Zum Berufsbezug des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen - oder: Zu den Auswüchsen eines "abnehmerorientierten" berufsschulischen Unterrichts

von Hilmar Grundmann 

 

Vorbemerkungen

In einigen Bundesländern wie z. B. im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen gehört der Religionsunterricht zum Fächerkanon der berufsbildenden Schulen, genauer der Teilzeit-Berufsschulen. Mehr noch: Dieses Unterrichtsfach wird sogar von eigens dafür ausgebildeten Berufsschulpfarrern bzw. Berufsschulpastoren erteilt. Das wird so manchen aus anderen Bundesländern überraschen, handelt es sich beim Religionsunterricht doch unstrittig um ein sog. allgemeinbildendes Unterrichtsfach – und nichts ist bei den Kammern und Ausbildungsbetrieben so verpönt wie allgemeinbildender Unterricht an berufsbildenden Schulen. Davon können in erster Linie die Deutschlehrer an dieser Schulform ein Lied singen, stehen sie doch bekanntlich gegenwärtig wie nie zuvor unter dem Druck der Kammern und Schulbehörden, ausschließlich das zu unterrichten, was in den Produktionsprozessen der Ausbildungsbetriebe direkt verwertbar ist. Das gilt übrigens auch für die Deutschlehrer an den berufsbildenden Schulen in Nordrhein-Westfalen. So haben die Kammern dieses Bundeslandes kürzlich klargemacht, dass der Deutschunterricht an dieser Schulform kein Literaturunterricht sein dürfe und sich auf ‚Kommunikationstraining‘ zu beschränken habe, und das heißt konkret: einüben in berufsspezifische Schreib- und Sprechtechniken und nichts anderes. [1] Diese Auffassung haben sich inzwischen zumindest einige Kultusminister und Schulbehörden zu eigen gemacht, z. B. die in Hamburg und Schleswig-Holstein. Das ist natürlich eine Auffassung über den berufsschulischen Unterricht generell und den Deutschunterricht insbesondere, die absurder nicht sein kann, und zwar vor allem deswegen, weil ein solcher Unterricht nicht nur die berufsbildende Schule als Bildungseinrichtung in Frage stellt und damit ihre existenzielle Berechtigung, sondern weil er damit auch ein gegen die Berufsschüler gerichteter Unterricht ist, d.h. ein Unterricht, der gegen ihre (Aus-)Bildungsinteressen, gegen ihr Interesse an der Entfaltung ihrer beruflichen Handlungsfähigkeit gerichtet ist. Dies ist so häufig dargelegt und nachgewiesen worden [2] , dass es schon mehr als verwundert, wenn die Kammern diesen Sachverhalt einfach nicht zur Kenntnis nehmen bzw. wenn Kultusminister oder Schulbehörden den direkten Zusammenhang zwischen berufsübergreifenden und damit in der Regel nicht direkt in betrieblichen Produktionsprozessen verwertbaren Fähigkeiten und beruflicher Handlungsfähigkeit schlicht ignorieren bzw. nicht wahrhaben wollen, sobald es sich um Berufsschüler handelt. [3] Deswegen an dieser Stelle nur so viel: Was für jede andere Rolle gilt, das gilt auch und erst recht für die Berufsrolle. Inwieweit ihre Aneignung bzw. ihr Erwerb gelingt, hängt zunächst einmal davon ab, inwieweit es gelingt, sich jenes Wissen und Können anzueignen, das der jeweiligen Berufsrolle als berufsspezifisches Wissen und Können zugeordnet wird bzw. was in dem jeweiligen Berufsbild als berufsspezifische Qualifikation aufgelistet ist. Aber diese Aneignung gelingt nun eben nicht, wenn es bei der Vermittlung dieses Wissens und Könnens bleibt. Denn wie unstrittig nachgewiesen, gelingt die Aneignung der jeweiligen Berufsrolle nur, wenn während der Aneignung, d. h. während der beruflichen Qualifizierungsprozesse zweierlei hinzukommt: zum einen die diskursive, also die sprachlich-reflexive und zum anderen die affektive bzw. sinnliche Auseinandersetzung mit dem Berufsrollen-Wissen und der Berufsrollen-Praxis. Letzteres ist deswegen so wichtig, weil seit Comenius gilt, dass sich nichts in unserem Verstand ”befindet, das nicht zuvor in einem der Sinne gewesen wäre”. [4] Bleiben diese Lernprozesse aus, bleibt auch all das auf der Strecke, was den Beruf erst zum Beruf macht: die Identifikation mit der beruflichen Tätigkeit, der berufliche Stolz und nicht zuletzt die so wichtig gewordenen subjektiven Sinnerfahrungen durch den Beruf. Nicht nur das, – ohne diese sinnlichen Lernprozesse führt die berufliche Ausbildung im günstigsten Fall dazu, dass sie als ”training for the job”, nicht aber als Qualifizierung für einen gesellschaftlich anerkannten und geschätzten Beruf erfahren wird, konkret: Sie führt – wie gesagt im günstigsten Fall – zur Gleichgültigkeit gegenüber dem beruflichen Wissen und Können. Mangelnde Motivation, geringe Neigung, sich am Arbeitsplatz oder beruflich zu engagieren und geringe Bereitschaft zur beruflichen Weiterbildung sind noch die harmlosesten Folgen einer beruflichen Ausbildung, die sich auf die Vermittlung von eng geschnittenem Fachwissen und Fachkönnen reduziert; kurz: Es kommen Beschäftigte heraus, die höchstens mitmachen, nicht aber solche, die mitdenken und handlungsfähig sind. Oder wollen Ausbildungsbetriebe und Kultusminister gar nicht, dass die Jugendlichen zu mitdenkenden Mitarbeitern ausgebildet werden? Das wäre jedenfalls eine Erklärung dafür, dass sie so einträchtig mit den Kammern dafür sind, all das aus dem berufsschulischen Unterricht zu verbannen, was nicht unmit* Dieser Vortrag wurde bereits in leicht veränderter Form veröffentlicht in „Erziehungswissenschaft und Beruf”, Heft 3/2000, S. 355ff.telbar in betrieblichen Produktionsprozessen verwertet werden kann, bzw. warum sie den Berufsbezug zur alles entscheidenden Instanz für die Inhalte der zu vermittelnden bzw. zu fördernden Kompetenzen im berufsschulischen Unterricht machen. Oder mangelt es ihnen nur an einfachsten Kenntnissen über pädagogisch-didaktische Zusammenhänge bzw. über lerntheoretisch abgesicherte Ergebnisse? Auf jeden Fall wäre das eine so schlimm wie das andere.

