RPI: Sie haben sehr viel theologische Berührungen mit Religion, das man merkt. Gibt es nicht doch eine Geschichte mit Religion in ihrer Biografie?
Hub: Ich bin katholisch erzogen worden und war zeitweise auch Ministrant – kein besonders zuverlässiger. Besonders beeindruckt und beeinflusst aber haben mich schon seit meiner Jugend die Filme von Ingmar Bergman, bekanntlich Sohn eines Pastors, der sich in vielen seiner Filme mit der Frage nach Gott auseinandersetzt.
RPI: Sie gelten als Kinderbuchautor. War das ihr Ziel? Und wie finden Sie das?
Hub: Ich versuche, Geschichten zu erzählen über Themen wie Gut und Böse, Wahrheit und Lüge, Leben, Einsamkeit und Tod – aber so einfach, dass es auch Kinder verstehen. Mit Tierfiguren kann man viel gnadenlosere Geschichten erzählen. Stellen Sie sich mal vor, Menschen würden sich so verhalten wie in meinen Theaterstücken und Büchern. Meine Tierfiguren sind in Wirklichkeit nur Tarnung, um mit Kindern gesellschaftliche Fragen zu behandeln – allerdings ohne belehrend zu sein und mit Humor.
RPI: Hier sind nun einige Lehrer*innen – und ganz ehrlich, uns allen macht das Lesen auch sehr viel Spaß und wir verstehen die Bücher manchmal tatsächlich anders als die Kinder. Einige von uns haben das schon gemerkt: Wenn wir lachen, lachen die Kinder an ganz anderen Stellen. Das ist eine spannende Erfahrung. Also erreichen Sie genau das, was Sie wollen.
Hub: Danke, das freut mich sehr zu hören.
RPI: 2017 wurde in einem Theater das Stück über das Känguru abgesetzt, weil es gar keine Zuschauer gab. Was macht das mit Ihnen?
Hub: Als die Zuschauer ausgeblieben sind, hat das Theater das Gespräch mit Lehrkräften und Eltern gesucht und festgestellt, dass es da starke Berührungsängste gibt. Offenbar haben viele Eltern ihre Kinder für den Tag des geplanten Theaterbesuchs krankgemeldet. Daraufhin gab es am Theater auch die Überlegung eines »Jetzt erst recht«. Aber es macht keinen Sinn, vor einem leeren Zuschauerraum zu spielen. In der Zwischenzeit haben viele Theater anderer Städte das Stück auf den Spielplan gesetzt. Nur Erwachsene haben ein Problem mit der Geschichte. Kinder finden sie in erster Linie unterhaltsam. Sie haben eine völlig andere Erlebniswelt als Erwachsene. Jedenfalls ist es völlig realitätsfern, wenn Erwachsene behaupten, Kinder würden nichts über die Existenz von Schwulen und Lesben wissen und man dürfe sie nicht damit in Berührung bringen. Vermutlich denken viele Eltern, bei dem Stichwort »schwul« geht es automatisch um Sexualität, und stellen sich auf der Bühne hoppelnde und kopulierende schwule Kängurus vor. Dabei geht es einfach nur um Liebe. Es gibt eben Männer, die Frauen lieben und Männer, die Männer lieben, und Frauen, die Männer lieben, und Frauen, die Frauen lieben, und Kinder, die Pizza Margherita lieben, und Erwachsene, die Pina Colada lieben – es geht um Vorlieben. Wenn es Bedenken gibt, können diese nur durch gemeinsame Gespräche herausgefunden und geklärt werden.
RPI: Gibt es eines ihrer Bücher, das ihr Lieblingsbuch ist?
Hub: Das hab ich nicht. Außerdem ändert sich das immer wieder. Gerade im Augenblick mag ich »Lahme Ente, blindes Huhn« besonders gern, weil es mit der größten Einfachheit erzählt wird. Es treten nur zwei Figuren auf, und die Handlung wird ohne Unterbrechungen in Echtzeit erzählt. Die Geschichte dauert genauso lange, wie man sie vorliest.
RPI: Wie ist das für Sie, wenn sie wissen, dass mit Ihren Büchern Unterricht gemacht wird in Religion, so wie wir hier alle mit Ihrem Buch in unseren Unterricht gehen? Wie finden Sie das?
Hub: Ich hatte damit überhaupt nicht gerechnet. Es hat sich so ergeben. Eigentlich habe ich schon immer gerne Autoritäten hinterfragt – so gesehen bin ich ganz froh, dass meine Bücher eine Rolle in der Bildung spielen – vor allem, da es keine verbindliche Interpretation gibt; jeder darf in den Geschichten sehen, was er will.
RPI: Kommen wir noch mal auf den Käsekuchen in der Arche zurück: Gott isst also gerne Käsekuchen. Wie kommt man auf sowas? Und warum ausgerechnet Käsekuchen?
Hub: Das ist einfach ein komischer Begriff oder nicht? Das sind doch zwei Sachen, die nicht zusammenpassen. Und irgendwie klingt das auch komisch, ich meine „Käse und Kuchen“?
RPI: Ihre Bücher werden in verschiedene Sprachen übersetzt und sind auch international erfolgreich. Macht Sie das stolz?
Hub: Stolz – das Wort mag ich nicht, aber natürlich freue ich mich, wenn viele Menschen in unterschiedlichen Ländern meine Bücher kennen, darüber nachdenken und reden.
Interessanterweise stehen meine Bücher in Osteuropa auf einer anderen Ebene als hier. Sie sind auf einer Ebene mit Erwachsenenbüchern, denn da steht das depressive Thema eher im Vordergrund. Alle meine Figuren, alle meine Tiere sind irgendwie verlassen. Eine lahme Ente lebt ganz allein in einem Hinterhof – wo sind eigentlich alle anderen Enten? Hat sie keine Freunde oder Geschwister? Eine Schafsherde wird von ihren Hirten mitten in der Nacht allein gelassen, weil es irgendwo eine Sensation zu sehen gibt. Kinder verstehen die Analogie sofort.
RPI: Die Verfilmung von „Das letzte Schaf“ ist ein bisschen anders als das Buch. Wie kommt das?
Hub: Ich habe mich in die Verfilmung nicht eingemischt. Film, Theater und Buch – das sind ganz unterschiedliche Medien.
RPI: Welche Bücher haben Sie selbst geliebt als Kind?
Hub: Otfried Preusslers „Krabat“ ist für mich noch immer eins der besten Bücher aller Zeiten. Ich habe Grimms Märchen geliebt, die Mythen und die tiefen Wahrheiten darin und die Message in den Märchen. Mein Lieblingsbuch ist immer noch Fontanes Effi Briest, weil die gesellschaftliche Grausamkeit dort so genau beschrieben wird – aber leise und unterschwellig. Und ich bin sehr gerne und sehr viel im Kino gewesen. Neben Bergman ist Rainer Werner Fassbinder ein wichtiger Regisseur.
RPI: Ist Ihnen das wichtig, dass religiöse Elemente wie Vergebung in den Büchern auftauchen?
Hub: Verzeihen und vergeben bedeuten ja auch eine eigene Befreiung. Ich finde das sehr wichtig ganz weg von Theologie. Wenn ich verzeihe, dann bin ich letztlich auch selber frei.
RPI: Vielen herzlichen Dank für dieses schöne und offene Gespräch.
Bianca Reineke, Öffentlichkeitsarbeit des RPI