Vom 28. bis 30. September 1998 fand im RPI unter der Leitung von StD' Anita Schröder-Klein und Dr. Michael Wermke die erste Konferenz für Fachobleute Religion an den niedersächsischen Gymnasien und Fachgymnasien statt. Die Resonanz auf diese Tagung war sehr groß. Über fünfzig Anmeldungen lagen vor, die aber leider nicht alle berücksichtigt werden konnten. Die nächste Konferenz ist für das Jahr 2000 geplant.
Im Rahmen der Konferenz hat StR' Sabine Wiggert, Fachobfrau am Hainberg-Gymnasium in Göttingen, einen Vortrag zum Religionsunterricht in Göttingen gehalten, der hier leicht gekürzt veröffentlicht wird. Vieles scheint in Göttingen möglich zu sein, was andernorts so nicht realisiert werden kann. Aber vielleicht macht der Praxisbericht Mut und bietet Anregungen, nach Möglichkeiten Ausschau zu halten, auch an ihrer Schule die Stellung des Faches Religion zu stärken. Der Vortragsstil wurde sprachlich beibehalten.
Zunächst ein paar skizzenhafte Bemerkungen zur 'Normalität' unseres Schul-Alltags am Hainberg-Gymnasium Göttingen, der dem Ihren vielleicht in dem einen oder anderen Punkt ähnelt:
- Göttingen ist Universitätsstadt und Ausbildungsort für Referendarinnen und Referendare; diese beiden Faktoren bestimmen teilweise unser Schülerklientel ('Akademikerkinder') sowie unser unterrichtliches Arbeiten (u.a. Ausbildungsunterricht);
- Das Hainberg-Gymnasium gilt mit knapp 1000 Schülerinnen und Schüler und rund 100 Kolleginnen und Kollegen als große Schule,
- 'Normalität' spiegelt sich bei uns darin, dass wir den bildungspolitisch-ministeriell verordneten Mangel an jungen, innovativ wirkenden Kolleginnen und Kollegen zu verwalten gezwungen sind; seit 1990 wurde keine neue Lehrkraft eingestellt, der Altersdurchschnitt im Kollegium beträgt 50 Jahre.
- Dieser Mangel 'trifft' das Fach Religion dergestalt:
- obwohl 'statistisch' mit über 100 % versorgt, können wir in den Klassen 9 und 10 Religionsunterricht nicht voll erteilen. Die hohe Zahl an OS-Abordnungen, der Vertretungsunterricht für einige dauerhaft erkrankte Kollegen - das sind nur zwei Gründe, die hier den Mangel verursachen; auch
- eine Kollegin/ein Kollege für das Fach 'katholische Religion' fehlte trotz fortgesetzter Bemühungen seit Jahren. Seit Beginn dieses Schuljahres hat sich dieses Bemühen wenigstens dergestalt ausgezahlt, das eine katholische Kollegin von einer anderen Göttinger Schule mit einigen Stunden zu uns abgeordnet ist;
- die wöchentliche Verfügungsstunde in den Klassen 7 bis 11 z.B. muss durch Stundenkürzung in einem anderen Fach 'erkauft' werden - das war in der Vergangenheit oft das Fach Religion;
- Leistungskurse Religion für ein vielfach kleines Grüppchen interessierter SchülerInnen kommen - im Gegensatz zu früher - in den Zeiten angehobener Kursfrequenzen bzw. mangels Lehrkräften bedauerlicherweise nicht zustande.
Ich denke, Sie sind mit dieser oder einer ähnlichen Normalität auch an Ihren Schulen vertraut. Die Bitte des RPI, von unseren Göttinger Ideen gegen eine lähmende Normalität zu berichten, verstehe ich daher in erster Linie als Versuch der Ermutigung, für eine 'bessere Normalität' des Faches Religion an unseren Schulen zu arbeiten. Es wäre zwar vieles leichter, könnten wir jede unserer Handlungen und Entscheidungen als Religionslehrerinnen und -lehrer quasi an dem sicheren Geländer rechtlicher Verordnungen und Erlasse entlang legitimieren. Aber so einfach ist das leider nicht.