Berufsbezug oder Lebensbezug als Maßstab für die Inhalte des Religionsunterrichts? Im Grunde ist die Antwort auf diese Frage klar: Natürlich kann es im Religionsunterricht nur darum gehen, Bezüge zum menschlichen Leben schlechthin herzustellen, d.h. den Menschen als Ganzes, das Menschsein überhaupt in den Blick zu nehmen, und nicht nur einen Teil von ihm beispielsweise auf seine berufliche Brauchbarkeit oder seine betriebliche Verwertbarkeit zu reduzieren. Denn letzteres geschieht ja, wenn ausschließlich der Berufsbezug zum Maßstab für die Inhalte im Religionsunterricht erhoben wird. Ob man dies nun will oder nicht. Wie gesagt: Im Grunde ist die Antwort klar, nicht aber für die Kammern und das Kultusministerium (z. B. in Nordrhein-Westfalen). Mehr noch: Ganz offensichtlich ist man dort vom Gegenteil überzeugt. Zumindest lässt dieses Kultusministerium im Religionsunterricht an den berufsbildenden Schulen nur solche Inhalte und Gegenstände zu, die einen deutlichen Berufsbezug haben. ‚Abnehmerorientierter‘ Unterricht ist seit jüngstem jenes Schlagwort, das für einen solchen Unterricht steht: Damit ist ein berufsschulischer Unterricht gemeint, der sich ganz den Interessen und Forderungen der ‚Abnehmer‘, also der Betriebe unterwirft. Was dabei herauskommt, wenn man auf die Ideologie vom Berufsbezug hereinfällt, kann man in einer jüngst veröffentlichten Schrift der Abteilung Erziehung und Bildung des Landeskirchenamts der Evangelischen Kirche im Rheinland mit dem Titel ‚Berufsbezug im Religionsunterricht‘ [5] nachlesen. Zunächst das Positive vorweg: Zweifellos haben sich die Autoren dieser Schrift außerordentlich viel Mühe gegeben, den Spagat zwischen der eigentlichen Aufgabe des Religionsunterrichts und der amtlich verfügten Forderung nach einem Berufsbezug der Inhalte zu schaffen, genauer: zwischen Lebens- und Berufsbezug. Dieser Spagat ist in Teilen auch gelungen, und zwar immer dann, wenn die Autoren den Berufsbezug auf sehr abstrakter Ebene hergestellt haben, wie dies z. B. auf den Seiten des Anhangs der Fall ist, wo sie versuchen, Inhalte, die im Religionsunterricht ihre Berechtigung haben, mit bestimmten Lernzielen der KMK-Rahmenlehrpläne für die Lernabschnitte Material- und Personalwirtschaft zu ‚vernetzen‘ bzw. zu ‚verzahnen‘. Dieser Spagat ist allerdings überhaupt nicht gelungen, wenn es konkret wird – weil er auch nicht gelingen kann. Es sei denn, man geht von Voraussetzungen aus, die unter pädagogisch-didaktischer Perspektive absurder nicht sein können. Dazu gehört z. B. der auf Seite 8 unternommene Versuch (‚Zwei Wege – ein Ziel‘), bei der Bestimmung der Unterrichtsinhalte und ihrer Vermittlung entweder ”von der Funktion des Berufes” oder ”vom Lehrplan für den jeweiligen Bildungsgang” (ebd.) auszugehen. Denn geht man in der Tat von diesen beiden Instanzen aus, dann ist es geradezu ein Leichtes, den Berufsbezug zu jedem Unterrichtsgegenstand herzustellen, genauer: Der Berufsbezug lässt sich gar nicht vermeiden, eben weil man auf diese Weise von vornherein jeden Inhalt und jeden Gegenstand dem Berufsbezug unterwirft. Nur was für ein Vorgehen! Ganz offensichtlich ist den Autoren völlig aus dem Blick geraten, dass das Berufsbild ebenso wie Lehrpläne – und das gilt erst recht für die KMK-Rahmenlehrpläne – für die Auswahl der Inhalte und Methoden im Unterricht die fragwürdigsten Instanzen überhaupt sind. Dies ist deswegen so, weil es für die Auswahl der Inhalte und Gegenstände des Unterrichts nur eine einzige Instanz geben kann – und das ist der Berufsschüler und nichts anderes, zumindest so lange, wie sich die berufsbildende Schule als Einrichtung der (Menschen-)Bildung versteht und nicht als Stätte zur Herrichtung für den Arbeitsmarkt. Soll damit das Berufsbild bzw. die ”Funktion des Berufes” im berufsschulischen Unterricht überhaupt keine Rolle spielen? Nichts falscher als das. Das Gegenteil ist natürlich der Fall, und das gilt auch für die sog. allgemeinbildenden Unterrichtsfächer an den berufsbildenden Schulen. Aber was es eben zu verhindern gilt, ist folgendes, und das lässt sich nicht verhindern, wenn man konsequent am Berufsbezug der Inhalte festhält bzw. ausschließlich von der ”Funktion des Berufes” ausgeht: Dass nämlich der Beruf nicht zum Medium der Subjektkonstituierung und der Persönlichkeitsentfaltung, d.h. der Entfaltung der ”persönlichen Fähigkeiten, Handlungs-, Orientierungs- und Denkweisen”, sondern zur ”Schablone der Entwicklung” und damit zum Medium der Vereinseitigung und Einschränkung wird, d.h. er wirkt ”entwicklungshemmend oder –verhindernd”, wie Ulrich Beck u. a. des öfteren nachgewiesen hat. Dies kann nach Beck u.a. auch gar nicht anders sein, weil unter diesen Voraussetzungen zwangsläufig ”Lernprozesse an bestimmten Punkten” abgebrochen ”bzw. komplexe Qualifikationsbereiche in für sich unselbständige Teile zerteilt” [6] werden. Deutlicher formuliert: Ein Unterricht, der nicht vom Berufsschüler, sondern nur vom Berufsbezug ausgeht, führt nicht zur Entfaltung, sondern zur Verkümmerung der Persönlichkeit des Berufsschülers. Ist der Beruf also grundsätzlich eine Negativschablone für die individuelle Entwicklung? Die Antwort ist einfach, obwohl sie lautet: ja und nein. Er wird dann zur Negativschablone, wenn der unselige Berufsbezug zum Maß der Dinge gemacht wird, und zwar ohne Rücksicht darauf, inwieweit die Reduzierung auf das unmittelbar im betrieblichen Produktionsprozess verwertbare Wissen und Können zu Lasten der beruflichen Handlungsfähigkeit geht, und d. h. der dauerhaften Beschäftigungsfähigkeit. Das gleiche gilt umgekehrt: Werden die beruflichen Qualifizierungsprozesse nicht vorzeitig abgebrochen, d. h. gehen die vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten über den aktuellen Berufsbezug und damit über den Tag und über die spezifischen Produktionsprozesse der Ausbildungsbetriebe hinaus, dann kommen sie der beruflichen Handlungsfähigkeit zugute und werden zugleich zu Medien der Persönlichkeitsentfaltung. Ich will das hier Gemeinte an einem Beispiel konkretisieren. So wird z. B. in der zitierten Schrift ‚Berufsbezug im Religionsunterricht‘ (S. 21) der ”Ansatzpunkt für den RU” (Religionsunterricht, H.G.) zum ”Themenbereich Kostenrechnung/ Kalkulation” des Berufsbildes Gas- und Wasserinstallateurin/ Gas- und Wasserinstallateur wie folgt beschrieben: ” – ehrlich mit den Kunden umgehen (nicht zu viele Arbeitsstunden aufschreiben; sorgfältig arbeiten)”. Auch wenn hier vom ‚Ansatzpunkt‘ die Rede ist: Wenn der Berufsbezug in diesem konkreten Fall im Religionsunterricht durchgehalten wird, und es wird ja in dieser Schrift durchgehend behauptet, dass dies das oberste Ziel sei, dann heißt dies, dass der Religionsunterricht seine Aufgabe darin zu sehen habe, die Auszubildenden in dem genannten Ausbildungsberuf zur Ehrlichkeit im Umgang mit Kunden zu erziehen bzw. dazu, dass sie nicht zu viele Arbeitsstunden aufschreiben und sorgfältig ihre handwerklichen Tätigkeiten ausführen. Um es vorwegzunehmen: Ein Unterricht, der tatsächlich so verfährt, ist ein von vornherein zum Scheitern verurteilter Unterricht. Die Begründung liegt auf der Hand. Das liegt ganz einfach daran, dass Lernprozesse, die auf die Veränderung von Einstellungen und Verhaltensweisen zielen – und darum geht es hier ja – nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn sie auf den Menschen als Ganzes gerichtet sind, d. h. auf die Einstellung zur Ehrlichkeit überhaupt. Ist dies nämlich nicht der Fall, führen solche Lernprozesse nicht nur dazu, dass sie nichts bewirken, sondern mehr noch: Die bei den Schülern vorhandene Bereitschaft zur Ehrlichkeit nimmt eher ab bzw. wird zurückgebildet. Dies ist deswegen so, weil die Einhaltung des Berufsbezuges erzwingt, den Lernprozess zur Ehrlichkeit an einem bestimmten Punkt abzubrechen, bzw. einen komplexen Qualifikationsbereich nur als einen unselbständigen Teil zu vermitteln, um noch einmal auf Ulrich Beck u. a. zurückzukommen; d. h. der Berufsschüler lernt nur bzw. soll nur lernen, dass es für ihn als Gas- und Wasserinstallateur drauf ankommt, nur zu den Kunden, nicht aber überhaupt ehrlich zu sein. Dies ist übrigens ein typisches Beispiel dafür, wie geradezu verhindert wird, dass berufliche Bildung zur allgemeinen Bildung im Sinne von Persönlichkeitsbildung wird. Wer Zweifel an dem hier gemeinten Sachverhalt hat, der sei auf eine Erfahrung verwiesen, die in diesem Zusammenhang mit der Förderung der Sprachkompetenz im Deutschunterricht an den berufsbildenden Schulen gemacht worden ist. So haben in Hamburg und Schleswig-Holstein die Kammern durchgesetzt, dass das Fach Deutsch an dieser Schulform ersetzt wird durch das Fach ‚Kommunikation‘, und zwar um sicher zu stellen, dass in diesem Fach ausschließlich Fertigkeiten mit direktem Berufsbezug vermittelt oder gefördert werden, Fertigkeiten also, die direkt in den betrieblichen Produktionsprozessen verwertet werden können. Für die Ausbildung zum Verkäufer bzw. zur Verkäuferin bedeutet dies z. B., dass sich der Unterricht in ‚Kommunikation‘ auf die Förderung der Verkaufsgesprächsfähigkeit zu beschränken hat. Das Ergebnis ist vorhersehbar und kann in entsprechenden empirischen Untersuchungen [7] nachgelesen werden: Ein Unterricht, der darauf reduziert wird, in die Technik des Verkaufsgesprächs einzuüben, führt nicht zur Verbesserung der Verkaufsgesprächsfähigkeit, sondern zur Rückbildung dieser Fähigkeit. Die Begründung lautet: Weil die Beschränkung auf das Einüben in die Technik der Verkaufsgesprächsfähigkeit zur Folge hat, dass die Kommunikationsfähigkeit der Betroffenen insgesamt zurückgebildet wird. Geht jedoch die Kommunikationsfähigkeit insgesamt zurück, dann geht auch die Verkaufsgesprächsfähigkeit zurück. Das liegt eben daran, worauf bereits mit Ulrich Beck u.a. hingewiesen wurde: Weil es sich hier um Lernprozesse handelt, die an einem bestimmten Punkt abgebrochen werden, bzw. weil hier versucht wird, einen komplexen Qualifikationsbereich nicht komplex zu fördern, sondern eben nur einen unselbständigen Teil. Solche Lernprozesse richten immer mehr Schaden als Heil an. So einfach sind im Grunde die Zusammenhänge, aber vielleicht sind sie gerade deshalb von den Kammern und manchem Kultusminister nicht so leicht nachzuvollziehen. Die Konsequenz hinsichtlich des Religionsunterrichts für zukünftige Gas- und Wasserinstallateure liegt auf der Hand. Wenn Ehrlichkeit gegenüber Kunden als moralische Kategorie im berufsschulischen Unterricht deswegen gefördert werden soll, weil sie als Bestandteil der Berufsrolle Gas- und Wasserinstallateur aufgefasst wird, dann kann diese ‚Teil-Ehrlichkeit‘ nur dann mit Erfolg gefördert werden, wenn sie nicht als Funktionaltugend, sondern um ihrer selbst willen gefördert wird, d. h. als komplexer Qualifikationsbereich. Um aber nicht missverstanden zu werden: Diese Lernprozesse – und das gilt für alle auf Verhaltens- und Einstellungsänderung gerichteten Lernprozesse – setzten auch voraus (wenn sie erfolgreich initiiert werden sollen), dass sie unmittelbar mit der Lebenspraxis der Schüler zu tun haben. Zur Lebenspraxis der Berufsschüler gehört auch die Praxis der Arbeitswelt, und zwar wesentlich, mit Blick auf den Gas- und Wasserinstallateur: auch die Praxis im Umgang mit Kunden. Also spricht alles dafür, den Umgang mit Kunden im Religionsunterricht als Ausgangspunkt für jene Lernprozesse heranzuziehen, die das Ziel haben, dem zukünftigen Gas- und Wasserinstallateur zur Einsicht in die Bedeutung der Ehrlichkeit zu verhelfen. Ist das nun ein glatter Widerspruch zu dem bisher Gesagten? Natürlich nicht. Denn es bleibt dabei, dass der Ansatzpunkt des Religionsunterrichts der Schüler zu sein hat und nicht ein Themenbereich. Und das heißt konkret, dass es nicht darum gehen kann, ihn darüber aufzuklären, dass es moralisch verwerflich sei, mehr Stunden aufzuschreiben, als er tatsächlich gearbeitet hat (im Jargon der zitierten Schrift ‚Berufsbezug im Religionsunterricht‘: nicht zu ele Stunden. Womit hoffentlich nicht gemeint ist, was die Formulierung nahelegt: ein paar mehr schon, aber eben nicht zu viele). Dass dies moralisch verwerflich ist, wissen die Schüler eh. Also lernen sie nichts hinzu, wenn sie im Unterricht darauf hingewiesen werden. Aber sie lernen etwas ganz Wesentliches, und zwar über sich bzw. über ihre charakterliche Haltung, denn darum geht es bei Ehrlichkeit ja, wenn die Lernprozesse so organisiert werden, dass die Schüler ‚ich‘ sagen können, d.h. dass ihnen Ehrlichkeit als sittliche Forderung der Gesellschaft bzw. als moralische Kategorie bewusst wird, und dass ihnen ferner bewusst wird, wie hoch diese Forderung gesellschaftlich veranschlagt wird, wie sie selbst mit Ehrlichkeit umgehen, wie wichtig Ehrlichkeit für sie ist und wie sie vom christlichen Standpunkt aus zu bewerten ist. Nur unter dieser Bedingung – und das gilt für alle Lernprozesse, die darauf gerichtet sind, charakterliche Haltungen, Einstellungen und tradierte oder durch Sozialisation erworbene Verhaltensweisen zu beeinflussen, d.h. wenn der Unterricht vom Schüler her organisiert wird, besteht Aussicht auf Erfolg, also darauf, dass der Schüler etwas lernt, und das heißt hier, dass er seine Einstellung zur Ehrlichkeit möglicherweise ändert.

