Ausbildungsphasen in der Religionspädagogik als Lernwege – Ansätze und Erfahrungen

von Dirk Röller

 

Vorgeschichte

Als Mitte der Siebziger Jahre die ersten Jahrgänge in der Sekundarstufe II unterrichtet wurden und in der Lehrerausbildung statt einer stringenten Trennung der Ausbildungsphasen eine Verbindung von Theorie und Praxis erreicht werden sollte , begann, was sich heute als Verzahnung der Ausbildungsphasen etabliert hat. Es war damals natürlich nicht abzusehen , dass z. B. Jürgen Heumann nach seiner Übernahme des Lehrstuhls für ev. Religionspädagogik als Nachfolger von Siegfried Vierzig das Gespräch mit der zweiten Phase der Religionslehrerausbildung in Oldenburg intensivierte und sich gemeinsame Seminare und Projekte entwickelten, deren erste Teilnehmerinnen und Teilnehmer inzwischen im Oldenburger Studienseminar in der zweiten Phase ausgebildet werden. Diese Arbeit steht im Kontext von Überlegungen zur “Verzahnung” der Lehrerausbildungsphasen, wie sie von der Evangelischen Kirche in Deutschland vorgestellt werden:

Abgesehen von Ausnahmen gibt es zwischen Studium und Zweiter Ausbildungsphase weder institutionelle noch personelle Verzahnungen. Auch Absprachen mit den Fachleiterinnen und Fachleitern der Zweiten Phase über Studieninhalte und –angebote sind äußerst selten. Die Gründe dafür sind vielfältiger Art. Sie liegen etwa

  • im theorieorientierten Selbstverständnis der theologischen Fakultäte
  • in der mangelnden Anerkennung der Fachdidaktik als eigenständiger wissenschaftlicher Diszipliin
  • der fehlenden Schulerfahrungen der meisten Hochschullehrerinnen und Hochschullehre
  • im gering ausgeprägten Kooperationsinteresse beider Seide
  • in gegenseitigen Vorbehalten der für Ausbildung Verantwortlichen in Studium und Zweiter Phase
  • in Koordinationsproblemen zwischen den Institutionen
  • an fehlender bildungspolitischer Unterstützung u. a. m.

Diese mangelhafte Koordinierung wird von den Studierenden beim Übergang in das Referendariat in der Regel als Diskontinuität erlebt. Nicht selten ist ein tiefgehender Bruch darüber beobachtbar, dass manches im Studium Erarbeitete für den Unterricht nicht oder kaum relevant ist und dass die erworbenen Fähigkeiten nicht oder nur partiell diejenigen sind, die beim Unterrichten benötigt werden. Besonders die Doppelrolle als lernender Lehrer oder als lernende Lehrerin, der/die ein präzises bestimmtes, durch hohe Leistungsanforderungen geprägtes Ausbildungsverhältnis eintritt und sich dort in einer ganz anderen Weise bewähren muss als im Studium, trifft die Referendarinnen und Referendare unvorbereitet und führt zuweilen zu gravierenden Enttäuschungen, Selbstzweifeln und Verunsicherungen. Nicht unbeträchtlich ist die Zahl der Referendarinnen und Referendare, die während oder am Ende der Zweiten Phase erkennen müssen, dass sie für den Beruf einer Religionslehrerin bzw. eines Religionslehrers ungeeignet sind oder den Belastungen des Berufs nicht standhalten können. Die fehlende oder unzureichende Vorbereitung der Studierenden auf die Zweite Phase der Ausbildung muss durch eine verbindliche Kooperation von Hochschule und Ausbildungsstätten überwunden werden. Dazu bedarf es nicht nur einer stärkeren Wahrnehmung der Lehrerausbildung als originärer Aufgabe der Theologischen Fakultäten, sondern auch rechtlicher, institutioneller, organisatorischer und personeller Absicherungen der Zusammenarbeit von Lehrenden und Fachleiterinnen bzw. Fachleitern. Eine solche Zusammenarbeit ist Voraussetzung dafür, dass sich die Ausbildung an den Hochschulen stärker an den Anforderungen des Berufs orientiert

 