Meine Überlegungen gehen daher eher in die Richtung, zwar auf Grundlage der Gesetze, jedoch vornehmlich mit Selbstbewusstsein, Ausdauer und vielleicht sogar Widerspruchsgeist gegen Gefährdungen des RU zu arbeiten. Ich hoffe, dass Sie dabei einige Anregungen für Ihre eigene Schulpraxis finden.
1. Stundenkürzung im Fach Religion?!
Wie bereits angedeutet: hoher Krankenstand, viele OS-Abordnungen einerseits, aber auch besondere Stundentafeln (Wahlpflichtbereich), Förderkonzepte oder Verfügungsstundenmodelle - solche schulischen Gegebenheiten können für das Fach Religion Stundenausfall und -kürzung bedeuten. Möglicherweise befördert zudem ein geringes Ansehen bei Schulleitung und Kollegium sogar eine 'Randlage' des Faches; wenn Stundenkürzungen anstehen, scheint es 'auf der Hand zu liegen': "Religion ist nicht so wichtig wie Mathe oder Deutsch, also kürzen wir dort!"
Das trifft uns Religionslehrer besonders, wenn sich hinter solchen Entscheidungen nicht nur die - nachvollziehbare - Haltung "Mein Fach ist das wichtigste" verbirgt, sondern vielmehr auch unausgesprochener Ärger über das grundgesetzlich festgeschriebene Recht des RU in der Schule und eine noch grundsätzlichere Haltung, Religion habe eigentlich gar nichts im Kanon schulischer Bildung zu suchen. Zu leicht geraten dann Religionslehrerinnen und -lehrer im eigenen Kollegium in eine ungewollte Verteidigungshaltung.
Wie kann man eine solche, für die eigene Arbeitsmoral und Stimmung im Kollegium nicht sehr förderliche Haltung umgehen? Im Göttinger Hainberg-Gymnasium haben wir Religionskollegen zunächst eine Beschlussfassung in der Gesamtkonferenz erreicht, die Lasten der Stundenkürzung im Sinne der Gleichgewichtigkeit auf alle Fächer zu verteilen. Bisher ist hier zwar in erster Linie an die Nebenfächer gedacht; Hauptfächer sind aber immerhin nicht mehr 'automatisch' von dieser Regelung ausgeschlossen. In jedem Schul(halb)jahr trägt nun ein anderes Fach die Kürzung, wobei Schulleitung und betreffende Fachkonferenz für Ausgewogenheit sorgen müssen.
Durch diesen Beschluss haben wir Religionskollegen zumindest eine gewisse Erleichterung erfahren. Zudem trägt auch die Klarheit des Beschlusses zum 'sozialen Frieden' im gesamten Kollegium bei.
2. Leistungskurs Religion trotz Sparzwängen?
Oft wird ein Leistungskurs im Fach Religion schon in der Planungsphase verworfen. Man hat ganz einfach nicht die Lehrer dafür oder befürchtet zu geringe Anwahlen, denn kleinere Kurse werden ja nicht mehr genehmigt und daher wären komplizierte Umwahlen der Schüler erforderlich. Die Zahl der Anwahlen müsste also größer sein. Das heißt: Wie können wir Schülerinnen und Schülern mit Interesse am Fach Religion trotzdem ermöglichen, Religion als Leistungskurs zu wählen, der dann auch wirklich stattfindet?
Eine Lösungsmöglichkeit haben wir im Modell der sog. "Huckepack-Kurse" gefunden.
Zunächst zu ihrer Organisation: Zu Beginn der Planungsphase für ein neues Schuljahr wird durch Umfragen in den Religions-, Werte und Normen- und Philosophie-Lerngruppen der 11. Klasse die Interessenlage bezüglich eines Leistungskurses Religion ermittelt. Oft ruft auch der potentielle Kursanbieter interessierte Schülerinnen und Schüler zu einem kurzen informativen Vorgespräch zusammen.
