Das Buch Esther

von Michael Wermke

 

 

Das Buch Esther ist eine ganz im Stil orientalischer Märchen reich ausgestaltete Legende und ist vermutlich um 300 v. d. Z. während der Makkabäer-Aufstände, abgefasst worden. Also in einer Zeit der nationalen und religiösen Bedrohung des jüdischen Volkes durch die hellenistisch ausgerichteten Seleukiden-Herrscher. Diese Geschichte ist ein Spiegel der bedrückenden Erfahrungen unverschuldeter Bedrohung und der Hoffnung auf glückliche Rettung des jüdischen Volkes in der Diaspora, der Galut. Und damit wird auch die Intention deutlich: Die Erzählung von der schönen und klugen Königin Esther soll den Bedrängten Mut machen und ihre Hoffnung stärken, dass auch von einer zunächst völlig unerwarteten Seite die Rettung Gottes kommen kann.

Die Geschichte selbst ist in der Zeit des babylonischen Exils angesiedelt, ohne dass dabei die genauen geschichtlichen und geographischen Zusammenhänge beachtet wurden (2,6). Handlungsort ist der Königspalast in der Hauptstadt des persisch-medischen Reiches, Susa.

Die Handlung der Geschichte ist schnell zu erzählen: Der sagenhaft mächtige und reiche König Xerxes verstößt seine ihm nicht gehorsame Gemahlin Washti und erwählt sich die schöne Pflegetochter des Juden Mordechai, Esther, zur Gemahlin, ohne freilich ihre jüdische Identität zu kennen. Mordechai, der eine Stelle am königlichen Palasttor, vermutlich als Richter, innehat, verhindert einen Mordanschlag an Xerxes, indem er ihn rechtzeitig durch Esther warnen kann.

Er zieht sich jedoch den Hass Hamans zu. Haman ist ein ehrgeiziger königlicher Beamter, den Mordechai aus religiösen Gründen nicht huldigen will. Haman beschließt daraufhin, am gesamen jüdischen Volk Rache zu nehmen. Er erschleicht sich von Xerxes die Vollmacht, ein Pogrom gegen die Juden auszurufen. Aber durch Mordechai veranlasst, wagt Esther eine mit Lebensgefahr verbundene Intervention beim König. Sie klärt Xerxes über ihre Identität als Jüdin auf und eröffnet ihm die frevelhaften Absichten Hamans. Der erzürnte König lässt Haman an einem 25 Meter hohen Galgen, den dieser bereits für Mordechai bauen ließ, erhängen und erlaubt den Juden - da er, der Unfehlbare, den in seinem Namen erlassenen Erlass nicht zurücknehmen kann - sich gegen die drohende Vernichtung zu wehren. Mordechai wird von Xerxes zum Nachfolger Hamans zum Leiter der königlichen Kanzlei ernannt. Zur Erinnerung an die Rettung der Juden setzen Mordechai und Esther das Purimfest ein, das die Juden am 13. bis zum 15. Adar (Februar - März) mit Essen, Trinken und Geschenken begehen sollen, also genau an dem Tag, den Haman per Los (pers. pur) zur Vernichtung der Juden bestimmt hat.

 

Washti und Esther

Die zentrale Gestalt bei der Rettung der Juden vor dem Pogrom scheint Mordechai zu sein, ein Mann, der sich durch seine herrschaftsloyale, aber dennoch gottesfürchtige Haltung auszeichnet. Seine Nicht und Adoptivtochter Esther, die unter seiner geistigen Führung steht, wirkt als ein schlichtes und anpassungswilliges Mädchen, das sich den Rollenerwartungen der Männer widerspruchslos beugt (2, 10). Der Vergleich zwischen ihr und der Washti scheint diesen Verdacht zu bestätigen. Es ist höchst erstaunlich, dass Washti dem Befehl ihres Mannes widerspricht, sich zum Höhepunkt des königlichen Gelages den betrunkenen Männern zu zeigen, zumal sie das, wie es in rabbinischen Schriften vermutet wird, allein mit dem königlichen Diadem bekleidet tun soll (1, 10-13).