1. Ansätze

Aus den ersten Erfahrungen mit der 1996 in Oldenburg begonnenen Kooperation ergeben sich für eine Vorbereitung künftiger Verzahnung Überlegungen zu Ansätzen der Verwirklichung. Grundsätzlich wird nach dem gegenwärtigen Stande von eine Zweiphasigkeit der Ausbildung ausgegangen und vorausgesetzt, dass die exemplarische Kooperation in Ausbildungsfach ev. Religion des Oldenburger Studienseminars auf einem fest umrissenen Vorhaben für solche Studentinnen und Studenten beruht, die an gemeinsamen Veranstaltungen zwischen Seminar und Hochschule teilnehmen. Im Blick auf solche Kooperation werden im Folgenden Überlegungen angestellt und Erfahrungen mitgeteilt. Sie beziehen sich schwerpunktmäßig auf religionspädagogische Veranstaltungen in der ersten Ausbildungsphase wie das sog. “Didaktikum” und das Fachpraktikum

1.1. Ausschöpfen institutionalisierter Möglichkeiten
Die vorhandenen Institutionen wie das “Zentrum für pädagogische Berufspraxis” und das “Didaktische Zentrum” der Universität und das Studienseminar mit seinen Fachleitern und Mentoren können das jeweilige Potential an Unterrichtskompetenz, Analyse- und Beurteilungskompetenz austauschen und optimieren:

  • Das Seminar muss einen Beitrag zur Ausweitung der Mentorenkompetenz leisten. Das kann durch intensive Betreuung der Mentorinnen und Mentoren und deren Weiterqualifizierung in Zusammenarbeit mit den Didaktischen Zentrum geschehen; dies ist erforderlich, wenn Studentinnen und Studenten in den Didaktika und Praktika sachgerecht angeleitet werden sollen. Die Zunahme der Analysekompetenz und die Fähigkeit, Perspektiven zu entwickeln, wären beispielsweise Richtung der Weiterqualifizierung.
  • Die Vorbereitung von Studentinnen und Studenten muss im Rahmen eines didaktischen Seminars zu Themen des geplanten Unterrichts geschehen; z. B. müssen in Lehrveranstaltungen unterrichtsvorbereitende Schwerpunkte gesetzt werden; das kann in Kooperation mit Fachleitern geschehen; die Studentinnen und Studenten müssen Fähigkeiten zur Didaktischen Analyse einüben. Neben Kooperation zwischen Dozent und Fachleiter sollte wenigstens einer der künftigen Mentorinnen und Mentoren beteiligt werden und ausbildende Verantwortung übernehmen. Dabei kann die Weiterqualifizierung trainiert werden.
  • Didaktische Seminare dürfen nicht nur im wissenschaftlichen Diskurs allgemein- und fachdidaktische Modelle vorstellen, sondern müssen den Studierenden Möglichkeiten bieten, positionell zu arbeiten, um die Relevanz und Grenzen des jeweiligen Modells auszuloten. Didaktische Analyse aus der Sicht eines Modells sollte eingeübt werden. Dies wirkt einem weit verbreiteten Hang zur Reproduktion und dem Verlangen nach Rezepten mit entsprechender Autoritätsgläubigkeit entgegen. Auch diese Arbeit sollte in engem Kontakt mit einer Mentorin oder einem Mentor der vorgesehen Didaktika und Praktika geschehen. Die dadurch erreichbare Kontinuität der Ausbildung baut die sich andernfalls entwickelnden Hemmschwellen ab. Nur auf diese Weise kann vermieden werden, dass sich die Erwartungen der Auszubildenden an die Mentorinnen und Mentoren auf die Vermittlung von Unterrichtsrezepten richten. Geschieht das nicht, wird der erfahrene Druck angesichts der Unterrichtsbelastungen die Mentalität der “Überlebensstrategien” seitens der Auszubildenden weiter steigern. Umgekehrt kann eine Erfahrung in didaktisch begründeter Unterrichtskonstruktion, -veranstaltung und –reflexion die didaktische Hilflosigkeit vermindern, die man insbesondere in Anfangsphasen erlebt.
  • Eine frühzeitige Zusammenarbeit zwischen Studentinnen und Studenten, Mentorinnen und Mentoren, Fachleiterinnen und Fachleitern und Dozentinnen und Dozenten verhindert, dass Praktika aus der Sicht der Schule als vorübergehende, nicht ernst zu nehmende Exotentätigkeit, sondern als Ernstfall, der zu gestalten ist, betrachtet werden. Geschieht die langfristige Einbindung der betreffenden Mentoren mit ihrem Unterricht in die Ausbildungstätigkeit nicht, sind Studierende und bisweilen selbst Referendarinnen und Referendar nur Störfaktoren, die man weder am Beginn noch am Ende einer Unterrichtsphase und schon gar nicht vor Klausuren und womöglich Prüfungen im Unterricht sehen will. Demgegenüber müssen Studentinnen und Studenten gerade in diesen als besonders belastend angesehenen Phasen den Ernst von Schule und nicht nur ihren vermeintlichen “Freiraum” für Spielhaftigkeit und Simulation kennen lernen . Das heißt, Studierende müssen in den Schulalltag und seine Anforderungen verbal, mental und pragmatisch eingebunden werden. Das kann nur durch entsprechende langfristige Bereitwilligkeit der unterrichtenden Kolleginnen und Kollegen erreicht werden, wenn sie an der Gesamtausbildung beteiligt werden.