Dann, wenn allem Anschein nach ein reiner Leistungskurs nicht zustande zu kommen scheint, werden im Kursverzeichnis unter einer Themenstellung zwei Kursarten gekoppelt angeboten. Wer von den Kolleginnen und Kollegen den Kurs anbietet, entscheidet die Fachkonferenz in Absprache mit der Schulleitung. Dabei achten wir - wie auch bei der übrigen Verteilung des Unterrichts in Religion in den Klassen und Kursen - nicht nur auf ausgewogene Arbeitsbelastung untereinander. Uns erscheint auch hier eine kooperative Zusammenarbeit mit der katholischen Kollegin im Sinne der inhaltlichen Bestimmungen des neuen Erlasses für den Religionsunterricht bedeutsam. Schülerinnen und Schüler können den Kurs als Prüfungskurs wählen und haben dann wie üblich 3 Stunden pro Woche Unterricht. Diejenigen, die den Kurs als Leistungskurs belegen möchten, werden zwei zusätzliche Stunden (1 Doppelstunde) unterrichtet. Sie sitzen also 3 Stunden mit den Prüfungskurs-Teilnehmern zusammen und sind 2 Stunden 'unter sich'. Legt man diesen Huckepack-Kurs auf eine normale Grundkurs-Leiste, bedeutet das für die Leistungsfach-Schüler an unserer Schule, dass ihr Zusatzunterricht an einem Nachmittag stattfindet, während die Stunden mit dem Prüfungskurs gemeinsam am Vormittag unterrichtet werden. Halten es Schulleitung und Fachkollegium für sinnvoll, den "Huckepack-Kurs" mit der 'Facharbeiten-Leiste' zu kombinieren, können alle Stunden vormittags stattfinden.
Solche Huckepack-Kurse erfordern natürlich ein besonderes methodisch-didaktisches Vorgehen. Ein möglicher Kurs zum Thema 'Symbole, Sprache der Religion' sei hier zur Verdeutlichung daher kurz skizziert:
"Huckepack-Kurs" "Symbole - Sprache der Religion" | |
Prüfungskurs | Leistungskurs |
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- im Prüfungskurs steht das entwickelnde Gespräch auf der Grundlage verschiedener, zu erarbeitender Materialien zum Thema im Vordergrund.
- im Leistungskurs werden im Sinne wissenschaftspropädeutischer Methodik Präsentation von Unterrichtsergebnissen, stärkere Reflexion über Inhalte und vertiefendes schriftliches Arbeiten mehr Gewicht haben.
- Ein "Huckepack-Kurs" auf der Facharbeiten-Leiste eröffnet den LK-Schülern die Möglichkeit, in der zusätzlichen Doppelstunde des Halbjahres 12/2. in die Methodiken der Facharbeit eingeführt zu werden.
Als effektiv hat sich bisher eine Gruppengröße von 13-14 PK und 5 LK-Schülern erwiesen; z. Zt. läuft an unserer Schule ein Kurs mit 13 PK- und 8 LK-Schülern.
Darüber hinaus ergibt sich in Göttingen die Möglichkeit, Religion als Leistungsfach auf der sog. 'Stadtleiste' auszuwählen. Hierzu wird jeweils an einem der sechs Göttinger Gymnasien bzw. an der IGS nach vorheriger Absprache und Ankündigung in den Kursverzeichnissen in einem Schuljahr ein Leistungskurs eingerichtet. Diesen besuchen nicht nur Schüler der eigenen Schule, sondern er kann auch von Schülern der anderen Gymnasien angewählt werden.
Unabdingbare Voraussetzung ist: Die Stunden müssen so gelegt werden, dass es nicht zu zeitlichen Überschneidungen mit den Stunden der anderen Schulen kommt, auch müssen die Schüler genügend Zeit für den Weg haben. Daher bieten sich Randstundenlagen (1./2./5. o. 6.) und - bei uns in Göttingen - der Freitagnachmittag für eine Doppelstunde an, da alle anderen Nachmittage in den Schulen durch anderen Unterricht blockiert sind.
Durchschnittlich 1-3 Schüler pro Jahr sind in einem Kurs 'schulextern'. Dabei soll noch einmal deutlich gesagt werden: Diese Stadtleisten-Kurse stellen eine Ausgleichsmöglichkeit dar, wenn keine schulinternen Kurse zustande kommen. Priorität haben bei Schülern und Lehrern die schulinternen Kurse.