Um ihre persönliche Würde und ihren Stolz zu wahren, riskiert Washti es also, den mächtigen König vor seinem Hofstaat bloßzustellen. Der arme König ist völlig irritiert, und er ruft seinen königlichen Beraterstab zusammen. Zwar mag die Tatsache, dass Washti diesen Widerspruh einzulegen wagt, und die überzogene Reaktion der königlichen Berater, die bereits das ganze patriarchalische Familienrecht wanken sehen (1, 16-22), auf ein bereits marodes Gesellschaftssystem hindeuten. Es macht dennoch den großen Mut und die innere Überlegenheit dieser Frau deutlich, den willkürlichen Anordnungen dieses egozentrischen Königs zu widerstehen und damit ihre Verstoßung vom Hof zu riskieren.

In der Tat benimmt sich Esther viel gefügiger. Auf Geheiß ihres Vormunds Mordechai verschweigt sie ihre jüdische Identität, um in die Auswahl der Nachfolgerin Washtis zu kommen (2, 10). Sie zieht in den königlichen Harem und unterwirft sich einer einjährigen Schönheitspflege, um den Ansprüchen Xerxes' zu genügen (2, 8-14). Schließlich ist sie auch bereit, mit dem König eine Nacht zu verbringen (2, 15f), ohne ihn wirklich zu lieben. So schafft sie es, seine Gunst und seine Liebe zu erringen, und er ernennt sie zur neuen Königin (2, 17f).

Demgegenüber ist jedoch hier bereits festzuhalten, dass die durch Washtis Weigerung herbeigeführte öffentliche Demütigung des Xerxes fatale, vorher nicht absehbare Folgen nicht nur für sie, sondern auch für alle anderen Frauen des Reiches bewirkt hat: Die autoritäre Haltung der Männer gegenüber ihren Frauen verschärft sich, damit Washtis Verhalten gegenüber ihrem Herrn und Gebieter nicht in anderen Ehen Schule macht (1, 20ff). Außerdem werden nun zahlreiche Mädchen und junge Frauen ihrer Freiheit beraubt und in den königlichen Harem gesteckt (2, 2f). Das auf Konfrontation setzende Verhalten Washtis hat also letztlich dazu geführt, dass sich das Los aller Frauen im Reich dramatisch verschlechtert hat, wenngleich sie nicht die frauenfeindlichen Beschlüsse des königlichen Rates zu verantworten hat.

 

Der Pogrom

Die Bedeutung und Schwere der Entscheidung Esthers gewinnt auf dem Hintergrund der durch Hamann inszenierten lebensgefährlichen Bedrohung der gesamten Judenheit an außerordentlicher Schärfe. Somit eröffnet das Buch Esther auch einen Einblick in die Grundstrukturen des Antijudaismus. In Mordechais Weigerung, dem königlichen Beamten die ihm geführende Ehre zu erweisen, legt er die Wurzeln des bis heute aktuellen Antijudaismus blank: "Das Existenzrecht der Juden ist in Frage gestellt worden, seitdem die Juden das Existenzrecht der beliebtesten Symbole der Menschheit in Frage gestellt haben." Zu den Symbolen gehören nicht nur Baalsskulpturen, sondern auch Menschen und Ideologien, die für sich in selbstverherrlichender Weise ein gottgleiches Führer- und Erlösertum beanspruchen.

Ausgelöst wird die für die Juden existentiell so bedrohliche Situation durch Haman. Haman, der Agagiter, erkennt zu Recht, dass Mordechais fehlende Bereitschaft, ihm zu huldigen, mit dessen Religion zu tun hat (vgl. 1. Sam 15; Dtn. 25, 17-19), so dass seine Rede, die er vor Xerxes hält (3, 8-9), ihn nicht nur als einen persönlichen Feind Mordechais kennzeichnet, sondern auch in einer gewissermaßen prototypischen Weise die bis in die Gegenwart berüchtigten Merkmale antisemitischer Argumentation aufweist:

  1. Die Juden sondern sich ab, ihre Gesetze unterscheiden sich von denen aller anderen Völker,
  2. auch die Gesetze des Königs halten sie nicht ein,
  3. ihre Vernichtung bringt der Schatzkammer hohen Gewinn.

