Zur Idee
Einschulungsgottesdienst, Schulentlassung und Gottesdienste an kirchlichen Feiertagen sind verbreitet. Oft werden sie von Lehrerinnen und Lehrern in Zusammenarbeit mit den Kirchengemeinden inhaltlich und organisatorisch getragen. Doch wer im Alltag immer kreativ für andere sein muss, freut sich auch über ein Angebot, bei dem er selbst nur Empfänger sein darf.
Das Ende der Sommerferien, der Start ins neue Schuljahr, ist ein Zeitpunkt, sich seiner Kraftquellen zu vergewissern und sich für die vor einem liegende Arbeit zu stärken.
Pädagoginnen und Pädagogen äußerten diesen Wunsch im Rahmen eines Gespräches im Kirchenkreis Verden: Was können wir tun, um die Verbindung von Kirche und Schule zu stärken? Wo finden die speziellen Erfahrungen von Lehrerinnen und Lehrern in einem Gottesdienst ihren Raum? Wie kann die Kirche die schulische Arbeit mehr begleiten? Und wo erfahren wir einen Zuspruch des Segens für unsere Arbeit?
Diese Ideen wurden aufgenommen und seit drei Jahren wird am ersten Schultag nach den Ferien ein Gottesdienst für und mit Lehrerinnen und Lehrern gefeiert. Angesprochen werden Unterrichtende des Faches Religion und andere Interessierte.
Der Zeitpunkt nach den Sommerferien hat etwas von einer Jahresinventur, bei der die Dinge noch einmal neu geordnet werden. Man ist voll der guten Vorsätze: in diesem Schuljahr mehr Ordnung zu halten, bestimmte Dinge gewissenhafter zu erledigen und das ein oder andere zu verändern. Der Schuljahresbeginn ist eine Chance und ein Zusammentreffen mit neuen Menschen. Diese Situation kann im Gottesdienst gestaltet werden.
Thematisch bieten sich verschiedenste Schwerpunkte an, aktuelle schulische Entwicklungen oder auch gesellschaftlich prägende Ereignisse.
Dies sind einige Anregungen aus der Praxis:
- "Du stellst meine Füße auf weiten Raum" (Ps. 31,9)
Welchen Raum eröffnet Schule für meine Arbeit? - "Ihr seid das Salz der Erde"
(Mt. 5,13)
Ich zeige Profil als Pädagoge, als Mensch, als Christ. - Aus der Ansprache zum Schulbeginn "Lasst euch die Kindheit nicht austreiben"
von ErichKästner oder "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder" (Mt. 18,3)
"Lasst euch die Kindheit nicht austreiben. Schaut, die Menschen legen ihre Kindheit ab wie einen alten Hut. Sie vergessen sie wie eine Telefonnummer, die nicht mehr gilt. Ihr Leben kommt ihnen vor wie eine Dauerwurst, die sie allmählich aufessen, und was gegessen worden ist, existiert nicht mehr. Man nötigt euch in der Schule eifrig von der Unter- über Mittel- zur Oberstufe. Wenn ihr schließlich droben steht und balanciert, sägt man die "überflüssig" gewordenen Stufen hinter euch ab und nun könnt ihr nicht mehr zurück." Erich Kästner in seiner "Ansprache zum Schulbeginn", in: ders.: Die kleine Freiheit.
Rund 60 Lehrerinnen und Lehrer folgten einer Einladung des Evangelischen Kirchenkreises zu einem Gottesdienst zum Schuljahresanfang in der Verdener St. Andreas-Kirche. Unter dem Bibelwort "Ihr seid das Salz der Erde" ermutigte Superintendent Dieter Rathing die Pädagogen dazu, sich nicht nur als "kleine Rädchen der Schulpolitik" zu begreifen, sondern "Herz und Gesicht" im Klassenzimmer zu zeigen: "Ihre Schülerinnen und Schüler erwarten unverwechselbare Lehrer, die mit ihrer ganzen Person Wissen und Werte vermitteln." Die Schule sei ein Ort, an dem der Wert jedes einzelnen Menschen gewürdigt werden müsse, sagte Rathing. Schwächen und Unzulänglichkeiten im Schulbetrieb sollten nicht als Katastrophe angesehen werden, denn "Fehler, die man erkennt, sind sehr gute Lehrer". Im Anschluss an den festlichen Gottesdienst kamen Superintendent und Pädagogen zum Gedankenaustausch zwischen Kirche und Schule im Turm von St. Andreas zusammen. |
"Werft euer Vertrauen nicht weg" – eine Predigt zu Hebr. 10,35
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gemeinde!
Die erste Stunde, der erste Arbeitstag, ein Neubeginn – unser Leben ist immer wieder von kleinen und großen Aufbrüchen geprägt. Die eine Veränderung fällt leicht, weil ein schönes Ziel lockt, die andere wiegt schwer, da sie von Ungewissheit begleitet ist. Und oft vermischt sich beides miteinander: Vorfreude und Skepsis. Neugier und Herzklopfen. Die Erinnerungen der Lehrerinnen und Schüler an ihre erste Unterrichtsstunde spiegeln dies wider.
