Die Jahre 2020 und 2021 haben – erzwungenermaßen – zu einer intensiveren Beschäftigung mit digitalen Methoden, digitalen Tools und digitalem Unterricht geführt. Bereits vorher waren einige Kolleg*innen wahre Expert*innen, was den Einsatz von Microsoft-Teams oder IServ angeht. Nun aber ziehen viele andere nach und werden in Bezug auf digitalen Unterricht immer sicherer.
Dieser Text soll vor allen diejenigen ansprechen, die sich selbst noch nicht als Halb- oder Vollprofis im digitalen unterrichten verstehen.
Ich hoffe mit einigen Good-Practise-Beispielen weitere Anregungen für den Unterricht zu geben. 1)
Digitalen Unterricht planen
Auch eine Unterrichtstunde, die in einem virtuellen Raum stattfindet, wird von ihren Zielen und Inhalten her geplant: Was will ich erreichen? Womit sollen sich die Schüler*innen beschäftigen? Welche Methoden und Sozialformen sind dafür am besten geeignet? Welche Schritte führen zum Ziel? Wie wird der Inhalt gegebenenfalls für eine heterogene Gruppe aufgearbeitet? Welche zeitlichen Strukturen folgen daraus?
Man würde es sich allerdings zu einfach machen, wollte man so tun, als wäre eine digitale Unterrichtsstunde einfach die Umsetzung einer „präsentischen Stunde“ in den digitalen Raum. Tatsächlich gibt ein digitales System – welches auch immer – insofern etwas vor, als dass die räumliche Distanz didaktische und methodische Grenzen setzt. Bestimmte Unterrichtselemente, die sich im Klassenraum recht einfach umsetzen lassen, benötigen digital zumindest mehr Vorbereitungsaufwand und eine intensivere Planung.
Tatsächlich sind allerdings erstaunlich viele kollaborative und interaktive Elemente auch in Szenario C möglich.
Die digitale Unterrichtsstunde
1. Wenig frontal
Impulse sollten kurz gefasst sein, Präsentationen oder gar Vorträge auf ein Minimum reduziert werden.[1]
Alternativen zum digitalen Frontalunterricht
Digitale Kleingruppenarbeit in Breakout-Räumen
Möglichst wenig sollte im Plenum gearbeitet werden. Das Plenum ist gut geeignet für die Begegnung in der Gruppe und auch für kurze Arbeitsphasen, z.B. um Ergebnisse aus Arbeitsgruppen wahrzunehmen. Zur Gestaltung von intensiven Arbeitsphasen bieten sich hingegen Breakout-Räume an. Hier entscheidet die Lehrkraft, wie viele „Kleingruppen“ es geben soll und richtet entsprechend viele Räume ein, zu denen sich die Schüler*innen selbst zuteilen können oder zugeteilt werden. (Dies ist sowohl bei IServ als auch bei Microsoft Teams problemlos möglich, Anleitungen dazu finden sich im Netz.)
Digitale Einzelarbeit
Auch die Minimalform der Breakout-Session kann eingesetzt werden: die Einzelarbeit. Wie im präsentischen Unterricht auch können Schüler*innen auch digital zeitweilig allein arbeiten. Dabei können sie sich zum Beispiel mit anderen digitalen Tool beschäftigen, indem sie etwa einen Learningsnack bearbeiten. Sie können in der Einzelarbeit aber auch ganz analog arbeiten, indem sie – von Hand! – etwas schreiben oder zeichnen. Diese Ergebnisse könnten sie dann abfotografieren oder der Lehrkraft auf andere Weise zukommen lassen.
Einsatz digitaler Tools im Distanzunterricht
Grundsätzlich gilt: Wenn sowieso alle online sind, bietet es sich an, dies zu nutzen. So kann z.B. ein kurzer Videoclip oder ein Musikvideo zum Thema eingespielt, es können Recherche-Aufgaben vergeben oder mit Hilfe digitaler Tools Mind-maps oder Wortwolken erstellt werden.
Hier einige Beispiele für die Nutzung digitaler Tools:
www.mentimeter.com
Mentimeter ist ein Umfragetool.