1.2 Weiterentwicklung von Ansätzen
Das setzt allerdings andererseits voraus, dass der betreuende Hochschullehrer bereit ist, mindestens einmal den Didaktika und Praktika und den Unterrichtsanalysen beizuwohnen und sich als Gesprächspartner, nicht als Gutachter einzubringen ; er muss seinen Veranstaltungen didaktische Phasen eingliedern und etwa in Semesterarbeiten unterrichtliche Aspekte und Unterrichtsentwürfe nicht nur zulassen, sondern einfordern. Auch in diesem Zusammenhang ergibt sich die Forderung nach Austausch zwischen Hochschule und Studienseminar mit Mentorenbeteiligung in regelmäßigen Abständen und für beide Teile verpflichtenden Veranstaltungen; der gegenseitige Austausch von Kompetenzen erfolgt dann nicht einlinig als Forderung der Schule an die Hochschule oder umgekehrt, wie es bei Trennung von erster und zweiter Phase üblicherweise praktiziert wird.


2. Vorgehensweise

Die Basis für die Zusammenarbeit in den Ausbildungsphasen sind gemeinsam durchgeführte Projekte, die auf unterschiedlichen Diskursebenen erarbeitet werden. . Die teilnehmenden Studierenden und späteren Referendarinnen und Referendare werden auf ausgewählte Unterrichtsveranstaltungen vorbereitet und unterrichten nach vorgängigen Hospitationen; Begegnungen mit Referendarinnen und Referendaren an der betreffenden Schule ermöglichen einen informellen Erfahrungsaustausch. Insgesamt ergibt sich eine längerfristige Zusammenarbeit im Rahmen von wissenschaftlichen Projekten und der unterrichtlichen Umsetzung von deren Ergebnissen, an denen sich Studierende unterrichtlich beteiligen.

2.1. Didaktikum
Das seit einigen Jahren im Fachbereich Religionspädagogik der Universität Oldenburg praktizierte Didaktikum hat sich als Einstieg in die Unterrichtsproblematik im ersten Studienabschnitt bewährt: Studierende hospitieren beim Fachlehrer bzw. bei der Fachlehrerin in der Regel drei Stunden, ggf. in unterschiedlichen Klassen auch etwas länger, entscheiden sich für eine Unterrichtsphase von drei Stunden in einer Klasse und bereiten in Zusammenarbeit mit dem Fachlehrer bzw. der Fachlehrerin zunächst eine Stunde vor, die sie erteilen. Diese wird im Beisein aller beteiligten Studenten anschließend ausführlich besprochen. Stärken und Schwächen werden thematisiert sowie Lehrerrolle und Lehrerverhalten beschrieben. Auf diesem Hintergrund wird eine zweite Stunde von dem unterrichtenden Studenten oder der Studentin in einem allgemeinen Rahmen entworfen und von ihm bzw. ihr in häuslicher Eigenarbeit konkretisiert. Auch für diese Stunde gibt es eine ausführliche Besprechung, die in der Konzeptionierung einer dritten Stunde zum Vergleich kulminiert. Deren Analyse wird als Rückblick auf die gesamte Tätigkeit und als Ausblick auf einen Erfahrungsbericht gestaltet. In diesem werden beispielsweise thematisiert:

