus der eigenen Beziehung zu den Eltern. Gleichzeitig sind die Jugendlichen in unserer Region Teil einer alternden Gesellschaft.
Wenn davon ausgegangen wird, dass sich Bildung [und besonders auch religiöse Bildung] in einer wechselseitigen Erschließungserfahrung zwischen Welt und Selbst ereignet (vgl. Kunstmann 2002), stellt die multilokale Familie eine erhebliche Reduktion intergenerativer Erfahrungsmöglichkeiten dar. Die konkrete Förderung generationenübergreifender Bildungsanreize wird daher als notwendig angesehen. Verantwortungsvoller Umgang mit dieser Entwicklung erfordert auch in der Konfirmandenarbeit eine Thematisierung von Alter und Altern – kurz Bildung für das Alter oder auf das Alter hin (vgl. dazu auch Kumlehn 2009).
Darstellung und Erläuterung der Medien
Erzählung
Die Erzählung „Der alte Großvater und sein Enkel“ wurde der Sammlung von Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm entnommen. Im Vergleich mit den weiteren Märchen der Ausgabe fällt auf, dass weder märchenhaft-wunderbare noch magisch-zauberhafte Elemente enthalten sind. Man kann daher eher von einer moralischen Parabel oder lehrhaft-zeigenden Beispielgeschichte sprechen. Durch Sprache, Satzbau und Wortschatz gleicht die Fremdheit der Erzählung der Fremdheit biblischer Texte. Ein Leseverständnis kann somit nicht pauschal angenommen werden, sondern muss in Auseinandersetzung mit dem Text gemeinsam mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden erarbeitet werden.
Neben der Kürze und Prägnanz sowie der thematischen Beziehung zum Elterngebot wurde die Erzählung aus zwei Gründen ausgewählt: Auf den ersten Blick fällt im Kontext der Vorbereitung einer Konfirmandenstunde auf, dass die Zielgruppe in der Erzählung gar nicht vorkommt. Ist sie aufgrund fehlender Identifikationsmöglichkeiten daher ungeeignet? Ja und Nein. Da weder eine Figur im Alter der Jugendlichen vorkommt noch deren konkrete Lebenswirklichkeit abgebildet oder aufgegriffen wird, zeigt sich der Text zunächst als fremd und unzugänglich. Doch liegt in diesem scheinbaren Mangel auch seine Stärke. Durch die „Leerstelle“ bietet die Erzählung den Jugendlichen die Möglichkeit, sich in kreativ-ästhetischer Auseinandersetzung mit dem Text selbst in diesen hineinzuschreiben. Sie sind so nicht nur passive Konsumenten, sondern werden selbst Teil des Geschehens, Teil der Geschichte. Sie selbst füllen die „Lücke“ und werden so zu kritischer Stellungnahme in Bezug auf die Problematik angeregt.
Eine zweite Stärke der Erzählung liegt darin, dass sie die duale Beziehungskonstellation von Eltern und Jugendlichen zugunsten der Erkenntnis aufbricht, dass auch die eigenen Eltern gleichzeitig Kinder sind. Es wird die generationenübergreifende Problematik der Verantwortung und Inanspruchnahme von Unterstützung „ins Spiel gebracht“, die in der heutigen Zeit der „Kleinfamilie“ zunehmend nicht mehr als heimische Realität angenommen werden kann. Damit ermöglicht die Erzählung einen neuen Zugang zum biblischen Elterngebot als Herausforderung zu einer generationenübergreifenden Verantwortung und Gerechtigkeit.
Lieder
Texte prägen sich gut ein, wenn man sie zu einer Melodie singt. Da im Zuge einer Arbeitseinheit zum Dekalog unter anderem auch intendiert wird, dass die Lernenden die zehn Gebote (zumindest sinngemäß) aufsagen können, wird jeweils zu Beginn ein Lied gesungen, das die Einzelgebote des Dekalogs thematisiert. Durch die Wiederholung kann so ein erheblicher Lerneffekt erzielt werden. Die nötige Zeit für das „trockene“ Auswendiglernen wird so erheblich reduziert. Das Lied „Die Zehn Gebote“ von Kurt Miluka (M 3) eignet sich hierfür, weil es die Dekalog-Gebote in ausgelegter Form aufnimmt1 und sie zudem in einen deutenden Rahmen setzt.
