Vierter Bericht kirchlicher Schulreferenten in Niedersachsen - Zu ökumenischer Zusammenarbeit im konfessionellen Religionsunterricht (vom 13. November 2000)

 

 

Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen   Katholisches Büro Niedersachsen - Kommissariat der katholischen Bischöfe Niedersachsens


I. Anlass für den Vierten Bericht
Die ökumenische Zusammenarbeit im konfessionellen Religionsunterricht der Schulen in Niedersachsen ist durch ministeriellen Erlass "Organisatorische Regelungen für den Religionsunterricht und den Unterricht Werte und Normen" vom 13. Januar 1998 - Nds. SVBl. 1998, S. 37-39 - geregelt. Danach können einzelne Schulen einen für evangelische und katholische Schülerinnen und Schüler gemeinsam zu erteilenden Religionsunterricht bei der aufsichtsführenden Behörde beantragen. Der Erlass regelt, wie in bestimmten Fällen die Kirchen bei der Entscheidung der Schulaufsicht mitwirken. Hierüber informiert detailliert eine von den Kirchen veröffentlichte Broschüre ”Religionsunterricht in Niedersachsen” (1998).

Der Erlass eröffnet eine bisher nicht erprobte Praxis. Darum begleiten die Kirchen aufmerksam die Verfahrensweise und deren Ergebnisse. Sie werten sie aus und dokumentieren sie in öffentlichen Berichten.

Der Erste Bericht vom 15. September 1993 und der Zweite Bericht vom 12. November 1996 geben Rechenschaft über die Entwicklung der rechtlichen Bestimmungen. Der Dritte Bericht vom 10. November 1999 legt das Ergebnis des ersten Durchgangs nach Inkraftsetzung des Erlasses vor. Mit ihrem Vierten Bericht erläutern die kirchlichen Schulreferenten die Situation nach Abschluss des zweiten Durchgangs im Schuljahr 1999/2000. Wie die vorangehenden Berichte wird er den Schulen, der Schulaufsicht und in den Kirchen bekanntgegeben. Er soll wiederum im ”Loccumer Pelikan” veröffentlicht werden.



II. Ergebnisse
Im Vergleich zum Vorjahr sind insgesamt etwas weniger Anträge gestellt worden. Sie verteilen sich auf die verschiedenen Schulformen ähnlich wie beim ersten Mal, ausgeglichener jedoch in der Verteilung auf die vier Regierungsbezirke:
Anträge

 

aufgeteilt nach Schulformen

 1999

2000

Grundschulen

 92

 107

Orientierungsstufen

11

17

Haupt- und Realschulen

8

18

Gymnasien

10

6

Kooperative Gesamtschulen

2

3

Integrierte Gesamtschulen

1

3

Sonderschulen

7

11

Berufsschulen

81

30

 

212

195


aufgeteilt nach Regierungsbezirken 

Braunschweig

 47 (davon 30 BBS)

22 (davon - - BBS)

Hannover

60 (davon 22 BBS)

47 (davon 1 BBS)

Lüneburg

 5 (davon 0 BBS)

 46 (davon 21 BBS)

Weser-Ems 

100 ( davon 29 BBS)

 80 (davon 8 BBS)

 

212 (davon 81 BBS) 

195 (davon 30 BBS)

25 Anträge wiederholen oder erneuern einen Antrag vom Vorjahr. In 15 Fällen hätte sich ein Antrag wegen zu geringer Schülerzahl einer Konfession gemäß Nr. 2.1 des Erlasses eigentlich erübrigt.

Im Einvernehmen mit den Kirchen haben die Schulaufsichtsführenden insgesamt 172 Anträge genehmigt. Zu 29 Anträgen konnten die Kirchen ihr Einvernehmen vorerst nicht erklären, zumeist wegen unzureichender Begründungen oder mangelnder Belege über notwendige Klärungen bei der Vorbereitung des Antrags in den Schulen. Diese Schulen erhielten jedoch kurzfristig Gelegenheit, ihre Anträge zu vervollständigen. 6 Schulen haben sie genutzt. So bleiben insgesamt 23 Anträge ohne eine im Einvernehmen mit den Kirchen erteilte Genehmigung.


