Schülerinnen und Schüler im Internet - Vortrag am 27.9.96 im RPI Loccum

von Dr. Johannes Neukirch 

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

grenzenlose Euphorie auf der einen Seite, äußerste Skepsis auf der anderen Seite. Zwischen diesen beiden Polen bewegen sich die Gemütszustände derer, die sich mit dem Thema "Computernetze" auseinandersetzen beziehungsweise auseinandersetzen müssen. Die neuen Schlagworte wie "Datenautobahn", "Informationsgesellschaft", "Cyberspace" oder "Multimedia" sind für die einen die Hinweisschilder in die  Zukunft, für die anderen bedeuten sie den Niedergang der Sprach- und Buchkultur. Beide Lager, das euphorische und das skeptische, finden genug Argumente und Fürsprecher für ihre jeweilige Position, und es wird in den nächsten Jahren noch zahlreiche kulturkritische Debatten um den Sinn und Unsinn des neuen Mediums "Computernetze" geben. Das Medium ist noch viel zu jung, als dass man die Argumente wirklich ausloten könnte. Deshalb geistern vor allem zahlreiche Vor-Urteile in den Köpfen umher. Auf der einen Seite die Vision des "globalen Dorfes", in dem alle Nationen und Völker friedlich und demokratisch miteinander kommunizieren, auf der anderen Seite die Vision von völlig vereinsamten und isolierten Individuen, die nur noch vor ihrem Bildschirm sitzen und deren Wahrnehmung von Wirklichkeit auf die Bedienung einer Benutzeroberfläche zusammengeschrumpft ist.

Wer sich die Werbebroschüren der Rüttgers- und Telekom-Initiative "Schulen ans Netz" ansieht, riskiert einen tiefen Blick in die schöne neue Welt der Informa1tionsgesellschaft und schüttelt dann wahrscheinlich den Kopf. Es ist einfach zu schön, um wahr zu sein und hat mit den schulischen Realitäten wenig zu tun. "Wir stellen uns vor", er es da, ich zitiere: "- jedes Schulzimmer verfügt über Computer und Netzzugang, - CD-Rom und Datennetz ermöglichen die Arbeit mit aktuellen Daten, - die Kernfusion findet als Computersimulation statt, - Lehrer müssen nicht mehr alles selbst referieren, - statt Klassenunterricht gibt's Arbeitsgruppen, die Unterrichtsthemen selbst erarbeiten, - Neu-Delhi, Moskau, Los Angeles und Sidney liegen gleich nebenan, Schüler und Schülerinnen aller Nationen diskutieren miteinander - und: Schule wird individueller. Denn Arbeitsgruppen können sich auch nachmittags und von zuhause aus austauschen. Träume? Phantasien? Oder Phantastereien??? Wir wissen es nicht. Aber es wird Zeit, darüber nachzudenken, wie es sein könnte. Und was wir wollen." Zitat Ende.

Nun ja, das ist natürlich richtig. Aber im Schulalltag verpuffen manche schönen Visionen, wenn sie auf die harte Wirklichkeit treffen.

Egal nun ob Sie gegenüber den Computernetzen euphorisch oder skeptisch gesinnt sind, würde ich mich gerne mit Ihnen heute Abend darauf einigen, dass man das Medium "Computernetze" - wie jedes andere Medium auch - sinnvoll nutzen kann. Unter "sinnvoll nutzen" verstehe ich "kreativ nutzen". Ich behaupte also, kurz gesagt, dass Computernetze einen sehr großen und weiten Raum für kreative Entfaltungen bereitstellen.

Auf mein Thema "Schülerinnen und Schüler im Internet" bezogen heißt das: Ich konzentriere mich heute Abend auf diejenigen Orte in den Tiefen der Computernetze, an denen Schüler und auch Lehrer das Internet als Medium ihrer eigenen Kreativität verwenden. Das sind Orte, an denen sie etwas schreiben, Kontakte zu anderen Schülern aufbauen, Informationen weitergeben, sich miteinander oder mit Fachleuten unterhalten, eine Schülerzeitung publizieren, nach Informationen zu einem bestimmten Thema suchen und zusammentragen etc. Das alles sind Betätigungen, die dem Charakter des Netzes und seiner ursprünglichen Bestimmung voll und ganz entsprechen.