Vorbemerkungen

In einigen Bundesländern wie z. B. im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen gehört der Religionsunterricht zum Fächerkanon der berufsbildenden Schulen, genauer der Teilzeit-Berufsschulen. Mehr noch: Dieses Unterrichtsfach wird sogar von eigens dafür ausgebildeten Berufsschulpfarrern bzw. Berufsschulpastoren erteilt. Das wird so manchen aus anderen Bundesländern überraschen, handelt es sich beim Religionsunterricht doch unstrittig um ein sog. allgemeinbildendes Unterrichtsfach – und nichts ist bei den Kammern und Ausbildungsbetrieben so verpönt wie allgemeinbildender Unterricht an berufsbildenden Schulen. Davon können in erster Linie die Deutschlehrer an dieser Schulform ein Lied singen, stehen sie doch bekanntlich gegenwärtig wie nie zuvor unter dem Druck der Kammern und Schulbehörden, ausschließlich das zu unterrichten, was in den Produktionsprozessen der Ausbildungsbetriebe direkt verwertbar ist. Das gilt übrigens auch für die Deutschlehrer an den berufsbildenden Schulen in Nordrhein-Westfalen. So haben die Kammern dieses Bundeslandes kürzlich klargemacht, dass der Deutschunterricht an dieser Schulform kein Literaturunterricht sein dürfe und sich auf ‚Kommunikationstraining‘ zu beschränken habe, und das heißt konkret: einüben in berufsspezifische Schreib- und Sprechtechniken und nichts anderes. [1]