Der machtverliebte, genusssüchtige, aber letztlich doch charakterlich schwache König kann sich der Intrige des rücksichtslosen Karrieristen Haman nicht entziehen und will ihm sogar die Beute überlassen, wenn er die vermeintliche Bedrohung der inneren Sicherheit beseitigt (3,10). Als ihm der König auch noch seinen Siegelring und somit sämtliche Vollmachten überlässt, befindet sich Haman auf dem Höhepunkt seiner Macht. Der Königsrat, den der entscheidungsschwache Xerxes zuletzt in der Angelegenheit um Washti einberufen ließ, ist offensichtlich entmachtet worden. (3, 1) Mordechai selbst bleibt zunächst vergessen und unbelohnt (vgl. die Parallele zur Josephsgeschichte).

Der Erlass, den Haman zur Vernichtung der Juden im Namen des Königs veröffentlichen lässt (3, 13 a-g), ist ein Musterbeispiel antisemitischer Volksverhetzung. Hamans eigentliches Motiv für das Pogrom gegen die Juden wird noch deutlicher, wenn der Erlass zunächst ohne Kenntnis der Autorenschaft bzw. des vorangegangenen Gesprächs zwischen Haman und Xerxes hinsichtlich der Rechtfertigungsgründe für den Pogram und der (Eigen-)Titulierungen Hamans gelesen wird.

Der Pogrom dient Haman letztlich nur als Vorwand, seinen Machteinfluss auf Xerxes zu stärken und gegenüber dem Volk als Retter vor der jüdischen Gefahr dazustehen. Welche Konsequenzen ein Erfolg Hamans, der sich im Erlaß bereits als 'zweiter Vater' bezeichnen lässt, für den König künftig gehabt hätte, ist zu ahnen: Während der Erlaß in Susa für große Aufregung sorgt, sitzt der ahnungslose König mit Haman zusammen und trinkt. (3, 15)

Der Erlaß wird am 13. Nissan, also am Vorabend des Pessach-Festes (Ge. 12, 1ff), herausgegeben (3, 12). Dieser verdeckte Hinweis auf das Exodusgeschehen deutet bereits hier schon auf die für die Juden glückliche Wendung des dramatischen Geschehens hin.

 

Esthers Entscheidung

Entscheidend für die Beurteilung der Esther ist der Dialog mit Mordechai in Kapitel 4,9ff. Mordechai hat zuvor Esther aufgefordert, bei Xerxes vorzusprechen, um den von Haman verhängten Pogrom zu verhindern. Zunächst hat sich Esther strikt geweigert, gegen die strenge Haremsordnung zu verstoßen, die es ihr eigentlich bei Todesstrafe verbietet, sich ihrem Mann ohne seinen ausdrücklichen Wunsch mit einem Anliegen zu nähern (4,11). Noch ist ihr das eigene Leben wichtiger als das Schicksal ihres Volkes.

In seiner Erwiderung legt Mordechai ihr zwei gewichtige Argumente vor:

  1. Esther möge nicht glauben, dass sie allein von allen Juden Rettung vor der Vernichtung finden werde (4, 13).
  2. Sie solle sich fragen, ob sie nicht gerade aus dem Grunde Königin geworden sei, um in dieser Notsituation ihrem Volk helfen zu können (4,14).

Das erste Argument leitet sich aus der leidvollen geschichtlichen Erfahrung Israels in der Diaspora ab. Es warnt Esther davor, darauf zu hoffen, dass das Verdeckthalten bis hin zur Verleugnung der eigenen Identität, die Assimilation, ausreichenden Schutz vor antisemitischen Ausschreitungen bieten kann. Ein im Blick auf unser Jahrhundert hochaktueller Satz.

Das zweite, theologisch formulierte Argument enthält den Skopus des gesamten Buches. Mordechai gibt Esther seine Überzeugung zu verstehen, dass hinter dem Geschehen das verborgene Handeln Gottes liegt. Gott steht zu seinem Volk und plant entgegen allem Unrecht schon den Heilsweg. So ist auch Esthers Aufstieg zur Königin ein von Gott gelenkter, wichtiger Schritt zur Rettung des jüdischen Volkes vor seinen Feinden. Nun bedarf es aber ihrer alleinigen Entscheidung, wobei es für Mordechai außer Zweifel steht, dass gegebenenfalls auch Rettung von einem anderen Ort her entstehen könne. Die Frage ist nur, wie das Rettungshandeln Gottes in der Geschichte Raum greifen kann.