Auf der Homepage können Umfragen erstellt werden, die dann mit einem entsprechenden Code unter www.menti.comausgefüllt werden können. Anschließend können die Ergebnisse präsentiert werden, die dann zu Diskussionen einladen. Sehr beliebt sind dabei sog. Wortwolken.
www.padlet.com
Ein Padlet ist eine digitale Tafel oder Pinnwand.
Die Schüler*innen erhalten einen Link zu einem bestimmten, von der Lehrkraft vorbereiteten Padlet und können die dort eingestellten Aufgaben bearbeiten. Padlet eignet sich besonders gut zum kollaborativen Arbeiten. Auf einem Padlet können Textdokumente eingestellt, Videos aus dem Netz verlinkt und Bilder hochgeladen werden. Es gibt insgesamt acht verschiedene Formen von Padlets: Wand, Leinwand, Liste, Storyboard, Regal, Unterhaltung, Karte, Timeline. Je nachdem, welche Idee für den Unterricht grundlegend sein soll, wählt die Lehrkraft die entsprechende Padletform aus.
www.learningsnacks.de
Die Learningsnacks eignen sich hervorragend als quizhafte Wissensabfrage (z.B. zur Klausurvorbereitung). Die Schüler*innen werden Schritt für Schritt durch Aufgaben geleitet, die die Lehrkraft zuvor erstellt hat. Videos und Links zu externen Seiten können problemlos eingebettet und abgerufen werden.
www.bookcreator.com
Auf dieser Seite können Lehrkräfte oder Schüler*innen Bilderbücher erstellen, die als pdf. gespeichert, verschickt oder ausgedruckt werden können.
www.mysimpleshow.com
My simple Show lädt zum kreieren kurzer Erklärvideos ein.
Auf zahlreiche weitere bekannte Tools sei hier nur summarisch hingewiesen: Oncoo, Kahoot, Learningapps usw. Dazu finden sich bei Youtube gute Erklärvideos.
Digitale Ergebnissicherung
Distanzunterricht setzt (fast gezwungenermaßen) mehr auf die Selbstständigkeit der Schüler*innen als es der präsentische Unterricht tut. Hier gilt es, Methoden zur Ergebnissicherung und Wiederholung zu schaffen. Besonders gut bietet sich dazu z.B. ein Learningsnack an, weil hier die Kontrolle innerhalb des Snacks selbst erfolgt und die Schüler*innen so eine Rückmeldung erhalten, was sie bereits können und was nicht (dazu s.o.).
2. Pausen
Pausen sind wichtig. Alle können sich mal bewegen, in die Ferne blicken, essen oder trinken. Einige bleiben evtl. auch im Chat oder chatten nebenbei in einem Messenger weiter. Erfahrungsgemäß ist ein Video-Treffen dann angenehm, wenn der Eindruck entsteht, es sei eigentlich ein bisschen zu viel Pause eingeplant.
So empfiehlt sich folgende Struktur für ein Video-Treffen von 90 Minuten:
0:00 Begrüßung, Einstieg ins Thema
0:20 Pause von 10 min
0:30 Vertiefung des Themas – möglichst nicht nur im Plenum
0:55 Spiel
1:00 Pause von 10 min
1:10 Bündelung, spielerischer oder unterhaltsamer Ausklang
1:30 Schluss
Es versteht sich, dass diese Struktur der konkreten Unterrichtsplanung angeglichen wird. So kann z.B. die erste Pause auch mal etwas länger oder/und die zweite etwas kürzer sein. Die Arbeitsphasen können auch anders aufgeteilt werden. Gelegentlich bietet es sich auch an, Schüler*innen in Breakout-Räume zu schicken, in denen sie selbstständig die Pause einbauen.
3. Digitales Tuscheln mit dem Nachbarn – der Chat
In der Chatfunktion können die Teilnehmenden Nachrichten ans Plenum schreiben. Ebenso ist es möglich, Direktnachrichten an Einzelne zu verfassen. Der Chat kann auch spielerisch entdeckt werden, z.B. mit dem Blick-Duell-der-Samurai (siehe unten).
Der Chat mit Direktnachrichten kann sowohl methodisch genutzt werden, z.B. für kurze Partner-Arbeit, für die nicht extra in Breakout-Räume gegangen werden soll. Außerdem sind die Direktnachrichten ein guter Ersatz für das Tuscheln mit den Nachbar*innen, wie es im präsentischen Unterricht stattfinden würden. So können die Schüler*innen kleine Nebenbemerkungen loswerden, ohne auf einen anderen Messenger auszuweichen. Sie bleiben also im Zoom-Raum und begegnen dort anderen auf eine persönliche Weise.
