Ein 'Raum der Stille' in der Schule

von Christofer Zöckler und Ulrike Flügge

 

Ein Bericht

Was ist ein Raum der Stille? Die tautologische Antwort: "Ein Raum der Stille ist ein Raum, in dem es still ist" müsste eigentlich richtig sein, ist jedoch nur die halbe Wahrheit. In Berlin im Brandenburger Tor, mitten im Großstadtgewühl, befindet sich in einem der riesigen Säulenpfeiler seit 1994 ein "Raum der Stille". Dort, in dem Besucherbuch, findet sich folgender Eintrag: "Um die Stille herum ist es laut." In der Stille werden Geräusche als besonders störend empfunden, aber auch die Stille selbst kann als belastend, ja quälend empfunden werden; wenn sie nämlich im Widerspruch steht zur Unruhe, zur Hektik, zum Lärm in mir selbst. Ein Raum der Stille ist also nicht einfach da, sondern er muss immer wieder zu einem solchen gemacht werden. In allen Weltreligionen sind Räume der Stille Bestandteil der Religion. Dass sie auch für Menschen ohne religiöse Bindung Bedeutung haben, hat unter anderem der frühere Generalsekretär der UNO, Dag Hammerskjöld, erkannt. Er richtete 1954 an zentraler Stelle, im Hauptgebäude der UN in New York, einen Raum für Stille und Meditation ein, das säkularisierte Vorbild für viele der heute allenthalben entstehenden gleichnamigen Räume.

Es ist wohl schon zwanzig Jahre her, dass auch an unserer Schule1 einige Schülerinnen und Schüler sagten, sie möchten gern, um dem Pausenlärm zu entgehen, sich ab und zu in einer Pause treffen und miteinander über ihren Glauben reden, über Gott und die Welt und ihr Leben, sie suchten einen Raum zum Stille-Sein, zum Meditieren oder Beten. Es gäbe aber immer wieder Probleme mit den Aufsicht führenden Lehrern. Dieser Wunsch nach einem eigenen Raum konnte seinerzeit nicht erfüllt werden, immerhin wurde er wach gehalten durch die damals entstandene "AG Pausenandacht". Der Weg zu einem "Raum der Stille" war ein schwieriger, langwieriger, aber auch ungemein spannender Weg. Wer gedacht hatte, wir wären mit der Eröffnung im September 2003 am Ziel, musste inzwischen seinen Irrtum eingestehen. Die Euphorie über die neue Errungenschaft kann nämlich sehr schnell verklingen, wenn der Raum nicht ständig seine Unentbehrlichkeit unter Beweis stellt. Und die glanzvolle Ausstrahlung weckt paradoxerweise offenbar auch Neid: "Warum haben wir für diese oder jene wichtige Schulaktivität nicht auch einen angemessenen Raum? Wenn die (die Arbeitsgemeinschaft "Raum der Stille") den Raum nicht sinnvoll nutzen, dann sollen sie ihn doch uns überlassen!" Wie kann man verhindern, dass es um die allseits bejubelten schulischen Räume der Stille bald wieder still wird?

 

Die heilende Kraft der Stille

Für unsere AG war von vornherein klar: Wir wollen keine stille Schule. Wir wollen eine lebendige, lebhafte Schule mit Power, Drive und Aktivität. Dennoch tauchen immer wieder Momente auf, in denen einem alles zu viel wird. Der Stress steigt, Kraft und Mut durchzuhalten sinken. Davon wollen wir uns nicht unterkriegen lassen. Aber wir wollen Schwierigkeiten auch nicht mit Cool-Sein überspielen, geschweige denn durch "Flucht in die Sucht" kompensieren. Es mag Mitschüler geben, die schlagen zu oder treten, wenn ihnen alles zu viel wird. Wir hoffen: Der Raum der Stille kann Gelegenheit bieten, in uns hineinzuhorchen, bevor uns alles zu viel wird. Im gemeinsamen Schweigen und auch im Darüber-Reden praktizieren wir nicht etwa ein "Flucht-Verhalten", sondern erfahren Ich-Stärke und Wir-Gefühl, also so etwas wie Solidarität.