Jeder kennt diese Bilder:Ein Kind im Alter von sechs Jahren, schön gekleidet mit einem neuen Ranzen auf dem Rücken und einer Zuckertüte im Arm:
Sie stehen in den Regalen der Eltern und Großeltern und erinnern an den Einschulungstag.
Für Lehrerinnen und Lehrer, für Schülerinnen und Schüler beginnt nach den großen Ferien immer wieder die Schule, nicht so festlich wie beim ersten Mal, aber dieser Tag markiert einen Einschnitt.
Hier sind einige Erinnerungen an diese ersten Momente zusammengetragen: neu in einer Schule, vor einer Klasse, nach den Ferien.
(Die folgende Textcollage wird von anderen Personen gelesen.)
Eine Schülerin schreibt: An meinem ersten Tag in der Grundschule war ich sehr aufgeregt, da ich nicht wusste, was auf mich zukommt. Alles war total neu für mich. Gut, dass ich wenigstens einige Kinder aus dem Kindergarten kannte. Ich erinnere mich noch, dass wir Schmetterlinge gemalt haben.
Ein Lehrer erinnert sich:
Stundenlang hatte ich über meinen ersten Unterricht nachgedacht. Doch das Tempo meiner Schüler hatte ich völlig überschätzt. Dahinter stand irgendwie die Sorge, was machst du bloß mit den Schülern, wenn dir der Stoff ausgeht. Wenn ich mich an meine innere Einstellung erinnere, dann würde ich sagen, ich war nervös. Und sagte aufmunternd zu mir selbst: "Herausforderung komm her!"
Gedanken einer Schulpastorin:
Trotz der vielen Jahre an der Schule bin ich nach den großen Ferien immer noch aufgeregt. Habe ich über die Ferien vergessen, wie Unterricht geht? Werde ich mich auf die Schülerinnen und Schüler einstellen können? In welche Gesichter werde ich blicken? Offene, erwartungsfrohe oder verschlossene mit Null-Bock-Stimmung? Wie werden die Erwartungen an das Fach Religion und an mich sein? Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, so heißt es. Ich bin gespannt, was mich dieses Jahr erwartet.
Wenn ein neuer Abschnitt beginnt, ist dieser durchzogen von unterschiedlichen Gefühlen. Was braucht man an diesem ersten Tag des neunen Schuljahres? Vor den großen Ferien habe ich viele gute Wünsche mit auf den Weg bekommen: einen guten Start, aufgeschlossene Kollegen, Freude in Beruf und Privatleben, den Satz: "Wenn eine Tür zugeht, geht eine andere auf." Und die Ermutigungen, den Menschen mit Herzlichkeit zu begegnen, dann käme diese auch zurück. Eine Geschichte zeigt mir diesen letzten Punkt in besonders anschaulicher Weise: (Wie man in den Wald hineinruft! ..., s. S. 29)
Musikalisches Eingangsstück Begrüßung Psalm 36 im Wechsel Lied: 166, 1-4 Tut mir auf ... Gebet Textcollagen von Lehrern und Schülern (Die erste Stunde) Musikalisches Zwischenstück Predigt (Hebr. 10,35/ "Wie man in den Wald hineinruft" ) Musikalisches Zwischenstück Abkündigungen und Einladung zum Empfang Lied: 395 Vertraut den neuen Wegen Fürbittengebet Segen |
Wie man in den Wald hineinruft! In einer alten Stadt war zur Bewachung des Stadttores ein Torhüter bestellt. Eines Tages kam ein Fremder durch das Tor und fragte den Wächter: "Wie sind die Leute in dieser Stadt? Ich möchte mich hier niederlassen?" Der Torhüter fragte zurück: "Wie waren denn die Menschen in deiner Heimatstadt?" "Ach", sagte der Fremde, "die waren neidisch und zänkisch, schlecht und feindselig." Da sagte der Torhüter: "So sind sie auch hier." Bald darauf kam wiederum ein Fremder, der richtete an den Torhüter die gleiche Frage. Auch ihn fragte der Torhüter nach den Menschen seiner Heimat. "Oh!", sagte der andere, "die sind immer freundlich und hilfsbereit gewesen. Wir lebten in Frieden miteinander." Da sagte der weise Torhüter wieder: "So sind die Leute auch hier." Ein Freund, der beide Gespräche mit angehört hatte, fragte: "Wie kann es angehen, dass du über die Bürger unserer Stadt zwei so unterschiedliche Urteile sprichst?" Der Torhüter antwortete: "Die Menschen sind gut und schlecht... Sie können freundlich und feindlich sein, hilfsbereit und rücksichtslos. Es kommt darauf an, wie man sie anspricht: Wie soll ich darum erwarten dürfen, dass die beiden Fremden in unserer Stadt andere Erfahrungen machen werden als in ihrer Heimat? ..." (aus U. Tworuschka: Himmel ist überall, Geschichten aus den Weltreligionen. Gütersloh 1985, S. 17f. vergriffen.) |