Diese Auffassung haben sich inzwischen zumindest einige Kultusminister und Schulbehörden zu eigen gemacht, z. B. die in Hamburg und Schleswig-Holstein. Das ist natürlich eine Auffassung über den berufsschulischen Unterricht generell und den Deutschunterricht insbesondere, die absurder nicht sein kann, und zwar vor allem deswegen, weil ein solcher Unterricht nicht nur die berufsbildende Schule als Bildungseinrichtung in Frage stellt und damit ihre existenzielle Berechtigung, sondern weil er damit auch ein gegen die Berufsschüler gerichteter Unterricht ist, d.h. ein Unterricht, der gegen ihre (Aus-)Bildungsinteressen, gegen ihr Interesse an der Entfaltung ihrer beruflichen Handlungsfähigkeit gerichtet ist. Dies ist so häufig dargelegt und nachgewiesen worden [2] ,dass es schon mehr als verwundert, wenn die Kammern diesen Sachverhalt einfach nicht zur Kenntnis nehmen bzw. wenn Kultusminister oder Schulbehörden den direkten Zusammenhang zwischen berufsübergreifenden und damit in der Regel nicht direkt in betrieblichen Produktionsprozessen verwertbaren Fähigkeiten und beruflicher Handlungsfähigkeit schlicht ignorieren bzw. nicht wahrhaben wollen, sobald es sich um Berufsschüler handelt. [3]

Deswegen an dieser Stelle nur so viel: Was für jede andere Rolle gilt, das gilt auch und erst recht für die Berufsrolle. Inwieweit ihre Aneignung bzw. ihr Erwerb gelingt, hängt zunächst einmal davon ab, inwieweit es gelingt, sich jenes Wissen und Können anzueignen, das der jeweiligen Berufsrolle als berufsspezifisches Wissen und Können zugeordnet wird bzw. was in dem jeweiligen Berufsbild als berufsspezifische Qualifikation aufgelistet ist. Aber diese Aneignung gelingt nun eben nicht, wenn es bei der Vermittlung dieses Wissens und Könnens bleibt. Denn wie unstrittig nachgewiesen, gelingt die Aneignung der jeweiligen Berufsrolle nur, wenn während der Aneignung, d. h. während der beruflichen Qualifizierungsprozesse zweierlei hinzukommt: zum einen die diskursive, also die sprachlich-reflexive und zum anderen die affektive bzw. sinnliche Auseinandersetzung mit dem Berufsrollen-Wissen und der Berufsrollen-Praxis. Letzteres ist deswegen so wichtig, weil seit Comenius gilt, dass sich nichts in unserem Verstand ”befindet, das nicht zuvor in einem der Sinne gewesen wäre”. [4]

Bleiben diese Lernprozesse aus, bleibt auch all das auf der Strecke, was den Beruf erst zum Beruf macht: die Identifikation mit der beruflichen Tätigkeit, der berufliche Stolz und nicht zuletzt die so wichtig gewordenen subjektiven Sinnerfahrungen durch den Beruf. Nicht nur das, – ohne diese sinnlichen Lernprozesse führt die berufliche Ausbildung im günstigsten Fall dazu, dass sie als ”training for the job”, nicht aber als Qualifizierung für einen gesellschaftlich anerkannten und geschätzten Beruf erfahren wird, konkret: Sie führt – wie gesagt im günstigsten Fall – zur Gleichgültigkeit gegenüber dem beruflichen Wissen und Können.

Mangelnde Motivation, geringe Neigung, sich am Arbeitsplatz oder beruflich zu engagieren und geringe Bereitschaft zur beruflichen Weiterbildung sind noch die harmlosesten Folgen einer beruflichen Ausbildung, die sich auf die Vermittlung von eng geschnittenem Fachwissen und Fachkönnen reduziert; kurz: Es kommen Beschäftigte heraus, die höchstens mitmachen, nicht aber solche, die mitdenken und handlungsfähig sind. Oder wollen Ausbildungsbetriebe und Kultusminister gar nicht, dass die Jugendlichen zu mitdenkenden Mitarbeitern ausgebildet werden? Das wäre jedenfalls eine Erklärung dafür, dass sie so einträchtig mit den Kammern dafür sind, all das aus dem berufsschulischen Unterricht zu verbannen, was nicht unmit* 

Dieser Vortrag wurde bereits in leicht veränderter Form veröffentlicht in „Erziehungswissenschaft und Beruf”, Heft 3/2000, S. 355ff.telbar in betrieblichen Produktionsprozessen verwertet werden kann, bzw. warum sie den Berufsbezug zur alles entscheidenden Instanz für die Inhalte der zu vermittelnden bzw. zu fördernden Kompetenzen im berufsschulischen Unterricht machen. Oder mangelt es ihnen nur an einfachsten Kenntnissen über pädagogisch-didaktische Zusammenhänge bzw. über lerntheoretisch abgesicherte Ergebnisse? Auf jeden Fall wäre das eine so schlimm wie das andere.

Berufsbezug oder Lebensbezug als Maßstab für die Inhalte des Religionsunterrichts? Im Grunde ist die Antwort auf diese Frage klar: Natürlich kann es im Religionsunterricht nur darum gehen, Bezüge zum menschlichen Leben schlechthin herzustellen, d.h. den Menschen als Ganzes, das Menschsein überhaupt in den Blick zu nehmen, und nicht nur einen Teil von ihm beispielsweise auf seine berufliche Brauchbarkeit oder seine betriebliche Verwertbarkeit zu reduzieren. Denn letzteres geschieht ja, wenn ausschließlich der Berufsbezug zum Maßstab für die Inhalte im Religionsunterricht erhoben wird. Ob man dies nun will oder nicht. Wie gesagt: Im Grunde ist die Antwort klar, nicht aber für die Kammern und das Kultusministerium (z. B. in Nordrhein-Westfalen).

Mehr noch: Ganz offensichtlich ist man dort vom Gegenteil überzeugt. Zumindest lässt dieses Kultusministerium im Religionsunterricht an den berufsbildenden Schulen nur solche Inhalte und Gegenstände zu, die einen deutlichen Berufsbezug haben. ‚Abnehmerorientierter‘ Unterricht ist seit jüngstem jenes Schlagwort, das für einen solchen Unterricht steht: Damit ist ein berufsschulischer Unterricht gemeint, der sich ganz den Interessen und Forderungen der ‚Abnehmer‘, also der Betriebe unterwirft. Was dabei herauskommt, wenn man auf die Ideologie vom Berufsbezug hereinfällt, kann man in einer jüngst veröffentlichten Schrift der Abteilung Erziehung und Bildung des Landeskirchenamts der Evangelischen Kirche im Rheinland mit dem Titel ‚Berufsbezug im Religionsunterricht‘ [5] nachlesen.