Für den Abschluss wurde ein Lied gewählt, das thematisch an die Unterrichtsstunde anschließt. Das Lied „Wo ein Mensch Vertrauen gibt“ nimmt Aspekte der sozialen Verantwortung zwischen den Generationen auf (Text: Hans-Jürgen Netz (1975), Melodie: Fritz Baltruweit (1977); Evangelisches Gesangbuch Nr. 604).
Arbeitsintentionen
Inhaltlich (das 4. Gebot):
- (Kennen-) Lernen des Textlautes
- Wer sind die Adressaten? Sensibilisierung für die Kernthematik: Würdigung der alten Eltern durch die erwachsenen Kinder.
- Warum? fKlärung des sozialgeschichtlichen Kontextes
Thematisch (Alter und Generationen):
- Sensibilisierung für Familienstrukturen über die Kernfamilie hinaus:
- Auch meine Eltern sind Kinder (ihrer Eltern).
- Wo sehe ich mich im System meiner Familie?
- Thematisierung der Generationenverhältnisse:
- Kontaktaufnahme mit dem Thema „Alter“.
- Was können Konfliktpunkte, Verantwortungen und Herausforderungen innerhalb der Generationen sein?
Kompetenzorientiert: Förderung der Fähigkeiten zu kritischer Stellungnahme und verantwortungsvoller Interaktion im Sinne einer bezogenen Individuation
- Einen Standpunkt beziehen:
- Wo stehe ich / wo positioniere ich mich in einem vorgegebenen Konflikt?
- Einen Standpunkt sichtbar in Szene setzen:
- darstellende / spielerische Auseinandersetzung und Interaktion im Kontext eines vorgegebenen Konfliktes.
Durchführung der Arbeitseinheit
Die Annäherung an das Elterngebot erfolgt über den Umweg beziehungsweise die Verfremdung durch die Grimmsche Erzählung „Der alte Großvater und sein Enkel“. Der Perspektivwechsel soll einen neuen Zugang zu dem voraussichtlich bekannten Elterngebot ermöglichen.
Nach einem gemeinsamen Eingangslied, einer kurzen Repetition der vorausgegangenen Stunde und einem einleitenden Gespräch erfolgt im ersten Teil eine Einzelarbeit, für die eine möglichst konzentrationsfördernde Arbeitsatmosphäre nötig ist. Mehrere Tischgruppen oder einzelne Arbeitsplätze können von Vorteil sein. Wenigstens jedoch ist eine Sitzanordnung um einen großen Tisch erforderlich. Auf einem ersten Arbeitsblatt (M 1) sind der Text der Erzählung sowie die Arbeitsanweisung für die Einzelarbeit abgedruckt. Es wird nach dem einführenden Unterrichtsgespräch ausgeteilt und bietet auf der Rückseite Platz für die Bearbeitung der Aufgabe. In kreativer Auseinandersetzung mit dem erzählenden Text werden die Konfirmandinnen und Konfirmanden angeregt, sich selbst in die Geschichte hineinzuschreiben. Sie werden aufgefordert, bewusst einen eigenen Standpunkt innerhalb der (Konflikt-) Situation einzunehmen. Selbst und Text sollen in einem wechselseitigen Transfer ins Schwingen gebracht werden. Es entsteht eine neue, eigene, anverwandelte Erzählung.
Im zweiten Teil wird auf der Basis der Arbeitsergebnisse im Rahmen einer Gruppenarbeit eine spielerische Szene entwickelt. Hierfür werden Teams zu mindestens fünf Personen gebildet, die auf der Basis der vorliegenden Arbeitsergebnisse je ein darstellendes Spiel bzw. eine spielerische Szene entwickeln sollen. Separate Räumlichkeiten in mittelbarer Nähe sind hierfür unbedingt notwendig. Innerhalb der Gruppe erfolgen dabei zuerst eine Vorstellung der einzeln verfassten Erzählungen und ein gemeinsamer Austausch über die Ergebnisse. Anschließend wird auf der Basis der vorliegenden Texte ein konsensfähiges „Drehbuch“ entwickelt. Seitens der Leitung ist dabei darauf zu achten, dass alle Gruppenmitglieder gleichberechtigt in den Findungsprozess integriert werden. In verteilten Rollen wird die gemeinsam erarbeitete Version dann „ins Spiel gebracht“.
