Besinnung auf das Eigene – Impulse zur Didaktik der Schöpfungsberichte

von Rainer Merkel

 

Religionsunterricht ohne das Thema ‚Schöpfung’, ohne den Anfang der Bibel ist undenkbar. Zugleich spüren Lehrerinnen und Lehrer zum einen die Brisanz dieser Unterrichtseinheiten, zum anderen die Verantwortung, die sie in der Sekundarstufe tragen. Unausweichlich werden sie mit einem fundamentalen kognitiven Konflikt konfrontiert, der die Glaubensbiographie von Schülerinnen und Schülern maßgeblich bestimmen und die Lehrenden obendrein immer wieder selbst einholen kann.1 Desto dringlicher ist eine eindeutige Positionierung in doppelter Hinsicht. Zum einen muss sich die Lehrperson über die eigene Verhältnisbestimmung von Naturwissenschaft und Theologie im Klaren sein. Legt sie das Konfliktmodell, das Unabhängigkeitsmodell oder das Dialogmodell zu Grunde?2 Sind diese Kategorien überhaupt bekannt? Zum anderen muss sie sich fachdidaktisch positionieren und entscheiden, inwieweit sie ihren Schülerinnen und Schülern einen auf diesem Modell basierenden Unterricht zumuten kann und will. Ziel dieses Artikels ist es, konkrete didaktische Grundsätze zu gewinnen. Kernforderungen, die ich nicht im praxisfreien Raum, sondern gestützt auf Beobachtungen zur Schöpfungsthematik in neueren Lehrbüchern für das Gymnasium entwickeln möchte.

 

1. ‚Schöpfung’ in neueren Schulbüchern

Schulbücher, die einen biblischen Schöpfungstext thematisch aufgreifen, versammeln Materialien zu ganz unterschiedlich akzentuierten Fragekomplexen. Es sind vor allem sechs Aspekte, die, ausgehend von Gen 1 und/oder Gen 2, angesprochen werden.

  1. Ausgangspunkt Ursprung: Woher kommt die Welt? Antworten von Naturwissenschaft und Bibel.
  2. Ausgangspunkt Schönheit des Kosmos: Wie nehme ich die (Faszination der) Welt wahr? Staunen über die Herrlichkeit der Schöpfung.
  3. Ausgangspunkt Mensch: Woher komme ich? Die Einzigartigkeit des Menschen und seine Ebenbildlichkeit Gottes.
  4. Ausgangspunkt Umweltethik: Wie sollen wir mit der Schöpfung umgehen? Der Auftrag der Bewahrung.
  5. Ausgangspunkt Ruhetag (Gen 1)
  6. Ausgangspunkt Partnerschaft: Welche Implikationen für unsere heutige Lebensgestaltung hat das Geschaffensein als Mann und Frau? (Gen 2)

Die Reihenfolge der Materialien und ihre didaktische Platzierung sind alles andere als einheitlich. Zusammenfassend lassen sich folgende Tendenzen oder aufschlussreiche Einzelbeobachtungen festhalten:
• Es gibt prinzipiell drei verschiedene Vorgehensweisen, die biblischen Texte in Bezug auf die genannten Aspekte kontextuell einzubinden: a. als Belegzitate, b. als Basis für das bunte Thema ‚Schöpfung’ mit mehreren der oben genannten Aspekte oder c. unter der Überschrift ‚Wirklichkeit’. Im ersten Fall werden einzelne Verse isoliert und unter einer speziellen Fragestellung sekundär herangezogen. In Fall b. stehen Gen 1/Gen 2 als jeweiliges Textganzes mit ihrem Facettenreichtum im Zentrum. Im dritten Fall schließlich stellt der Konflikt ‚Schöpfung versus Evolution’ ein Exemplum innerhalb eines Kapitels zur Verhältnisklärung von Naturwissenschaft und Glaube dar.