Zunächst das Positive vorweg: Zweifellos haben sich die Autoren dieser Schrift außerordentlich viel Mühe gegeben, den Spagat zwischen der eigentlichen Aufgabe des Religionsunterrichts und der amtlich verfügten Forderung nach einem Berufsbezug der Inhalte zu schaffen, genauer: zwischen Lebens- und Berufsbezug. Dieser Spagat ist in Teilen auch gelungen, und zwar immer dann, wenn die Autoren den Berufsbezug auf sehr abstrakter Ebene hergestellt haben, wie dies z. B. auf den Seiten des Anhangs der Fall ist, wo sie versuchen, Inhalte, die im Religionsunterricht ihre Berechtigung haben, mit bestimmten Lernzielen der KMK-Rahmenlehrpläne für die Lernabschnitte Material- und Personalwirtschaft zu ‚vernetzen‘ bzw. zu ‚verzahnen‘. Dieser Spagat ist allerdings überhaupt nicht gelungen, wenn es konkret wird – weil er auch nicht gelingen kann. Es sei denn, man geht von Voraussetzungen aus, die unter pädagogisch-didaktischer Perspektive absurder nicht sein können. Dazu gehört z. B. der auf Seite 8 unternommene Versuch (‚Zwei Wege – ein Ziel‘), bei der Bestimmung der Unterrichtsinhalte und ihrer Vermittlung entweder ”von der Funktion des Berufes” oder ”vom Lehrplan für den jeweiligen Bildungsgang” (ebd.) auszugehen. Denn geht man in der Tat von diesen beiden Instanzen aus, dann ist es geradezu ein Leichtes, den Berufsbezug zu jedem Unterrichtsgegenstand herzustellen, genauer: Der Berufsbezug lässt sich gar nicht vermeiden, eben weil man auf diese Weise von vornherein jeden Inhalt und jeden Gegenstand dem Berufsbezug unterwirft.

Nur was für ein Vorgehen! Ganz offensichtlich ist den Autoren völlig aus dem Blick geraten, dass das Berufsbild ebenso wie Lehrpläne – und das gilt erst recht für die KMK-Rahmenlehrpläne – für die Auswahl der Inhalte und Methoden im Unterricht die fragwürdigsten Instanzen überhaupt sind. Dies ist deswegen so, weil es für die Auswahl der Inhalte und Gegenstände des Unterrichts nur eine einzige Instanz geben kann – und das ist der Berufsschüler und nichts anderes, zumindest so lange, wie sich die berufsbildende Schule als Einrichtung der (Menschen-)Bildung versteht und nicht als Stätte zur Herrichtung für den Arbeitsmarkt.

Soll damit das Berufsbild bzw. die ”Funktion des Berufes” im berufsschulischen Unterricht überhaupt keine Rolle spielen? Nichts falscher als das. Das Gegenteil ist natürlich der Fall, und das gilt auch für die sog. allgemeinbildenden Unterrichtsfächer an den berufsbildenden Schulen. Aber was es eben zu verhindern gilt, ist folgendes, und das lässt sich nicht verhindern, wenn man konsequent am Berufsbezug der Inhalte festhält bzw. ausschließlich von der ”Funktion des Berufes” ausgeht: Dass nämlich der Beruf nicht zum Medium der Subjektkonstituierung und der Persönlichkeitsentfaltung, d.h. der Entfaltung der ”persönlichen Fähigkeiten, Handlungs-, Orientierungs- und Denkweisen”, sondern zur ”Schablone der Entwicklung” und damit zum Medium der Vereinseitigung und Einschränkung wird, d.h. er wirkt ”entwicklungshemmend oder –verhindernd”, wie Ulrich Beck u. a. des öfteren nachgewiesen hat. Dies kann nach Beck u.a. auch gar nicht anders sein, weil unter diesen Voraussetzungen zwangsläufig ”Lernprozesse an bestimmten Punkten” abgebrochen ”bzw. komplexe Qualifikationsbereiche in für sich unselbständige Teile zerteilt” [6] werden.

Deutlicher formuliert: Ein Unterricht, der nicht vom Berufsschüler, sondern nur vom Berufsbezug ausgeht, führt nicht zur Entfaltung, sondern zur Verkümmerung der Persönlichkeit des Berufsschülers. Ist der Beruf also grundsätzlich eine Negativschablone für die individuelle Entwicklung? Die Antwort ist einfach, obwohl sie lautet: ja und nein. Er wird dann zur Negativschablone, wenn der unselige Berufsbezug zum Maß der Dinge gemacht wird, und zwar ohne Rücksicht darauf, inwieweit die Reduzierung auf das unmittelbar im betrieblichen Produktionsprozess verwertbare Wissen und Können zu Lasten der beruflichen Handlungsfähigkeit geht, und d. h. der dauerhaften Beschäftigungsfähigkeit.

Das gleiche gilt umgekehrt: Werden die beruflichen Qualifizierungsprozesse nicht vorzeitig abgebrochen, d. h. gehen die vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten über den aktuellen Berufsbezug und damit über den Tag und über die spezifischen Produktionsprozesse der Ausbildungsbetriebe hinaus, dann kommen sie der beruflichen Handlungsfähigkeit zugute und werden zugleich zu Medien der Persönlichkeitsentfaltung. Ich will das hier Gemeinte an einem Beispiel konkretisieren. So wird z. B. in der zitierten Schrift ‚Berufsbezug im Religionsunterricht‘ (S. 21) der ”Ansatzpunkt für den RU” (Religionsunterricht, H.G.) zum ”Themenbereich Kostenrechnung/ Kalkulation” des Berufsbildes Gas- und Wasserinstallateurin/ Gas- und Wasserinstallateur wie folgt beschrieben: ” – ehrlich mit den Kunden umgehen (nicht zu viele Arbeitsstunden aufschreiben; sorgfältig arbeiten)”. Auch wenn hier vom ‚Ansatzpunkt‘ die Rede ist: Wenn der Berufsbezug in diesem konkreten Fall im Religionsunterricht durchgehalten wird, und es wird ja in dieser Schrift durchgehend behauptet, dass dies das oberste Ziel sei, dann heißt dies, dass der Religionsunterricht seine Aufgabe darin zu sehen habe, die Auszubildenden in dem genannten Ausbildungsberuf zur Ehrlichkeit im Umgang mit Kunden zu erziehen bzw. dazu, dass sie nicht zu viele Arbeitsstunden aufschreiben und sorgfältig ihre handwerklichen Tätigkeiten ausführen. Um es vorwegzunehmen: Ein Unterricht, der tatsächlich so verfährt, ist ein von vornherein zum Scheitern verurteilter Unterricht. Die Begründung liegt auf der Hand.

Das liegt ganz einfach daran, dass Lernprozesse, die auf die Veränderung von Einstellungen und Verhaltensweisen zielen – und darum geht es hier ja – nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn sie auf den Menschen als Ganzes gerichtet sind, d. h. auf die Einstellung zur Ehrlichkeit überhaupt. Ist dies nämlich nicht der Fall, führen solche Lernprozesse nicht nur dazu, dass sie nichts bewirken, sondern mehr noch: Die bei den Schülern vorhandene Bereitschaft zur Ehrlichkeit nimmt eher ab bzw. wird zurückgebildet. Dies ist deswegen so, weil die Einhaltung des Berufsbezuges erzwingt, den Lernprozess zur Ehrlichkeit an einem bestimmten Punkt abzubrechen, bzw. einen komplexen Qualifikationsbereich nur als einen unselbständigen Teil zu vermitteln, um noch einmal auf Ulrich Beck u. a. zurückzukommen; d. h. der Berufsschüler lernt nur bzw. soll nur lernen, dass es für ihn als Gas- und Wasserinstallateur drauf ankommt, nur zu den Kunden, nicht aber überhaupt ehrlich zu sein.