Während der Gruppenphase kann im Unterrichtsraum z. B. durch einen Stuhlhalbkreis eine Bühnenszenerie geschaffen werden, innerhalb der die Ergebnisse aller Teams anschließend präsentiert werden können.
Nach der Aufführung der Spielszenen sind im dritten Teil der Transfer des Erarbeiteten und die Fokussierung auf das biblische Elterngebot im Rahmen eines Unterrichtsgespräches angeraten. Neben einer gemeinsamen Auslegung auf der Folie der Geschichte geht es um die Frage: Was passiert, wenn Gott ins Spiel kommt? Anschließend an diese dialogförmige Vertiefung werden die persönlichen Bildungsresultate auf einem zweiten vorbereiteten Arbeitsblatt (M 2) schriftlich festgehalten. Dieses wird zum Abschluss der Einheit verteilt und dient der Ergebnissicherung. Im Rahmen einer stundenübergreifenden Unterrichtseinheit zu den Zehn Geboten stellt es den vierten Teil einer Serie da.
Anmerkungen
- Die Textstrophen zu den einzelnen Geboten müssen jedoch teilweise unbedingt im Unterricht kritisch besprochen werden, da sie den exegetisch erforschten Gehalt der Gebote verkürzt oder auch verändert darstellen.
Materialien als PDF-Datei:
http://shop.rpi-loccum.de/pelikan/dokumente/ku_maebert.pdf
Literatur
- Albertz, Rainer (1978): Hintergrund und Bedeutung des Elterngebots im Dekalog. In: Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft 90/1978, 348-374.
- Becker, Christoph: Verantwortung und Verantwortungsbewußtsein. Über Solidarität zwischen den Generationen, Köln/Berlin/Bonn/München 2001.
- Berner, Frank u.a. (Hg.): Individuelle und kulturelle Altersbilder. Expertisen zum sechsten Altenbericht der Bundesregierung, Bd. 1, Wiesbaden 2012.
- Bien, Walter: Die multilokale Familie. Beziehungen zwischen den Generationen am Beispiel von Deutschland. In: Josef Ehmer und Peter Gutschner (Hg.): Das Alter im Spiel der Generationen, Wien/Köln/Weimar 2000, 193-209.
- Biewald, Roland: Die Eltern ehren – der Obrigkeit gehorchen? (1). Zur Wirkung des Elterngebotes aus religionspädagogischer Sicht. In: Ulfrid Kleinert und Ulf Liedke (Hg.): Dekalog-Dialoge, Leipzig 2004, 141-152.
- Eckert, Eugen u.a. (Hg.): Durch Hohes und Tiefes. Gesangbuch der Evangelischen Studierendengemeinden in Deutschland, München 2008.
- Fend, Helmut: Entwicklungspsychologie des Jugendalters. Ein Lehrbuch für pädagogische und psychologische Berufe, Opladen 2000.
- Grob, Alexander; Jaschinski, Uta: Erwachsen werden. Entwicklungspsychologie des Jugendalters, Weinheim/Basel/Berlin 2003.
- Gruber, Thomas; Zehetmair, Hans (Hg.): Jung und Alt. Miteinander leben – voneinander lernen – einander zuhören, Grünwald 2008.
- Hentig, Hartmut v.: Bildung. Ein Essay, Weinheim/Basel 1999.
- Honneth, Axel: Die Ghettoisierung der Alten – eine gesellschaftliche Herausforderung im Lichte der Anerkennungstheorie. In: Annemarie Bauer und Katharina Grönig (Hg.): Die späte Familie, Gießen 2007, 139-151.
- Kumlehn, Martina: Altern antizipieren? Herausforderungen für religiöse Bildungsprozesse im Religionsunterricht. In: Thomas Klie, Martina Kumlehn und Ralf Kunz (Hg.): Theologie des Alterns, Berlin 2009, 497-518.
- Kunstmann, Joachim: Religion und Bildung. Zur ästhetischen Signatur religiöser Bildungsprozesse, Gütersloh/Freiburg i.Brsg. 2002.
- Noth, Martin: Das zweite Buch Mose. Exodus, Altes Testament Deutsch 5, Berlin, 4. Aufl., 1968.
- Stollberg, Dietrich: Solange du deine Füße unter meinen Tisch streckst. Zur Auseinandersetzung Jugendlicher mit Autorität. In: Richard Riess und Kristen Fiedler (Hg.): Die verletzlichen Jahre, Gütersloh 1993, 324-332.