Falls es solche kreativen Orte geben sollte, und ich meine: es gibt sie zuhauf, dann macht es guten Sinn, mit Schülerinnen und Schülern die neuen Medienwelten zu erkunden und den Umgang mit diesen einzuüben. Und nicht nur das: Es wäre dann zugleich eine äußerst wichtige medienpädagogische Aufgabe.

Wenn Sie jetzt einwenden, dass es im Internet vielleicht auch Orte geben könnte, die für Schüler nicht zugänglich sein sollten, dann ist dies richtig. Aber warum sollte es im Netz anders sein als im wirklichen Leben auch. Da wie dort geht es immer darum, zusammen mit Schülerinnen und Schülern die sinnvollen Wege einzuüben.

Dies ist auch deshalb besonders wichtig, weil die technische Entwicklung im Blick auf das Internet rasant ist. Selbst aktuelle und ansprechende Präsentationen sind im Vergleich zu dem, was voraussichtlich in den nächsten Jahren der technische Standard sein wird wie Schwarz-Weiß-Fernsehen im Vergleich zum Farbfernsehen.

 

1. Internet

Es ist für mich heute Abend etwas schwierig, Ihre Vorkenntnisse einzuschätzen. Diejenigen, die schon viele Stunden im Internet verbracht haben, mögen mir deshalb nachsehen, dass ich eine allgemeine Einführung zum Internet an den Anfang stelle. Danach werde ich Ihnen drei Bereiche vorstellen, in denen Schüler und auch Lehrer das Netz kreativ nutzen können, und zwar die Materialsuche, die Kommunikation und die Publikation. Schließlich werde ich Ihnen einige Beispiele vorführen.

Diejenigen, die noch nicht im Netz waren, wundern sich vielleicht schon über die Wortwahl. Man geht in das Netz hinein, hält sich dort auf und verlässt es wieder. Die Metapher des Raumes ist nach wie vor die zutreffendste. Es gibt in Berlin eine soziologische Forschergruppe, die sich dem "Kulturraum Internet" widmet. Ich halte das für einen guten Titel, um sich dem Phänomen "Computernetze" zu nähern. Ein Kulturraum unterliegt spezifischen Regeln und Gesetzen, die von den Kulturschaffenden - ob das nun ein Grundschüler oder ein Lehrer ist -  beachtet werden müssen. Das, was diese schaffen, ist das Ergebnis der äußeren Bedingungen und Möglichkeiten, die das jeweilige Medium bereitstellt.

Wodurch wird nun der Raum "Internet" gebildet?

Weltweit gesehen sind es inzwischen annähernd 10 Millionen ständig miteinander verbundener Rechner, die das so genannte Internet bilden. Dieses ist kein homogenes Netz, sondern der Verbund aus vielen verschiedenen Unternetzen, die durch ein gemeinsames Übertragungsprotokoll für den Datenaustausch verknüpft sind. Die Rechner gehören Universitäten, Behörden, Instituten, Vereinen, Firmen, Verlagen, Organisationen aller Art oder auch Privatleuten. In bunter Reihenfolge stehen da alle diejenigen nebeneinander, die etwas mitzuteilen und Informationen haben oder sich in irgendeiner Form meinen präsentieren zu müssen. Ob das nun der ADAC, die BILD-Zeitung, der SPIEGEL die NASA, der Bundestag, die Grünen, Coca-Cola, der Louvre, die Kirchen, Sekten aller Art, eine Bank, die Nahverkehrsbetriebe von Hannover, eine Schule, ein Museum, eine Bibliothek oder sonst jemand ist.

Das Internet wird von niemandem betrieben und gehört niemandem, sondern existiert einfach. Es gibt lediglich eine Gesellschaft, die über die Vergabe der Netz-Adressen und über die Einhaltung des technischen Standards wacht. Der Grundgedanke der Netzpioniere ist die Demokratisierung der Information, also der freie Zugang von jedermann zu möglichst allen Informationen. Deshalb ist das Internet sozusagen der letzte weltweite anarchische Raum; jeder kann mitmachen und einen eigenen Rechner als Knotenpunkt ins Netz stellen. Ob das auf Dauer so bleibt, ist allerdings fraglich.