III. Bewertung der Ergebnisse
Die kirchlichen Schulreferenten stimmen in einer insgesamt postitiven Bewertung des zweiten Durchgangs überein. Folgende Beobachtungen begründen die Einschätzung:

  • Im Vergleich zum Vorjahr sind die Anträge durchschnittlich solider begründet. Auch die Informationen für die Eltern wurden präzisiert und damit verbessert. Die dem Dritten Bericht beigefügte Checkliste hat zu besserer Vergleichbarkeit der Anträge geführt.
  • Die Sensibilität für die Fächer Evangelische und Katholische Religion scheint größer geworden zu sein, der Sinn nicht nur für das Verbindende und Gemeinsame im christlichen Glauben, sondern auch für das Unterscheidende in den Konfessionen scheint geschärft. Die erhöhte Aufmerksamkeit trennt jedoch nicht, sondern führt zu sensiblerer Rücksichtnahme auf die jeweils andere Konfession, besonders auf konfessionelle Minderheiten. Bei den Lehrkräften beider Konfessionen erfordert das gemeinsame Vorhaben eine intensivere Klärung und Abstimmung über Inhalte des Unterrichts und über verschiedene Vorhaben im Unterricht oder bei gemeinsamen Feiern und Gottesdiensten.
  • Die Anträge spiegeln ein an vielen Schulen kollegiales Verhältnis und eine aufgeschlossene ökumenische Grundhaltung unter den Lehrkräften, auch ein offenes Gesprächsklima zwischen Schule, Elternschaft und, wenn ausdrücklich benannt, auch mit den Kirchengemeinden.
  • Bewährt hat sich die Beteiligung von Fachberaterinnen und Fachberatern für das Fach Religion, besonders bei der Vorbereitung von Anträgen. Schulen sollten durchaus häufiger um Fachberatung bitten.


Es gibt Anlass aber auch zu kritischen Beobachtungen.

  • Manche Anträge sind unvollständig. Zum Teil fehlen in der Checkliste angefragte Angaben, die auch von der Schulaufsicht nicht eingefordert wurden.
  • Die Checkliste wird verschiedentlich als Formblatt zum Ausfüllen missverstanden. Sie ist daraufhin überarbeitet worden (Anlage).
  • Nicht immer ist das Votum des/der zuständigen Dezernenten/in erkennbar. Bewährt hat sich ein Bearbeitungsblatt, aus dem die schulfachliche Beurteilung ersichtlich wird, evtl. auch mit ausdrücklicher Begründung.
  • Die verwendeten Begrifflichkeiten widersprechen gelegentlich der Intention der Regelungen wie z.B. ”Religionsunterricht im Klassenverband” oder ”Allgemeiner Religionsunterricht”. Ließe sich daraus schließen, dass ökumenische Zusammenarbeit noch missverstanden wird? Abstimmungsergebnisse in Fach- oder Elternkonferenzen lassen nicht immer erkennen, ob evtl. gerade die konfessionelle Minderheit überstimmt worden ist. Bei Einstimmigkeit erübrigt sich die Anfrage. Ein Hinweis im Antrag wäre hilfreich.


I. Erkennbare Trends, offene Fragen
Mehrere Schulen haben beantragt, die ökumenische Zusammenarbeit auf alle Jahrgänge einer Schulform auszudehnen. Sie argumentieren auf Grund der guten Erfahrungen mit dem für katholische und evangelische Kinder gemeinsam erteilten Religionsunterricht bei den Eingangsjahrgängen. Warum - fragen sie - können wir die positiven und bei uns bewährten Ansätze nicht in die folgenden Jahrgänge weitertragen? Es bliebe doch dabei, dass auch dieser Religionsunterricht konfessionell ausgewiesen wäre, er aber in ökumenischer Offenheit erteilt würde!

Das Anliegen ist verständlich. Es entspricht aber nicht der Intention der in Niedersachsen getroffenen Vereinbarungen. In ihnen geht es nicht nur um die grundrechtlich verankerte Bestimmung im Organisationserlass unter Nr. 1.1, dass der nach dem Bekenntnis getrennt erteilte Religionsunterricht die Regel bleiben soll. Wichtiger ist deren inhaltliches Anliegen: dass alle Kinder und Jugendlichen während ihrer Schulzeit Gelegenheit erhalten, an einem Religionsunterricht des eigenen Bekenntnisses in einer konfessionell homogenen Lerngruppe teilzunehmen. In der Broschüre ”Religionsunterricht in Niedersachsen” ist Wesentliches dazu erläutert (S. 39 - 42). Aus schulorganisatorischen, auch aus bestimmten pädagogischen Gründen mag die Beachtung dieser Regel bisweilen schwierig sein. Aber die Regelungen zum Religionsunterricht müssen und werden sich darin bewähren, wie die Rechte und Bedürfnisse gerade der jeweiligen konfessionellen Minderheit beachtet werden.