  • Der funktionale Rückgriff auf Gen 1 und Gen 2 im Sinne von a) findet sich besonders in höheren, grundsätzlich aber in allen Schulstufen. Ein Konflikt wird auf diese Weise nicht provoziert. Daneben steht in Lehrbüchern für die Sekundarstufe II fast ausschließlich Vorgehensweise c. im Vordergrund, nach der eine Metaposition eingenommen oder angestrebt wird. Zur Diskussion werden den Schülerinnen und Schülern die verschiedenen Verhältnismodelle in Form von wissenschaftstheoretischen Texten angeboten.3
  • Wenn das Schöpfungsthema (in verschiedenen Facetten) aufgegriffen wird, ist die Frage nach der Weltentstehung (1.) dominant. Das lässt sich an den vielen naturwissenschaftlichen Materialien zur Urknalltheorie, zu Darwin und dergleichen ablesen, die oft schon den Einstieg in die Einheit markieren.4 Die Gründe sind evident: Die biblische Genesis wird von Schülerinnen und Schülern in Konkurrenz zu naturwissenschaftlichen Weltentstehungstheorien wahrgenommen und als unterlegen betrachtet. Aus religionsdidaktischer Perspektive bedarf die Bibel daher der Rehabilitierung. Es fällt auf, dass das biblisch-theologische Anliegen dabei häufig negativ bestimmt wird („Die Bibel will nicht …“).5
  • Die meisten Schulbuchreihen setzen das Thema in mindestens einem Doppeljahrgang der Sekundarstufe aus. Verknüpfungen und ausdrückliche Verweise auf die Lerneinheiten vorangegangener Doppeljahrgänge gibt es nicht.6
  • Manche Lehrbücher antizipieren nicht nur den kognitiven Konflikt der Lernenden, sondern sehen sich darüber hinaus in der Pflicht, eine explizite Lösung in Form von erklärenden Texten zu präsentieren. So kommt es zum Beispiel zu der kuriosen Konstruktion, dass ein fiktives (!) Lehrer-Schüler-Gespräch, in dem die Lehrerin den aufgeworfenen Konflikt auflöst, als Unterrichtsmaterial dargeboten wird.7


Fazit: Der Konflikt zwischen Glaube und Naturwissenschaft hat innerhalb des vielfältigen Themas ‚Schöpfung’ eine exponierte Stellung. Die didaktische Transformation dieses Konflikts scheint mit Schwierigkeiten besetzt zu sein, nicht selten haftet den Materialzusammenstellungen etwas Apologetisches an. Cum grano salis ist eine deutliche Zäsur zwischen der Oberstufe, in der das Verhältnis von Naturwissenschaft und Glaube fast immer explizit verhandelt wird, und der Sekundarstufe I zu erkennen. Dort wird der Vergleich zu naturwissenschaftlichen Aussagen gesucht, die Reflexion verschiedener Verhältnisbeschreibungen aber in der Regel nur angebahnt.

 

2. Didaktische Kernforderungen

Grundsatz 1:
Gen 1 oder Gen 2 müssen (auch) als ganze Texteinheiten Unterrichtsgegenstand werden.

In der kritischen Sichtung der drei oben genannten Vorgehensweisen wirken Belegzitate (a.) didaktisch bei weitem attraktiver als einen vielschichtigen Text im Sinne von b. zum Ausgangspunkt zu machen. Eine schülerorientierte Didaktik will schließlich nicht von traditionellen Textbeständen, sondern von den Fraghorizonten der Schülerinnen und Schüler ausgehen, und lerntheoretische Erkenntnisse bekräftigen die Schülerorientierung immer wieder aufs Neue. Außerdem steht Bibelwissen auf diese Weise in einem sichtbaren Verwendungszusammenhang. Ein Unterricht dagegen, der Inhalte und Materialien um ihrer selbst willen in den Blick nimmt, gerät in Zeiten der Kompetenzorientierung schnell in Verruf und handelt sich den Vorwurf einer „funktionslosen Beschäftigungsdidaktik“ ein.


Dennoch: Vieles spricht dafür, Gen 1 (und 2) auch in Gänze und mit ihren einzelnen Facetten zu behandeln. Erstens gehören die Perikopen zu den zentralen und meistzitierten Bibelstellen überhaupt. Sie bestimmen nicht nur maßgeblich die Selbstwahrnehmung, sondern auch die Fremdwahrnehmung der christlichen Religion, zum Beispiel durch Agnostiker oder Atheisten. Damit kommt ihnen eine eigene Dignität zu, die verletzt wird, wenn man sich wie in einem Steinbruch ausschließlich isolierter Fundstücke bedient. Zweitens ist Gen 1 sorgfältig komponiert und hat poetischen Charakter. Diese Einsicht ist didaktisch in mehrfacher Hinsicht fruchtbar, erfordert aber natürlich, dass das Textkorpus überhaupt als Ganzes wahrgenommen wird. Beide Überlegungen spiegeln sich drittens im gymnasialen Kerncurriculum für die Sekundarstufe I. Hier werden die Ebenbildlichkeit Gottes und die Bestimmung des Menschen im Kosmos der Schöpfung (Gen 1,26-28) gleich zweimal als obligatorisch vorausgesetzt, also Einzelaspekte von Gen 1 als biblische Basistexte angeführt. Am Ende von Jahrgangsstufe 6 (Leitthema: Gott als Schöpfer und Begleiter) sollen aber auch wahlweise Gen 1 oder Gen 2 in Gänze bekannt sein.8 Dabei leuchtet es ein, dies bereits zu Beginn der Sekundarstufe I einzulösen. Wer zitieren und Belege anführen will, muss die Quelle kennen.