Dieser riesige weltweite Raum, der durch die miteinander vernetzten Computer gebildet wird, beherbergt, wie Sie sich vorstellen können, eine ganze Menge an Informationen. Geboten werden Texte, Grafiken, Photographien, Töne, Videofilme und Computerprogramme aller Art. Was Sie da nun im einzelnen finden, könnte ich Ihnen nur in einer stundenlangen Aufzählung präsentieren. Vielleicht fragen Sie: Was könnte speziell für Lehrer interessant sein? Auch das ergäbe noch eine sehr lange Aufzählung. Es gibt inzwischen sogar auf Schulen und Lehrer spezialisierte Angebote, zum Beispiel den Deutschen Bildungsserver oder das Lehrerforum "Bildung und Lernen".

Ein kleines allgemeines Beispiel möchte ich Ihnen als Einstieg geben:

Angenommen, Sie wollen eine Unterrichtseinheit über den Bundestag halten. Dazu würden Sie den Rechner des Bundestages kontaktieren. Zuerst bekommen Sie die so genannte Homepage präsentiert. Eine Homepage ist eine meist mit Text und Bildern versehene Leitseite, von der aus man auf die verschiedenen Angebote eines Rechners verwiesen wird. Sie finden dann: die Bilder und Biographien aller Abgeordneten, eine Darstellung aller Gremien, Texte von Kommissionen, Pressemitteilungen, Tagesordnungen, Protokolle, die komplette Geschäftsordnung des Bundestages, eine Chronik desselben, Informationen über die Parteienfinanzierung, Texte und ein Gewinnspiel zum Umzug in die Hauptstadt usw. usf. Wenn Sie etwas Spezielles suchen, können Sie eine Datenbank aufrufen, in die Sie ein Stichwort eingeben und als Ergebnis den gewünschten Text erhalten. Selbstverständlich können Sie von dem Rechner des Bundestages aus zu dem Angebot der einzelnen Fraktionen abzweigen. Dort finden Sie zum Beispiel auf den Seiten der CDU-CSU-Fraktion die wichtigsten Redebeiträge der aktuellen Debatte über den Bundeshaushalt 1997 in kompletter Textform. Zum Schluss können Sie ein nett gemachtes Computerspiel auf ihren Rechner holen, das alle Schritte, die zur Verabschiedung eines Gesetzes notwendig sind, spielerisch aufbereitet.

Der eben geschilderte Zugriff auf den Rechner des Deutschen Bundestags geschieht über das so genannte World Wide Web, das mit den drei großen "W's" abgekürzt oder einfach das "Web" genannt wird und eine Abteilung des Internets ist.  Das WWW ist eine grafische Bedienoberfläche, mit der die riesigen Ressourcen des Netzes bequem erreicht und abgerufen werden können. Sein Hauptmerkmal ist das "Hypertextsystem". In einem Hypertext sind Sprungmarken eingebaut, die auf weitere Stellen innerhalb oder außerhalb des gerade vorliegenden Textes verweisen. Ein solcher Verweis heißt im Internet "link", also "Verknüpfung". Die links im World Wide Web können nun, das ist das Besondere, mit der Maus angeklickt und damit sofort aktiviert werden. Sie führen dann entweder zu einer weiteren Seite des Rechners, mit dem ich gerade in Kontakt bin, oder zu irgendeinem anderen Rechner irgendwo auf der Welt, bei dem ich die gewünschte Information finde. Wenn ich also die Homepage unserer Landeskirche aufrufe, finde ich auch die links zu allen weiteren evangelischen und katholischen Kirchen, die im Netz vertreten sind. Ich muss also deren Adressen nicht umständlich suchen, sondern kann mit einem Klick von Hannover nach München und umgekehrt wechseln.

Erst das Web hat den Boom auf das Internet ausgelöst. Vorher war dieses eine Angelegenheit von Spezialisten, Hochschulen und Studenten. Inzwischen ist es fast schon ein Massenphänomen geworden. Weltweit gesehen schätzt man ungefähr 40 Millionen Nutzer. Wenn man die derzeitige Steigerungsrate zugrundelegt, verdoppelt sich diese Zahl jedes Jahr. Ebenso kommen auf der Seite der Anbieter  jeden Tag neue hinzu.
Wie betritt man nun diesen Raum?

Aus der Sicht des Normalnutzers gibt es nur ein Problem, das er lösen muss: Er braucht eine Zwischeninstanz, die ihm den Zugang zum Internet herstellt. Das können spezielle Firmen oder  Onlinedienste sein. Die Instanz, die einen privaten temporären Zugang zum Internet herstellt, wird "Provider" genannt. Um den Provider zu erreichen, benötigt man selbstverständlich einen handelsüblichen PC und zusätzlich ein Modem oder eine ISDN-Karte, um den Rechner an das Telefonnetz anzukoppeln. Ein aktuelles schnelles Modem kostet inzwischen nur noch etwa 170.-DM, eine ISDN-Karte noch weniger.