Es könnte sich auch ein Trend herausbilden, gewissermaßen im Sinne der neuen Bestimmungen zu verfahren, auf einen Antrag jedoch zu verzichten. Das wäre bedauerlich; abgesehen davon, dass dafür keine rechtliche Grundlage bestünde! Eine genaue Betrachtung der vorliegenden Anträge lässt erkennen, dass deren Vorbereitung nicht viel Verwaltungsaufwand bedeutet, wohl aber Bereitschaft und Sorgfalt steigert, aufeinander zu achten, Anliegen anderer zu hören, sich sorgsam abzustimmen, inhaltlich und thematisch voneinander zu lernen. Schulen berichten, wie gut der Diskussionsprozess sich für alle ausgewirkt hat. Darum sind Schulen, die Schülerinnen und Schüler beider Konfessionen gemeinsam unterrichten wollen, dringlich gebeten, einen dem Erlass entsprechenden Antrag vorzubereiten und zum nächsten Termin (Februar 2001) zu stellen.


Es bleiben einige offene Fragen:

  • Wie lassen sich Kenntnisse über das im Erlass enthaltene Grundanliegen in Kollegien und bei Eltern verlässlicher vermitteln?
  • Wie lässt sich erreichen, dass Anträge sorgfältiger gestellt und präziser bearbeitet werden?
  • Wie werden die bisher ausgesprochenen Befristungen der Genehmigungen kontrolliert, bzw. durch Anschlussanträge weitergeführt?
  • Wonach lässt sich bewerten oder feststellen, ob und wie die Regelungen ökumenischer Zusammenarbeit den konfessionellen Religionsunterricht der Schulen gefördert haben?
  • Wie kann durch gezielte Fortbildung von Lehrkräften das gemeinsame Anliegen unterstützt werden?


Die Fragen werden Antworten finden. Die Berichte der niedersächsischen kirchlichen Schulreferenten geben dafür eine Grundlage. Weitere Erfahrungen werden hinzukommen. Das Gespräch zwischen den Kirchen, den Schulabteilungen der Bezirksregierungen und dem Kultusministerium über diese Fragen wird fortgesetzt. Wesentlich aber wird es auf das Verhalten der Schulen selbst ankommen, wie die durch die rechtlichen Regelungen in Niedersachsen eröffneten Möglichkeiten sich bewähren und bestätigt werden. Die kirchlichen Schulreferenten in Niedersachsen begleiten die weitere Entwicklung mit Zuversicht.

Hannover, den 13. November 2000
 

Für die Schuldezernenten der evangelischen Kirchen und die Leiter der Schulabteilungen der Bistümer in Niedersachsen 

    Oberlandeskirchenrat Ernst Kampermann
    Der Bevollmächtigte für Schulangelegenheiten
    bei der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen

Dr. Walter Klöppel
Stellvertretender Leiter des katholischen
Büros Niedersachsen

 


Checkliste (kein Antragsformular) für die Antragsstellung

Für die Herstellung des Einvernehmens zwischen den Bezirksregierungen und den Kirchen ist es wichtig, dass Anträge auf gemeinsamen Religionsunterricht neben der inhaltlichen Begründung weitere Angaben enthalten.


1. Name und Anschrift der Schule, Schulform
 

2. Der Antrag wird nach folgender Ziffer des Erlasses gestellt:

4.4.2 (auch im 2. Jahr keine Lehrkraft vorhanden)
4.5 (curriculare oder pädagogische Gründe)
4.6 (Sonderschulen)
4.7 (Berufsschulen)
10. (Schulversuche)


3. Inhaltliche Begründung des Antrages

  • Darlegung der besonderen pädagogischen und/oder curricularen Gründe (4.5; 4.6, 4.7)



1. Angaben über Klassen und Lerngruppen

  • für welche Klassen/Lerngruppen
  • Anzahl der ev. Schüler
  • Anzahl der kath. Schüler
  • Anzahl der sonstigen Schüler
     

Der gemeinsame Religionsunterricht wird voraussichtlich erteilt von einer

  • evangelischen Lehrkraft
  • katholischen Lehrkraft


1a. Angaben über die Religionslehrer/innen der Schule

  • Anzahl der ev. Religionslehrer/innen
  •  Anzahl der kath. Religionslehrer/innen
     

2. Zustimmungserklärungen

  • Beteiligte Klassenelternschaften (wenn noch nicht gebildet, nachträglich), Ergebnis der Abstimmung
  • Schulelternrat(SOS, BBS), Ergebnis der Abstimmung in der Schulelternschaft
  • Fachkonferenzen (ev., kath., gemeins.); Ergebnis der Abstimmung
  • unterrichtende Lehrkräfte, Ergebnis der Abstimmung


3. Angaben über die Dauer des gemeinsamen Unterrichts

  • Zeitraum für den gemeinsamen Unterricht
  • Zeitraum für den konfessionell getrennten Unterricht
  • Anzahl der Durchgänge (z.B.: das erste Schuljahr in den nächsten zwei Jahren)


4. Wahrung der Interessen der ”anderen” Konfession

  • inhaltliche/organisatorische Aussagen über die Berücksichtigung der konfessionellen Minderheiten

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2001

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