Die Schüler*innen sollten aber auch ermuntert werden, im Chat etwas für das ganze Plenum zu schreiben. Sie können Fragen notieren, die dann nicht verloren gehen. Es hat sich aber auch bewährt, im Chat kleine Bemerkungen einzustreuen, die oft witzig sind, andere zu Reaktionen zu provozieren und so in Momenten, die dann doch mal etwas frontaler sind, für Auflockerung zu sorgen. Gleichzeitig bleiben die Schüler*innen so aber bei der Sache. Für die Leitung wirkt so ein mitlaufender Chat womöglich auf den ersten Blick störend. Es hat sich aber gezeigt, dass die Teilnehmenden durch den Chat stärker involviert werden – im besten Fall entsteht so ein gemeinsames Arbeiten, auch wenn die Leitung gerade etwas präsentiert.
Wenn der Chat zu albern wird oder vom Thema abweicht, wird diese Störung unmittelbar sichtbar und kann Vorrang bekommen.
4. Digitale Spielereien für zwischendurch[2]
- Schreibübungen: Alle Schüler*innen nehmen einen kleinen Zettel (ca. DIN A6) und einen Stift zur Hand. Sie halten sich den Zettel vor die Stirn und versuchen, ihren Namen darauf zu schreiben. Das sieht in den Kacheln lustig aus. Die Ergebnisse werden in die Kamera gehalten.
- Die Schüler*innen spielen das Chat-Duell-der-Samurai: Alle schreiben einen Namen in den Chat. Auf ein Kommando der Spielleitung hin senden alle gleichzeitig den Chatbeitrag ab. Wenn zwei Personen sich gegenseitig genannt haben (z.B. Pia hat „Frank“ geschrieben und Frank hat „Pia“ geschrieben), dann scheiden diese beiden aus. Zum Zeichen dafür heben sie z.B. die Hand (virtuell oder in echt) oder verdecken ihre Kamera. Wer jetzt den Namen einer bereits ausgeschiedenen Person schreibt, scheidet ebenfalls aus. (Zu Beginn gibt es meist einige Runden, in denen niemand ausscheidet. Je weniger Personen aber noch mitspielen, desto schneller lichtet sich das Feld.)
- Porträt zeichnen: Die Schüler*innen malen die Person, die z.B. rechts neben ihnen in der Kachel zu sehen ist. Einzelne halten ihr Bild in die Kamera, die anderen raten, wer gemeint ist. (Das Spiel kann später fortgesetzt werden und sich so über die ganze Einheit erstrecken.)
- Pantomime: Die Lehrkraft schaltet eine*n Schüler*in stumm und schickt ihm*ihr per Einzelchat einen Begriff zu, der dann pantomimisch dargestellt werden muss.
Figuren bilden: Eine Person beginnt und wählt den ‚Galerie-Modus‘ für das Video-
konferenz-Tool aus, in der die Miniaturansichten aller Personen in
einem Rasterformat angezeigt werden. Nun sagt die Person eine
Figur wie Dreieck, Herz, Quadrat, der Buchstabe „A“, Baum, Haus, …und leitet die anderen an, ihre Arme und Hände nach oben/unten oder links/rechts zu bewegen, um die Form mit Hilfe der gesamten Gruppe nachzubilden. Wenn es euch gelungen ist, die Form herzustellen, macht die Person ein Bildschirmfoto und teilt es mit allen.
[1] Auf vocaroo.com findet sich ein kostenfreies Tool, mit dem man sehr einfach Sprachnachrichten aufnehmen kann. Hier können Aufgabenstellungen und Impulse, aber auch zeitliche Vorgaben eingesprochen werden. Per Link oder QR-Code können die Schüler*innen diese jederzeit anhören. So muss ein Impuls beispielsweise nur einmal ins Plenum gegeben werden. Wer ihn nicht gleich verstanden oder wieder vergessen hat, kann ihn dann jederzeit nachhören.
[2] Weitere Ideen finden sich hier: https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/ Digitale-Interaktion-Vertrauenskarten.