Nach wie vor ist es so, dass die Benutzung des Internets an sich kostenlos ist. Bezahlen muss man nur den privaten Zugang zum Netz, also den Provider. Außerdem die Telefonkosten bis zum nächsten Einwählknoten des Providers. Bei T-Online etwa ist das von jedem Punkt Deutschlands aus der billige Ortstarif, egal ob man mit einem Rechner in Hannover oder New York verbunden ist. Eine Stunde Internet-Surfen kostet dann inclusive der Telefoneinheiten tagsüber 11,40 DM und ab 21 Uhr 6,20 DM. Je nachdem, wo man wohnt, kann man es über andere Provider noch billiger haben. Wenn man einmal ein Angebot aus dem Netz geholt hat, wird dies auf den eigenen Rechner gespeichert und kann dann ohne weiteren Kosten ausgewertet werden.

Aufrechterhalten und finanziert wird das Netz von den Betreibern der Knotenpunkte, also von Firmen, Universitäten, Behörden, Interessengruppen usw. Eine neue Erscheinung im Web ist Werbung. Damit lassen sich inzwischen einige Betreiber ihren teuren Service und die Leitungen sponsern.

An dieser Stelle möchte ich gleich einen Hinweis zu den Kosten für ein eigenes Angebot geben:

Angenommen, Sie wollen zusammen mit ihren Schülern irgendetwas ins Netz stellen und es damit weltweit zugänglich machen, etwa eine Schülerzeitung oder eine Präsentation eines Schulprojektes. Bis vor einiger Zeit war dies ein recht teures Unterfangen. So weit ich das gesehen habe, nutzen viele Schulen universitäre Rechner oder haben Sponsoren gefunden. Inzwischen haben sich die Onlinedienste wie etwa T-Online, CompuServe oder American Online etwas einfallen lassen: Sie bieten ihren Mitgliedern die Möglichkeit, auf den Rechnern der Online-Dienste eine eigene Homepage beliebigen Inhalts zu publizieren. Der bereitgestellte Platz schwankt je nach Dienst zwischen einem und zehn Megabyte und ist in dem monatlichen Mitgliedsbeitrag, von 8 bis 20 DM, mit enthalten. Dies ist eine extrem preisgünstige Möglichkeit, eigene Angebote im Internet zu präsentieren. Sie können eine solche Publikation jederzeit verändern und ergänzen; sie bleibt so lange gespeichert, wie Sie das wünschen, Sie können also auch ein Archiv aufbauen.


2. Nutzung

Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Schulen, die mit einem eigenen Angebot im Internet vertreten sind und, wie bereits erwähnt,  eine Reihe von Angeboten für Lehrer, als da sind Unterrichtsmaterialen, Vorschläge für Projekte, Datenbanken mit Hinweisen auf Quellen aus dem Netz, die für den Unterricht genutzt werden können usw.

Mein Thema heißt jedoch ganz bewusst "Schülerinnen und Schüler im Internet". Denn das Internet ist ein interaktives Medium. Es kann nicht wie eine Filmvorführung eingesetzt werden, sondern  wird nur dann wirklich ausgenutzt, wenn die Schüler und die Lehrer selbst mit den Möglichkeiten des Netzes kreativ umgehen und eine Menge Engagement investieren.

Ich möchte im Blick auf die Nutzung des Netzes nun die drei schon erwähnten Bereiche unterscheiden, auch wenn sie sich in der Praxis dann überschneiden, und zwar Materialsuche, Kommunikation und Publikation.

 

Entdeckungsfahrten

Den ersten Bereich nenne ich "Entdeckungsfahrten". Dazu benötigt man ein beliebiges Thema und erarbeitet einige Stichworte dazu. Dann wird eine der zahlreichen Internet-Suchmaschinen aufgerufen. Dies sind sehr leistungsfähige Rechner, die einen Index aller Internet-Seiten angelegt haben und diesen täglich ausbauen. In ein vorgegebenes Feld wird ein Stichwort eingetragen und man bekommt ein mehr oder weniger umfangreiches Ergebnis in Form einer Seite mit entsprechenden Computer-Adressen, also mit Links. Von dieser Seite beginnt die Entdeckungsfahrt in die Tiefen des Cyberspace. Die Erfolge werden recht unterschiedlich sein, je nachdem welches Material dazu im Netz vorhanden ist. Wenn man Glück hat, trifft man auf eine Seite, auf der irgendjemand gute und bereits durchgesehene Adressen zusammengestellt hat.