  • die Erfahrung mit Schule allgemein und Fach im Besonderen
  • die Einschätzung von Schülern und Lehrern
  • die Zusammenarbeit und die Kommunikation
  • die Beurteilung des didaktischen und methodischen Konzepts
  • die Kategorien der Analyse und Beurteilung
  • die eigene Rolle im situativen Kontext
  • Konsequenzen für das weitere Studium.

Nach der punktuellen Beobachtung und Einschätzung des Verfassers ist dieses Didaktikum, da es vergleichsweise früh im Studium angesetzt ist, für etliche Studierende ein Anlass für eine erste intensive Selbstreflexion im Blick auf den künftigen Berufsweg und konsequenterweise auch im Blick auf die Profilierung des Studiums .

 

2. Praktikum

Die jeweiligen Vorgaben des für die Praktika zuständigen “Zentrums für Pädagogische Berufspraxis” werden situationsgemäß umgesetzt, wie nachfolgend am Beispiel zweier Studenten skizziert:
Die Studenten lernen gezielt durch einwöchige Hospitation je zwei Klassen/Kurse in den beiden Sekundarstufen kennen . Die Analysen und Unterrichtsvorbereitungen werden gemeinsam vorgenommen; der jeweilige Unterricht des Kommilitonen wird begleitet. Es wird versucht, Themenschwerpunkte zu finden und zu unterrichten, die vergleichbar sind. Das gegenseitige Beobachten und Austauschen unter Anleitung des Fachleiters führt zu einem vergleichsweise schnellen, unverkrampften und signifikanten Lernfortschritt im Rahmen des von der zweiten Woche an erteilten Unterrichts mit zunehmend selbstständiger Vorbereitung unter konzeptioneller Begleitung des Fachlehrers. Die jeweiligen Besprechungen beziehen vergleichend auch die Vorgehensweisen in der Zweiten Phase ein; die erwähnten informellen Gespräche mit Referendaren verdeutlichen die Erfahrungen.


3. Auswertung

Diese Erfahrungen machen die Studenten schwerpunktartig deutlich, welche Probleme das Finden der Lehrerrolle und das Erkennen der Lehrerpersönlichkeit und ihrer Grenzen mit sich bringt .

  • Die Studenten erkennen die Anforderungen, die an sie als künftige Lehrer gestellt werden und nehmen die Belastungen wahr. Sie verändern innerhalb kurzer Zeit signifikant ihr Verhalten
  • Sie tauschen sich mit dem betreuenden Fachlehrer über ihre Studiensituation aus und ziehen verbal Konsequenzen für ihr weiteres Fachstudium, indem sie erkennen, dass sie sich zwingen müssen, Lehrangebote nicht zu reproduzieren, sondern einem Transfer zu unterziehen
  • Verbunden damit stellen sie sich die Fragen nach gesellschaftlicher und persönlicher Relevanz ihrer Studien.



4.  Forderungen

Aus den gewonnenen Erfahrungen mit Didaktika und Praktika sind Forderungen ableitbar: Bei der Vorbereitung auf die Schulpraxis im Rahmen der Ersten Phase genügt es nicht, in einem Workshop (-Wochenende) fachlich-inhaltlich ein Thema zu entwickeln, das in allen Schularten behandelt wird. Vielmehr müssen Planungen im Blick auf eine/mehrere Klassen/Kurse in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Mentor bzw. der Mentorin entworfen werden, die anschließend unterrichtlich umgesetzt werden; dabei muss nach dem Bausteinprinzip gearbeitet werden, so dass entsprechend dem Fortgang des Lernprozesses die Umstrukturierung erfolgen kann. Erfolgreich war die Arbeit, wenn die Studierenden, nach vorgängiger Anleitung in eine eigenständige Planung kreativ übergehen konnten. Schwierigkeiten traten auf, wenn die Studierenden versuchten, mit reproduktivem Nachvollzug des im vorbereitenden Kompaktseminars Gelernten den Unterricht zu bestreiten. Wo das geschah, war der Student bzw. die Studentin schnell am Ende, was zu Verhaltensänderungen führte. Die mit dieser Erfahrung verbundene Einsicht resultierte auch aus der Tatsache, dass Unterricht längerfristig ausgehalten werden musste bis hin zu Beurteilungen sowie Vorbereitung und Vornahme von Leistungsprüfungen .

