Dritter Bericht kirchlicher Schulreferenten

 

 

Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen   Katholisches Büro Niedersachsen - Kommissariat der katholischen Bischöfe Niedersachsens

Dritter Bericht kirchlicher Schulreferenten in Niedersachsen
Zu ökumenischer Zusammenarbeit im konfessionellen Religionsunterricht

 

I. Anlass für den Dritten Bericht

1. Ein neuer Erlass zum Religionsunterricht

Mit Beginn des Schuljahres 1998/99 ist der Erlass des Niedersächsischen Kultusministeriums "Organistorische Regelungen für den Religionsunterricht und den Unterricht Werte und Normen" vom 13. Januar 1998 – Nds. SVBl. 1998, S. 37 – 39 – in Kraft getreten. Der Erlass fasst sämtliche Regelungen zusammen, die auf der Basis gesetzlicher Bestimmungen einschlägig sind. Die evangelischen Landeskirchen und die katholischen Bistümer im Bundesland haben den Erlass, verbunden mit erläuternden Kommentaren und Dokumenten, im September 1998 gemeinsam als Broschüre "Religionsunterricht in Niedersachsen" veröffentlicht.

Eine wesentliche Erneuerung im Erlass sind Bestimmungen zu ökumenischer Zusammenarbeit im konfessionellen Religionsunterricht. Sie sehen in bestimmten Fällen eine förmliche Mitwirkung von Kirchen vor. Die Kirchen haben sich darüber verständigt. In der Broschüre erläutern sie, wie sie ihre gemeinsame Mitverantwortung für den Religionsunterricht verstehen und ausüben wollen.

 

2. Frühere Berichte

Über den Weg der Verständigung haben die kirchlichen Schulreferenten in Niedersachsen zweimal öffentlich berichtet.

  • Der Erste Bericht vom 15. September 1993 gibt Auskunft über Anlässe und Gründe für gemeinsame Überlegungen der Kirchen zu verstärkter Kooperation im schulischen Religionsunterricht. Er skizziert Möglichkeiten und Grenzen gemein samer Vorhaben auf der Basis grundgesetzlicher Vorgaben.
  • Der Zweite Bericht vom 12. November 1996 konkretisiert die weiterentwickelten Vorstellungen vor dem Hintergrund der inzwischen veröffentlichten grundlegenden Erwägungen beider Kirchen zum Religionsunterricht. Er deutet an, wie die für erforderlich gehaltenen Maßnahmen rechtlich gefasst werden könnten.

Beide Berichte sind im "Loccumer Pelikan" 4/93 und 1/97 veröffentlich und auf andere Weise bekanntgemacht worden. Bei Schulen, Schulaufsicht und in den Kirchen stießen sie auf lebhaftes Interesse und Zustimmung.

Der hiermit vorgelegte Dritte Bericht soll bei den Schulen, der Schulaufsicht und den Kirchen bekanntgemacht und ebenfalls im "Loccumer Pelikan" (1/2000) veröffentlicht werden.

 

3. Zur Entwicklung des Erlasses

Das Kultusministerium nahm die in den beiden ersten Berichten enthaltenen Anregungen, die sich die Kirchen auch förmlich zu Eigen gemacht hatten, alsbald auf. Es beteiligte die Kirchen intensiv bei der Entwicklung des Erlasses. Nach dessen Veröffentlichung im Schulverwaltungsblatt wurden alle Schulen und die Schulaufsicht sowie alle Kirchengemeinden durch die Broschüre der Kirchen ausführlich informiert. Viele Konferenzen haben sich seitdem damit beschäftigt. Offen aber blieb vorerst, wie sich die Bestimmungen zu ökumenischer Zusammenarbeit praktisch bewähren würden.

 

4. Anwendung der neuen Bestimmungen

Zum Schuljahr 1999/2000 konnten die Schulen erstmals Regelungen im Sinne ökumenischer Zusammenarbeit beantragen. Bis Ende Februar 1999 sollten die Anträge zu schulfachlicher Bewertung bei der Schulaufsichtsbehörde vorliegen. Das Einvernehmen mit den Kirchen sollte bis Ende Mai/Anfang Juni hergestellt und der Schulaufsicht mitgeteilt sein, damit die antragstellenden Schulen von dort rechtzeitig zum neuen Schuljahr Nachricht erhalten können. Der Zeitplan hat sich insgesamt bewährt. Er sollte auch künftig angewendet werden.