 

Grundsatz 2:
Religionspädagogisch sind sowohl der Übergang zum Unabhängigkeitsmodell als auch der zum Dialogmodell entwicklungsstufenabhängig an­zubah- nen. Der zweite setzt den ersten voraus.

Nicht zuletzt der wissenschaftspropädeutische Anspruch der Sekundarstufe II lässt es sinnvoll erscheinen, die verschiedenen Modelle der Verhältnisbestimmung auf der Metaebene erarbeiten zu lassen. Zugleich bildet die erkennbar jahrgangsstufenbezogene Didaktisierung des Themas in Schulbüchern das ab, was strukturgenetische Untersuchungen belegen: Die Einsicht in die verschiedenen Verhältnismodelle ist abhängig vom jeweiligen Stand der kognitiven Entwicklung. An die hybriden Vorstellungen, die jüngere Kinder anfangs problemlos ausbilden, schließt entwicklungspsychologisch das Konfliktmodell an. Eine gewisse Hürde ist der darauf folgende Schritt zum Unabhängigkeitsmodell, bevor ein Verständnis für das Dialogmodell entwickelt wird.9 Bei aller (berechtigten) Kritik an Entwicklungsstufenmodellen ergibt sich daraus didaktisch m. E. die Forderung eines entsprechenden spiralcurricularen Aufbaus, der bisher nur teilweise eingelöst wird. Vorbehalte und Relativierungen entwicklungspsychologischer Studien sind zwar aus verschiedenen Gründen berechtigt. Vor allem sollten modellorientierte Generalisierungen nicht als Negation der je individuellen Entwicklung von Schülerinnen und Schülern aufgefasst werden. Die dargestellte Modellabfolge erscheint aber auch aus logischen Überlegungen letztlich unhintergehbar. Die Zielperspektive eines nicht-exklusiven Dialogs, einer Komplementarität zweier Weltentstehungsansätze setzt voraus, dass die Differenz zwischen den beiden Modi der Weltbegegnung erkannt wird. Die Semantik des Ausdrucks „Komplementarität“ ist zwar fachspezifisch unterschiedlich gefasst (in der Mathematik und Logik beispielsweise ist A das Komplement von A!), geht aber im Kern von inkommensurablen, nebeneinander bestehenden Perspektiven aus. Der einfachste Ausdruck dieser Differenzerfahrung ist das Unabhängigkeitsmodell.

 

Grundsatz 3:
Das zu Beginn der Sekundarstufe I sich durchsetzende Konfliktmodell ist nur durch die Differenzerfahrung zu überwinden. Dazu muss vor allem die Schöpfungsperspektive erprobt, bekannt oder vertraut sein..