 

Raum der Religionen und Weltanschauungen

Das Engagement für den "Raum der Stille" hat noch eine zweite Wurzel: In den 1990er Jahren entwickelte sich unsere Schule zunehmend zu einer multikulturellen Institution. Es gab großartige Multi-Kulti-Feste an unserer Schule. Einmal brachten wir annähernd 30 Schülerinnen und Schüler mit jeweils unterschiedlicher sprachlicher Herkunft auf die Bühne unseres Forums. Auch traten unterschiedliche Religionszugehörigkeiten vermehrt in Erscheinung, ebenso aber nahm die Zahl derer, die religiöse Bindungen bewusst ablehnten, deutlich zu. Nur selten kam es darüber im Unterricht oder in der freien Zeit zu Gesprächen untereinander. Damals kam die Idee auf, ein Raum der Weltreligionen und der Weltanschauungen könnte der besseren Verständigung dienen. In diesem Raum könnten beispielsweise die jeweiligen Fest- und Gedenktage gefeiert und dabei auch für andere verständlich gemacht werden.

 

Trauer, Gedenken, Feier

Genau in diese Situation hinein entsetzte uns alle der schreckliche Anschlag auf das World Trade Center und andere Ziele in den USA. In der Woche danach war eine Gesamtkonferenz angesetzt, auf deren Tagesordnung – lange geplant – der Antrag stand, in unserer Schule einen Raum der Stille einzurichten. Jetzt wurde der Antrag einstimmig angenommen. Jeder fühlte: Trauer und Entsetzen könnten dort einen Ort finden sich zu artikulieren, um der Hilflosigkeit und Ohnmacht zu begegnen. Sicherlich auch unter dem Schock der Ereignisse war man bereit, Bedenken hinsichtlich des Raummangels an unserer Schule hinten anzustellen. Seither gab es weitere Situationen, in denen das normale Schulleben an seine Grenzen stieß und wir dem Unfassbaren gegenüberstanden, wie zum Beispiel das schreckliche Attentat in der Erfurter Schule, tragische Todesfälle von Mitschülern oder die Kriege im Nahen und Mittleren Osten.

Auf Grund dieser Vorgeschichte haben wir unser so genanntes Drei-Säulen-Modell entwickelt. Wir wollen unseren Raum der Stille für alle drei der eben erläuterten Intentionen offen halten.

 

Acht Voraussetzungen

Wir können keinen Leitfaden zur Errichtung von Stille-Räumen in anderen Schulen geben. Aber es ist hilfreich – bis zum Beweis des Gegenteils – davon auszugehen, dass es in einer staatlichen Schule mit überwiegend kirchen-, zum Teil auch religionsferner bzw. atheistischer Schüler-, Eltern- und Lehrerschaft kein natürliches Interesse an einem Raum der Stille gibt.

Wenn nun also "acht notwendige Voraussetzungen" für einen Raum der Stille genannt werden, dann nur in dem Sinne, dass es in unserem Fall notwendige Voraussetzungen waren. Sofern man diese Einschränkungen akzeptiert, könnte die Geschichte, wie wir zu einem "Raum der Stille" gekommen sind, an dem einen oder anderen Punkt vielleicht sogar exemplarisch Bedeutung gewinnen. Grundvoraussetzung ist einfach nur dies: In der Schule sollte ein breiter Konsens darüber hergestellt sein, dass ein Raum der Stille wünschenswert ist. Darüber hinaus braucht es:

  1. Schülerinnen und Schüler, die einen Raum der Stille an ihrer Schule haben wollen,
  2. einen Raum in der Schule, der sich zum einen als Raum der Stille eignet, und der zum anderen frei ist oder frei gemacht werden könnte,
  3. Lehrerinnen und Lehrer, die den Wunsch der Schülerinnen und Schüler unterstützen,
  4. eine Schulleitung, die dem Projekt "Raum der Stille" zumindest nicht ablehnend, besser noch: wohlwollend gegenübersteht,
  5. Eltern, die bereit sind, bei der Realisierung des Projektes mitzuwirken,
  6. eine Gesamtkonferenz, die die Einrichtung eines Raumes der Stille befürwortet,
  7. Eine Kerngruppe aus Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrerinnen und Lehrern, Schulleitung und Hausmeistern, möglichst auch Pastoren und Pastorinnen, Imanen, Rabbinern, Freidenkern u.a.m., die sich den Mühen der praktischen Umsetzung schöner Ideen zu stellen bereit sind,
  8. Beharrlichkeit, Glück und manchmal leider auch Katastrophen.