Von herausregender Bedeutung ist, dass Esther in dieser Lage nicht als ein willfähriges und unmündiges Instrument zu handeln hat, sondern vor eine echte Entscheidung gestellt wird. Im Gegensatz zu den bisherigen Situationen, in denen ihr verschiedene Wünsche und Erwartungen aufgetragen, wenn nicht gar aufgedrängt wurden, muss sich jetzt Esther entschließen. Mordechai übt keinen Zwang aus, sondern appelliert an ihren Verstand und ihre Einsicht. Esther könnte ihn - vielleicht trotz besseren Wissens - der Lüge bezichtigen und darauf setzen, dass Mordechai sich täuscht und ihr als Königin nichts geschieht. Wer sagt denn, dass Mordechai recht behält? Wenn der König sie so sehr liebt, warum soll er sie dann nicht verschonen?

Also aus der Freiheit heraus, sich auch anders entscheiden zu können, beschließt Esther, ihre eigenen Ansprüche zurückzustellen und unter Lebensgefahr ihrem eigenen Volke zu helfen. Sie setzt sich damit bewußt in doppelter Weise dem Tod aus: Zum einen verstößt sie gegen eine Anordnung des Königs und gibt sich zudem als Angehörige des jüdischen Volks zu erkennen, das kurz zuvor per königlichem Dekret zur Vernichtung bestimmt worden ist. Die Entscheidung, die Esther treffen muss, ist außerordentlich schwer. Sie hat keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie sich ihren Aufstieg zur Königin nicht als ihren eigenen Verdienst anrechnen darf, sondern dahinter das verborgene Walten Gottes zu erblicken hat. Dadurch, dass Gott im Verborgenen bleibt, wird die menschliche Verantwortung, die sie zu übernehmen hat, umso deutlicher.

Esther erkennt die über die eigene Person hinausreichende Verantwortung für ihr Volk und nimmt diese im Vertrauen auf Gott war, auch wenn sie dabei ihr Leben wagen muss (4, 11; 5,2; vgl. 8,3f). Gottes Hilfe kann nur durch die kommen, die sich unter Gottes Willen stellen. Mordechai überzeugt Esther durch seine geschichtlich und theologisch begründete Argumentation, und Esther beginnt, ohne jede weitere Bedingung einen gefährlichen wie klugen Plan zu entwickeln, um Xerxes über die Machenschaften Hamans aufzuklären und so den Pogrom zu verhindern.

Washtis und Esthers Entscheidungssituationen sind für beide existentiell bedeutsam. Es stehen sich hier die Lebensalternativen zwischen dem Anspruch auf Erfüllung des individuellen Lebensglücks und der unbedingten Bereitwilligkeit, Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen.

In einer Zeit, wo wir immer deutlicher erkennen, dass in unserer Gesellschaft die Kluft zwischen dem, was an ethischem Handeln als notwendig erkannt wird, und dem, was man freiwillig zu leisten tatsächlich bereit ist, immer größer zu werden scheint, wird Esthers kompromissloses Eintreten für das von ihr als richtig Erkannte auf SchülerInnen und Schüler besonders provokant.

Die für Washti letztlich fatale Entscheidung ist hierbei nicht nur bedeutsam, weil sie Esther den Weg zum König ebnet, sondern sie lässt sich auch als Kontrastierung zu Esthers Entscheidung diskutieren. Diese Diskussion wird im Unterricht um so spannender, da sich die SchülerInnen zunächst viele eher mit der aus heutiger Sicht emanzipiert handelnden Washti identifizieren können als mit Esther. Hierbei ist es wichtig herauszuarbeiten, dass es der Willensentscheidung Esthers bedurft hat, damit der göttliche Heilsplan für sein Volk durch sie in Erfüllung gehen konnte.