Den Kern dieser Sichtweise hat Bernhard Dressler bildungstheroretisch in einer „Didaktik des Perspektivenwechsels“ ausbuchstabiert, indem er jedem Fach ein autonomes Symbolsystem zuschreibt und implizit drei didaktische Aufgaben von Bildungsprozessen formuliert. Erstens sei ein innerfachlicher Perspektivenwechsel zwischen einübender Teilnahme am jeweiligen Symbolsystem und reflexiver Beobachtung notwendig. Zweitens mache die „Hegemoniesucht“ der domänenspezifischen Perspektiven, gegenwärtig vor allem des Szientismus, eine Relativierung der jeweiligen Modi erforderlich. Hier müsse fachübergreifend die Perspektive als eine solche kenntlich gemacht werden. Drittens sei das souveräne „Oszillieren zwischen den Modi“ eine wesentliche anzustrebende Fähigkeit.10 Dresslers Ansatz hebt weniger auf die gegenseitige Ergänzung als vielmehr auf die fachlichen Differenzen ab. Erst deren Akzentuierung schärfe das Verständnis für den Modellcharakter eines jeden Modus. Wo liegt das Neue an diesen Erkenntnissen für die Schöpfungsdidaktik? Im Ansatz befinden sich die Schulbuchbefunde genau auf der formulierten Linie. Ein entscheidendes Defizit scheint mir allerdings im Übergangsschritt vom Konflikt- zum Unabhängigkeitsmodell zu bestehen. Die Schulbücher akzentuieren auffällig den Konflikt. Die Dominanz der Weltentstehungsfrage in Unterrichtseinheiten zum Thema Schöpfung und die Fülle an naturwissenschaftlichen Materialien auch schon in unteren Jahrgangsstufen ist kritisch zu beurteilen. Offenbar sind Lehrbücher im Sinne der Schülerorientierung bemüht, das aufkommende Konfliktempfinden zu antizipieren. Dabei verschiebt sich das Gewicht. Anstatt beispielsweise in die Denkweisen der Naturwissenschaften einzuführen, wäre doch allererst die Schöpfungsperspektive zu profilieren.11 Auch die im Kerncurriculum bis zum Ende der sechsten Jahrgangsstufe geforderte Inhaltskompetenz „Die Schülerinnen und Schüler erläutern eine Schöpfungserzählung als Glaubensaussage“ ist nur in diesem Sinne einlösbar.

 

Grundsatz 4:
Die Verhältnisbestimmung von naturwissenschaftlicher und religiöser Perspektive entspringt meist einem einseitig theologischen Bedürfnis, sollte deshalb aber nicht apologetisch werden.

Mit Grundsatz 3 hängt ein weiterer, psychologisch bedeutsamer Punkt zusammen. Der Ruf nach einer fächerübergreifenden Verhältnisbestimmung erschallt mit unausgewogener Vehemenz. Das Phänomen Dawkins belegt eindrücklich, dass der Szientismus (zumindest scheinbar) ohne religiöse Perspektive auskommt, der religiöse Mensch aber schwerlich ohne ein naturwissenschaftliches Modell. Den entsprechenden didaktischen Bemühungen des Religionsunterrichts haftet somit zwangsläufig etwas Apologetisches an, das die eigene Perspektive abwertet.12 Im Kontext eines kognitiven Konflikts, der häufig einen Einbruch des Gottesglaubens auslöst, wird dieser „Subtext“ schnell zum heimlichen Lehrziel, und der Religionsunterricht bewirkt das Gegenteil seiner eigentlichen Intentionen. Darin liegt ein weiteres Argument für die selbstbewusste Fokussierung der Glaubensperspektive.

 

Grundsatz 5:
Ein Vergleich der Weltbilder lässt die Bibel alt aussehen. Vordringliches Anliegen des Religionsunterrichts muss es aber sein, die religiöse Relevanz und Aktualität der biblischen Texte aufzuzeigen.

In Bezug auf die Frage „Woher?“ werden neben den biblischen Texten und naturwissenschaftlichen Antworten nicht selten auch das Gen 1 zu Grunde liegende babylonische Weltbild und/oder andere Welterklärungsmodelle vergangener Zeiten platziert.13 Als historisch-kritischer Beitrag kann das durchaus funktional für ein vertieftes Verständnis von Gen 1 sein. Selbst wenn damit der Modellcharakter aller naturwissenschaftlichen Theorien herausgestrichen werden soll, spielt er aber unbewusst der Superiorität der modernen Naturwissenschaft in die Hände. Während das altorientalische Weltbild obsolet geworden ist,14 stellen Urknalltheorie und Evolution die gegenwärtig bestmöglichen wissenschaftlichen Erklärungen zur Weltentstehung dar. Aller Erfahrung nach kommen Schülerinnen und Schüler mehrheitlich mit dem Konkurrenzmodell in den Unterricht – ergänzt um die Hypothese, die Bibel sei im Vergleich veraltet und unterlegen. Solange sich hier keine grundlegende Korrektur vollzieht, trägt der Religions­unterricht mit dem beschriebenen Ansatz zur eigenen Demontage bei und verschärft den apologetischen Charakter seiner Position.

 

Grundsatz 6:
Der Unterricht sollte mit dem Staunen, dem christlichen Selbst- und Gottesverständnis oder mit dem Problem der Schöpfungsbedrohung einsetzen, so dass die Begegnung mit Gen 1/2 eine fachspezifische Perspektive erhält.