Anfang Mai haben die Beauftragten der evangelischen Landeskirchen und der katholischen Bistümer in Niedersachsen gemeinsam über die ihnen von den Bezirksregierungen zur Herstellung des Einvernehmens gemäß Nrn. 4.5 –4.7. des Erlasses zugesandten Anträge beraten. Die Kirchen hatten sich vorgenommen, ihr Einvernehmen im Konsens untereinander zu erklären. Ihr Vorhaben ist gelungen. Sie haben in allen Fällen einmütig votiert.

Anträge von 195 Schulen lagen den Kirchen vor. Nicht bekannt ist ihnen, wieviele Anträge als nicht hinreichend begründet von den Dezernenten und Dezernentinnen der Schulaufsicht zurückgewiesen und dann nicht mit Ergänzungen erneut eingereicht wurden. Unbekannt ist auch, wie viele Schulen Anträge unterlassen haben, trotzdem aber so verfahren, als sei ihre Praxis gemeinsamen Unterrichtens katholischer und evangelischer Schülerinnen und Schüler genehmigt.

 

II. Anträge

1. Erste Eindrücke 

Fast alle Anträge sind sorgfältig ausgeführt und mit Bedacht begründet. Es wird berichtet, die neu eröffneten Möglichkeiten hätten anregend auf die kollegiale Zusammenarbeit in den Fachkonferenzen gewirkt. Das ökumenische Miteinander sei gestärkt worden. Religionslehrerinnen und –lehrer seien motiviert worden, das Anliegen ihres Faches nachdrücklich in Gesamtkonferenzen einzubringen.

Viele Anträge lassen erkennen, dass eine bisher unbefragt geübte Praxis gemeinsam erteilten Religionsunterrichts neu bedacht, wechselseitige Verständigung gesucht und eine bewusste Rücksichtnahme auf die jeweilige Minderheit verabredet worden sind.

Auch stützende und beratende Initiativen der Schulaufsicht werden erkennbar. Erfreulich die zumeist sorgsam herbeigeführte Beteiligung der Eltern, bisweilen auch die beratende und befürwortende Unterstützung der Kirchengemeinden am Ort! Für den Religionsunterricht erweisen sich das soziale und das kirchliche Umfeld als besonders wichtig.

Solche und ähnliche Beobachtungen sind ausgesprochen positive Aspekte der neuen Regelungen.

Bisweilen entsteht der Eindruck, als solle der gemeinsam erteilte Religionsunterricht nun als der Regelfall, der nach der Konfession der Schülerinnen und Schüler getrennt erteilte Unterricht hingegen als Ausnahme gelten. So allerdings wäre der Erlass missverstanden. Er geht weiterhin davon aus, dass die Lerngruppen im Fach Evangelische oder Katholische Religion jeweils nach ihrem eigenen Bekenntnis unterrichtet werden. Ausnahmen, die der Erlass regelt, sind zu begründen. Aber auch der gemeinsame Religionsunterricht soll als evangelischer oder katholischer Unterricht mit besonderer Aufmerksamkeit für den ökumenischen Partner erkennbar sein.

 

2. Differenzierte Sichtung

Auffällig sind die Unterschiede in der Anzahl der Anträge sowohl zwischen den Schulformen wie im Vergleich der Bezirksregierungen.

Aufteilung nach Schulformen

Grundschulen 92
Orientierungsstufen 11
Haupt- und Realschulen 8
Gymnasien 10
Kooperative Gesamtschulen 2
Integrierte Gesamtschulen 1
Sonderschulen 7
Berufsschulen 64
  195

131 Anträge wurden mir curricularer oder pädagogischer Begründung (nach Nrn. 4.5 und 4.6) gestellt. Dabei hat die Integrationsaufgabe im Anfangsunterricht der verschiedenen Schulformen besonderes Gewicht; das erklärt, warum viele Anträge besonders für das erste Grundschuljahr gestellt werden. Aber auch sozial bedingte pädagogische Probleme an bestimmten Orten oder eine ausgeprägte Diasporasituation haben zu Anträgen geführt. Die 64 Anträge der Berufsschulen wurden durchgängig mit dem an diesen Schulen vorhandenen besonderen Mangel an Fachkräften begründet (nach Nr. 4.4.2).