 

Die Rettung der Juden

Esther fasst sich ein Herz und geht zu König Xerxes. Nach in diesem dramatischen, aber glücklich ausgehenden Zusammentreffen (5, 1. 1a-8) bittet Esther um ein gemeinsames Festessen mit Haman, um Xerxes in aller Offenheit über ihre jüdische Herkunft und über Hamans frevelhafte Absichten aufzuklären. Als nun Haman, schließlich doch nur eine tragikomische Figur, bei dem Versuch, Esther um Verzeihung zu bitten, sein Gleichgewicht verliert und auf ihr Ruhebett fällt und Xerxes nun glaubt, Haman wolle nicht nur den Juden, sondern auch seiner Frau Gewalt antun, ist es um ihn und seine Absichten geschehen (7,8ff).

Haman scheint sich letztlich durch sein tölpelhaftes Verhalten selbst zu entlarven. Allerdings soll mit dieser Darstellung nicht ausgesagt werden, dass Haman lediglich durch einen Irrtum des Königs überführt wird. Sein Niedergang deutet sich schon vorher an. Als dieser Mordechai wegen dessen Beihilfe bei der Niederschlagung der Palastrevolte öffentlich zu ehren hatte, prophezeit seine Frau Seresch, die ihm noch tags zuvor die Idee mit dem riesigen Galgen für Mordechai eingegeben hat, dass Haman gewiss durch Mordechai zu Fall kommen werden (6, 13). Mit dieser Voraussage weist Seresch, freilich ohne es zu ahnen, auf Gottes Handeln hin. Sein Sturz ist fürchterlich: eben noch als einziger Gast bei einem königlichen Festessen scheinbar hoch geehrt, wird er kurz darauf zum Tode verurteilt. Vielmehr soll deutlich gemacht werden, dass zum Plan Gottes gehört, dass sich das Böse in Gestalt Hamans sich angesichts der ihm entgegengehaltenen Wahrheit schließlich von allein entlarvt. Es hat allerdings der durch Esthers mutigen Plan geschaffenen Situation bedurft, damit das Böse die Selbstbeherrschung verliert und sich auf diese Weise dem Richter offenbart.

Dies Märchen endet so, wie ein Märchen, das man sich in der Situation der äußersten Bedrängnis erzählt, zu enden hat. Die Juden können sich nun mit Erlaubnis des Königs gegen ihre Feinde verteidigen. So wie einst die Wellen des Schilfmeers die Streitmacht des Pharaos unter sich begruben, erwehren sich die Juden mit Waffengewalt ihrer Gegner. Mordechai wird, wie vor ihm schon Joseph, der wichtigste Berater des Königs und tritt das Erbe Hamans an. Jedoch kommt Esther aufgrund ihres schicksalsschweren Entschlusses der entscheidende Anteil bei der Abwendung der drohenden Vernichtung ihres Volkes zu und wird daher zu Recht bis in die heutige Zeit als die Retterin Israels in einem fröhlichen Fest gefeiert werden.

 

Zur unterrichtlichen Umsetzung des Esther-Buches

Ziele:

  1. Strukturen und Motive des Antisemitismus erschließen: Der Pogrom.
  2. Kriterien ethischer Entscheidungen erkennen, unterscheiden und bewerten: Washti und Esther
  3. Zusammenhänge zwischen der Verwirklichung des göttlichen Heilsplans und der menschlichen Entscheidung erkennen: Esther stellt sich dem Willen Gottes.

 

Inhalte:

  1. Haman, ein Urbild des Antisemiten, veranlasst aus verletzter Eitelkeit und machtpolitischem Kalkül den Pogrom gegen die Juden.
  2. Die Gemeinsamkeit von Washtis und Esthers Verhaltensweisen liegt darin, dass beide eigenständige, d. h. freie Entscheidungen treffen, deren ethische Kriterien sich jedoch unterscheiden:
    2.1 Wahrung der persönlichen Integrität als Kriterium für Washtis Entscheidung, sich Xerxes' Befehl, vor seinem Hofstaat sich zu zeigen, zu widersetzen.
    2.2 Verantwortung für das Volk Israel als Kriterium für Esthers Entscheidung, gegen Xerxes' Anordnung, nicht ohne Erlaubnis vor ihm zu erscheinen, zu verstoßen.
  3. 3. Hinter dem Geschehen liegt das verborgene Walten Gottes, der zu seinem Volk steht und gegen alles Unrecht schon die Rettung bereitet. Es bedarf jedoch einer freien Entscheidung Esthers, um den Rettungsplan dergestalt zu verwirklichen.