3. Fachobleutekonferenz
Um dieses Stadtleisten-Modell zustande kommen und funktionieren zu lassen, bedurfte und bedarf es der begleitenden Kommunikation unter den Religionskollegien der verschiedenen Gymnasien.
Dazu treffen sich einmal jährlich, wenn die Planungen für das kommende Schuljahr anstehen, die Religions-Fachobleute aller Göttinger Gymnasien zu einer gemeinsamen Konferenz. Hier wird die Frage geklärt, welche Schulen schulintern einen Leistungskurs anbieten möchten und welches Gymnasium den "Stadtleistenkurs" durchführen wird. Die Kollegen haben vorher die diesbezügliche Interessenlage in ihrer Schule ermittelt.
Das Treffen dient aber auch der Erörterung der Situation des Faches Religion an den jeweiligen Schulen. Z. B. besprechen wir Fragen der Unterrichtsversorgung oder Wahlverhalten der Schüler in Bezug auf Religions- und Werte/Normen-Kurse in den Klassen 7 - 11 und in der Kursstufe. Nicht nur im Hinblick auf die "Stadtleisten-Kurse" bilden bspw. curriculare Absprachen immer wieder einen wichtigen Schwerpunkt in unseren Gesprächen. Als besonders förderlich hat es sich in den letzten Jahren zudem erwiesen, den Kontakt zu kirchlichen und behördlichen Vertretern zu pflegen. So wurde mit dem für uns zuständigen Fachberater Religion bei der Bezirksregierung über das Fach bzw. den Unterricht betreffende Fragen gesprochen oder im Gespräch mit einer Synodenvertreterin bzw. dem Superintendenten des Kirchenkreises Göttingen über die Lage des Religionsunterricht an unseren Schulen informiert. Oft war dieser 'Informationsfluss' zwischen Schule und Kirchen in den letzten Jahren gar nicht vorhanden. Diese Fachobleute-Konferenz fördert also nicht nur Kommunikation und kollegiales Selbstverständnis; sie dient auch der Darstellung unseres Faches und der damit verbundenen Interessen nach außen.
4. Regionale Lehrerfortbildungen
Im Sinne dieser kollegialen-kommunikativen Kooperation sind auch die regionalen Lehrerfortbildungen zu sehen, die wir seit 17 Jahren jeweils einmal im Frühjahr und im Herbst in Göttingen durchführen. Der 'Arbeitskreis für regionale Lehrerfortbildung' lädt Kolleginnen und Kollegen aus Göttingen und Umgebung zu der eintägigen Fortbildung ein. Ca. 40 - 50 Teilnehmer/innen versammeln sich dann in den Räumen einer Göttinger Kirchengemeinde zu gemeinsamer Weiterbildung an einem Thema.
Zur Tradition gehört es dabei inzwischen, vormittags in Gruppen zu arbeiten, neue Materialien und Methoden zum Thema kennen zu lernen und über Inhalte zu diskutieren. Diese Gruppenarbeitsphase wird nach dem Prinzip 'aus der Praxis für die Praxis' von einzelnen Kolleginnen oder Kollegen aus den Gymnasien vorbereitet und geleitet. Am Nachmittag unterstützt und erweitert ein Grundsatzreferat eines eingeladenen Referenten oder einer Referentin die Arbeit des Vormittags. Wir profitieren an diesem Punkt von der Nähe zur Universität, 'hängen aber sonst nicht an ihrem Tropf'.
Ich nenne beispielhaft die Themen der letzten drei Tagungen:
- "Religion in der Stadt - Religion in der Alltagskultur" (Referent: Prof. W. Gräb) Bei dieser Tagung ging es vor allem um die Frage religiöser oder pseudoreligiöser Angebote für Jugendliche in unserer Alltagskultur (z.B. in der Werbung/im Sport/in den modernen "Verkaufstempeln" der Konsumwelt).
- "Die dunklen Seiten Gottes" (Referent: Prof. N. Mette) Hier dachten wir über die Theodizee-Frage angesichts einer von Krisen geprägten modernen Welt nach.