Dies ist übrigens ein typisches Beispiel dafür, wie geradezu verhindert wird, dass berufliche Bildung zur allgemeinen Bildung im Sinne von Persönlichkeitsbildung wird. Wer Zweifel an dem hier gemeinten Sachverhalt hat, der sei auf eine Erfahrung verwiesen, die in diesem Zusammenhang mit der Förderung der Sprachkompetenz im Deutschunterricht an den berufsbildenden Schulen gemacht worden ist. So haben in Hamburg und Schleswig-Holstein die Kammern durchgesetzt, dass das Fach Deutsch an dieser Schulform ersetzt wird durch das Fach ‚Kommunikation‘, und zwar um sicher zu stellen, dass in diesem Fach ausschließlich Fertigkeiten mit direktem Berufsbezug vermittelt oder gefördert werden, Fertigkeiten also, die direkt in den betrieblichen Produktionsprozessen verwertet werden können. Für die Ausbildung zum Verkäufer bzw. zur Verkäuferin bedeutet dies z. B., dass sich der Unterricht in ‚Kommunikation‘ auf die Förderung der Verkaufsgesprächsfähigkeit zu beschränken hat. Das Ergebnis ist vorhersehbar und kann in entsprechenden empirischen Untersuchungen [7] nachgelesen werden: Ein Unterricht, der darauf reduziert wird, in die Technik des Verkaufsgesprächs einzuüben, führt nicht zur Verbesserung der Verkaufsgesprächsfähigkeit, sondern zur Rückbildung dieser Fähigkeit. Die Begründung lautet: Weil die Beschränkung auf das Einüben in die Technik der Verkaufsgesprächsfähigkeit zur Folge hat, dass die Kommunikationsfähigkeit der Betroffenen insgesamt zurückgebildet wird. Geht jedoch die Kommunikationsfähigkeit insgesamt zurück, dann geht auch die Verkaufsgesprächsfähigkeit zurück.

Das liegt eben daran, worauf bereits mit Ulrich Beck u.a. hingewiesen wurde: Weil es sich hier um Lernprozesse handelt, die an einem bestimmten Punkt abgebrochen werden, bzw. weil hier versucht wird, einen komplexen Qualifikationsbereich nicht komplex zu fördern, sondern eben nur einen unselbständigen Teil. Solche Lernprozesse richten immer mehr Schaden als Heil an. So einfach sind im Grunde die Zusammenhänge, aber vielleicht sind sie gerade deshalb von den Kammern und manchem Kultusminister nicht so leicht nachzuvollziehen. Die Konsequenz hinsichtlich des Religionsunterrichts für zukünftige Gas- und Wasserinstallateure liegt auf der Hand. Wenn Ehrlichkeit gegenüber Kunden als moralische Kategorie im berufsschulischen Unterricht deswegen gefördert werden soll, weil sie als Bestandteil der Berufsrolle Gas- und Wasserinstallateur aufgefasst wird, dann kann diese ‚Teil-Ehrlichkeit‘ nur dann mit Erfolg gefördert werden, wenn sie nicht als Funktionaltugend, sondern um ihrer selbst willen gefördert wird, d. h. als komplexer Qualifikationsbereich.

Um aber nicht missverstanden zu werden: Diese Lernprozesse – und das gilt für alle auf Verhaltens- und Einstellungsänderung gerichteten Lernprozesse – setzten auch voraus (wenn sie erfolgreich initiiert werden sollen), dass sie unmittelbar mit der Lebenspraxis der Schüler zu tun haben. Zur Lebenspraxis der Berufsschüler gehört auch die Praxis der Arbeitswelt, und zwar wesentlich, mit Blick auf den Gas- und Wasserinstallateur: auch die Praxis im Umgang mit Kunden. Also spricht alles dafür, den Umgang mit Kunden im Religionsunterricht als Ausgangspunkt für jene Lernprozesse heranzuziehen, die das Ziel haben, dem zukünftigen Gas- und Wasserinstallateur zur Einsicht in die Bedeutung der Ehrlichkeit zu verhelfen. Ist das nun ein glatter Widerspruch zu dem bisher Gesagten? Natürlich nicht. Denn es bleibt dabei, dass der Ansatzpunkt des Religionsunterrichts der Schüler zu sein hat und nicht ein Themenbereich. Und das heißt konkret, dass es nicht darum gehen kann, ihn darüber aufzuklären, dass es moralisch verwerflich sei, mehr Stunden aufzuschreiben, als er tatsächlich gearbeitet hat (im Jargon der zitierten Schrift ‚Berufsbezug im Religionsunterricht‘: nicht zu ele Stunden. Womit hoffentlich nicht gemeint ist, was die Formulierung nahelegt: ein paar mehr schon, aber eben nicht zu viele). Dass dies moralisch verwerflich ist, wissen die Schüler eh.

Also lernen sie nichts hinzu, wenn sie im Unterricht darauf hingewiesen werden. Aber sie lernen etwas ganz Wesentliches, und zwar über sich bzw. über ihre charakterliche Haltung, denn darum geht es bei Ehrlichkeit ja, wenn die Lernprozesse so organisiert werden, dass die Schüler ‚ich‘ sagen können, d.h. dass ihnen Ehrlichkeit als sittliche Forderung der Gesellschaft bzw. als moralische Kategorie bewusst wird, und dass ihnen ferner bewusst wird, wie hoch diese Forderung gesellschaftlich veranschlagt wird, wie sie selbst mit Ehrlichkeit umgehen, wie wichtig Ehrlichkeit für sie ist und wie sie vom christlichen Standpunkt aus zu bewerten ist. Nur unter dieser Bedingung – und das gilt für alle Lernprozesse, die darauf gerichtet sind, charakterliche Haltungen, Einstellungen und tradierte oder durch Sozialisation erworbene Verhaltensweisen zu beeinflussen, d.h. wenn der Unterricht vom Schüler her organisiert wird, besteht Aussicht auf Erfolg, also darauf, dass der Schüler etwas lernt, und das heißt hier, dass er seine Einstellung zur Ehrlichkeit möglicherweise ändert.

Abschließende Bemerkungen in der Schrift ‚Berufsbezug im Religionsunterricht‘ ist nachdrücklich die Rede davon, dass ”der Berufsbezug als eine Chance des RU” (Religionsunterricht, H.G.) bzw. als seine ”Stärke” (S. 7/8) herausgestellt werden müsse. Nicht nur das, der Berufsbezug wird sogar als ”Sahnestückchen aus der großen ‚Torte RU‘ herausgestellt”. (ebd.) Soweit kann es kommen! Ein Werbetexter hätte es nicht anders formuliert. Aber dies ist schlicht die Konsequenz, wenn man den Unterricht nicht vom Berufsschüler her denkt, sondern vom Berufsbezug. Dabei scheint den Verfassern dieser Schrift nicht einmal in den Sinn gekommen zu sein, um welchen Preis der Berufsbezug im Religionsunterricht hier durchgesetzt wird und welches Risiko damit für dieses Unterrichtsfach verbunden ist. Dieser Preis besteht darin, dass der Religionsunterricht auf seine eigentlichen Aufgaben verzichtet, also auf seine eigentlichen Stärken und sich damit in die Gefahr begibt, zum Hilfsfach für die berufsspezifischen Fächer zu verkümmern.

Denn niemand wird ja wohl allen Ernstes behaupten wollen, dass der Berufsbezug die Stärke dieses Unterrichtsfaches sei. Und das Risiko besteht darin, dass sich der Religionsunterricht auf diese Weise selbst ad absurdum führt und sich damit selbst überflüssig macht. Dies deswegen, weil ein Unterrichtsfach, das sich nicht aus sich selbst heraus legitimiert, sondern sich abhängig macht von Forderungen anderer, tatsächlich überflüssig ist. Das ist im Falle des Religionsunterrichts deswegen so fatal, weil Berufsschüler gegenwärtig wie nie zuvor auf die Auseinandersetzung genau mit jenen Inhalten und Gegenständen angewiesen sind, für die dieses Unterrichtsfach zuständig ist, und zwar genuin. Dazu gehört m. E. in erster Linie die Auseinandersetzung mit solchen Inhalten, die den Berufsschülern zu subjektiven Sinnerfahrungen verhelfen.