Ich habe verschiedene Gründe genannt, warum die stärkere Profilierung der eigenen Perspektive zu Beginn der Sek I ein dringendes Desiderat ist. Wie kann das unterrichtlich Gestalt annehmen? Da die Schöpfungstexte vorbelastet sind, ist ein direkter Einstieg mit Gen 1 oder Gen 2 unbedingt zu vermeiden. Denn wenn Schülerinnen und Schüler die Konfliktfrage aufwerfen, muss sich der Religionsunterricht stellen. Verheißungsvoller erscheint es daher, durch einen bewussten Einstieg vor der Textbegegnung bereits eine Perspektive einzuführen. Am effektivsten sind dafür die obigen Aspekte von Schöpfung, die eben keine Schnittmenge mit dem naturwissenschaftlichen Modus der Weltbegegnung haben. Die Wahrnehmung des poetischen Lobcharakters der ersten Schöpfungsperikope kann über den Einstieg mit Schöpfungspsalmen vorbereitet werden. Wenn Schülerinnen und Schüler „Schätze“ aus der Natur mit in den Unterricht bringen, ist der Gestus des Staunens greifbarer. Und folgt Gen 1 im Anschluss an ein Beispiel von Umweltzerstörung, können rein innerfachlich der Auftrag des Menschen und der „gute Anfang“ erkannt werden.15 Diese Lernerfahrungen muss der Religionsunterricht über die gesamte Sekundarstufe I bewusst halten, da sie eine notwendige Voraussetzung dafür darstellen, dem metareflexiven Anspruch der Kursstufe gerecht zu werden.

Die vorgeschlagene „Vermeidungsstrategie“ will den kognitiven Konflikt von Schülerinnen und Schülern keinesfalls tabuisieren. Sie hat allerdings einen anderen Fokus. Auf dennoch aufbrechende Anfragen könnte man ab einer gewissen Altersstufe zum Beispiel mit dem untenstehenden Song der A-cappella-Gruppe „Wise Guys“ reagieren. Zumindest besteht damit aus religionspädagogischer Sicht nicht die Gefahr, in die „Rechtfertigungsfalle“ zu tappen.

 

Romanze

Musik, Text & Arrangement: Daniel „Dän“ Dickopf
Leadgesang: Clemens

Sie trafen sich am Strand kurz vor dem Sonnenuntergang
und lächelten und waren leicht verlegen.
Alles war so neu, sie kannten sich noch nicht sehr lang.
Er streckte ihr ’nen Rosenstrauß entgegen.
Sie sagte: „Rosen wecken so romantische Gefühle.“
Da nickte er und sprach: „Ja, zweifelsohne!
Da reichen in der Nase ein paar tausend Moleküle
der Duftstoffe mit Namen ’Pheromone’.“

Und sie saßen eine ganze Weile schweigend beieinander
und blickten auf das weite Meer hinaus,
und blickten auf das weite Meer hinaus.

Da flüsterte sie: „Schau! Der Mond ist heute riesengroß!
Die Nacht ist viel zu schön, um je zu enden.
Es ist hier so romantisch, ich bin schon ganz atemlos!“
und sie fasste ihn ganz sanft an beiden Händen.

Er sagte: „Du, der Durchmesser des Monds am Firmament
ist konstant einunddreißig Bogenminuten,
also ungefähr ein halbes Grad, das ist ganz evident.
Es wär’ falsch, verschied’ne Größen zu vermuten.“

Und sie saßen eine ganze Weile schweigend beieinander
und blickten auf das weite Meer hinaus,
und blickten auf das weite Meer hinaus.

So saßen sie am Meer in dieser warmen Sommernacht.
Sie griff nach seiner Hand und seufzte leise:
„Wie wundervoll die Sterne funkeln – es ist eine Pracht!“
und sie schmiegte sich an ihn auf sanfte Weise.
Er sah sie an und sagte nur: „Die Sterne funkeln nicht.
Das wäre ja verrückt, wenn das so wäre!
Es sieht vielleicht so aus, doch es bricht sich nur das Licht
in den Schichten oben in der Atmosphäre.“

Und sie saßen eine ganze Weile schweigend beieinander
und blickten auf das weite Meer hinaus.
Und dann ging sie ohne ihn nach Haus’.