Gedanken zum weiteren Verlauf der Predigt
Unser Leben ist vergleichbar mit der fremden Stadt. Wenn wir vertrauensvoll hineingehen, erleben wir sie freundlicher, als wenn wir misstrauen. Die Haltung des Mannes, der vertrauensvoll in die Stadt geht, ist ein Bild des Glaubens, denn Gott ist all das, was uns Vertrauen gibt. "Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat!", heißt es in Hebr.10,35
Durch alle Veränderungen hindurch brauche ich Vertrauen in mich selbst: in meiner Familie, an dem Ort, an dem ich lebe, mit den Menschen meiner Umgebung. Kann ich mich immer wieder auf Neues einlassen – im Berufsleben, auf Veränderungen der Arbeitsbedingungen, durch neue Ansprüche und Herausforderungen? Wie werden die Entwicklungen der Schule weitergehen, in der Vielstimmigkeit der Bildungsreformen und gesellschaftlichen Veränderungen? Wie wird es im neuen Schuljahr sein, mit neuen Schülerinnen und Schülern, von denen jede und jeder seine eigenen Bedürfnisse, Erfahrungen und Begabungen hat?
Vertrauen lässt sich nicht so herstellen, wie man ein Schiff baut oder ein Buch schreibt. Man kann es auch im Religionsunterricht nicht lehren wie das Wissen von geschichtlicher Daten. Vertrauen stellt sich spontan ein. Menschen gewinnen immer wieder neu Vertrauen, obwohl sie die Erfahrung machen, dass ihr Vertrauen missbraucht wurde. Es ist ein Vertrauen in das Vertrauen, das sich mächtiger als alle Verletzungen erweist.
Zur weiteren Gestaltung
Für die Vorbereitung ist es hilfreich, mit Lehrerinnen und Lehrern ins Gespräch zu kommen, um besser hören und wahrnehmen zu können, was in den Schulen zur Zeit dran ist. In den verschiedenen Jahren können einzelne Kollegien oder Schulstufen in der Vorbereitung angesprochen werden. So kommen dann die Originalworte im Kyrie-Teil des Gottesdienstes oder andernorts direkt zu Gehör.
Über die inhaltliche Beschäftigung in Predigt, Texten, Liedern und Gebeten hinaus könnten neue Lehrkräfte in der Region in diesem Gottesdienst namentlich und durch eine Segensgeste begrüßt werden. Im Anschluss sollte es Gelegenheit zur Begegnung geben, so dass kirchliche und schulische Mitarbeiter ins Gespräch kommen. Die Idee eines Gottesdienstes für Lehrerinnen und Lehrer zum Schuljahresbeginn wurde vielerorts aufgenommen und wird auch in anderen Kirchenkreisen praktiziert.
Fürbittengebet
Barmherziger Gott, um deine Kraft zum Frieden bitten wir dich, um Verständnis zwischen den Völkern und Kulturen, dass wir einander achten und von einander lernen. Gott, dein Friede erfülle die ganze Welt. Wir rufen zu dir ... Herr, erhöre uns!
Wir bitten dich für die Entscheidungsträgerinnen und -träger in Politik und Gesellschaft, dass sie in Zeiten von Veränderungen besonnene Entscheidungen treffen, dass junge Menschen Chancen auf eine gute Ausbildung und einen Beruf erhalten, dass Gerechtigkeit statt Eigennutz unser Handeln bestimmt. Wir rufen zu dir ... Herr, erhöre uns!
Wir bitten dich für das Zusammenleben an der Schule, für einen respektvollen Umgang untereinander, dass Schüler sich gegenseitig unterstützen und in ihren Lehrerinnen und Lehrern gute Wegbegleiter haben. Wir rufen zu dir ... Herr, erhöre uns!
Wir bitten dich für die Arbeit in unserem Beruf, um Freude und Motivation, und für ein Arbeitsklima, das uns unser Tun erleichtert. Stärke das Vertauen immer wieder neu. Wir rufen zu dir ... Herr, erhöre uns!
Wir bitten dich für die Familien und Partnerschaften, dass sie einander in Liebe begegnen und sich Zeit füreinander nehmen, für das Miteinander der Generationen bitten wir dich. Wir rufen zu dir ... Herr, erhöre uns!
Wir bitten dich für alle Traurigen, Einsamen und Kranken, für alle die, die keine Hoffnung mehr sehen. Sei ihnen nahe mit deiner Kraft. Wir rufen zu dir ... Herr, erhöre uns!
Wir bitten dich für uns selbst, lass uns aus deiner Liebe leben. Amen.