 

Problemanzeigen und Chancen

Die praktische Nutzung des Raumes der Stille im Schulalltag dürfte von zwei gegensätzlichen Extremen her gefährdet sein. Entweder: Er wird nicht oder kaum benutzt, er liegt sozusagen brach. Oder: Er wird als praktisch zu nutzender Raum angenommen, und es entwickeln sich – auf Grund des üblichen Raummangels – schwunghafte Aktivitäten nach dem Motto: "Ach, der Raum steht doch gerade leer, da könnten wir doch mal eben …". Nein und nochmals: Nein!!! Der Raum der Stille hat eine Würde, und die muss verteidigt werden.

Nach unserer Erfahrung ist es wichtig, dass vor der Eröffnung, besser noch zu Beginn der Planungen zu einem Raum der Stille ein Nutzungskonzept entwickelt wird, auf das sich alle den Raum tragenden Kräfte geeinigt haben. Sollte es im Vorfeld bereits zu unüberbrückbaren Gegensätzen kommen, dann sollte man die schöne Idee vielleicht doch lieber "begraben" und Stille einfach (und kostengünstiger) zum Beispiel in der freien Natur oder in der Kirche suchen.

Im Folgenden wird versucht, einen Überblick über sensible Aspekte der Nutzung zu geben. Unsere Erfahrung dabei ist diese: Nicht der Streit um die "richtige" Nutzung des Raumes macht ihm den Garaus, sondern wenn etwas unter den Teppich gekehrt, wenn Konflikte gar nicht oder aber hinter dem Rücken der Beteiligten ausgetragen werden sollten. Offenheit und Transparenz lautet die Devise! Im Streit um den Raum der Stille kann es "draußen" ruhig mal laut zugehen, solange sich alle Beteiligten einig sind, die Würde der Stille "drinnen" wahren zu wollen.

 

Die Frage nach der ideologischen Ausrichtung

Was ist der Raum der Stille? Darauf haben viele eine Antwort, nur stimmen die wenigsten überein.

Beispiel 1: Ein Kollege nimmt Anstoß, dass eine muslimische Gruppe den Raum nutzt: "Als ich neulich den Raum betrat, habe ich dort einige Gebetsteppiche und in der Mitte einen Koran vorgefunden. Das ist doch hier keine Moschee …!"

Beispiel 2: Als die Antifa-Gruppe eine Rosa Luxemburg/Karl Liebknecht-Gedenkfeier durchführen will, ist der Raum mit Hungertüchern, einigen Rosenkränzen und einem Kruzifix "geschmückt" und duftet überdies nach Weihrauch. Sie zieht es vor, auf diese Art Stille zu verzichten und die Veranstaltung in der Pausenhalle durchzuführen.

Beispiel 3: Dies ist leider nicht fiktiv: Eine türkische und eine libanesische Teilnehmerin der Mandala-Gruppe kamen nicht wieder, nachdem bei einem Treffen die ganze Zeit über Weihnachten gesprochen und ein Adventskranz in die Mitte gestellt worden war.

Fazit: Die weltanschauliche Neutralität des Raumes muss strikt gewahrt bleiben. Jede Gruppe hat den Raum "neutral" zu hinterlassen. Dies ist bei unserem Raum der Stille kein Problem, weil er über ein Nebengelass verfügt ("Sakristei" – wie wir es ironisch-provozierend nennen), in der jede Gruppe ihre Kult- oder sonstigen Ausstattungsstücke aufbewahren und ohne Schwierigkeiten darüber verfügen kann. Nur ein aufgeräumter Raum der Stille garantiert Frieden und Stille!

 

Der Schlüssel zur Stille – die Schlüsselfrage

Ein Raum der Stille, über dessen Zugangsmöglichkeiten "die Lehrer" mit ihrem "Herrschaftsinsignium" Schlüssel entscheiden, ist in den Augen der Schülerschaft von vornherein "gestorben". Dagegen: Ein Raum der Stille, der jederzeit unkontrolliert jedem offen steht, ist in den Augen (nicht nur) der Lehrerschaft ebenfalls nicht "lebensfähig".

So mussten wir nach einer gut besuchten Pausenaktivität im Raum der Stille zu unserem größten Bedauern feststellen: Unsere wertvolle Klangschale (ein Präsent der Weyher Kirchengemeinden zur Eröffnung) war verschwunden. Trotz intensiver Nachforschungen tauchte sie nicht wieder auf.