 

Anmerkungen

  1. Karl Ernst Nipkow hat die Frage nach „Gott – Schlüssel zur Erklärung von Welt, Leben und Tod“ als eine von vier Einbruchstellen des Gottesglaubens im Jugendalter ausgemacht. Vgl. Karl Ernst Nipkow: Erwachsenwerden ohne Gott? Gotteserfahrung im Lebenslauf, München 1987, 49.60-65. Ausführlich dazu Martin Rothgangel: Naturwissenschaft und Theologie. Wissenschaftstheoretische Gesichtspunkte im Horizont religionspädagogischer Überlegungen, Göttingen 1999, 66-73.
  2. Zur Erläuterung dieser Modelle vgl. den Aufsatz von Friedhelm Kraft in diesem Heft.
  3. Vgl. etwa entdecken, verstehen, gestalten ELFZWÖLF 35, die Kapitel in Religionsbuch Oberstufe (‚Wir und die Wirklichkeit. Evolution und Schöpfung’ 81-91) und Kursbuch Religion Oberstufe (‚Wirklichkeit’, 6-37) oder die Oberstufenhefte ‚Wirklichkeit’ bzw. ‚Glaube und Naturwissenschaft’ von Dieterich (/Rupp) (hier 16-31). Ansätze dazu finden sich gelegentlich auch schon in den Jahrgangsstufen 9/10; vgl. das Kapitel ‚Glaube und Naturwissenschaft’ in entdecken – verstehen – gestalten 9/10 (85-100) und die explizite Erörterung der Verhältnismodelle im Kursbuch Religion 3 (63). Dass ein solches Kapitel schon in 7/8 platziert wird wie in Religionsbuch Cornelsen 7/8 (48-65), ist ein Ausnahmefall.
  4. Vgl. Zeichen der Hoffnung 36-39.41, Religion im Kontext 5/6 53 u.v.a., als Einstieg oder nahezu als Einstieg in Religionsbuch Patmos 7/8 (164) und Kursbuch Religion 1 (42f). Die Autorinnen und Autoren von SpurenLesen 1 teilen zwar im Lehrerhandbuch mit, dass vor der kognitiven Fragestellung vorrangig „Freude, Lob und Feier“ akzentuiert werden soll (110), steigen aber im Schulbuch mit eben dieser Frage ein (78f).
  5. So zum Beispiel Religion im Kontext 5/6 54: „Die Bibel erzählt nicht, wie …“.
  6. Immerhin implizit geschieht das in Perspektiven Religion 27, wenn die Schülerinnen und Schüler an ihre Erinnerungen zu Gen 1 und 2 anknüpfen sollen.
  7. Vgl. Kursbuch Religion 1 45.
  8. Zum ersten vgl. den Kompetenzbereich „Ethik“ sowohl für Klasse 5/6 als auch für 9/10 (24.26), zu Letzterem a.a.O. 18. Das Kerncurriculum liegt momentan noch in einer Arbeitsfassung von Dezember 2008 vor und ist auf der Homepage des Niedersächsischen Kultusministeriums unter CuVo zu finden.
  9. Dieselbe Abfolge findet sich auch bei Rothgangel in Anlehnung an Karl Helmut Reich und Reto Luzius Fetz, vgl. Rothgangel z. B. 267. Vgl. ebenso Veit-Jakobus Dieterich: Schöpfung und Natur im RU, Glaube und Lernen 1/2008, 76-93, hier 78-83.
  10. Vgl. Bernhard Dressler: Performanz und Kompetenz. Überlegungen zu einer Didaktik des Perspektivenwechsels, ZPT 1/2008, 74-88, hier besonders 78.80f.84f.
  11. Treffend fragt Hans Mendl (317): „Müssten TheologInnen nicht prägnanter den eigenen Modus religiöser Weltdeutung entfalten, anstatt schöpfungstheologisch relevante Themen auf „Natur komm raus“ mit naturwissenschaftlichen Theorien zu verbinden?“. Hans Mendl: Wie laut war eigentlich der Urknall? KatBl 5/2008, 316-319.
  12. Dieses strukturelle Missverhältnis spiegelt sich nicht zuletzt darin, dass Schulbücher im Fach Biologie selten Fächerübergreifendes vorsehen. Vgl. dazu Friedhelm Kraft: Schöpfung und/oder Evolution? Zur Aktualität einer „alten“ Fragestellung im Zeichen des Darwinjahres, S. 9 in diesem Heft.
  13. Vgl. etwa Perspektiven Religion 26-33, Religionsbuch Cornelsen 7/8 58f u.a.
  14. Christian Link betont mit Bezug auf Gerhard von Rad, dass die Schöpfungstexte auch Naturerkenntnisse ihrer Zeit transportieren wollten, vgl. Christian Link: Christlicher Schöpfungsglaube und naturwissenschaftliches Weltverständnis. Wie kann man dem Kreationismus argumentativ begegnen? EvTh 2/2008, 84-98, hier 88f.
  15. Positive Ansätze dafür gibt es natürlich ebenfalls in Lehrbüchern: Problemorientiert mit dem Aspekt „Ethik“ steigt zum Beispiel das Religionsbuch Cornelsen 5/6 (48-51) ein, entdecken – verstehen – gestalten 5/6 mit dem Staunen (21f).