Eine entsprechend geartete vergleichsweise aufwändige Betreuung von Studierenden zahlt sich spätestens mit Aufnahme ihrer Ausbildung in der Zweiten Phase aus. Sie setzt allerdings eine hohe Betreuerbereitschaft und –qualifikation voraus. Diese muss auf einer wachsenden Zusammenarbeit der Mentoren mit dem Studienseminar basieren. Analytische und konstruktive Fähigkeiten werden beim Betreuer zu schulen sein; entsprechende Qualifikationen müssen langfristig zunehmend entwickelt werden. Großzügiges “Mitlaufenlassen” von Studierenden im Unterricht nach dem Motto “schon ganz gut” ist wenig hilfreich . Unterrichtskritik muss mehr noch als bei Referendaren und Referendarinnen konstruktive Alternativen aufzeigen und Mängel und deren Bewältigungschancen sichtbar machen sowie Vorschläge zur Weiterarbeit vorstellen. Das aber bedeutet mindestens je eine Stunde Vor- und Nachbereitung. Die damit einhergehende Mehrbelastung für die Mentoren und Mentorinnen muss schulorganisatorisch grundsätzlich geregelt werden. Eine Integration der Praktikumsphasen für Studierende in das Ausbildungspotential der Studienseminare dürfte dafür eine mögliche Schneise sein.