Dies ist für Jugendliche in der beruflichen Ausbildung gegenwärtig von entscheidender Bedeutung, weil einerseits die berufliche Tätigkeit nach wie vor – und wenn zutrifft, was Gesellschafts­analytiker wie Ulrich Beck [8] u.a. prognostizieren, zukünftig mehr denn je – die lebenssinnstiftende Instanz Nr. 1 ist. ”Der Bürger, der seinen Glauben an Gott verloren hat”, so Ulrich Beck in seiner jüngst veröffentlichten Schrift ‚Schöne neue Arbeitswelt‘, ”glaubt an die Gottähnlichkeit seiner Hände Arbeit, die alles, was ihm heilig ist, schafft: Wohlstand, gesellschaftliche Stellung, Persönlichkeit, Lebenssinn, Demokratie, politischen Zusammenhalt.” Beck fährt fort: ”Man nenne mir einen Wert der Moderne, und ich mache mich anheischig nachzuweisen, dass er voraussetzt, was er verschweigt: Teilhabe an bezahlter Arbeit.” [9]

Oder an anderer Stelle: ”Wie sehr die Arbeit in der europäischen Moderne mit dem Sein des Menschen, seiner Moral und seinem Selbstbild verschmolzen ist, wird daran deutlich, dass die Arbeit im westlichen Kulturkreis längst zur einzigen relevanten Quelle und zum einzig gültigen Maßstab für die Wertschätzung des Menschen und seiner Tätigkeit geworden ist. Nur, was sich als Arbeit ausweist, erkannt und anerkannt wird, gilt als wertvoll.” Und wenig später: ”Die Arbeit ist so allmächtig geworden, dass es eigentlich gar keinen Gegenbegriff zur Arbeit mehr gibt – mit der Folge, dass alle Versuche, aus diesem totalitären Wert-Zirkel auszubrechen, sich dem Vorwurf des Zynismus aussetzen.” [10]

Kurz: ”Es gibt kein Jenseits zur Arbeitsgesellschaft! Alles ist Arbeit, oder es ist nichts.” [11] Andererseits aber wird den Beschäftigten immer mehr verwehrt, Lebenssinn durch Arbeit zu erfahren, sei es, dass die ausgeübte berufliche Tätigkeit aufgrund ihrer Eintönigkeit, Spezialisierung und Abstraktheit nur noch als Sinnlos und nicht als sinnhafte Tätigkeit erfahren werden kann, sei es, dass sie aufgrund zunehmender Vernichtung von Arbeitsplätzen als Folge der Anwendung technischen Fortschritts vorzeitig aus dem Beschäftigungssystem ausscheiden müssen und keinen neuen Arbeitsplatz finden können.

Kurz: Lebenssinnstiftende Erfahrungen sind in Arbeits- und Berufsgesellschaften wie der unsrigen zu einer der knappsten Ressourcen überhaupt geworden. Und dieser Trend wird sich bekanntlich noch verstärken, und zwar erheblich, besteht doch inzwischen kein Zweifel mehr daran, dass das Ende der ”Vollbeschäftigungsgesellschaft” [12] längst in Sicht ist. Damit ist auch die Vorstellung von der Vollbeschäftigung obsolet geworden, auch wenn wir sie zur Zeit noch ”mit Zähnen und Krallen” [13] verteidigen.

Die Folgen ausbleibender Sinnerfahrungen kennen wir: z. B. zunehmende Neigung zu irrationalem Handeln sowie hohe Gewaltbereitschaft und Fremdenfeindlichkeit. Darum weiß man, und man weiß auch, wo die entsprechenden Lektionen versäumt werden: in der Schule nämlich, aber nicht nur in den allgemeinbildenden, sondern, worauf seit jüngstem immer nachdrücklicher hingewiesen wird, auch und erst recht in den berufsbildenden Schulen. So hat kürzlich der Sachverständigenrat Bildung der Hans-Böckler-Stiftung in seiner dritten Empfehlung ‚Jugend, Bildung, Zivilgesellschaft‘, in der es um die veränderten Aufgaben der Schulen geht, folgendes erklärt: ”Junge Menschen brauchen vielfältige Gelegenheiten, ihre eigenen Wertmaßstäbe in Auseinandersetzung mit Werten des Grundgesetzes wie anderen Werten zu entwickeln, zu erproben und zu korrigieren. Sie müssen, ausgehend von alltäglichen Geschehnissen, ihr eigenes Handeln und die zugrundeliegenden Maßstäbe reflektieren lernen.” Und dann heißt es: ”Unterrichtsfächer wie Religion, Ethik, Lebensgestaltung/Ethik/Religionskunde (LER), aber auch jedes andere Fach, in dem menschliches Handeln auf dem Prüfstand steht, eignen sich für solche Reflexion.” Und wenig später: ”Kompromissfähigkeit und das Bemühen um Konsens sind für eine Demokratie grundlegend. Die Fähigkeit, Konflikte gewaltlos auszutragen und mit Kompromissen leben zu können, ist eine der vordringlichsten Anforderungen in Erziehung und Bildung junger Menschen ... Angesichts der Ausschreitungen einiger Jugendlicher ist die Forderung, Konfliktfähigkeit zu entwickeln, von besonderer Bedeutung.” Diese Fähigkeit, so heißt es dann weiter, sei ”systematisch einzuüben, auch bei älteren Jugendlichen in der beruflichen Schule”. (gesp., H.G.)

Und an anderer Stelle: ”Fremdenfeindlichkeit ist eine Bedrohung für jede moderne Gesellschaft.” Deshalb werde ”interkulturelle Kompetenz ... zur Grundbedingung für das Leben”. Diese interkulturelle Kompetenz werde aber in ihrer Komplexität gegenwärtig noch unterschätzt, und zwar sowohl ”in Kindergarten, allgemeinbildender wie beruflicher Schule”. [14] (gesp., H.G.) Deutlicher kann man nicht klarmachen, wie sehr es sowohl des Religionsunterrichts wie des Deutschunterrichts – und zwar als Literaturunterricht – an den berufsbegleitenden Schulen bedarf, denn wo sonst sollen die eingeforderten Kompetenzen wie die Fähigkeit des Wertens, der Kompromiss- und Konfliktfähigkeit, der Empathie und interkultureller Kompetenz gefördert werden als eben in diesen Fächern – in welchen Fächern an berufsbildenden Schulen sonst steht menschliches Handeln so sehr bzw. überhaupt auf dem Prüfstand wie im Religions- und Literaturunterricht?

Und damit sind denn auch zugleich die eigentlichen Aufgaben genannt, die m. E. ein moderner Religionsunterricht an den berufsbildenden Schulen wahrzunehmen hat, auf jeden Fall eines Religionsunterrichts, der mehr sein will als nur Hilfsfach für die fachspezifischen Unterrichtsfächer. Andere Aufgaben für einen so verstandenen Religionsunterricht kommen hinzu, vor allem, wenn man bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen berücksichtigt, Aufgaben übrigens, über die wir bisher kaum nachgedacht haben. So spricht z. B. Ulrich Beck davon, dass gegenwärtig ”eine Ethik individueller Selbstentfaltung und Selbstverantwortung” entstehe, ”die zu den machtvollsten Errungenschaften und Sinnquellen moderner Gesellschaften” gehöre. Seine These: ”Das wählende, entscheidende, sich selbst inszenierende Individuum, das sich als Autor seines eigenen Lebens, Schöpfer seiner Identität versteht, ist die Leitfigur unserer Zeit.”