 

Erwähnte oder zitierte Schulbücher

  • Baumann, Ulrike und Schweitzer, Friedrich (Hrsg.): Religionsbuch Oberstufe. Unterrichtswerk für den evangelischen Religionsunterricht, Berlin 2006.
  • Baumann, Ulrike und Wermke, Michael (Hrsg.): Religionsbuch 5/6. Unterrichtswerk für den evangelischen Religionsunterricht, Berlin 2001. (Religionsbuch Cornelsen)
  • Baumann, Ulrike und Wermke, Michael (Hrsg.): Religionsbuch 7/8. Unterrichtswerk für den evangelischen Religionsunterricht, Berlin 2001. (Religionsbuch Cornelsen)
  • Bubolz, Georg und Tietz, Ursula (Hrsg.): Religion im Kontext 5/6. Freunde in der einen Welt, Düsseldorf 2002.
  • Büchner, Frauke u.a. (Hrsg.): Perspektiven Religion. Arbeitsbuch für die Sekundarstufe II, Göttingen 2000.
  • Büttner, Gerhard u.a. (Hrsg.): SpurenLesen 1 (Neuausgabe). Lehrermaterialien, Stuttgart und Frankfurt 2008.
  • Büttner, Gerhard u.a. (Hrsg.): SpurenLesen 1. Religionsbuch für die 5./6. Klasse (Neuausgabe), Stuttgart und Frankfurt 2007.
  • Dieterich, Veit-Jakobus und Rupp, Hartmut (Hrsg.): Wirklichkeit. Oberstufe Religion 1, Stuttgart 2006.
  • Dieterich, Veit-Jakobus: Glaube und Naturwissenschaft, Oberstufe Religion 2, Stuttgart 1996.
  • Halbfas, Hubertus (Hrsg.): Religionsbuch für das 7./8. Schuljahr (Neuausgabe). Unterrichtswerk für die SEK I, Düsseldorf 2007. (Religionsbuch Patmos)
  • Koretzki, Gerd-Rüdiger und Tammeus, Rudolf (Hrsg.): ELFZWÖLF Religion entdecken – verstehen – gestalten, Göttingen 2008.
  • Koretzki, Gerd-Rüdiger und Tammeus, Rudolf (Hrsg.): Religion entdecken – verstehen – gestalten 5/6, Ein Unterrichtswerk für den evangelischen Religionsunterricht, Göttingen 2008 (2., überarb. Aufl.).
  • Koretzki, Gerd-Rüdiger und Tammeus, Rudolf (Hrsg.): Religion entdecken – verstehen – gestalten. 9./10. Schuljahr., Göttingen 2002.
  • Kraft, Gerhard u.a. (Hrsg.): Das Kursbuch Religion 1. Ein Arbeitsbuch für den Religionsunterricht im 5./6. Schuljahr, Stuttgart und Frankfurt 2005.
  • Kraft, Gerhard u.a. (Hrsg.): Das Kursbuch Religion 3. Ein Arbeitsbuch für den Religionsunterricht im 9/10. Schuljahr, Stuttgart und Frankfurt 2007.
  • Rupp, Hartmut und Reinert, Andreas (Hrsg.): Kursbuch Religion Oberstufe. Ein Unterrichtswerk für die Sekundarstufe II, Stuttgart und Frankfurt 2004.
  • Trutwin, Werner (Hrsg.): Zeichen der Hoffnung 9/10. Neuausgabe der Grundfassung, Düsseldorf 2007.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2009

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