- "Melanchton im Religionsunterricht" (Referent: Prof. Chr. Bizer) Sollte uns im "Melanchthon"-Jahr mit der zwar weniger bekannten, aber nicht minder bedeutsamen Persönlichkeit des "Reformators im Schatten Luthers" vertrauter werden lassen.
Als besonders betonenswert erscheint mir im Hinblick auf die Tagungen, dass anlässlich solcher Fortbildungen sehr viel Wissen von Kolleginnen und Kollegen weitergegeben und fachliche Kompetenz gezeigt wird, wo wir uns doch sonst eher genötigt sehen, inhaltlich-fachliche Probleme als "Einzelkämpfer" zu lösen.
Darüber hinaus fördert diese Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft das 'pädagogische Selbstbewusstsein' der Religionslehrerinnen und -lehrer. Denn oft stellen wir doch im Gespräch fest: jede/jeder von uns hat im schulischen Alltag - auf unterschiedlichen Gebieten - sinnvolle Ideen; für Probleme können durch das Gespräch andere Lösungen gefunden werden, als wenn ich sie allein meistern muss. Diese Förderung "pädagogischen Selbstwertgefühls" halte ich deshalb für unverzichtbar, weil wir zwar einerseits - wie in allen Fächern - in Religion immer einen gewissen Fundus traditioneller Themen 'abzuarbeiten' haben. Andererseits kann die Attraktivität des Faches aus Schülersicht m. E. nur dann steigen, wenn der RU zeitnah ist, respektive die Welt der Jugendlichen berührende Themen erörtert. Dieses ist es, was unsere ständige Kreativität und Bereitschaft zur Weiterbildung und Kooperation erfordert. Nicht zuletzt wird durch diese Art von Fortbildung in Göttingen auch eine sinnvolle Verknüpfung der 1., 2. und 3. Phase der Ausbildung erreicht.
5. Das Profil des Faches Religion in der Schule stärken Fachraum und Fachbibliothek Religion
Ansehen und Stellung des Faches Religion an unseren Schulen sind heute teilweise noch geprägt von Vorstellungen aus den 60er und 70er Jahren, in denen Religion, vor allem in den Oberstufen, den Charakter einer Arbeitsgemeinschaft trug.
Heute - nicht zuletzt durch die Oberstufenreform in den 70er Jahren - besitzen wir den 'vollen' Status eines Faches im Bereich der B-Fächer. Aber unsere Raum- und Finanzausstattung entspricht oft nicht der der anderen B-Fächer. Das liegt u. a. auch daran, dass viele Schulen gerade in den o. g. Jahren geplant und gebaut wurden. So auch am Hainberg-Gymnasium:
Das Fach Religion (und mit ihm seine 'Verwandten' Philosophie, Werte und Normen, Pädagogik) besaß bis vor kurzem als einziges der Nebenfächer keinen eigenen Fachraum. Folglich fand unser Unterricht in den Klassenräumen statt oder wir 'wanderten' durch die Schule.
Sehr lange (fast 3 Jahre) haben wir für einen eigenen Raum in unserer eigentlich an permanentem Platzmangel leidenden Schule gekämpft. Das ging nicht ohne Auseinandersetzungen mit der Schulleitung ab und sogar solche (B)-Fachkollegien, die über drei Fachräume verfügen, deren Schülerzahlen in den Kursen der Oberstufe jedoch in den letzten Jahren deutlich abnahmen, waren nicht bereit, uns einen ihrer Räume zu überlassen. Die im Kollegium eingefahrene Ordnung wurde durch unser Ansinnen und unsere Beharrlichkeit tatsächlich nachhaltig erschüttert - und unser Fachraum Religion existiert nun seit Beginn dieses Schuljahres.