Anmerkungen

  1. Überarbeitete Fassung eines Werkstattberichts, in: Hartmut Kretzer (Hg.) aus der Arbeit der Studienseminare, Bd. 4, Oldenburg 1999.
  2. Vgl. Obst, Reinhard/Röller, Dirk (1992).
  3. Vgl. Döbrich, Peter u. a. (1980) sowie Materialien 2 – 9 (1975 – 79).
  4. Vgl. Döbrich, Peter (1980) 43. Bei einem Klassentreffen sagte scherzend ein ehemaliger Klassenkamerad, der Kontaktlehrer für Studierende der Universität Oldenburg war, zu mir als Fachleiter für evangelische Religion am Staatlichen Studienseminar in Oldenburg: “Euch gibt’s bald sowieso nicht mehr.”
  5. Ich lud damals mehrere Dozenten in ein Fachseminar zu Gesprächen ein: Frau Prof. Dr. Christine Reents, seinerzeit zuständig für Lehrerfortbildung in Oldenburg, Herrn Prof. Dr. Siegfried Vierzig, Lehrstuhlinhaber für ev. Religionspädagogik in Oldenburg, Herrn Prof. Dr. Jürgen Heumann, Assistent bei Vierzig. Vierzig begann zu dieser Zeit Religionsunterricht am Gymnasium Eversten zu erteilen; der gegenseitige Austausch führte zu diversen Veröffentlichungen.
  6. Vg. Heumann/Röller (1997), Röller (1998); vgl. auch Lamke, in: Perle (1997) 62 – 70. Zur Kooperation im Blick auf die Reform der Lehrerausbildung in Niedersachsen vgl. Pahlow, in Perle (1997) 35 - 46
  7. EKD (1997) 35 - 37
  8. Das Didaktikum findet in der regel in den ersten Semestern statt und hat die Funktion, erste Kontakte mit dem künftigen Beruf durch kurze Hospitation und einzelne erteilte Stunden zu vermitteln. Das Fachpraktikum intensiviert diese Erfahrung in höheren Semestern, wenn bereits gewisse Kompetenzen durch das Grundstudium der theologischen Disziplinen vorliegen (s. u.).
  9. Studenten, die zu einer analytischen Reflexion im Rahmen eines wissenschaftlichen Diskurses angehalten werden, müssen als Anfänger “vor einer Klasse” Hilfen erhalten, wie sie Positionen beziehen können; hilfreich für sie ist, unabhängig vom Konzept des sog. “Hermeneutischen” Unterrichts, immer noch ein Fragenkatalog, an dem man sich einsteigend orientieren kann, wie er z. B. von Otto (1964) 339 – 348 (insbes. 344ff.) im Anschluss an Kramp und Klafki vorgelegt wurde.
  10. Aus einem Praktikumsbericht: “Auch wenn sich ein Drittel der Schüler nur durch Aufforderungen von Seiten des Lehrers am Unterricht beteiligt, herrscht in der Klasse eine rege Kommunikationsbereitschaft, die sich auf das Unterrichtsgeschehen sehr positiv auswirkt. Dennoch merkte ich rasch, dass es nicht damit getan sein würde, biblische Geschichten zu erzählen ...” Ein anderer Praktikumsbericht beschreibt in diesem Sinne die Schwierigkeiten des Anfängers: “Insgesamt habe ich es nicht geschafft, dem Unterrichtsgespräch neue Impulse zu geben, bzw. die durchaus guten “Statements” der Schüler aufzunehmen und dann wieder an die Schüler weiterzugeben, so dass sich keine Weiterentwicklung des Unterrichtsgesprächs ergeben konnte.”
  11. Unabhängig von der momentanen politischen Durchsetzbarkeit von Überlegungen zur Mentorenfunktion ist es unverantwortlich, die Stellung der Mentoren de facto nicht mehr zu reflektieren und deren Dienste permanent mit dem Hinweis auf beamtenrechtliche Verpflichtung zur Ausbildungsmitwirkung in Anspruch zu nehmen. Wenn eine solche Verpflichtung besteht, muss auch für eine entsprechende Fortbildung und Kompetenz gesorgt werden. Der Ansatz, sog. “mitwirkende Lehrer” heranzubilden, könnte in diesem Sinne intensiviert werden. Im Einzelnen wäre an anderer Stelle zu untersuchen, welche Qualifikation und Kompetenz ein Mentor besitzen müsste, wie Mängel und Schwächen seiner Stellung beschrieben und ausgeglichen werden könnten. Vermutlich sind Analysefähigkeit, Kooperationsfähigkeit und eigenständiges didaktisches Denken die wichtigsten Qualifikationsmerkmale neben der Fähigkeit zu unterrichtlicher Handlungskompetenz.
  12. Diese Voraussetzung war im genannten Erprobungsfeld selbstverständlich und schaffte ein Klima gegenseitigen kritischen und diskursiven Lernens, das sich auch auf andere gemeinsame Projekte wohltuend auswirkte, so dass auch in diesem Sinne von Modellhaftigkeit des Projektes gesprochen werden kann.
  13. Solche Projekte wurden zu den Themen “Stadt” und “Meer als kultureller Erfahrungsraum” durchgeführt; sie sind veröffentlicht bzw. in der Vorbereitung einer Dokumentation; beteiligt waren und sind Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen, Studenten, Referendare sowie Lehrer und angesprochene Schüler der Sekundarstufe II; vgl. Röller (1995/6/8b).
  14. Dass in diesem Zusammenhang auch andere Faktoren von Gewicht sind, wird damit nicht übersehen.
  15. Praktikumsbericht: “... so dachte ich mir, dass wir mit unserer Planung die halbe Arbeit schon getan hätten. Mein Mentor belehrte mich jedoch eines Besseren ... Also bestand unsere Aufgabe in der ersten Woche darin, die Klassen zu beobachten, um sie kennen zu lernen.”
  16. Vgl. dazu den zitierten Text der EKD oben.
  17. Praktikumsbericht: “Wie ich schon oben erwähnt habe, fürchtete ich mich zu Beginn des Praktikums ein wenig vor den Schülern, den hohen Erwartungen und vielleicht auch ein bisschen vor meinem Mentor ... Jetzt, einige Tage nach dem Praktikum vermisse ich die Schule sogar ein bisschen und freue mich schon auf mein Referendariat ... Gerade auch die 9. Klasse, wo die Schüler in diesem Alter ja bekanntlich nicht immer so ganz einfach sind, war nett, freundlich und engagiert, so dass Unterrichten Spaß macht und Raum für Experimente und eigenes ausprobieren bot. Auch die Erfahrung, dass solche Experimente schief gehen können, war in diesem Zusammenhang eher ein Lernerfolg als eine Enttäuschung.”
  18. Die verbreitete Praxis, Studenten kurzfristig von Klasse zu Klasse wechseln zu lassen und auf diese Weise Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, ist demgegenüber wenig erfahrungsträchtig für die Studenten.
  19. So schreibt die Praktikantin A. Müller beispielsweise in ihrem Bericht Seite 52 “Während andere Kommilitonen erzählen, dass sie ihren Unterricht gegenseitig auswerten, hatte ich in jeder Stunde einen professionellen Unterrichtsanalytiker, der mir nach jeder Stunde genau sagen konnte, was ich falsch oder richtig gemacht hatte ... So wusste ich genau, an welcher Stelle ich unbedingt etwas verbessern musstest, aber auch was an meinem Unterricht in Ordnung war. Dies ermöglichte mir eine Entwicklung während der Praktikuszeit, von der ich bestimmt in der ersten Zeit meines Referendariats noch profitieren kann.”