Im Blick auf den Religionsunterricht gibt es z.B. von dem Religionspädagogen Ulrich Hacke eine Seite mit über 600 Computer-Adressen, die allesamt auf im weitesten Sinne christliche Inhalte verweisen. Da finden sich Adressen von Kirchen und Kirchengemeinden auf der ganzen Welt sowie von christlichen Organisationen, da gibt es die Bibel in verschiedenen Ausgaben, theologische Texte, Materialien für den Religionsunterricht, Seiten zum Kirchentag, Seiten von jungen Christen, die ihre Beziehung zu Jesus schildern usw.

Mit den Suchmaschinen können Schüler auf eine spannende und abwechslungsreiche Entdeckungsfahrt gehen, um Themengebiete zu recherchieren. Selbstredend müssen sie dabei begleitet werden und Methoden gezeigt bekommen, wie sie das Material auswerten können.

Ein wichtiges Element einer solchen Entdeckungsfahrt ist die Interaktivität. Auf praktisch allen Seiten im Netz sind Mailadressen eingeblendet. Wenn man auf ein interessantes Angebot stößt, kann man in jedem Fall auch die dazugehörigen Leute per E-Mail, also per elektronischem Brief anschreiben. In wenigen Sekunden erreicht ein solcher Brief den Adressaten, egal wo auf der Welt er sich befindet. So lassen sich sehr schnell und sehr einfach Kontakte aufbauen bzw. weitergehende Fragen an die zuständigen Leute stellen.

Das Ergebnis der Entdeckungsfahrt sollten die Schüler nicht für sich behalten. Andere Netzbewohner freuen sich, wenn jemand für sie recherchiert hat. Also sollten die Ergebnisse und die gefundenen Adressen zusammengestellt und wiederum im Netz publiziert werden! Da eine solche Publikation sogleich in die Suchmaschinen integriert wird, ist die Chance groß, dass die Schüler eine Rückmeldung auf ihre Bemühungen erhalten! Daraus können neue Kontakte und Kooperationen entstehen.


Gespräche über Gott und die Welt

Den zweiten Bereich nenne ich "Gespräche über Gott und die Welt". Gemeint ist die Kommunikation in öffentlich zugänglichen virtuellen Diskussions- und Gesprächsräumen. Damit sind wir bei einem der Herzstücke aller Computernetze, nicht nur des Internets. Gerade die privat betriebenen Mailboxnetze widmen sich großenteils  dieser Kommunikationsform. Bekannt und von Schülern seit vielen Jahren benutzt sind zum Beispiel das Fido-Netz, das Z-Netz oder das CL-Netz; Mailboxnetze können auch mit einfachen Computern und sehr kostengünstig erreicht werden. Innerhalb des Internets heißt der Bereich, in dem diese Diskussionen geführt werden, Usenet. Das Usenet kann separat, ohne das World Wide Web, sehr preisgünstig, z.B. über Mailboxen bezogen werden

Die virtuellen Räume - im Internet, genauer: im Usenet, heißen sie "newsgroups", im Fido-Netz "Echos", im Z-Netz "Bretter" - sind thematisch festgelegt. Es gibt newsgroups zu Kochrezepten, zu Krieg und Frieden, zu Al Bundy, zu Star Trek, zu Popstars, zu Sekten und zum christlichen Glauben. In diesen Räumen, allein im Internet sind es 20.000, halten sich an dem jeweiligen Thema interessierte Menschen aus aller Welt auf. Ihr Aufenthalt besteht darin, dass sie Nachrichten, Gesprächsfetzen und ganze Diskussionsbeiträge in den Raum stellen, so dass sie von allen anderen interessierten gelesen werden können. Man kann sich diese Foren also wie riesige schwarze Bretter vorstellen, auf die die einzelnen Nachrichten gepinnt werden. Jeder kann auf jede Nachricht reagieren wann er will, indem er eine e-mail an das jeweilige Brett schickt. So entstehen durch die gegenseitigen Antworten ausgedehnte Diskussionen über Gott und die Welt. In der kurzen Zeit, die wir hier miteinander verbringen, werden tausende von elektronischen Briefen verschickt, mittels derer Menschen aus aller Welt miteinander kommunizieren. Dabei gibt es rein deutschsprachige und internationale newsgroups, außerdem spezialisierte Unter-Netze wie das Deutsche Schulnetz, das Niedersächsische Schulnetz und das Offene Deutsche Schulnetz.