Natürlich stellt sich die Frage: Wozu brauchen wir als Religionspädagogen einen eigenen Raum in der Schule? Neben den genannten Gründen der formalen Gleichwertigkeit aller B-Fächer und der gestiegenen Schülerzahlen im Fach Religion nach der Oberstufenreform sind aus meiner Sicht drei weitere zu nennen:
- Wie schon oben erwähnt, arbeiten wir Religionslehrerinnen und -lehrer aus Gründen der Attraktivität mit einem hohen Einsatz von Medien in unserem Unterricht. Es sind vornehmlich die Religionskollegen, die aufgrund dieses erhöhten Medieneinsatzes Overhead- und Diaprojektoren, Karten, Bibeln etc. durch die Schule schleppen. Unsere Schule ist auch nicht so gut ausgestattet, dass sich die notwendigen Geräte in jedem Raum befänden.
- Ein ganz anderer Aspekt liegt in der besonderen Methodik des modernen RU begründet: Wir möchten andere Unterrichtsformen (z. B. Meditation) erproben, ergebnis- und produktionsorientiert arbeiten (Collagen anfertigen, malen). Und dazu braucht man sowohl Platz an Tischen und Wänden (wo auch einmal etwas stehen oder hängen bleiben kann!) als auch Möglichkeiten, den Raum schnell umzugestalten, u. U. eben Tische und Stühle beiseite zu schieben und sich auf einem dafür geeigneten Fußbodenbelag zur Entspannungs-/Meditations-Übung zu versammeln.
- Interdisziplinäres und kollegiales Miteinander-Arbeiten sehen wir u. a. darin, dass wir den Raum teilen mit den Kollegen der Fächer Werte und Normen, Philosophie und Pädagogik. Zwar arbeiten die Fachkonferenzen getrennt, stetiger Austausch findet jedoch statt; und in unserer gemeinsamen Fachbibliothek (oder Sammlung) wird doch sichtbar, dass wir uns in der Schule als 'Verwandte' betrachten.
Anhand der Abbildungen lässt sich zeigen, was wir unter den gegebenen Umständen in Bezug auf Einrichtung und Ausstattung für wichtig erachtet haben:
- helle, schnell bewegbare, verschieden kombinierbare Holzmöbel, die eine gute Sitzhaltung ermöglichen
- ein strapazierfähiger Teppichboden, auf dem man auch sitzen/liegen kann
- verschließbare Geräteschränke für Film- und Diaprojektor
- eine verschließbare Videoeinheit
- ein im Raum beweglicher Overheadprojektor
- wichtig ist auch eine gute Verdunklungsmöglichkeit
- Computer u. ISDN/Internet-Anschlüsse sollten gelegt werden
- in der Helligkeit flexible Einzellampen werden, wenn wieder Geld da ist, die Neonlichtbänder ersetzen und dann auch Energie sparen helfen.
- Pflanzen, (Schüler-)Bilder, vielleicht eine Kerze verhelfen dem Raum zu einer eigenen Atmosphäre.
Durch eine Verbindungstür erreicht man die Fachbibliothek. So ist leicht zugänglich, was man an Materialien im Unterricht braucht. Man kann z. B. auch schnell dort einen Schüler etwas nachschlagen und einzelne Schüler arbeiten lassen. Für die Lehrer finden sich in der Sammlung nicht nur Unterrichtsmaterialien (Dias, Folien...), sondern auch neuere Werke aus den Schulbuchverlagen, religionspädagogische Grundsatzliteratur usw.
Um solche Dinge anschaffen zu können, haben die Fächer Religion/Werte und Normen/Philosophie einen Etat von ca. 1000,- DM pro Jahr zur Verfügung. Das ist nicht viel, aber immerhin mehr als in den Zeiten, in denen man unser Fach vermutlich mit 'Anspruchslosigkeit' gleich setzte, also gar kein Geld für unsere Belange vorhanden war. Jetzt sorgt eine jährliche 'Etatkonferenz' für eine ausgewogene Verteilung der zur Verfügung stehenden Gelder für alle Fachkonferenzen. Wir erhoffen uns durch die Einrichtung dieses Raumes nicht nur ein erleichtertes, angenehmeres Arbeiten in der Schule. Wir möchten auch für das Fach Religion und damit uns Kollegen durch unser selbstbewusstes Auftreten auf allen Ebenen gleiches Ansehen und gleiche Behandlung in der Schule erreichen.