Eines anderen Tages mussten wir feststellen, dass unser fast antiker "Altartisch" mutwillig verursachte tiefe Kratzspuren aufwies. Auch hier blieb die Nachforschung nach den Tätern, bzw. wenigstens nach den Motiven, ergebnislos. Unser einziges edles Schmuckstück, der dreiarmige silberne Kerzenleuchter, blieb bisher unangetastet: Wie lange noch? Wie also machen wir es richtig: Daueröffnung? Feste Zeiten? Schlüsselverwaltung durch das Sekretariat? Ein wirklich vertracktes Problem! Gegenwärtig lösen wir das Problem so:

Der Raum der Stille ist generell verschlossen, aber die Gründungsmitglieder der AG "Raum der Stille" verfügen über eigene Schlüssel. Für Oberstufenschülerinnen und -schüler und für Lehrkräfte ist der Schlüssel jederzeit bei der Sekretärin ausleihbar, was natürlich voraussetzt, dass diese eine Autoritätsperson und überdies willens ist, den zusätzlichen Nervenstress auf sich zu nehmen.

Für die AG-Mitglieder aus der Oberstufe dokumentiert der eigene Schlüssel zugleich ihre Verantwortung für den Raum. Sie bereiten derzeit meist unsere Pausentreffs vor, das heißt der Raum ist abgedunkelt, die Kerzen brennen oder Blumen schmücken den Raum. Auch die inhaltliche Vorbereitung wird häufig von ihnen übernommen, entweder sind Materialien für einen Kurzvortrag ausgelegt, eine Wort- oder Bildmeditation ist vorbereitet, der Diaprojektor aufgebaut, eine kurze Geschichte liegt aufgeschlagen vor ihnen, oder Material für ein neues Diskussionsthema ist mitgebracht.

Diese Ideen und Anregungen der Schülerinnen sind natürlich viel motivierender und werden leichter angenommen, als wenn sie von uns Lehrern eingebracht würden. Und last but not least stärken sie auch den Gruppenzusammenhalt. Zusammengefasst: Wir sind der Überzeugung, dass der eigene Schlüssel nicht unwesentlich zur Identifikation mit dem Raum beiträgt.

Fazit: Der allen Schülerinnen und Schülern transparente, vertrauensvolle und unterstützende Umgang mit dem Schlüssel entscheidet über Akzeptanz, Erhalt und intensive Nutzung des Raumes. Jedoch: Blauäugigkeit und Schlamperei in der Schlüsselfrage gefährden dieses Ziel.

 

Ausschlussdiagnostik – was der Raum der Stille nicht sein sollte …

Der Raum der Stille weckt natürlich Begehrlichkeiten. Einige der häufigsten seien kurz angeführt:

Ruheraum für Lehrkräfte: Ein Beispiel: Es ist früher Nachmittag, es sind kaum Schülerinnen und Schüler in der Schule. Um die Zeit bis zu einer Konferenz zu überbrücken, holen sich zwei Kollegen den Schlüssel und halten auf den Meditationsmatten ihre Mittagspause. Unsere Meinung: verständlich, verlockend. Aber es sollte auf keinen Fall zur Gewohnheit werden!

"Rückzugsraum" für Schülerinnen und Schüler: Der Raum der Stille eignet sich nicht als Raum für Abschottung und "verdeckte" Schüleraktivitäten. Auch hier gilt: Der Wunsch der Schülerinnen und Schüler nach gelegentlichem Dispens von pädagogischer Allroundbetreuung (sei es für ungestörte "Zweisamkeit", für Schulpausen, zum Rauchen und Karten spielen, ungestörtes Schmökern, Hausaufgaben oder dergleichen) ist sicher zum Teil berechtigt, würde dem Raum der Stille aber seinen spezifischen Charakter und letztlich auch die Würde nehmen. Wenn für Beides nur ein Raum zur Verfügung steht, sollte man von vornherein eine klare Entscheidung, keinen faulen Kompromiss suchen.

Ersatzklassenzimmer: zum Beispiel bei Nachschreibklausuren, für Springstunden, Vorbereitungsraum für Prüfungen, Musikprobenraum etc. Es versteht sich von selbst, dass eine solche Nutzung den Raum der Stille zerstört.

Krankenzimmer: Es sei denn, das obligatorische Krankenzimmer ist überfüllt und es liegt ein Notfall vor.