Die Kommunikation in newsgroups hat ihre eigenen Regeln, auf die ich hier aus Zeitgründen nicht ausführlich eingehen kann. Wichtig ist vor allen Dingen, dass diese Kommunikation weder an Raum noch Zeit gebunden ist und dass die Eingangsschwelle, sich zu äußern sehr niedrig ist. In den Diskussionen im wirklichen Leben spielen viele Faktoren eine Rolle: ob jemand stottert oder frei reden kann, welchen Rang er in der Klassengemeinschaft hat, wie stark sich jemand durchsetzen kann, wie er angezogen ist, aussieht usw. Diese Einflüsse werden in den virtuellen Räumen erst einmal ausgeblendet, denn alle Beiträge in einem Raum haben denselben Rang und sind gleichlaut.

Neben den newsgroups gibt es noch weitere Kommunikationsräume, zum Beispiel den Online-Chat. Dabei unterhalten sich die Netzbewohner von Tastatur zu Tastatur bzw. von Monitor zu Monitor.

Zum Aufenthalt in den virtuellen Gesprächsräumen ist noch anzumerken, dass er einen hohen Grad an Unverbindlichkeit hat! Ich kann mich aus der Welt der Netze mit einem Knopfdruck verabschieden, indem ich meinen Computer ganz einfach ausschalte. Durch den hohen Unverbindlichkeitsgrad entstehen zwar sehr schnell und einfach Kontakte, die jedoch genauso schnell wieder abgebrochen werden können. Wer sich in den Netzen engagiert, muss lernen, damit umzugehen. Auf der anderen Seite lädt diese Unverbindlichkeit dazu ein, sich eben ganz unverbindlich, ohne Zeitdruck und völlig unbeeinflusst in bisher unbekannten Räumen umzusehen.

 

Was bedeutet dies nun für Schüler?

Die beschriebene Kommunikationsform in newsgroups ermöglicht den Kontakt zu anderen Schülern mit gleichen Interessen und Hobbies. Man trifft sich ja automatisch in dem entsprechenden Themaraum und kommt durch die niedrige Kommunikationsschwelle schnell miteinander ins Gespräch.  Das Netz kann sogar eine Art Ventil für sonst nicht befriedigte Kommunikationsbedürfnisse sein. Gleichzeitig können die Schüler innerhalb einer newsgroup den Umgang mit den verschiedenen Meinungen zu einem Thema lernen, da sie auf eine große Meinungsvielfalt treffen. Die Angst, die Jugendlichen könnten die Kommunikation im wirklichen Leben dadurch vernachlässigen, ist meines Wissens übrigens unbegründet. So weit man aus Untersuchungen weiß, sind die meisten  kontaktfreudigen Menschen im Netz dies  auch im wirklichen Leben.

Ein weiterer Lerneffekt ist selbstverständlich durch die Beteiligung an fremdsprachigen newsgroups möglich. Ganz zu schweigen davon, dass man völlig problemlos Menschen aus allen Ecken der Erde ausfragen kann - wie sie leben, denken und fühlen. Gerade diese Möglichkeit ist von vielen Schulprojekten bereits genutzt worden, in denen sich weit voneinander entfernte Klassen miteinander in Verbindung gesetzt und per elektronischem Briefverkehr ausgetauscht bzw. zusammen ein Thema erarbeitet haben.
 


Publizieren im Netz
Der dritte Bereich des kreativen Umgangs mit Computernetzen ist der Bereich der Publikation. Hiermit spreche ich vor allen Dingen Schülerzeitungen an, von denen es eine ganze Reihe im Netz gibt. Ich habe eine Liste mit über sechzig Adressen vorliegen. Weiterhin sind Selbstdarstellungen von Schulen, einzelnen Klassen oder Arbeitsgemeinschaften sowie Präsentationen von Projekten anzutreffen.