 

Literatur:

  • Döbrich, Peter u. a., (1980), Einphasige Lehrerausbildung in Oldenburg, Oldenburg: ZpB
  • Evangelische Kirche in Deutschland – Kirchenamt der EKD (Hg.), (1997), Im Dialog über Glauben und Leben – Zur Reform des Lehramtsstudiums Evangelische Theologie/Religionspädagogik, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
  • Haidl, Manfred u. a., (1977), Religionsunterricht, planen – protokollieren – auswerten, Donauwörth: Auer
  • Heumann, Jürgen/Röller, Dirk, (1997), NRL – Neue religiöse Lernwege braucht das Land, in: religion heute 3/1997, 150ff.
  • Kretzer, Hartmut (Hg.), (1992), Gymnasium in Niedersachsen zwanzig Jahre nach der Oberstufenreform, Odenburg: ZpB
  • Obst, Reinhard/Röller, Dirk, (1992), Aspekte der Problemgeschichte des evangelischen Religionsunterrichts, in: Kretzer, Hartmut, (1992), Gymnasium in Niedersachsen zwanzig Jahre nach der Oberstufenreform, Oldenburg: ZpB 209 – 222
  • Müller, Anja (1999) Bericht über das Fachpraktikum am Gymnasium Eversten-Oldenburg, Oldenburg (MS)
  • Otto, Gerd (1964) Handbuch des Religionsunterrichts, Hamburg: Furche
  • Perle, Hans-Jürgen (Hg.), (1997), Bundestagung der Leiter der Praktikumsbüros, Zusammenfassender Bericht, Göttingen: Planungsstelle für Pädagogische Praktika
  • Röller, Dirk, (1977), Lehramtspraktikum als Vorsemester zur Einführung in die Schulpraxis, in: WPB 29/11/1977, 480
  • Röller, Dirk (Hg.), (1995) Gott in der Stadt, Lüneburg: Jansen
  • Röller, Dirk, (1996) Stadt und Mensch, Frankfurt: Lang
  • Röller, Dirk (1996) Professionalisierung der Lehrerausbildung, in: Loccumer Pelikan, 2/96, 82f.
  • Röller, Dirk (1998 a), Lehrerrolle, in: dress. Religionsunterricht als Zeichenbildung, Frankfurt: Lang, S. 78 – 88
  • Röller, Dirk (Hg.), (1998 b) Das Meer als kultureller Erfahrungsraum, Lüneburg: Jansen
  • Zentrum für pädagogische Berufspraxis (Hg.), (1975 – 79), Materialien zur Kooperation zwischen Schule und Universität 2 – 9, Oldenburg: ZpB

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2000

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