Aufteilung nach Bezirksregierungen

Braunschweig 30 (davon 13 BBS)
Hannover 60 (davon 22 BBS)
Lüneburg 5 (davon -- BBS)
Weser-Ems 100 (davon 29 BBS)
  195

Die regionalen Unterschiede haben vermutlich verschiedene Gründe. Sie müssen noch genauer erörtert werden; denn mit dem Erlass ist eine in allen Regionen mögliche Regelung eröffnet.

Insgesamt liegt aus Sicht der Kirchen ein positives Ergebnis des ersten Durchlaufs nach Inkrafttreten des Erlasses vor. Es bestätigt die in ihm enthaltene Öffnung für einzelne Schritte ökumenischer Kooperation als sinnvoll und in bestimmten schulischen Situationen als pädagogisch geboten.

 

III. Erklärtes Einvernehmen der Kirchen

Wegen der insgesamt positiven Bewertung der Anträge haben die Kirchen in weit überwiegenden Fällen ihr Einvernehmen mit dem Genehmigungsvorschlag der Schulaufsicht erklärt. Sie haben es auch dann ausgesprochen, wenn es durchaus Verbesserungen bei der Begründung, bei der Vollständigkeit wichtiger Angaben und informierender Hinweise hätte geben können.

195 Anträge wurden vorgelegt.

171 Anträge erhielten die Bestätigung vollen Einvernehmens.

23 Anträge wurden für ein Jahr befristet hingenommen.

1 Antrag erhielt kein Einvernehmen.

In relativ wenigen Fällen also konnte das Einvernehmen nicht erklärt werden und zwar vor allem dann, wenn Schulen gemeinsamen Religionsunterricht durchgängig für sämtliche Jahrgänge vorgesehen haben. Dass eine konfessionelle Gruppe während ihrer gesamten Grundschulzeit oder in späteren Schulformen überhaupt keine Möglichkeit erhält, Unterricht in der eigenen Ausprägung des christlichen Glaubens zu erhalten, können die Kirchen so nicht akzeptieren. Sie können es besonders dann nicht, wenn sich um eine Minderheit etwa in einer Diasporasituation handelt.

Aus manchen Anträgen ergibt sich, dass eine seit Jahren geübte Praxis nun leglaisiert werden soll. Die Kirchen haben sich in solchen Fällen (23) dazu entschieden, diese Praxis für noch ein Jahr hinzunehmen. Sie verbinden damit allerdings die Erwartung, dass Schulen mit solcher Praxis diese überdenken und bei einem erneuten Antrag entsprechend verändern. Auf jeden Fall sind allein schulorganisatorische Gründe nicht ausreichend.

Nach dem Erlass erklären die Kirchen ihr Einvernehmen gegenüber der Schulaufsicht, also nicht gegenüber der einzelnen Schule, die einen Antrag gestellt hat. Die Kirchen gehen davon aus, dass bei eingeschränktem Einvernehmen oder gar bei dessen Ablehnung die zuständigen Dezernentinnen oder Dezernenten der Schulbehörde Gespräche mit den Schulen führen, die Gründe erörtern und Hinweise für einen erneuten Antrag geben. Auch Fachberaterinnen und –berater können in diesem Zusammenhang tätig werden.

Die Kirchen haben ihr Einvernehmen im ersten Durchgang generell auf höchstens drei Jahre befristet. Sie möchten zunächst Erfahrungen machen und diese kritisch diskutieren. Untereinander haben sie am 29. Juli 1998 vereinbar, nach dieser Frist zu prüfen, wie die Regelungen zu ökumenischer Zusammenarbeit sich bewährt und ob sie zur Sicherung des konfessionellen Religionsunterrichts beigetragen haben.

Bei positivem Ergebnis ist eine Verlängerung von Erklärungen kirchlichen Einvernehmens selbstverständlich möglich, sofern dieser beantragt wird.

 

IV. Anregungen für künftige Anträge

1. Hinweise durch eine Checkliste

Nach dem ersten Durchlauf hat sich der Eindruck verstärkt, konkrete Hinweise darauf, worüber ein Antrag Auskunft geben sollte, wären sinnvoll. Diesem Bericht ist darum eine Checkliste mit den Punkten beigefügt, auf die ein Antrag in jedem Fall eingehen sollte. Die Liste ist als Anregung gedacht. Sie dient auch der Vergleichbarkeit der Anträge und erleichtert deren Bearbeitung.