Für immer mehr Menschen, so fährt Beck fort, werde ”ein ‚sozialer Fortschritt‘ daran gemessen, inwieweit Entfaltungschancen in den Wertbezügen und Dimensionen des ‚eigenen Lebens‘ dadurch ermöglicht” würden. Dieser Individualismus, so heißt es dann weiter, dürfe nicht verwechselt werden mit Konsumismus, sondern sei ”zutiefst moralisch”. Und: ”In mancher Hinsicht leben wir in einer sehr viel moralischeren Zeit als in den 50er und 60er Jahren. Gerade junge Menschen haben heute entscheidende moralisches Vorstellungen für eine große Spannweite von Themen; dazu gehören Fragen der Umweltzerstörung ebenso wie die hochsensiblen (hochexplosiven!) Fragen der Partnerschaft zwischen den Geschlechtern, auch die Fragen der Ernährung, der Menschenrechte, ethnischer Minderheiten und der Armut überall auf der Welt.” [15] Wie man sieht, sind das alles Themen und Fragen, die auch den zitierten Sachverständigenrat Bildung der Hans-Böckler-Stiftung im Zusammenhang mit den neuen Aufgaben von Schule beschäftigt haben und die für ihn Anlass waren, die Schulen – und zwar einschließlich der ”beruflichen Schule” – in die Pflicht zu nehmen, also jene Unterrichtsfächer, in denen menschliches Handeln auf dem Prüfstand steht; also neben dem Deutschunterricht vor allem den Religionsunterricht.

Zugegeben, ein in diesem Sinne verstandener Religionsunterricht ist ohne Berufsbezug. Dafür hat er etwas anders, nämlich Lebensbezug. Und was ist wichtiger für Berufsschüler? Die Antwort liegt auf der Hand, wenn man berücksichtigt, dass heute mehr denn je gilt: Wer lebenstüchtig ist, der ist auch berufstüchtig; aber wer berufstüchtig ist, der ist noch lange nicht lebenstüchtig. Jedenfalls ist dies jene Erkenntnis, um die das gesamte Werk Martin Walsers kreist. [16]

Und ein solcher Religionsunterricht ist auch keine ‚große Torte‘, und zwar nicht nur, weil ihm das ‚Sahnestückchen‘ Berufsbezug fehlt. Vielmehr ist er, um im Bilde, genauer im Sprachjargon der Verfasser der Schrift ‚Berufsbezug im Religionsunterricht‘ zu bleiben, Grundnahrungsmittel. Und damit ist ein solcher Religionsunterricht jenem Unterricht, wie er nach Auffassung der Verfasser dieser Schrift sein soll, überlegen, und zwar haushoch. Die Begründung: Auf Torte kann man verzichten, sollte man sogar, auf Grundnahrungsmittel aber nicht.

 

 

Anmerkungen

  1. Vgl. Michael Paul u. Jürgen Schultefrankenfeld, Modularisierung des Deutschunterrichts als Konzeption an berufsbildenden Schulen, in: Winklers Flügelstift, Heft 3/98, S. 12ff.
  2. Vgl. die Beiträge in: Hilmar Grundmann, Berufsschule ohne Deutschunterricht – noch Schule, Darmstadt 1998
  3. Vgl. Hilmar Grundmann, ‚Kommunikation‘ anstatt Deutschunterricht – Stein der Weisen oder Beleg für didaktische Inkompetenz?, in: Die berufsbildende Schule 5/1999, S. 239ff.
  4. Vgl. Hilmar Grundmann, Plädoyer für die Romane Martin Walsers im Literaturunterricht an den berufsbegleitendenden Schulen, in: Ders. (Hrsg.), Hochschultage Berufliche Bildung 1998. Fachtagung Sprachen. Neusäß 1999, S. 73ff.
  5. Düsseldorf 1999
  6. Ulrich Beck/ Michael Brater/ Hansjürgen Daheim, Soziologie der Arbeit und der Berufe, Reinbek bei Hamburg, 1980, S. 293. Vgl. auch: Michael Brater, Ute Büchele, Erhard Fucke, Gerhard Herz, Berufsbildung und Persönlichkeitsbildung, Stuttgart 1988
  7. Vgl. z.B. Wolfgang Lempert, Leistungsprinzip und Emanzipation, Frankfurt am Main 1971
  8. Vgl. Ulrich Beck, Schöne neue Arbeitswelt, Frankfurt am Main/ New York 1999
  9. Ebd., S. 69
  10. Ebd., S. 16
  11. Ebd., S. 69. Diese ethische Einstellung zur Arbeit geht übrigens auf Martin Luther zurück, d.h. ihm verdanken wir, dass die im Altertum als Untugend empfundene Arbeit plötzlich zur wichtigsten gesellschaftlichen Tugend des einzelnen wurde. Aus einer Reihe von Gründen erklärte er Arbeit als dasjenige Medium, mit dem es dem Menschen gelinge, sich aus der geistigen Bevormundung durch Priester zu befreien und die verloren gegangene Verbindung zu Gott wieder herzustellen bzw. mit Gott wieder in ein persönliches Verhältnis zu treten. Nur eine von den vielen Aussagen Luthers als Beleg für diesen Sachverhalt: ”Wo irgendein frommer Bauer oder Bürger und Untertan seinem Herrn dient, da dient er auch Gott.” Entsprechend Hieronymus in seiner Predigt: ”Arbeite etwas, damit der Teufel dich stets beschäftigt antrifft.” Denn dann kann er dir nichts anhaben, eben weil du, wenn du arbeitest, direkt mit Gott verbunden bist. Oder um Max Weber über die auf Luther zurückgehende protestantische Arbeitsethik zu zitieren: ”Der Beruf ist das, was der Mensch als göttliche Fügung hinzunehmen, worin er sich zu ‚schicken‘ hat.” (Vgl. Hilmar Grundmann, Neue Anforderungen an den Deutschunterricht berufsbildender Schulen, Darmstadt 1987, S. 15f.). Diese Auffassung hat sich übrigens in den Schulbüchern für den berufsbildenden Bereich bis in die 50er und 60er Jahre gehalten. Das kann man jedenfalls in einem Lehrerhandbuch für die Bürgerkunde und Sozialkunde zum Themenbereich Arbeit, Beruf und Berufswahl nachlesen. Dort heißt es: ”Und der Mensch, der in seinem Beruf – mag er nun ‚hoch‘ oder ‚niedrig‘ bewertet werden – seine Pflicht tut, darf stolz auf sich sein, darf jedem Menschen frei in die Augen sehen ... Wer ... seinen Beruf voll und ganz ausfüllt, hat im Rahmen des ihm Möglichen seine Pflicht gegenüber seinem Volk und der ganzen Menschheit erfüllt.” Und weiter: ”Nachdem seit der ‚Vertreibung aus dem Paradies‘ die Arbeit aus einer Lust eine Last wurde, tritt zur reinen Freude an der Arbeit die Mühe. Wer aber trotz dieser Mühe die ihm von Gott zugedachte Arbeit, das heißt also seinen Beruf ... im Geist der Liebe, um des Wohlergehens seines Nächsten willen ausführt, handelt sittlich gut und kann vor Gott bestehen.” (zit. nach Klaus Jürgen Bönkost/ Rolf Oberliesen, Arbeit, Wirtschaft und Technik in Schulbüchern der Sekundarstufe I, Bonn 1997, S. 31, Fußnote)
  12. Ebd., S. 4
  13. Ebd., S. 14
  14. Zit. nach ‚Frankfurter Rundschau‘ vom 9.3.1999 (Dokumentation, S. 7)
  15. Ulrich Beck, Schöne neue Arbeitswelt, a.a.O., S. 153
  16. Vgl. Hilmar Grundmann, Plädoyer für die Romane Martin Walsers im Literaturunterricht an den berufsbegleitenden Schulen, a.a.O.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2002

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