Regel für die Nutzung bzw. den Nutzungsausschluss: Der Raum der Stille ist zwar ein Raum, der sicherlich nicht in jeder Stunde genutzt wird, mit anderen Worten, der manchmal "frei" und deshalb kurzfristig zu haben ist und auch leicht für die jeweiligen Interessen hergerichtet werden kann. So verständlich das Ansinnen von Kollegen oder die Wünsche der Schüler besonders in stark belasteten Zeiten des Schuljahres wie z. B. vor den Zeugnissen oder zu Prüfungszeiten ist: Der Raum der Stille sollte als Ruheort und Raum für Aktivitäten nur im Sinne seines Konzeptes, in diesem Sinne aber jederzeit nutzbar sein. Eine andere Nutzung würde den Raum schnell zu einem beliebigen Ausweichort werden lassen und seinen spezifischen Charakter zerstören.

Fazit: Das Nutzungsproblem sollte in einer "Nutzungsordnung" geklärt werden. Wichtig ist, dass die in der AG "Raum der Stille" vertretenen Schülerinnen und Schüler die zu beschließenden Nutzungsmodalitäten mittragen und ihren Mitschülerinnen und Mitschülern gegenüber offen und offensiv vertreten.

 

Der Raum der Stille in der Ganztagsschule

Vielerorts werden jetzt Ganztagsschulen gefordert und auch eingerichtet. Für den Raum der Stille ergeben sich damit neue Voraussetzungen, die sowohl Chancen als auch Schwierigkeiten in sich bergen.

So wird sich einerseits der Bedarf an Rückzugsmöglichkeiten aus der Hektik und dem Lärm einer großen Schule erhöhen. Andererseits müssen für diesen Bedarf auch entsprechende Angebote und Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Da für den Ganztagsschulbetrieb keine weiteren Personal-Ressourcen zur Verfügung stehen werden, werden die betreuenden Lehrkräfte nur einen Teil des zusätzlichen Betreuungsbedarfs und der zusätzlichen Angebote mit ehrenamtlicher Arbeit abdecken können. Wir werden daher für nachmittägliche Angebote ein offeneres Betreuungskonzept verwenden müssen (Einbeziehung von Eltern und anderen am Raum der Stille Interessierten, auch älteren Schülerinnen). Zu bedenken ist ferner, dass unsere nachmittäglichen Angebote im Raum der Stille in Konkurrenz zu anderen schulischen Angeboten treten (Hausaufgabenhilfe, Fördermaßnahmen), oder zu einer problematischen Konkurrenz zwischen Schule und Kirche führen könnten.

Natürlich wirft die neue Situation Probleme auf, es ergeben sich aber auch neue Chancen: Hier sei nur erwähnt, dass es gerade die stärker motivierte Teilnahme an AG-Treffen ist, die eine intensivere Arbeit ermöglicht als dies mit manchen Klassen der Fall ist, in denen es einigen schwerer fällt, sich auf "Stille-Arbeit" einzulassen. Hinzu kommt, dass die AG-Gruppen in der Regel kleiner sind als Klassen mit bis zu 33 Schülerinnen und Schülern und die Möglichkeiten, die der Raum bietet, in den kleineren Gruppen besser genutzt werden können. Ungestört vom mahnenden Gong, der das Ende der Pause anzeigt, könnten Meditationen oder auch Diskussionen und Übungen verlängert werden, wenn dieses für die AG-Gruppe sinnvoll erscheint.

Auch umfangreichere Aktivitäten, wie zum Beispiel das Erstellen von "Altären" oder Dokumentationen zu aktuellen Anlässen wie Antikriegsaktionen oder Erntedankfest, ließen sich leichter durchführen und unsere Arbeit der Schulöffentlichkeit präsentieren. Auch Referenten oder Eltern und andere am Raum der Stille Interessierte wären wahrscheinlich leichter zu gewinnen, wenn ihre Arbeit in ein erweitertes Konzept eingebunden ist. Ferner wäre es vorstellbar, Meditations- und Stilleübungen auch für Interessierte aus dem Kollegium und Eltern anzubieten.

Wir hoffen, dass unser Bericht gezeigt hat, dass ein Raum der Stille dem Schulleben (und nicht nur dem Religionsunterricht) trotz mancher Schwierigkeiten starke Impulse geben kann, um der Hektik, dem zunehmenden Stress und der Verkümmerung mitmenschlicher Umgangsformen ein Gegengewicht zu bieten.

 

 
 

 

Anmerkungen

  1. Vgl. das Themenheft "Raum der Stille in der Schule" der beiden Autoren (Reliprax Heft 50, Bremen 2005). Teile des Heftes sind in überarbeiteter und stark gekürzter Form in den vorstehenden Artikel eingeflossen.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2006

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