Religion als Abiturfach – Gute Nachrichten aus Niedersachsen

von Bärbel Husmann

 

Die Ergebnisse einer im Oktober durchgeführten Fragebogenuntersuchung zum vierstündigen Religionsunterricht in Niedersachsen liegen nunmehr vor und sind ausgewertet. Zur Erinnerung: Mit der Neufassung der Verordnung über die gymnasiale Oberstufe war bestimmt worden, dass Schülerinnen und Schüler nur dann ein Fach als Prüfungsfach im Abitur wählen können, wenn sie dieses zuvor in einem vierstündigen Unterricht belegt hatten. Zudem war durch die neue Oberstufenverordnung den Schulen ein Rahmen gegeben worden, in welchem sie im Hinblick auf ihre eigene Tradition und ihre eigene Klientel von Schülerinnen und Schülern Schwerpunkte setzen konnten (und mussten). Vorgeschrieben war dabei nur die Einrichtung eines naturwissenschaftlichen und eines sprachlichen Schwerpunktes, empfohlen die Einrichtung eines gesellschaftswissenschaftlichen Schwerpunktes.

Niedersachsen und Baden-Württemberg sind bisher die einzigen Bundesländer, in denen Religion in der Oberstufe vierstündig erteilt werden kann. Der Besuch des so genannten vierstündigen "Neigungsfaches" eröffnet in Baden-Württemberg die Chance, sich im Abitur in Religion schriftlich prüfen zu lassen.1 Die Erfahrungen aus dem Süden mit dem vierstündigen "Neigungsfach" Religion sind gut: Religion als schriftliches Prüfungsfach wird vielfach gewählt. Viele Religionskolleginnen und -kollegen in Niedersachsen, vor allem an Gymnasien mit kleinen Oberstufen und auf dem Lande, waren skeptisch. Sie befürchteten, mit der Vierstündigkeit sei das Ende des Faches Religion im Abitur besiegelt, und zwar deswegen, weil die Chancen als sehr gering eingeschätzt wurden, Religion als vierstündiges Fach zu etablieren. Den Befürchtungen zum Trotz haben sich vielerorts Fachgruppen mit hohem Engagement sowie guten Erfahrungen (und respektablen Prüfungszahlen) aus der Vergangenheit im Rücken für ihr Fach eingesetzt.

Das Ergebnis der Umfrage, die von der Landesschulbehörde zustimmend zur Kenntnis genommen wurde, zeigt, dass dieses Engagement sich gelohnt hat. Mit einem Rücklauf von 58 Prozent aller Schulen in Niedersachsen mit gymnasialer Oberstufe liegt keine optimale, aber eine valide Datenbasis von 157 (von 251) Gymnasien, acht (von 13) Integrierten Gesamtschulen und sieben (von 31) Kooperativen Gesamtschulen vor.



Vierstündiger RU an 117 Schulen

Gut zwei Drittel der Schulen, die den Fragebogen zurückgeschickt haben, bieten vierstündigen Religionsunterricht an, die meisten davon (110) auf grundlegendem Anforderungsniveau, 27 Schulen auch auf erhöhtem Anforderungsniveau, zum Großteil sogar parallel zum vierstündigen Kurs auf grundlegendem Niveau.



Religion im Abitur bei 18 Prozent der Schülerschaft

Betrachtet man die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die an den vierstündigen Kursen teilnehmen, d.h. die in Religion Abitur machen werden, so sind dies 18 Prozent aller Schülerinnen und Schüler des betreffenden Jahrgangs. Dies ist ein ausgesprochen gutes Ergebnis.2

Vergleichszahlen aus den vorangegangenen Jahren gibt es in dieser Art nicht. Lediglich vergleichen könnte man die Schülerzahlen in den Leistungskursen Religion am 8.9.2005 mit 46 in Ev. Religion und 40 in Kath. Religion und die an den vierstündigen Kursen in Ev. und Kath. Religion auf erhöhtem Anforderungsniveau teilnehmenden Schülerinnen und Schüler an den o.g. 27 Schulen, deren Gesamtzahl mit 435 angegeben wurde.