 

2. Zum Verständnis des Erlasses

Bei Diskussionen über den Erlass ergibt sich bisweilen das Missverständnis, der Erlass sei ein Programm oder gar ein pädagogisches Konzept. Insofern wird er dann als unzureichend, als zu einschränkend oder als einfallslos empfunden. Wäre er ein pädagogisches Programm, bliebe er in der Tat weit hinter dem zurück, was erwartet werden müsste. Er ist dies aber nicht. Vielmehr ist eine rechtliche Grundlage, auf der pädagogische Konzept entwickelt werden können. Und er nennt die Kriterien, an denen schulische Vorhaben sich überprüfen lassen. Schulen, die Schulaufsicht und die Kirchen in Niedersachsen können gemeinsam in ihm ein hilfreiches Instrument sehen, dem Religionsunterricht eine verlässliche Basis zu geben und zugleich weiterführende Perspektiven im schulischen Bildungsautrag zu eröffnen. Sie wollen darüber im Gespräch bleiben.

Hannover, den 10. November 1999

Für die Schuldezernenten der evangelischen Kirchen und die Leiter der Schulabteilungen der Bistümer in Niedersachsen

Oberlandeskirchenrat Ernst Kampermann
Der Bevollmächtigtes für Schulangelegenheiten bei der Konföderation evangelischen Kirchen in Niedersachsen

Dr. Walter Klöppel
Stellvertretender Leiter des katholischen Büros Niedersachsen


Betr. Erlass des MK "Organisatorische Regelungen für den Religionsunterricht und den Unterricht Werte und Normen" vom 13. Januar 1998

Checkliste für die Antragstellung 

Für die Herstellung des Einvernehmens zwischen den Bezirksregierungen und den Kirchen ist es wichtig, dass Anträge auf gemeinsamen Religionsunterricht neben der inhaltlichen Begründung weitere Angaben enthalten.


1. Name der Schule:

Schulform:

GS O OS O HS O RS O SOS O GY O IGS O KGS O BBS O

 

2. Der Antrag wird nach folgender Ziffer des Erlasses gestellt:

O 4.4.2 (fehlende Lehrkräfte) O 4.5 (curriculare oder pädagogische Gründe

O 4.6 (Sonderschulen)

O 4.7 (Berufsschulen)

O 10. (Schulversuche)

 

 

3. Inhaltliche Begründung des Antrages 

 O  Darlegung der pädagogischen und/oder curricularen Gründe (4.5; 4.6; 4.7)

O für welche Klassen/Lerngruppen O Anzahl der ev. Schüler

O Anzahl der kath. Schüler

O Anzahl der sonstigen Schüler



Der gemeinsame Religionsunterricht wird erteilt von

einer O evangelischen Lehrkraft    O katholischen Lehrkraft

 


5. Angaben über die Religionslehrer/innen der Schule

O Anzahl der ev. Religionslehrer/innen O Anzahl der kath. Religionslehrer/innen




6. Zustimmungserklärungen

O Beteiligte Klassenelternschaften O Ergebnis der Abstimmung in der Klassenelternschaft

O Schulelternrat (SOS, BBS, Anträge für kommendes erstes Schuljahr)

O Ergebnis der Abstimmung in der Schulelternschaft

O Eltern haben bei Anmeldung ihres Kindes Informationen erhalten, Abstimmung wird nachgeholt

(Anträge für kommendes erstes Schuljahr)

O Fachkoferenzen (ev., kath, gemeinsame) O Ergebnis der Abstimmung
O unterrichtende Lehrkräfte O Ergebnis der Abstimmung




7. Angaben über die Dauer des gemeinsamen Unterrichts 
   

O Zeitraum für den gemeinsamen Unterricht

O Zeitraum für den konfessionell getrennten Unterricht

O Anzahl der Durchgänge (z.B.: das erste Schuljahr in den nächsten zwei Jahren)



8. Wahrung der Interessen der "anderen" Konfession

O inhaltliche Aussagen über die Berücksichtigung der konfessionellen Minderheiten

O Angaben über organisatorische Maßnahmen

O Angaben über unterrichtliche Maßnahmen

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2000

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