Hier ist zu fragen, warum so etwas ausgerechnet im Internet gemacht wird. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Die Präsentation im Internet ist eine sehr kostengünstige farbige Publikationsform mit sozusagen unbegrenzter Auflage. Wer die Zeitung lesen will, bekommt die Computeradresse mitgeteilt. Wenn man Kontakt zu einer Schulklasse im Ausland hat oder sogar mit ihr zusammen ein Projekt durchgeführt hat, muss man die Zeitung bzw. die publizierten Ergebnisse eines Projekts nicht mühevoll und teuer verschicken. Die Beiträge können problemlos aktualisiert und erweitert werden und ein Archiv mit allen bisherigen Ausgaben steht zur Verfügung. Zu einzelnen Themen können in die Seiten Links eingebaut werden - zum Beispiel in einem Artikel über Astronomie ein Link zur NASA. Wichtig ist wiederum die Erreichbarkeit der Schüler, die diese Zeitung gemacht haben. Wenn sie jemand im Netz liest, kann er per E-Mail die Autoren erreichen und Fragen stellen, Kommentare abgeben oder Ergänzungen liefern.

Eine sehr interessante Möglichkeit ist auch die projekthafte Zusammenarbeit mit anderen Schulen. So sind bereits gemeinsame Werke von Schulen in verschiedenen Orten, auch im Ausland, entstanden, die ihre Kooperation über das Netz organisiert haben. Innerhalb von Deutschland ist beispielsweise das Projekt "Römerzeitung" durchgeführt worden. Schüler und Lehrer verschiedener Schularten und verschiedener Altersstufen haben in einem offenen Projekt fächerübergreifend zusammengearbeitet. Das Ergebnis, illustrierte Geschichten  aus der Römerzeit, ist dann im Internet publiziert worden und kann nach wie vor dort angeschaut werden.

Wenn Sie sich nun fragen, mit welchen Schulklassen und Schülern ist so etwas zu machen, kann ich Sie auf die Schülerzeitung "Das Füchslein" verweisen, die ich Ihnen gleich vorführen werde. Diese hervorragend gestaltete Zeitung entsteht, man glaubt es kaum, in einer Grundschule!


Rollenspiele
Es gibt noch einige weitere Möglichkeiten, sich in den Netzen zu bewegen, auf die ich nicht alle eingehen kann.

Ich möchte jedoch die virtuellen Rollenspiele nicht unerwähnt lassen. Sie wurden schon vor vielen Jahren von Studenten entwickelt. Anfangs waren es rein textbasierte Abenteuerspiele und oft recht gewalttätig. (MUD abgekürzt = Multi User Dungeon, "Viel-Nutzer-Kerker"). Inzwischen sind die Spiele inhaltlich und grafisch weiterentwickelt und differenziert worden, so dass verschiedene, auch friedliche und kindgerechte, virtuelle Spielwelten entstanden (WorldsAway in Compuserve). Jeder, der eine Spielwelt betritt, ist eine Figur in dieser, spricht mit den anderen Figuren des Spiels und tritt mit ihnen in ein Rollenspiel ein. Wer mit Schülern Rollenspiele ausprobieren will, sollte probehalber einmal in eine dieser Welten eintauchen.


3. Schluss

In allen drei Bereichen, bei der Materialsuche, der Kommunikation und der Publikation ist der Erfolg das Ergebnis des Engagements von Lehrern und Schülern. Das Netz lebt vom Geben und Nehmen. Es stellt ungeheure Ressourcen und Möglichkeiten bereit und ist gleichzeitig gierig nach guten neuen Seiten und aktiven Nutzern. Dies bedeutet für Schüler auf der einen Seite den Reiz, die Netzwelt zu erkunden und Kontakte mit anderen Netzbewohnern aufzunehmen; auf der anderen Seite ist der Reiz da, selbst einen Beitrag, eine Nachricht oder eine Homepage ins Netz zu stellen. Diese beiden Reize zusammen setzen Ideen in Bewegung und Kräfte frei, wie man an den zahlreichen fertigen, laufenden und geplanten Schulprojekten sehen kann.

Sie werden festgestellt haben, dass ich die übliche Rede von "Chancen und Gefahren" hier nicht verwendet habe. Wie gesagt entscheidet sich für mich die Frage, ob der Einstieg in das Internet sinnvoll ist oder nicht, daran, ob dieses Medium Spielraum für Kreativität bietet und ob man selbst bereit ist mitzuwirken. Das Netz ist und wird das sein, was wir daraus machen!
Ich werde Ihnen nun einige Beispiele vorführen.