Konfessionelle Kooperation

Dieses Ergebnis verdankt sich auch der Tatsache, dass beide Kirchen das Verfahren erleichtert haben (und dies in die Verordnung zur gymnasialen Oberstufe Eingang gefunden hat), mit welchem der Religionsunterricht in der Oberstufe jeweils für Schülerinnen und Schüler der anderen Konfession geöffnet werden kann. Im Erlass "Regelungen für den Religionsunterricht und den Unterricht Werte und Normen" vom 23. Juni 2005 (Schulverwaltungsblatt S. 426) ist unter Punkt 8. geregelt, dass Schülerinnen und Schüler, für die kein Religionsunterricht ihrer Konfession angeboten werden kann und die im Religionsunterricht der anderen Konfession Abitur machen wollen, ihre Beleg- und Einbringverpflichtung vollständig in der anderen Konfession erbringen können (sonst müssen mindestens die Hälfte der Kurse in der eigenen Konfession sein). Dann entfällt auch die Verpflichtung, sich vom Religionsunterricht der eigenen Konfession abzumelden. In 8.1.2 steht: "Voraussetzung für die Teilnahme am RU eines anderen Bekenntnisses ist die Zustimmung der Mehrheit der an der Schule tätigen Religionslehrkräfte der aufnehmenden Religionsgemeinschaft in der zuständigen Fachkonferenz."

Alle Schulen, die Religion vierstündig eingerichtet haben, geben an, dass die entsprechenden Kurse von dieser konfessionellen Kooperation leben, d.h. sie sind offen für evangelische und katholische Schülerinnen und Schüler. Das setzt auf einer didaktischen (und nicht auf der juristischen) Ebene, voraus, dass die unterrichtenden Kolleginnen und Kollegen sich Mühe geben, gemeinsam voneinander zu lernen bzw. solche Lerngelegenheiten zu arrangieren.3



Kooperation mit anderen Schulen

Etwa 15 Prozent aller Schulen, die Religion vierstündig eingerichtet haben, realisieren dieses Angebot, indem sie mit anderen Schulen kooperieren. Solche Kooperationen gibt es in immerhin (mindestens) 14 niedersächsischen Städten: Bad Harzburg, Braunschweig, Cuxhaven, Emden, Göttingen, Hannover, Hildesheim, Leer, Nienburg, Oldenburg, Peine, Wilhemshaven, Wolfenbüttel und Wolfsburg. Auch dieses ist ein gutes Ergebnis.4

 

Anmerkungen

  1. Daneben gibt es in Baden-Württemberg weiterhin Religion als zweistündig unterrichtetes Fach, in welchem im Abitur eine mündliche, so genannte "Präsentationsprüfung" abgelegt werden kann.
  2. Bezieht man die Zahl der am vierstündigen Unterricht teilnehmenden Schülerinnen und Schüler auf die Zahl derer, die in Schulen mit vierstündigem Religionsunterricht an Religion teilnehmen, dann ergibt sich eine Teilnahmequote von 40 Prozent. Das heißt: Wenn es vierstündigen Religionsunterricht gibt, dann nehmen auch 40 Prozent der an Religion Interessierten daran teil.
  3. Es gelten die Rahmenrichtlinien und die thematischen Schwerpunkte des Faches der Konfession, der die Lehrkraft angehört. Wer die thematischen Schwerpunkte beim Zentralabitur in Ev. und Kath. Religion vergleicht, wird allerdings schnell sehen, dass die Gemeinsamkeiten groß sind.
  4. Vgl. Husmann, Bärbel / Bartelt, Georg: Religion im Abitur – Perspektiven für die gymnasiale Oberstufe in Niedersachsen, in: Loccumer Pelikan 1/2005, 34-37

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2007

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