 

Leitfragen für die Erschließung des Esther-Buches

I. Washti und Esther

1. Washtis Verstoßung vom königlichen Hof (Est. 1. 1-13)

  • Warum will Xerxes seine Ehefrau zum Höhepunkt des Festgelages vorführen lassen.?
  • Warum schlägt Washti Xerxes' Wunsch ab?
  • Was könnten die Kriterien ihrer Entscheidung sein?
  • Entwerft den Bericht eines Boten, der dem König Washtis Antwort darlegen soll.

2. Esthers Aufstieg zur Königin (Est. 1. 13 - 2. 20)

  • Wie verhält sich Esther gegenüber Mordechai und den anderen Männern?
  • Wie ist Esthers Verhalten im Vergleich zu Washtis zu bewerten?
  • Formuliert einen Brief, den die verstoßene Königin Washti der Königin Esther schreibt, in dem sie Stellung zu Esthers Aufstieg nimmt. Hausaufgabe: Dorothea.

 

II. Der Pogrom

3. Hamans Plan gegen die Juden (Est. 2, 21-3, 15)

  • Wodurch wird Hamans Haß auf die Juden geschürt?
  • Mit welchen Argumenten überzeugt Haman Xerxes von der vermeintlichen Gefährlichkeit der Juden?
  • Welche wahren Motive verfolgt Haman mit dem Vernichtungsplan?
    (alternativ: vor der Lektüre 3,7 - 11 und ausgehend von 3, 12. 13 a-g: Schreibt einen Dialog, in dem Haman Xerxes überzeugt, einen Pogrom gegen die Juden zu erlassen, anschließend Vergleich mit 3, 7-11)Hausarbeit: Möglichen Dialog zw. Haman und Artaxerxes anhand des Erlasses rekontruieren.

 

III. Esthers Entscheidung

4. Esther muss sich entscheiden (Est. 4, 1-4, 17)

  • Welche Entscheidungsmöglichkeiten hat Esther?
  • Wie hätte sich vermutlich Washti entschieden?
  • Welche Entscheidungskriterien legt Mordechai ihr vor?
  • Entwerft einen Plan, den Esther zur Rettung ihres Volkes entwickelt haben könnte.

5. Esther rettet ihr Volk (Est. 4, 17 - 10, 3)

  • Inwieweit wird in den verschiedenen Phasen Gottes Rettungshandeln deutlich?
  • Welche Bedeutung hat Esthers Entscheidung für die Rettung ihres Volkes?
  • Worin unterscheidet sich Washtis von Esthers ethischer Entscheidung?
  • Inwieweit können wir die Verhaltensweisen von Washti und Esther in unserer Zeit wiedererkennen?

 

IV - Warum entlarvt sich Haman wider Willen?

  • Welche Bedeutung kommt Hamans Frau Sensch zu?
  • Welche inhaltlichen Beziehungen bestehen zwischen dem Esther-Buch und anderen biblischen Texten?
     

Bei der unterrichtlichen Behandlung des Buches Esther ist vor allem in der Sekundarstufe I die Anwendung verschiedener phantasievoller und kreativer Methoden denkbar. Der anschaulich beschriebene königliche Palast un der Harem ließen sich malen, wichtige Szenen könnte man im Rollenspiel nachstellen, weitere Dialoge und auch Monologe ließen sich für die 'Leerstellen' entwerfen etc., bis hin zu der Inszenierung eines Schauspiels, in dem durch Nacherzählung und Rollenspiel die Geschichte von der Königin Esther aufgeführt werden kann.

Der hier vorgeschlagene Unterrichtsablauf versteht sich daher lediglich als ein Gerüst, das bereits, mit Blick auf die Sek I, einige Leitfragen zur Erschließung des Textes und Impulse für die kreative Umsetzung enthält.